FG Berlin-Brandenburg Beschluss v. - 7 V 7203/18 EFG 2019 S. 397 Nr. 5

Einstweilige Anordnung

keine Verpflichtung zur Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke an steuerlich unzuverlässigen Steuerpflichtigen

Leitsatz

1. Steuerpflichtige, die ernsthaft erklären, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, haben mittelbar aus § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke. Dies gilt allerdings nicht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige eine ihm zugeteilte Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke in betrügerischer Weise verwenden wird.

2. Steuerlich unzuverlässigen Steuerpflichtigen kann die Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke versagt werden, um ihnen so den Marktzugang zu erschweren und damit die Verkürzung von Umsatzsteuer zurückzudrängen. Dagegen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gesetze: UStG § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, GG Art. 12, GG Art. 3 Abs. 1, FGO § 114

Instanzenzug: Verfahren Beschluss

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung eine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen ist.

Der Antragsteller war in der Vergangenheit u.a. als Softwareentwickler tätig, wobei er dieser Tätigkeit zum Teil – wie u.a. aus dem Verfahren 7 K 7237/15 (Urteil vom , juris) gerichtsbekannt ist – als Geschäftsführer von Handelsgesellschaften und zum Teil einzelunternehmerisch nachging. Im vorgenannten Urteil stellte der erkennende Senat fest, dass der Antragsteller für 2013 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, obwohl die im Schätzungswege festgesetzte Umsatzsteuer um 7.504,20 EUR zu niedrig war, und, dass der Antragsteller die ihm gegenüber festgesetzte Umsatzsteuer 2013 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht beglichen hatte.

Am meldete der Antragsteller unter der Adresse eines Büroservices in B. beim Finanzamt C. eine einzelunternehmerische Tätigkeit „Vertrieb von Software” an und gegenüber dem Antragsgegner am zum wieder ab und gab an, jährliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 9.000,00 EUR zu erzielen.

Da der Antragsteller den zuständigen Finanzämtern Abgaben in Höhe von ca. 36.000,00 EUR schuldete, beantragte der Antragsgegner am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. Dieser Antrag wurde mangels Masse zurückgewiesen. Das dem Antragsgegner übersandte Insolvenzgutachten enthielt Hinweise auf die o.g. beruflichen Tätigkeiten des Antragstellers.

Seine Umsatzsteuererklärungen 2014 und 2016 reichte der Antragsteller am und beim Antragsgegner ein, wobei er für 2014 nicht steuerbare Umsätze in Höhe von 24.557,00 EUR und für 2016 keine Umsätze sowie jeweils Vorsteuerbeträge und Vorsteuervergütungen in Höhe von 305,47 EUR bzw. 391,06 EUR erklärte. Die Einkommensteuererklärungen für 2013 und 2015 reichte der Antragsteller nicht ein, ebenso die Umsatzsteuererklärung 2015. In der am eingereichten Einkommensteuererklärung 2016 erklärte der Antragsteller einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 49.352,00 EUR, ohne eine Gewinnermittlung vorzulegen. Eine Mitwirkung eines Mitglieds der steuerberatenden Berufe an der Erstellung der Steuererklärungen ist nicht ersichtlich.

Am waren fällige Abgabenforderungen des Antragsgegners gegen den Antragsteller in Höhe von 52.731,66 EUR offen, die ausschließlich aus Einkommensteuer, Maßstabsteuern und Nebenleistungen dazu resultieren (Fälligkeiten seit dem ).

Am reichte der Antragsteller einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung wegen der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit beim Antragsgegner ein. Darin erklärte er, seit dem als Unternehmensberater die Beratung von Unternehmen zu F. und G. auszuüben, womit er in 2018 Umsätze in Höhe von 10.000,00 EUR erwarte, darunter „nach § 4 Nr. 1 Buchst. b)” UmsatzsteuergesetzUStG– steuerfreie „Beratungsleistungen”. Er beantragte auch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Auf eine Sachstandsanfrage des Antragstellers übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller am einen Zusatzfragebogen. Wegen des Inhalts verweist das Gericht auf Bl. 8 f. der Gerichtsakte –GA–. Dazu erklärte der Antragsteller telefonisch, dass er nicht einsehe, warum er den Fragebogen ausfüllen solle und erinnerte an die Erteilung der Steuer-Nr..

