USt direkt digital Nr. 22 vom Seite 13

Update zur Abwicklung von Bauträgerfällen

Eine never-ending-story?

Thomas Rennar *

Bauträgerfälle beschäftigen die Beratungspraxis spätestens seitdem durch das StÄnd-AnpG-Kroatien der § 27 Abs. 19 UStG umsatzsteuerlich ins Leben gerufen wurde. Die aktuell existente Verwaltungsauffassung im Umgang mit entsprechenden Fallgestaltungen im Kontext des Reverse-Charge-Verfahrens bzw. einer Rückabwicklung dessen wirft seitens der Beraterschaft jedoch weiterhin zahlreiche Unklarheiten und Ungewissheiten auf und scheint nach jüngster Rechtsprechung auch jurisdiktiv und literarisch nicht elementar zu überzeugen. In der Praxis ist ein Umgang mit entsprechenden Bearbeitungsfällen daher oftmals nur über den Rechtsmittelweg zugunsten der Mandantschaft rechtssicher gestaltbar. Ein Ende ist daher nach wie vor, insbesondere im Hinblick einer intendierten profiskalischen Begrenzung eines Verzinsungseffekts, nicht in Sicht und durch die Beraterschaft daher weiterhin im Blick zu behalten bzw. (aktiv) mandantenfreudig, notfalls über den Rechtsmittelweg, zu gestalten.

I. Einführung

Die Finanzverwaltung ging nach zwischenzeitig mit (BStBl 2017 I S. 1001; Abschnitt 27.1 Abs. 5 UStAE) konkretisierter Verwaltungsauffassung ( BStBl 2010 I S. 254) in der Vergangenheit davon aus, dass Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z. B. Bauträger), Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen sind, wenn die Bemessungsgrundlage mehr als 10 % der Summe ihrer steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze (Weltumsatz) betrug.

Der BFH entschied diesbezüglich mit (BStBl 2014 II S. 128) infolge unionsrechtlicher Jurisdiktion ( „BLV Wohn- und Gewerbebau“), dass Leistungsempfänger von Bauleistungen nur dann Steuerschuldner für die an diese erbrachten Leistungen seien, wenn diese Leistungen seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet wurden. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten Bauleistungen am Gesamtumsatz käme es hierbei nicht an.

Die Finanzverwaltung wandte mit (BStBl 2014 I S. 233) und (BStBl 2014 I S. 823) die Rechtsgrundsätze des , BStBl 2014 II S. 128) in vollem Umfang für nach dem ausgeführte Umsätze allgemein an. Betroffene Unternehmer konnten insoweit für die Vergangenheit an einer bisherigen Handhabung festhalten (Vertrauensschutz durch Nichtbeanstandung). Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen bestand diesbezüglich nicht ( BStBl 2017 I S. 1001).

Hinweis

1. Rechtsprechung Finanzgerichte

Der aktuellen Verwaltungsauffassung ( sind die Finanzgerichte jüngst entgegengetreten:

Die Gerichte sind überwiegend der Auffassung, dass die Steuerschuld des Bauträgers nicht bestehe, mit der Folge, dass dieser einen unbedingten Erstattungsanspruch habe (Bunjes, UStG, § 27, Rz. 78g). Eine Anwendung des § 17 UStG sei insoweit weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.

2. Rechtsprechung BFH

Anhängig unter XI R 21/17 (vorgehend ) sowie V R 7/18 (vorgehend ) sind insbesondere die Rechtsfragen hinsichtlich einer Anwendung des § 17 UStG bei Rückabwicklung des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b UStG seitens eines Werkunternehmers sowie der Durchsetzbarkeit eines gemäß § 37 Abs. 2 AO geltend gemachten Erstattungsanspruchs.

Diesbezüglich hat der BFH entgegen der geltenden Verwaltungsauffassung zwischenzeitig mit (siehe hierzu auch Heuermann, DStR 2018 S. 2423; NWB 47/2018 S. 3436; Mann, ) entschieden, dass ein Bauträger, welcher aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, das Entfallen einer rechtswidrigen Besteuerung geltend machen kann, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der BFH-Rechtsprechung zur wirksamen Berichtigung eines Steuerbetrages nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG (). Diesbezüglich wurde die Revision gegen das als unbegründet zurückgewiesen.

Macht ein Leistungsempfänger von der Nichtbeanstandungsregelung keinen Gebrauch und fordert er die § 13b-Steuer zurück, ist die gesetzlich entstandene Umsatzsteuer gegenüber dem Leistenden festzusetzen. Vertrauensschutz für den Leistungserbringer nach § 176 Abs. 2 AO wird nicht gewährt. Dieser kann lediglich beantragen, seine Steuerschuld durch Abtretung seiner Forderung gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer zu erfüllen. Das Verfahren regeln der durch das StÄnd-AnpG-Kroatien eingefügte § 27 Abs. 19 UStG (Bunjes, UStG, § 13b, Rz. 76).

