FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 3 K 3219/16

Kindergeldanspruch eines auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Berechtigten

Zuflussprinzip gilt nicht bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht

Leitsatz

1. Ein Kindergeldanspruch gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG besteht nur in denjenigen (einzelnen) Monaten, in denen der Kindergeldberechtigte inländische Einkünfte erzielt hat.

2. Für die Frage, ob im jeweiligen Monat inländische Einkünfte erzielt wurden, kommt es nicht auf den Zufluss von Einnahmen, sondern auf die Ausübung einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Inland an. Dies gilt unabhängig von der verwirklichten Einkunftsart sowie bei Gewinneinkünften auch unabhängig von der gewählten Gewinnermittlungsart.

3. § 1 Abs. 3 EStG ist ein Sonderfall der beschränkten Steuerpflicht.

4. Bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht wird das Zuflussprinzip durch den Veranlassungszusammenhang mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Inland ersetzt.

Gesetze: EStG § 1 Abs. 3, EStG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, EStG § 49, EStG § 11, EStG § 4 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 3

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten wegen der Kindergeldberechtigung bei Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EinkommensteuergesetzEStG – um die Frage, ob es für die Erzielung inländischer Einkünfte auf den Zufluss oder die Tätigkeit ankommt, für den Streitmonat Mai 2012.

Verfahrensgegenständlich waren ursprünglich die Monate Januar und Februar 2011, Januar, März bis Mai, Juli, September und Dezember 2012 und Januar, März und Juli bis August 2013. Bezüglich 02/11, 01/12, 12/12, 01/13, 03/13, 07/13 und 08/13 hat die beklagte Familienkasse im Laufe des Klageverfahrens abgeholfen und Kindergeld festgesetzt, die Beteiligten haben insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt (FG-A Bl. 30, 36, 40, 52). Bezüglich 01/11, 03/12, 04/12, 07/12 und 09/12 hat der Kläger die Klage zurückgenommen (FG-A Bl. 46, 52). Streitig geblieben ist 05/12.

I.

Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern (geboren 1999 und 2005) in D. in Polen. In den Jahren 2011 bis 2015 erbrachte der Kläger in Deutschland selbständig Bauarbeiten, wie Fußbodenarbeiten, Fliesenverlegung, Malerarbeiten, Abrissarbeiten, Schleifarbeiten, Entsorgung u. ä. (Gewerbeanmeldung zum vom KG-A Bl. 17, Betriebsstätte „c/o Büroservice E., F.-straße, G.”), die er seinen Auftraggebern jeweils in Rechnung stellte. Die Einsatzorte befanden sich auf unterschiedlichen Baustellen überwiegend in G., aber auch an anderen Orten wie H. und I.. Im Rahmen der Auftragsabwicklung hielt sich der Kläger teils in der Wohnung seines Hauptauftraggebers in G. auf (J., K.-straße, G.) und bei auswärtigen Aufträgen am jeweiligen Auftragsort. Diese Aufenthalte hatten jedoch keinen Umfang, der zu einem gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AbgabenordnungAO –) im Inland geführt hätte, weswegen er auf seinen Antrag vom Finanzamt – FA – Cottbus (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 20 Alt. 2 Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmer [Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung – UStZustV –] i. V. m. § 20a Abs. 1 Satz 1 AO) für die Jahre 2011 bis 2013 nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt wurde. Aus den Bescheiden (für 2011 vom KG-A Bl. 64, für 2012 vom KG-A Bl. 98, für 2013 vom KG-A Bl. 113) ergeben sich jeweils ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Veranlagungen für 2014 und 2015 sind noch nicht abgeschlossen, weswegen die Familienkasse für diese Jahre im Einverständnis mit dem Kläger noch nicht entschieden hat, die Entscheidung vielmehr auf die Zeit bis Ende 2013 beschränkt wurde (KG-A Bl. 125, 170: „Zeitabraumabtrennung bis Dez 13”).

II.1.

Beim Kindergeldantrag vom gab die mitunterzeichnende Ehefrau an, sie sei damit einverstanden, dass dem Kläger das Kindergeld gezahlt werde (KG-A Bl. 7).

2.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom (KG-A Bl. 29) abgelehnt, wogegen der Kläger am Einspruch einlegte.