Mit Bescheid vom versagte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Steuer-Nr. für umsatzsteuerliche Zwecke (Bl. 13 Gewerbesteuerakte Unternehmensberatung – GewStA–). Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am Einspruch eingelegt und ging dabei auf die Fragen des Zusatzfragebogens ein (Bl. 27 f. GA). Auf den Inhalt der bei den Akten befindlichen Kopie wird Bezug genommen.

Am hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke begehrt. Er macht geltend, er beabsichtige, über die Online-Agentur D. Aufträge als freiberuflicher Unternehmensberater in der Medizintechnik zu akquirieren. D. habe ihm auch schon konkrete Angebote unterbreitet, fordere jedoch für die dortigen Stammdaten die Angabe einer Steuer-Nr. bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Nachdem ein Auftrag in die Vertragsabschlussphase gelangt sei, habe er auf seine telefonische Anfrage nach dem Sachstand den Zusatzfragebogen erhalten, der jedoch mit der beabsichtigten Tätigkeit keinen Zusammenhang erkennen lasse und für den keine Rechtsgrundlage angegeben worden sei. Er könne auch keine weiteren Unterlagen über seine angestrebten Vertragsabschlüsse vorlegen, da durch die Weitergabe vertraulicher Inhalte ein möglicher Vertrag gefährdet sei. Mit der Aufnahme der beabsichtigten Tätigkeit wolle er seine Steuerrückstände zurückführen, die durch das rechtswidrige Verhalten des Finanzamts E. gegenüber dem vom Antragsteller beherrschten Unternehmen hervorgerufen worden seien. Diesem sei dadurch sämtliche Liquidität entzogen und das Unternehmen in die Insolvenz gezwungen worden. Außerdem habe der Rechtsstreit mit dem Finanzamt E. bei ihm eine psychische Belastungsstörung ausgelöst, die bis Mitte 2017 angedauert habe. Er sei dabei, seine steuerlichen Versäumnisse aufzuräumen. Nach der BFH-Rechtsprechung seien Steuerschulden kein Grund, eine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu versagen. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung, etwa um den Vorsteuerabzug aus für private Zwecke bezogenen Leistungen geltend zu machen, bestünden bei ihm nicht.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für unbegründet. Der Antragsteller habe nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass er ernsthaft beabsichtige, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben. Er habe dies nicht mit Hilfe des ihm übersandten Zusatzfragebogens schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen der Fa. D. seien nicht ausreichend, da nicht ersichtlich sei, welche der angebotenen Kontakte der Antragsteller aufgegriffen habe. Die im Einspruchsverfahren gegebenen Antworten zum Zusatzfragebogen seien unvollständig und daher nicht ausreichend. Obwohl nach den Angaben des Antragstellers ein konkreter Auftrag vorhanden sei, habe dieser die Fragen 2 bis 8 sowie 10 und 11 nicht beantwortet, was nicht nachvollziehbar sei, da wenigstens ein Vertragsmuster o.ä. hätte zugrunde gelegt werden können. Es habe für den Antragsteller auch Anlass bestanden, die Fragen 14 bis 17 zu beantworten. Sie seien in die Prüfung, ob eine ernsthafte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen, bestehe, einzubeziehen und für die örtliche Zuständigkeit innerhalb der Finanzverwaltung von Bedeutung. Im Hinblick auf das teilweise säumige Verhalten des Antragstellers bei der Abgabe von Steuererklärungen und der Begleichung der ihm gegenüber festgesetzten Zahllasten sei eine umfassende Ermittlung im Vorfeld des eigentlichen Besteuerungsverfahrens unabdingbar.

