NWB Nr. 10 vom Seite 640

Manipulierbare Kassensysteme: Hersteller haften persönlich für hinterzogene Steuern ihrer Kunden

Christian Herold, Herten/Westf. *

Das NWB UAAAE-82670 entschieden, dass der Geschäftsführer einer Firma, die Kassensysteme mitsamt Manipulationssoftware herstellt und vertreibt, für die Steuern haftet, die ein Kunde unter Nutzung dieser Software hinterzogen hat.

Der Antragsteller ist Geschäftsführer einer GmbH, die Kassensysteme herstellt und vertreibt. Zu seinen Kunden gehörte auch der Besitzer eines Eiscafés. Im Rahmen einer Außen- und Steuerfahndungsprüfung bei diesem wurde festgestellt, dass er die in seinem Kassensystem erfassten Daten manipuliert hat, und zwar mithilfe des Programms „Asteroids.exe“. Die Minderung der tatsächlich erzielten Umsätze führte letztlich zu einem Steuerschaden von rund 1,9 Mio. €.

Im Steuerstrafverfahren räumte der Besitzer des Eiscafés die Manipulationen in vollem Umfang ein. Er gab an, der Antragsteller habe ihm das Kassensystem verkauft und ihn auch in die Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen. Dabei sei ihm versichert worden, die Software könne „völlig risikolos“ eingesetzt werden. Das LG Koblenz verurteilte den Hinterzieher zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Anschließend wurde gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Darüber hinaus erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid, mit dem der Antragsteller für die Steuerrückstände des Eiscafé-Besitzers in Haftung genommen wurde.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein. Er behauptete, das Manipulationsprogramm habe ein Mitarbeiter entwickelt, er selbst habe keine Kenntnis von der Manipulationssoftware gehabt. Auch habe er nur im Vertrieb ausgeholfen und den Kunden nicht in die Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen.

Später hat der Antragsteller Klage erhoben und anschließend einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Das Finanzgericht lehnte den Eilantrag jedoch ab. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bestünden keine ernstlichen Zweifel. Wer eine Steuerhinterziehung begehe oder an einer solchen Tat teilnehme, hafte nach § 71 AO für die verkürzten Steuern und könne gem. § 191 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Zu der Steuerhinterziehung seines Kunden habe der Antragsteller objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit i. S. von § 71 AO an dessen Tat teilgenommen. Er habe das mit der Manipulationssoftware verbundene Kassensystem als Geschäftsführer der GmbH an den Kunden verkauft. Es sei nicht entscheidend, wann genau und durch wen die Installation und Einweisung in das Programm erfolgt seien und ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter die Manipulationssoftware entwickelt habe. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe vielmehr darin, dass der Antragsteller ein komplettes System verkauft habe, und zwarS. 641 mit dem Wissen, welche Möglichkeiten dieses biete, und mit dem Ziel, dem Kunden eine Steuerverkürzung zu ermöglichen.

Wenn das Finanzamt einen Gehilfen, der vorsätzlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistet, als Haftenden in Anspruch nehme, sei dies regelmäßig eine ermessensgerechte Entscheidung, und zwar unabhängig von der Höhe der Haftungsschuld und/oder den finanziellen Möglichkeiten des Gehilfen.

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Der Kommentar

Der Einsatz von Manipulationssoftware in Kassen-, Warenwirtschafts- oder anderen Aufzeichnungssystemen, gerade in Betrieben mit umfangreichen Bargeschäften, ist keine Seltenheit. Die sog. Zapper werden z. B. in der Gastronomie, Apotheken, Taxibetrieben oder Spielhallen eingesetzt. Dabei sind sie oft gut getarnt, etwa als Spielesoftware. Die Verteidigungsstrategie der enttarnten Anbieter von Manipulationssoftware läuft regelmäßig darauf hinaus, man habe von den Aktivitäten einzelner Mitarbeiter nichts gewusst oder aber die Herstellung der Manipulationssoftware selbst sei nicht rechtswidrig – ähnlich wie Hersteller von Waffen auch nicht dafür haftbar gemacht werden könnten, was mit ihren Produkten geschieht.

Diesen Einlassungen hat das FG Rheinland-Pfalz eine harsche Absage erteilt. Mit relativ wenigen Sätzen werden die Argumente des Antragstellers beiseite gewischt. Das sich hinter dem Kassensystem verbergende Manipulationsprogramm „Asteroids.exe“ sei dem Antragsteller bekannt gewesen; es konnte keinem anderen Zweck dienen, als eine Steuerhinterziehung vorzubereiten. Im Kern urteilt das Finanzgericht, dass allein schon das Wissen um die Manipulationssoftware und der Verkauf mit dem gesamten Kassensystem für die Annahme einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung und damit für eine Haftung ausreichen.

Es befindet sich damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BFH. Dieser hat bereits im Jahre 2004 entschieden, dass ein Großhändler eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung begeht und damit für den Steuerschaden haftet, wenn er Rechnungen in einen Teil mit ordnungsgemäßer Kundenanschrift und in einen anderen Teil mit Barverkaufsrechnungen splittet und letztere über ein anonymes Sammelkonto verbucht (, BStBl 2004 II S. 919).

Die Hersteller von Kassen- und Warenwirtschaftssystemen, genauer gesagt deren Geschäftsführer, werden bei der hier besprochenen Entscheidung aufhorchen. Zwar werden die meisten Anbieter sicherlich keine unmittelbare Beihilfe zur Steuerhinterziehung begehen. Allerdings ist zu vermuten, dass zumindest einigen Herstellern die Manipulationsmöglichkeiten durchaus bekannt sind und sie den Einsatz von Zappern billigend in Kauf nehmen, auch wenn sie Manipulationen nicht aktiv fördern. Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung nun versuchen wird, auch in diesen Fällen mittels Haftungsbescheiden ausstehende Steuern beizutreiben. Die bloße Einlassung des Haupttäters, der Verkäufer habe ihm im Verkaufsgespräch – mitunter auf Nachfrage – die Manipulationsmöglichkeiten bestätigt, könnte verhängnisvoll werden.

Dabei ist auch von Bedeutung, dass die Inanspruchnahme des Gehilfen als Haftungsschuldner als ermessensgerecht angesehen wird. Hohe Hürden an die Begründung des Auswahlermessens werden nicht gestellt. Dazu schreibt das FG Rheinland-Pfalz: „Wer Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung leistet, haftet für die verkürzte Steuer; weitere Differenzierungen sind nicht angezeigt.“ Eine Beschwerde über seinen Beschluss hat das FG Rheinland-Pfalz nicht zugelassen.

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 640 - 641
UAAAE-85288