3.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte der Kläger im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, wonach ein Kindergeldanspruch gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) EStG nur besteht für diejenigen (einzelnen) Monate, in denen der Kindergeldberechtigte inländische Einkünfte erzielt, Rechnungskopien und Bankkontoauszüge vor. Die Rechnungen enthalten u. a. jeweils eine Nummer, ein Rechnungsdatum, die Anschrift des Bauvorhabens und den Ausführungszeitraum. Sie wurden teils durch Banküberweisung, teils bar beglichen. Es ergibt sich (KG-A Bl. 127-162) folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rg.-Nr.
Datum
Ausführungszeitraum
Zahlungseingang
01/11
11.02.-
2/11
14.03.-
03/11
04.04.-
teils Bank , teils bar
04/11
02.05.-
Bank
05/11
01.06.-
06/11
25.07.-
Bank
07/11
September 2011
Bank
08/11
Oktober 2011
Bank
09/11
November 2011
Bank
10/11
Dezember 2011
bar z.T. , teils
01/12
Dez. 2011/Jan. 2012
Bank
02/12
Dez. 2011/Jan. 2012
Bank
03/12
Juni-Juli 2012
Bank
04/12
Mai-Juni 2012
bar
05/12
Oktober 2012
bar
06/12
Oktober 2012
bar
07/12
November 2012
bar
08/12
November 2012
bar
01/13
Dez. 2012/Jan. 2013
bar
02/13
Jan. 2013/April 2013
bar
03/13
November 2012
bar
04/13
April 2013
bar
05/13
ohne Angabe
bar
06/13
Juni 2013
bar
07/13
August-September 2013
bar
08/13
Juni-August 2013
bar
09/13
September-Oktober 2013
bar
10/13
Oktober-November 2013
bar
11/13
Juni-Juli 2013
bar
12/13
November-Dezember 2013
bar

4.

Mit Teilabhilfebescheiden vom setzte die Familienkasse Kindergeld für die beiden Kinder fest für 03/11 bis 12/11 (KG-A Bl. 172), 02/12, 06/12, 08/12 und 10/12 bis 11/12 (KG-A Bl. 175) und 02/13, 04/13 bis 06/13 und 09/13 bis 12/13 (KG-A Bl. 178). Im Anschluss wies sie den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom (KG-A Bl. 194) als unbegründet zurück. In der Begründung der Einspruchsentscheidung ist ausgeführt, in den Monaten 01/12, 03/12 bis 05/12, 07/12, 09/12 bis 12/12, 01/13, 03/13 und 07/13 bis 08/13 seien keine Einkünfte in Deutschland erzielt worden.

III.

Hiergegen erhob der Kläger am Klage. Auf verschiedene Hinweise des Berichterstatters kam es zu weiteren Abhilfen sowie zur Klagerücknahme für einzelne Monate (vgl. oben). Damit ist nur noch Mai 2012 im Streit.

Der Kläger verweist auf die Rechnung Nr. 04/12 mit dem Ausführungszeitraum Mai-Juni 2012 und vertritt die Auffassung, es komme nicht auf die Zuflusszeitpunkte, sondern auf die Tätigkeitsmonate an.

Der Kläger beantragt (vgl. FG-A Bl. 1, 52),

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Kinder B. und C. für den Monat Mai 2012 Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt (FG-A Bl. 30),

die Klage abzuweisen.

Die Familienkasse vertritt die Auffassung, ein Kindergeldanspruch bestehe nur in denjenigen Monaten, in denen ein Zufluss i. S. v. § 11 EStG erfolgt sei, und verweist dazu auf die Rechtsprechung des BFH, insbesondere das Urteil vom III R 59/11, DStRE 2014, 3, Juris Rn. 50.

IV.1.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet gemäß § 90 Abs. 2 FGO sowie Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter

anstelle des Senats erklärt gemäß § 79a Abs. 3, Abs. 4 FGO (Kläger: FG-A Bl. 52, Familienkasse: FG-A Bl. 30).

2.

Ein Ausdruck der elektronischen Kindergeldakte 9… FK 6… Bl. 1-199 lag vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet (§ 101 Satz 1 FinanzgerichtsordnungFGO –).