Dem Gericht haben zwei Bände Gewerbesteuerakten sowie je ein Band Einkommensteuer- und Umsatzsteuerakten vorgelegen, die vom Antragsgegner für den Antragsteller unter der Steuer-Nr.. geführt werden.

Gründe

II.

A. Das Gericht legt den Antrag dahin gehend aus, dass der Antragsteller die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke begehrt, da der Antragsgegner für die Erteilung der in der Antragsschrift erwähnten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht zuständig (§ 27a Abs. 1 Satz 1 UStG) und die Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke die Voraussetzung für die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist (vgl. § 27a Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 UStG).

B. Der Antrag ist zulässig.

1. Da der Bescheid vom sich in einer Negation erschöpft und keinen vollziehbaren Inhalt hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 5 FinanzgerichtsordnungFGO– im Streitfall der statthafte Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesfinanzhof –BFH–, Beschlüsse vom IX B 194/07, BFH/NV 2008, 600; vom II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004).

2. Dem Antrag steht auch keine ablehnende bestandskräftige Verfügung des Antragsgegners entgegen, da der Antragsteller gegen den Bescheid vom nach Aktenlage am rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

C. Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Steuerpflichtige, die ernsthaft erklären, ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG einen Anspruch auf Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke haben (, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2010, 712; Finanzgericht –FG– Hamburg, Beschluss vom 6 V 105/16, juris, jeweils m.w.N.). Gleiches folgt auch aus Art. 213, 214 und 273 der MehrwertsteuersystemrichtlinieMwStSystRL– (Gerichtshof der europäischen Union –EuGH–, Urteil vom C-527/11 – Ablessio, Mehrwertsteuerrecht –MwStR– 2013, 193 mit Anm. Grube).

2. a) Dies gilt allerdings nicht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige eine ihm zugeteilte Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke in betrügerischer Weise verwenden wird ( – Ablessio, MwStR 2013, 193, Rn 38 mit Anm. Grube). Der BFH hat in einem einschlägigen Fall auf die Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugs in Missbrauchs- und Betrugsfällen verwiesen (, BStBl II 2010, 712, Rn 14 f.). Diese Rechtsprechung umfasst auch das – Dobre (MwStR 2018, 515), in dem der EuGH es als zulässig angesehen hat, wenn die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug eines Steuerpflichtigen versagt, der aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen rumänischen Rechts gestrichen worden war, weil er seine Umsatzsteuererklärung nicht abgegeben hatte. Dabei verweist der EuGH auf sein Urteil vom C-332/15 – Astone (MwStR 2016, 751), in dem der EuGH die Verweigerung des Vorsteuerabzugs wegen eines erheblichen Verstoßes gegen formelle Pflichten (Pflicht zur Abgabe einer Mehrwertsteueranmeldung, zur Entrichtung des geschuldeten Steuerbetrags und zur Vorlage von Buchungsunterlagen) für zulässig gehalten hat (a.a.O., Rn 54).