Die Finanzverwaltung legte bereits mit (BStBl 2014 I S. 1073) die Grundsätze zur Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG fest, bei denen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger bei einer vor dem erbrachten steuerpflichtigen Bauleistung davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG Steuerschuldner sei und sich eine Annahme bzgl. der Rechtsprechung des , BStBl 2014 II S. 128) im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat und die beteiligten Unternehmer keinen Gebrauch von einer Vereinfachungsregelung/Nichtbeanstandungsregelung gemacht haben ( BStBl 2017 I S. 1001, m. w. N.).

Mit Grundsatzurteil v. - V R 16/16, 24/16 (BStBl 2017 II S. 760) hat der BFH insoweit für Rechtssicherheit gesorgt. Er hat klargestellt, dass die Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG als besondere Vertrauensschutzregelung die allgemeine Vertrauensschutzregelung nach § 176 Abs. 2 AO ausschließe. Voraussetzung für die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer sei allerdings, dass diesem ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zustehe. Diese zusätzliche Änderungsvoraussetzung ergebe sich aus dem Zweck, dem Sinneszusammenhang und dem Wortlaut des § 27 Abs. 19 UStG, wobei zudem der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen sei. Die so verstandene Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG sei verfassungs- und unionsrechtskonform (Bunjes, UStG, § 13b, Rz. 78b, m. w. N.).

II. Allgemeine Übergangsvorschrift

1. Übergangsregelung für Bauleistungen bis zum

Mit der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 19 UStG wird ein Mechanismus vorgesehen (Abtretung), der bewirken soll, dass Bauträger, welche gemäß § 13b UStG erklärte Umsatzsteuer zwar tatsächlich rückgängig machen können, dafür aber der Leistende zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet ist, also keinen Vertrauensschutz i. S. von § 176 AO genießt. Die Belastung des Leistenden soll wiederum vermieden werden, indem er die Umsatzsteuer zivilrechtlich vom Leistungsempfänger nachfordert und seinen Anspruch zur Begleichung seiner Steuerschuld an sein Finanzamt abtritt (siehe weitergehend Kessens, MwStR 2016 S. 226 ff., Bunjes, UStG, § 27, Rz. 36, m. w. N.).

Hinweis

Hat ein Steuerpflichtiger eine bisherige Rechtsprechung seinen Steuererklärungen stillschweigend und für das Finanzamt nicht erkennbar zugrunde gelegt, gilt der Vertrauensschutz nur, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Finanzbehörde mit der Anwendung der Rechtsprechung einverstanden gewesen wäre. Das Einverständnis ist immer dann zu unterstellen, wenn die Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden war und keine Verwaltungsanweisung vorlag, die Rechtsprechung des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden (AEAO zu § 176 AO, Rz. 3).

Es verstößt insoweit gegen Treu und Glauben, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer Rechtsprechungsänderung die Aufhebung eines ihn belastenden Bescheids fordert und erreicht und später geltend macht, er habe auf die Anwendung der früheren Rechtsprechung vertraut und sei nicht bereit, die für ihn negativen Folgen der Rechtsprechungsänderung hinzunehmen. Dies gilt zumindest insoweit, als der der Rechtsprechungsänderung Rechnung tragende Änderungsbescheid im Ergebnis zu keiner höheren Belastung des Steuerpflichtigen führt (, BStBl 1995 II S. 764, AEAO zu § 176 AO, Rz. 4).

Der leistende Unternehmer kann in den Fällen des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG die gesetzlich entstandene und von ihm geschuldete Umsatzsteuer zivilrechtlich gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt geltend machen.

Ein Anspruch ergibt sich hierbei regelmäßig aus:

In den Fällen, in denen die Vertragspartner ein Abtretungsverbot vereinbart haben, ist dieses nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB suspendiert und steht einer Anwendung des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht entgegen ( BStBl 2017 I S. 1001, m. w. N.).