Dem Kläger steht für Mai 2012 Kindergeld für seine beiden Kinder gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG zu, weil er (für das Jahr 2012 vom zuständigen FA gemäß § 1 Abs. 3 EStG veranlagt wurde und) in diesem Monat inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat, indem er von seiner Betriebsstätte in G. aus in diesem Monat ausweislich der Rechnung Nr. 04/12 gewerblich tätig war. Auf die Frage, ob in diesem Monat ein Zahlungseingang erfolgt ist, kommt es entgegen der Auffassung der Familienkasse nicht an.

I.

Der Senat geht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH davon aus, dass der Anspruch gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG nur in denjenigen (einzelnen) Monaten besteht, in denen der Kindergeldberechtigte inländische Einkünfte erzielt hat; davon geht auch der Kläger zu Recht aus.

II.

Käme es für die Frage der Erzielung inländischer Einkünfte auf den Zufluss an, wären dies diejenigen Monate, in denen eine Zahlung für die inländische Tätigkeit beim Kläger einging; ein Zufluss für den Streitmonat Mai 2012 ist vom Kläger nicht dargetan.

Käme es für die Frage der Erzielung inländischer Einkünfte auf den Zeitraum der inländischen Tätigkeit an, so ist eine Tätigkeit im Streitmonat Mai 2012 durch die Rechnung Nr. 04/12 nachgewiesen, was auch die Familienkasse nicht in Abrede stellt.

III.1.

Im Urteil vom III R 28/12, BFH/NV 2014, 493, Juris Rn. 15, 17, hat der BFH die Frage offen gelassen.

2.

In sieben Urteilen, die alle ausschließlich nichtselbständig (sozialversicherungspflichtig) tätige Kindergeldberechtigte betrafen, hat der BFH jeweils mehr oder minder deutlich ausgesprochen, jeweils nur in obiter dicta im Rahmen einer Zurückverweisung, dass es auf den Zufluss ankomme, und dazu jeweils § 49 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 11 EStG zitiert (Urteil vom V R 43/11, DStRE 2013, 449, Juris Rn. 33; Urteil vom III R 58/11, BFH/NV 2014, 145, Juris Rn. 27; Urteil vom III R 63/10, BFH/NV 2014, 12, Juris Rn. 20; Urteil vom III R 59/11, DStRE 2014, 3, Juris Rn. 50; Urteil vom XI R 8/12, BFH/NV 2014, 495, Juris Rn. 36; BFH/NV 2014, 313, Juris Rn. 33; Urteil vom III R 14/14, BFH/NV 2015, 1187, Juris Rn. 37).

3.

Daraus folgt jedoch nichts für den hiesigen Fall, in dem der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG) erzielt hat.

IV.1.

Vielmehr ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bei den deswegen sogenannten Gewinneinkunftsarten, wozu auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb zählen, der Gewinn gemäß § 4 EStG grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, weswegen bei Gewinneinkünften § 11 nicht gilt (Krüger in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 11 Rn. 4). Daraus ergibt sich, dass es für die Frage der Einkünfteerzielung nicht auf den Zufluss ankommen kann. Der Gewinn ist gemäß § 4 EStG periodisch zu ermitteln. Zu erfassen sind alle Tätigkeiten im betrieblichen Zusammenhang zwischen Betriebsaufnahme und Betriebsaufgabe. Dies gilt nicht nur im Falle unbeschränkter Steuerpflicht, sondern auch bei beschränkter Steuerpflicht i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

2.

Bereits daraus folgt, dass es für die Einkünfteerzielung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) Alt. 1 EStG ausreicht, dass der Kläger im Streitmonat von seiner inländischen Betriebsstätte (Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 2 Nr. 1 AO) aus tätig geworden ist.

3.

Der aus § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG abzuleitende Begriff der Einkünfteerzielung ändert sich auch nicht dadurch, dass ein Steuerpflichtiger im Einzelfall gemäß § 4 Abs. 3 EStG statt der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung wählt. Der Frage, in welcher Weise der Kläger im Jahr 2012 seinen steuerlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelt hat, braucht der Senat daher nicht nachzugehen.

V.

Im Übrigen würde der Senat der Rechtsprechung des BFH, wonach es auf den Zufluss ankommen soll, selbst dann nicht folgen, wenn auch hier Einkünfte aus nichtselbständiger Art vorlägen.