b) Da bereits der BFH einen Zusammenhang zwischen der Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke und der zum Vorsteuerabzug ergangenen Rechtsprechung hergestellt hat, spricht dies dafür, unter den zuvor genannten Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs auch die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu versagen. Denn ein Unternehmer, dem eine solche Steuer-Nr. erteilt worden ist, begründet eine höhere Gefahr für Steuerausfälle als ein Unternehmer, dem keine solche Steuer-Nr. erteilt wurde. Zwar kann auch ein solcher Unternehmer Leistungen erbringen, in seinen Rechnungen die für ertragsteuerliche Zwecke vergebene Steuer-Nr. angeben und sodann die vereinnahmte Umsatzsteuer nicht oder verzögert anmelden und die Umsatzsteuer nicht oder nicht fristgerecht an das zuständige Finanzamt abführen. Ein solcher Unternehmer setzt sich jedoch der Gefahr von Regressansprüchen seiner Vertragspartner aus, wenn diesen bekannt wird, dass die Steuer-Nr. nicht für Umsatzsteuerzwecke vergeben wurde und daraus Probleme bei der Gewährung des Vorsteuerabzugs entstehen, weil z.B. die für die Leistungsempfänger zuständigen Finanzämter bezweifeln, dass der leistende Unternehmer zum Ausweis von Vorsteuer befugt war. Ferner könnte der Unternehmer kein Schreiben des für ihn zuständigen Finanzamts vorlegen, in dem ihm mitgeteilt wird, unter welcher Steuer-Nr. er für die Umsatzsteuer geführt wird. Schließlich würde einem Unternehmer, dem keine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke erteilt wird, keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt, so dass ihm der besonders hinterziehungsgefährdete innergemeinschaftliche Wirtschaftsverkehr weitgehend verschlossen bliebe. Alles in allem ist die Versagung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke geeignet, steuerlich unzuverlässigen Steuerpflichtigen den Marktzugang zu erschweren und damit die Verkürzung von Umsatzsteuer zurückzudrängen. Dass die Versagung der Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu einer Erschwerung des Marktzugangs oder sogar zu einem Verschließen des Marktzugangs führt, ist auch die Auffassung der oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die daraus den grundsätzlich zu bejahenden Anspruch auf die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke ableitet.

c) Eine derart einschneidende Wirkung der Versagung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke bei einer erheblichen steuerlichen Unzuverlässigkeit des Steuerpflichtigen ist verfassungsgemäß. Das insoweit einschlägige Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GrundgesetzGG– ist im Wege der praktischen Konkordanz (vgl. Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu Abschn. I, Rn 120 ff.) begrenzt, nämlich im Hinblick auf die ebenfalls von der Verfassung anerkannten Rechtsgüter der Funktionsfähigkeit der staatlichen Finanzsysteme und die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Belastungsgleichheit der mit dem Antragsteller konkurrierenden Marktteilnehmer, die ihre steuerlichen Pflichten erfüllen. Dem entsprechend entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Gewerbetreibenden die Ausübung des Gewerbes nach § 35 GewerbeordnungGewO– untersagt werden darf, wenn diese ihre steuerlichen Pflichten in erheblichem Umfang verletzen, insbesondere, indem sie die ihnen auferlegten Steuern nicht fristgerecht begleichen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 79. EL Juni 2018, § 35 Rn 49 ff. m.w.N.). Dies gilt unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 79. EL Juni 2018, § 35 Rn 50).

3. Ausgehend von der unter II.C.1. zitierten Rechtsprechung ist die Entscheidung über die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke eine gebundene Entscheidung, steht also nicht im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Dem entsprechend kommt es nicht darauf an, ob die von der Finanzbehörde angeführten Erwägungen die Versagung der Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke tragen. Vielmehr unterliegt die Entscheidung der vollständigen Überprüfung durch das Finanzgericht, das sämtliche aktenkundigen Umstände berücksichtigen und selbständig würdigen darf.

