BFH Urteil v. - V R 86/87 BStBl 1991 II S. 776

Angehörige von Automobilwerken sind beim Verkauf von sog. Jahreswagen grundsätzlich keine Unternehmer

Leitsatz

Ein Angehöriger einer Automobilfabrik, der von dieser unter Inanspruchnahme des Werksangehörigenrabatts fabrikneue Automobile erwirbt und diese nach mehr als einem Jahr wieder verkauft, ist nicht nachhaltig als Unternehmer tätig (Abgrenzung zum , BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530).

Gesetze: UStG 1980 § 2 Abs. 1

Instanzenzug: Schleswig-Holsteinisches FG

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger(Kläger) war Arbeitnehmer der X-AG. Anfang 1981 veräußerte er einen im Jahre 1979 von seinem Arbeitgeber verbilligt erworbenen "Jahreswagen" an seinen Steuerberater zum Kaufpreis von 18 000 DM zuzüglich 2 340 DM Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer wurde im Kaufvertrag offen ausgewiesen.

Nach der Veräußerung reichte der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) eine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 1981 ein, in derer die aus dem Veräußerungsgeschäft zu zahlende Umsatzsteuer nach Abzug des Steuerabzugsbetrags gemäß § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf 468 DM errechnete. Zur Erläuterung führte er aus: Da er regelmäßig Anspruch auf einen Jahreswagen habe und beabsichtige, die Jahreswagen nach Ablauf der 18-monatigen Sperrfrist zu veräußern, betrachte er sich als Unternehmer i.S. des UStG.

Mit Bescheid vom veranlagte das FA den Kläger zur Umsatzsteuer für 1981 und setzte diese auf 2 340 DM fest. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nicht als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne anzusehen. Gleichwohl schulde er gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 die offen ausgewiesene Umsatzsteuer. Das (BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530) sei entsprechend einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom /V A 2 - S 7104 - 11/80 (BStBl I 1980, 223) nicht über den dort entschiedenen Fall hinaus anzuwenden.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger weiterhin den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs. 3 UStG 1980 geltend machte, hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger, das Urteil des Finanzgerichts (FG) weiche von dem Urteil des BFH in BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530 ab.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Gründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Kläger war kein Unternehmer.

Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980).

Der Kläger war nicht im Sinne dieser Vorschrift nachhaltig tätig.

Das vom Verb "nachhalten" (= längere Zeit anhalten, bleiben) abgeleitete Adjektiv "nachhaltig" bedeutet gemeinsprachlich: sich auf längere Zeit stark auswirkend. Von dieser Bedeutung ist auch umsatzsteuerrechtlich auszugehen (, BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874). Dementsprechend nahm der Senat u.a. schon im vorbezeichneten Urteil an, daß eine nachhaltige Tätigkeit auf Dauer berechnet sein muß. Es muß also eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Entgelten (im weitesten Sinne gewerbliche oder berufliche Tätigkeit) gegeben sein.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Frage, ob jemand selbständig oder nichtselbständig tätig ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden ist (vgl. z.B. , BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom V R 115/85, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1991, 138). Entsprechendes gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall jemand im oben bezeichneten Sinne "nachhaltig" tätig geworden ist.

a) Als Kriterien, die für die Nachhaltigkeit sprechen können, kommen insbesondere in Betracht:

- Mehrjährige Tätigkeit (vgl. für Testamentsvollstrecker , BFHE 117, 113, BStBl II 1976, 57, und für Prostituierte , BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653)

- Planmäßiges Handeln (vgl. für den Verkauf von Vorführwagen durch Angestellte eines Kfz-Händlers , BFHE 74, 710, BStBl III 1962, 262; für den Verkauf eines Jahreswagens durch Werksangehörige , BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530; für den Verkauf von Kfz durch einen Amateurrennfahrer , BFHE 142, 327, BStBl II 1985, 173; für Wettbewerbsunterlassung BFH-Urteil in BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874)

- Auf Wiederholung angelegte Tätigkeit (BFH in BFHE 150,192, BStBl II 1987, 653)

- Die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes (vgl. für Patentveräußerung , BFHE 74, 715, BStBl III 1962, 264)

- Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses (vgl. für die Parzellierung und Baureifmachung eines Grundstücks , BFHE 95, 21, BStBl II 1969, 282, und für die Veräußerung von Haushaltsgegenständen , BFHE 59, 75, BStBl III 1954, 238)

- Langfristige Duldung eines Eingriffes in den eigenen Rechtskreis (vgl. für Nießbrauchsbestellung , BFHE 104, 262, BStBl II 1972, 238)

- Intensität des Tätigwerdens (BFH in BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874)

- Beteiligung am Markt (vgl. BFH in BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530; in BFHE 142, 327, BStBl II 1985,173, und in BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874)

- Auftreten wie ein Händler (vgl. für Erwerb und Halten von Beteiligungen , BFHE 149, 272, BStBl II 1987, 512; für Briefmarkensammler , BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744; für Münzsammler , BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752)

- Unterhalten eines Geschäftslokals

- Auftreten gegenüber Behörden.

b) Da es - wie ausgeführt - auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann nicht mit Rücksicht auf das Vorliegen eines dieser Merkmale die nachhaltige Betätigung im Streitfall eindeutig bejaht oder verneint werden. Es müssen vielmehr die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden.

Im Urteil V R 46/72 (BFHE 128,110, BStBl II 1979, 530) hatte der Senat bei einem Angehörigen einer Automobilfabrik, der von dieser unter Inanspruchnahme des Werksangehörigenrabatts regelmäßig fabrikneue Automobile erwarb und diese Fahrzeuge nach Ablauf der ihm vom Werk gesetzten Verkaufssperrfrist wieder veräußerte, eine nachhaltige Betätigung als Unternehmer bejaht. Dabei bemaß sich damals die Sperrfrist nach einer Zeitdauer von elf Monaten oder einer Fahrleistung von 15 000 km. Auch der Kläger ist - jedenfalls wenn er entsprechend seinem behaupteten Vorsatz in den Folgejahren regelmäßig Jahreswagen verkauft hat - auf Dauer planmäßig unter Ausnutzung der ihm als Werksangehörigen offenstehenden Möglichkeiten tätig geworden. Seine Tätigkeit war folglich auf Wiederholung angelegt. Der Kläger hat sich auch als Jahreswagenverkäufer am Automobilmarkt beteiligt. Bei ihm betrug die Sperrfrist jedoch 18 Monate.

Der Senat ist der Auffassung, daß bei einem Verkauf nach mehr als einem Jahr die Intensität der wirtschaftlichen Betätigung so gering ist, daß eine unternehmerische Betätigung entfällt. Im Rahmen der Gesamtverhältnisse spielt dies eine besonders wichtige Rolle. Der Angehörige eines Automobilwerks, der in größeren Abständen einen Jahreswagen verkauft, rückt in die Nähe eines Privatmannes, der ebenfalls in regelmäßigen Abständen sein Auto zu verkaufen pflegt, ohne daß er deshalb zum Unternehmer wird. Bei Verkäufen nach mehr als einem Jahr kommt es nicht einmal zu einem Umsatz je Veranlagungszeitraum.

2. Da der Kläger nicht Unternehmer war, schuldet er die seinem Abnehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1980. Dafür steht ihm der begehrte Steuerabzugsbetrag nicht zu (§ 19 Abs. 3 Satz 5 UStG 1980).

Fundstelle(n):
BStBl 1991 II Seite 776
BFH/NV 1991 S. 65 Nr. 10
UAAAA-93805