1.a)

§ 1 Abs. 3 EStG ist ein Sonderfall der beschränkten Steuerpflicht.

Zwar heißt es im Einleitungssatz von § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG, in den dort genannten Fällen würden die Antragsteller „als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt”, was der Vorschrift verbreitet das Etikett „fiktive unbeschränkte Steuerpflicht” eingetragen hat. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, denn wie sich aus dem zweiten Satzteil von § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG ergibt, werden gerade nicht die Welteinkünfte, wie bei der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern nur die inländischen Einkünfte gemäß § 49 EStG, wie bei der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG, besteuert. Es handelt sich bei § 1 Abs. 3 EStG daher der Sache nach um eine besondere beschränkte Steuerpflicht (Lehner/Waldhoff in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. D2 und D172 Stand November 2003).

Die Frage, wann Einkünfte erzielt werden, ist daher bei § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 4 EStG gleichlautend zu beantworten, nämlich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Satzteil und § 49 EStG. Vom Ansatz her zu Recht bezieht sich der BFH in seinen zahlreichen obiter dicta (vgl. vorstehend III.2.) daher auf § 49 EStG.

b)

Während die unbeschränkte Steuerpflicht eine Statuspflicht kraft Wohnsitzes oder Aufenthaltes ist, tritt die beschränkte Steuerpflicht nur und dann ein, wenn ein Tatbestandsmerkmal gemäß § 49 EStG erfüllt wird (Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rn. A 350 Stand Juli 2011). Personen ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt sind daher nicht per se beschränkt einkommensteuerpflichtig, sondern nur, wenn sie bestimmte Einkünfte i. S. v. § 49 EStG erzielen (so § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil und § 1 Abs. 4 EStG). Anknüpfungspunkt ist jeweils die inländische Quelle der Einkünfte, nämlich bei gewerblichen Einkünfte die inländische Betriebsstätte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und bei selbständigen und nichtselbständigen Einkünften die inländische Tätigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG). Während die ESt bei unbeschränkter Steuerpflicht eine reine Personensteuer ist, hat die ESt bei der beschränkten Steuerpflicht einen stark objektsteuerartigen Charakter (Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 49 Rn. 1, Rn. 13). Inländische Einkünfte werden hier erzielt, sobald ein Tatbestand von § 49 EStG verwirklicht ist. Daraus ergibt sich, dass das Zuflussprinzip bei der beschränkten Steuerplicht nicht gilt, sondern durch den Veranlassungszusammenhang mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Inland ersetzt wird (Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Aufl. 2013, § 1 Rn. 30 und § 49 Rn. 64; , DStR 2002, 439, Juris Rn. 13).

Auch bei den Überschusseinkünften, insbesondere den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, werden Einkünfte daher bei beschränkter Steuerpflicht aus steuersystematischen Gründen nicht erzielt, wenn der Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 EStG erfolgt, sondern wenn der Tatbestand des § 49 EStG erfüllt wird, bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit daher häufig dann, wenn die Arbeit im Inland ausgeübt wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a) Alt. 1 EStG).

2.a)

Außerdem ist § 11 EStG seinem Wortlaut nach eine Bestimmung, die die Zuordnung zu einem bestimmten Kalenderjahr, nicht aber zu einem bestimmten Kalendermonat regelt. Ob man über den Wortlaut hinaus dieser Bestimmung – letztlich im Wege der analogen Anwendung – eine Bedeutung auch im Falle der notwendigen Zuordnung zu einem bestimmten Monat entnehmen kann, erscheint zweifelhaft.

b)

Gegen eine derartiges allgemeines Prinzip spricht § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen gilt, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Lohnzahlungszeitraum ist aber der Zeitraum, für den der laufende Arbeitslohn gezahlt wird (z. B. Monatslohn) (Krüger in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 38a Rn. 3). Jedenfalls bei der Lohnsteuer kommt es für die Periodenabgrenzung daher auf die Tätigkeit, nicht auf den Zufluss an.

Im Übrigen ist auch der Vorschrift des § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG jedenfalls ihrem Wortlaut nach nur eine Abgrenzung für Kalenderjahre, nicht für Kalendermonate zu entnehmen.

3.