4. Davon ausgehend gilt für den Streitfall:

a) Nach den vorliegenden Akten war der Antragsteller in der Vergangenheit als Einzel- oder Mitunternehmer in einem nicht nur geringfügigen Ausmaß unternehmerisch tätig. Seine Angabe in der vorliegenden steuerlichen Anmeldung, nunmehr wieder eine einzelunternehmerische Tätigkeit ausüben zu wollen, indem er als Unternehmensberater in den Bereichen F. und G. Umsätze erzielen wolle, hat daher die Vermutung der Richtigkeit für sich. Zudem war der Antragsteller, wie dem erkennenden Senat aus dem Verfahren 7 K 7237/15 bekannt ist, schon zuvor im Bereich des G. tätig. Dies wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Antragsteller die Antworten auf den Zusatzfragebogen des Antragsgegners zum Teil verzögert, zum Teil ausweichend und zum Teil gar nicht gegeben hat. Naheliegender erscheint, dass der Antragsteller, insbesondere bei Fragen nach konkreten Vertragsinhalten, dem Antragsgegner nichts offenbaren will, was Ansätze für Vollstreckungsmaßnahmen oder Ermittlungen nach Vollstreckungsmöglichkeiten eröffnen könnte. Unerheblich ist auch, dass der Antragsteller nach seinen Erklärungen in 2014 nur nicht im Inland steuerbare Umsätze und in 2016 keine Umsätze erzielt hat. Denn die Unternehmereigenschaft ist nicht vom Leistungsort abhängig. Ferner stellen einzelne umsatzlose Jahre die Unternehmereigenschaft nicht infrage.

b) aa) Ausgehend von den unter II.C.2. dargelegten Rechtsgrundsätzen hat der Antragsgegner bei der im Verfahren nach § 114 FGO gebotenen summarischen Prüfung aber dennoch im Ergebnis zu Recht die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke versagt, da der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm in der Vergangenheit gezeigte steuerliche Unzuverlässigkeit Anlass zu der begründeten Besorgnis gibt, dass seine künftige unternehmerische Tätigkeit mit der Verkürzung von Umsatzsteuer oder ihrem erhebungsmäßigen Ausfall einhergehen würde.

bb) Der Antragsteller hat, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 7 K 7237/15, juris, unter I. 2.f) festgestellt hat, seine Umsatzsteuer 2013 in Höhe von 55.004,20 EUR bis zum nicht beglichen und auch seine Umsatzsteuererklärung 2013 bis zu diesem Datum nicht eingereicht. Dass sich an diesen Verhältnissen etwas bis zum heutigen Tag geändert hat, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller, der selbst auf das o.g. Verfahren verwiesen hat, hat dazu nichts vorgetragen. Aus den Steuerakten ist dazu nichts ersichtlich, da der Antragsteller seinerzeit noch bei einem anderen Finanzamt geführt wurde und der entsprechende Betrieb vom Antragsteller nach den vorliegenden Akten abgemeldet wurde (vgl. Bl. 61, 78 EA), was erfahrungsgemäß dazu führt, dass die entsprechenden Akten bei einem Umzug des Steuerpflichtigen nicht abgegeben werden. Zugunsten des Antragstellers ist zwar zu berücksichtigen, dass die Rückstände vermutlich wesentlich darauf zurückzuführen sind, dass das Finanzamt E. das vom Antragsteller gewählte Geschäftsmodell anders (nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls für 2013 in wesentlichen Zügen falsch) gewürdigt hat, jedoch ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller nach Ergehen des stattgebenden Urteils vom die Steuerschulden ganz oder teilweise getilgt hat. Hinderungsgründe für die fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2013 sind ohnehin nicht erkennbar, da der Antragsteller auch für andere Veranlagungszeiträume seine Steuererklärungen ohne Mitwirkung der steuerberatenden Berufe anfertigte.