Ob Bauträger diesbezüglich einen Zins- oder gar Umsatzsteuervorteil haben, hängt von den Vertragsabsprachen ab (siehe hierzu bereits Fleckenstein-Weiland, BB 2014 S. 2391 mit Abgrenzungen zwischen Netto- und Bruttopreisvereinbarung sowie mangelnder Anspruchsdurchsetzbarkeit in Folge zivilrechtlicher Verjährung oder Insolvenz des Bauträgers).

a) Störung der Geschäftsgrundlage

§ 313 BGB ist auf alle entgeltlichen wie unentgeltlichen schuldrechtlichen Verträge ungeachtet ihres Regelungszusammenhangs anwendbar. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um ein- oder zweiseitig verpflichtende oder gegenseitige Verträge handelt (Münchener Kommentar, BGB, § 313, Rz. 47, m. w. N.). § 313 BGB bietet Schutz, wenn die gemeinsam von den Parteien bei Abschluss ihres Vertrags vorausgesetzte Welt mit der Realität nicht übereinstimmt. Hierdurch soll jedoch kein neues Rechtsinstitut geschaffen werden, sondern im Kern lediglich das überkommene, in der Wissenschaft grundsätzlich akzeptierte Richterrecht kodifiziert werden (BeckOGK/Martens, BGB, § 313, Rz. 48 f., m. w. N.).

Abzugrenzen ist der Anwendungsbereich des § 313 BGB zunächst von der Ermittlung des Vertragsinhalts durch Auslegung. Maßgeblich dafür ist die Unterscheidung zwischen dem Inhalt des Vertrages und der Geschäftsgrundlage (). Eine Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB ist mithin stets vorrangig (Schulze, BGB, § 313, Rz. 5, m. w. N.). Als Störungstatbestände sind der (nachträgliche) Wegfall der Geschäftsgrundlage und ihr (anfängliches) Fehlen zu unterscheiden. Ein Wegfall kommt sowohl bei objektiver als auch subjektiver Geschäftsgrundlage in Frage; beide Fälle regelt § 313 Abs. 1 BGB. Anfängliches Fehlen ist nur bei der subjektiven Geschäftsgrundlage möglich; es ist in § 313 Abs. 2 BGB geregelt. Die drei Störungstatbestände unterscheiden sich bei den Merkmalen der Umstandsveränderung und des (anfänglichen) Fehlens der Geschäftsgrundlage; im Übrigen stimmen sie dagegen in Voraussetzungen und Rechtsfolgen überein (Jauernig, BGB, § 313, Rz. 14).

b) Ergänzende Vertragsauslegung

Eine ergänzende Vertragsauslegung i. S. von § 157 BGB geht einer Bestimmung der Leistungspflicht nach § 242 BGB vor, ebenso einem Rückgriff auf § 313 BGB (Jauernig, BGB, § 157, Rz. 1). Eine erläuternde Vertragsauslegung will den übereinstimmenden Parteiwillen ermitteln, wie er im objektiven Bedeutungsgehalt der Vertragsbestimmungen zum Ausdruck kommt. Der Wille der Parteien (und nicht etwa die gewählte Bezeichnung oder die erwünschte Rechtsfolge) entscheidet über den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp ().

Weist ein Vertrag eine bewusste () oder versehentliche (), bereits bei Vertragsschluss bestehende oder durch unvorhergesehene Entwicklungen entstandene () Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit auf, so ist sie – soweit nicht dispositive Gesetzesbestimmungen eingreifen – durch eine ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens zu schließen (; Dörner, BGB, § 157, Rz. 3 ff., m. w. N.; zur jurisdiktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, siehe Hammerl/Fietz, NWB 7/2018 S. 399, m. w. N.).

2. Übergangsregelung für Bauleistungen v. bis

Für Bauleistungen zwischen dem und dem ist die frühere Verwaltungspraxis nicht anzuwenden.

Stattdessen ist die vom BFH entwickelte sogenannte „bauwerksbezogene Betrachtungsweise“ anzuwenden. In der Praxis bedeutet dies, dass das Reverse-Charge-Verfahren nur dann rechtssicher angewandt werden kann, wenn der Leistungsempfänger schriftlich bestätigt, dass er die von ihm bezogene Bauleistung selbst zur Erbringung von eigenen Bauleistungen verwendet. Der Leistungsempfänger bleibt in diesem Fall auch dann Steuerschuldner, wenn er gegenüber dem Leistenden falsche Angaben macht. Dieser Vertrauensschutz greift jedoch nicht, wenn der Leistende Kenntnis von der Unrichtigkeit der Bestätigung hatte oder hätte haben müssen. Maßgebend für die Frage, ob eine Bauleistung unter die Übergangsregelung fällt, ist der Zeitpunkt der Leistungsausführung (Bunjes, UStG, § 13b, Rz. 81 f., m. w. N.; zum Reverse-Charge-Verfahren bei Anzahlungen für Bauleistungen bzgl. des BStBl 2018 I S. 695, siehe Dietrich/Rennar, USt direkt digital 12/2018 S. 12).

III. Bauleistender Unternehmer als Leistungsempfänger – aktuelle Praxis

Werden Bauleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst Bauleistungen erbringt, unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Bauleistung verwendet (§ 13b.3 Abs. 5 Satz 2 UStG).