Selbst wenn man den bisherigen Erwägungen nicht folgen wollte, ergäbe sich das gleiche Ergebnis aufgrund verfassungskonformer und unionsrechtskonformer Auslegung, was hier nur kurz angedeutet sei:

a)

Der Zuflusszeitpunkt ist schon bei nichtselbständiger Arbeit, etwa bei Insolvenzsituationen des Arbeitgebers, oft verspätet und daher zufällig. Es ließe sich unter dem Gesichtspunkt der gleichen Behandlung gleicher Lebenssachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GrundgesetzGG –) kaum begründen, warum bei Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG ein Grenzeinpendler, dessen Arbeitgeber in Zahlungsschwierigkeiten ist und daher für mehrere Monate die Arbeitsentgelte zunächst nicht zahlt, dann in einer Summe nachzahlt, für die Monate ohne Auszahlung kein Kindergeld bekommen sollte, anders als die Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber pünktlich zahlt, oder warum ein Grenzeinpendler, dessen Arbeitgeber normalerweise kurz vor Monatsschluss die Arbeitsentgelte zahlt, wegen Fehler in der Buchhaltung aber einmal kurz nach Monatsende, der daher zufällig in einem Monat kein und im Folgemonat zwei Entgelte erhält, für einen Monat keinen Kindergeldanspruch haben soll.

Erst recht ist es bei „selbständig” Tätigen, egal ob freiberuflich oder gewerblich, von Zufällen ihrer Arbeits- und Vertragsgestaltungen und den Anforderungen ihrer Auftraggeber, denen sie sich oft nicht entziehen können, abhängig, ob sie in kürzeren oder längeren Perioden abrechnen und wie pünktlich ihre Auftraggeber ihre Rechnungen begleichen. Von solchen Zufälligkeiten den Kindergeldanspruch abhängig zu machen, erscheint vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG kaum begründbar.

b)

Da sowohl § 1 Abs. 3 als auch § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) EStG letztlich der Gewährleistung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. Dienstleistungsfreiheit, ggf. der zu deren Umsetzung erlassenen Richtlinien und Verordnungen, dient, gilt bei der Art und Weise der Umsetzung in nationales Recht der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz. Es würde aber die entsprechenden Rechte, soweit die Kindergeldberechtigten, wie hier, im einem Mitgliedsstaat der EU ansässig sind, unverhältnismäßig erschweren und ggf. praktisch leerlaufen lassen, wenn der Kindergeldanspruch nicht an die (selbständige oder unselbständige) Tätigkeit, sondern an den Entgeltzufluss anknüpfen würde.

VI.1.a)

Die Revisionszulassung ist zwar nicht wegen Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO, geboten, weil die Entscheidungen des BFH (oben III.2.) zu Kindergeldberechtigten mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ergingen, im hiesigen Fall jedoch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt wurden, so dass ein anderer Sachverhalt vorliegt. Außerdem handelt es sich nur um obiter dicta, von denen abzuweichen keine Divergenz begründet (Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 115 Rn. 54).

b)

Die Revision wird aber zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO, zugelassen. Es erscheint klärungsbedürftig, ob bei gemäß § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Beziehern gewerblicher Einkünfte die Kindergeldberechtigung für die einzelnen Monate davon abhängt, ob im jeweiligen Monat die gewerbliche Tätigkeit im Inland ausgeübt oder im betreffenden Monat ein Entgelt zugeflossen ist. Fälle selbständiger einpendelnder Bauhandwerker sind im hiesigen Grenzgebiet zu Polen häufig.

2.a)

Die Kostenentscheidung ergibt sich wie folgt:

Für die 5 Monate der Klagerücknahme trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 136 Abs. 2 FGO.

Für die 7 Monate der Abhilfe im Klageverfahren und übereinstimmender Erledigungserklärung trägt die Familienkasse die Kosten gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Ein Fall des § 137 Satz 1 (i. V. m. § 138 Abs. 2 Satz 2) FGO liegt nicht vor, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht wurden.

Für den einen Monat der streitigen Entscheidung trägt ebenfalls die Familienkasse die Kosten gemäß § 135 Abs. 1 FGO, so dass sich insgesamt (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO) ein Verhältnis von 5 Monaten zu 8 Monaten ergibt.

b)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZivilprozessordnungZPO –.

3.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 FGO).

4.

Der Berichterstatter hat von dem Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung allein durch ihn (§ 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO) keinen Gebrauch gemacht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAG-40472