cc) Die Angaben des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom zu den Versäumnissen des Antragstellers decken sich mit dem Inhalt der vorliegenden Akten, den der Vorsitzende dem Antragsteller mit der Verfügung vom vorgehalten hat, so dass keine erneute Anhörung erforderlich war. Die Angaben des Antragsgegners bleiben sogar hinter dem Vorhalt vom zurück, da die mit dem Schriftsatz vom nachgereichten Ausdrucke der nur elektronisch gespeicherten Steuererklärungen in den Steuerakten nicht enthalten waren. Danach liegen auch die Einkommensteuererklärungen 2013 und 2015 nicht vor, ebenso die Umsatzsteuererklärung 2015 und die Gewinnermittlung 2016. Seinen Vortrag, er habe bis Mitte 2017 unter einer psychischen Belastungsstörung gelitten, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Jedenfalls wäre seit dem (bzw. seit Ergehen des Senatsurteils vom 7 K 7237/15, juris) Gelegenheit gewesen, die fehlenden Steuererklärungen nachzureichen, zumal der Antragsteller – wie die vorliegenden Erklärungen zeigen – dazu ohne fremde Hilfe in der Lage ist. Hinzu kommen die erheblichen Steuerrückstände in Höhe von jedenfalls ca. 53.000,00 EUR beim Antragsgegner. Unbeachtlich ist, dass diese Rückstände nur aus Ertragsteuern herrühren, da dies nach Aktenlage allein darauf zurückzuführen ist, dass in den beim Antragsgegner eingegangenen Umsatzsteuererklärungen keine Zahllasten angemeldet wurden. Die ansonsten im Rahmen der Umsatzsteuer hervorgetretenen Pflichtverletzungen schließen aus, dass der Antragsteller eine von den ertragsteuerlichen Angelegenheiten abweichende besondere Zuverlässigkeit in umsatzsteuerlichen Angelegenheiten an den Tag legt. Der Antragsteller hat auch nach Ergehen des Senatsurteils vom 7 K 7237/15, juris, nicht durch Taten erkennen lassen, dass er Rückstände zurückführen will, z.B. indem er zunächst durch eine nichtselbständige Tätigkeit Mittel dafür erwirtschaftet hätte.

dd) Dem Antragsgegner stehen auch keine anderen, ggf. milderen Mittel zur Verfügung, um den Ausfall von Umsatzsteuerforderungen zu verhindern. Da die vom Antragsteller angestrebte Tätigkeit kein Gewerbe i.S. des § 1 GewO darstellt, kann er kein Gewerbeuntersagungsverfahren nach § 35 GewO mit Aussicht auf Erfolg anregen. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 18f UStG kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller Umsatzsteuervergütungen anmelden sollte.

ee) Alles in allem ist festzustellen, dass der Antragsteller in einem erheblichen Maße seine steuerlichen Pflichten in der Vergangenheit verletzt hat. Dies ist im Hinblick auf die Abgabe der fälligen Steuererklärungen zwar nicht flächendeckend geschehen, aber immer noch in einem erheblichen Umfang. Hinzu kommen die erheblichen Rückstände bei den fälligen Abgabenforderungen. Dass diese Umstände nur durch das Verhalten des Finanzamts E. herbeigeführt wurden, hält das erkennende Gericht für eine Schutzbehauptung, weil der Antragsteller seine steuerlichen Pflichten auch dort verletzt hat, wo ihn etwaige Vollstreckungsmaßnahmen o.ä. nicht an der Erfüllung der steuerlichen Pflichten (insbesondere der fristgerechten Abgabe von Steuererklärungen) gehindert hätten. Jedenfalls ist seit dem Ergehen des Senatsurteils vom 7 K 7237/15, juris, keine Änderung des Verhaltens des Antragstellers erkennbar. Die Pflichtverletzungen haben auch ein Ausmaß erreicht, das geeignet wäre, im Falle einer gewerblichen Tätigkeit die Erteilung einer Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO zu rechtfertigen (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 79. EL Juni 2018, § 35 Rn 52 b m.w.N.). Schließlich bleibt es dem Antragsteller unbenommen, die von ihm angekündigte Bereinigung seiner steuerlichen Verfehlungen in Angriff zu nehmen und danach einen erneuten Antrag auf Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu stellen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

E. Das Gericht hat die Beschwerde zugelassen, weil die Frage, ob erhebliche steuerliche Pflichtverletzungen einem Anspruch auf Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke entgegenstehen, höchstrichterlich nicht geklärt ist (§ 128 Abs. 3 FGO i.V. mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 11/2019 S. 500
DStR 2019 S. 6 Nr. 24
DStRE 2019 S. 1084 Nr. 17
EFG 2019 S. 397 Nr. 5
TAAAH-07712