In der Praxis verwendet die Finanzverwaltung hierzu das Vordruckmuster USt 1 TG.

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG). Ausgenommen hiervon sind Bauleistungen, die ausschließlich an den nichtunternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden, auch wenn diese im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig sind und nachhaltig Bauleistungen erbringen (§ 13b Abs. 5 Satz 10 UStG; Abschnitt 13b.3 Abs. 12 UStAE).

Erbringt ein Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung ist, und bezeichnet er sie dennoch in der Rechnung als Bauleistung, ist der Leistungsempfänger für diesen Umsatz nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG (Abschnitt 13b.3 Abs. 13 UStAE).

Hinweis

Der Leistungsempfänger muss derartige Bauleistungen nachhaltig erbringen oder erbracht haben (zum Begriff der Bauleistungen siehe Abschnitt 13b.2 UStAE). Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gilt deshalb vor allem nicht für Nichtunternehmer sowie für Unternehmer mit anderen als den vorgenannten Umsätzen, z. B. Baustoffhändler, die ausschließlich Baumaterial liefern, oder Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen erbringen, die unter das GrEStG fallen (Abschnitt 13b.3 Abs. 1 UStAE).

Ein Unternehmer erbringt zumindest dann nachhaltig Bauleistungen, wenn er mindestens 10 % seines Weltumsatzes (Summe seiner im Inland steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze) als Bauleistungen erbringt. Unternehmer, die Bauleistungen unterhalb dieser Grenze erbringen, sind danach grundsätzlich keine bauleistenden Unternehmer. Hat der Unternehmer zunächst keine Bauleistungen ausgeführt oder nimmt er seine Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, ist er schon vor der erstmaligen Erbringung von Bauleistungen als bauleistender Unternehmer anzusehen, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als 10 % seines Weltumsatzes betragen werden (Abschnitt 13b.3 Abs. 2 UStAE).

Hinweis

Bauträger, die ausschließlich eigene Grundstücke zum Zwecke des Verkaufs bebauen, führen eine bloße Grundstückslieferung mit der Folge aus, dass sie für an sie erbrachte, in § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG genannte Leistungen grundsätzlich nicht Steuerschuldner i. S. des Reverse-Charge-Verfahrens sind. Bei Unternehmern (Bauträgern), die sowohl Umsätze erbringen, die unter das GrEStG fallen, als auch, z. B. als Generalunternehmer, Bauleistungen i. S. von § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG, sind die allgemeinen Grundsätze des Abschnitts 13b.3 Abs. 1 bis 7 UStAE anzuwenden (Abschnitt 13b.3 Abs. 8 UStAE).

IV. Änderungsanträge der Leistungsempfänger

Hat der Leistungsempfänger unter Berufung auf das (BStBl 2014 II S. 128) die Erstattung der Umsatzsteuer gefordert, die er ursprünglich in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. von § 13b UStG zu sein, sind die entsprechenden Umsätze an den Leistungsempfänger zu ermitteln. Anschließend ist der jeweilige leistende Unternehmer unverzüglich von dem für ihn zuständigen Finanzamt darüber zu informieren, dass der Leistungsempfänger sich auf die BFH-Rechtsprechung berufe und die Erstattung der Umsatzsteuer fordere, die er ursprünglich in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. von § 13b UStG zu sein ( BStBl 2017 I S. 1001).

V. Nachzahlungszinsen

Bei der Verzinsung der nachträglichen Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gelte der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer nach Verwaltungsauffassung als rückwirkendes Ereignis i. S. von § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO beginne in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei ( BStBl 2017 I S. 1001; ablehnend Hammerl/Fietz, NWB 7/2018 S. 396, m. w. N.).

Hinweis

Das (beim BFH anhängig unter V R 3/18) diesbezüglich entschieden, dass eine geänderte Steuerfestsetzung, aus der ein zu verzinsender Steuererstattungsanspruch allein deshalb resultiere, weil der Steuerpflichtige (Bauträger) die ursprünglich angemeldete und entsprechend festgesetzte Umsatzsteuer hinsichtlich der bezogenen Bauleistungen nicht nach § 13b UStG schulde, nicht auf einem rückwirkenden Ereignis beruhe. Weder der Antrag auf gesetzeskonforme Steuerfestsetzung noch die aufgrund des (BStBl 2014 II S. 128) geänderte Auslegung des § 13b UStG seien rückwirkende Ereignisse.

Das FG Berlin-Brandenburg hat insoweit mit (beim BFH anhängig unter V R 15/18) entschieden, dass die Rechtsprechung des BFH zur (fehlenden) Steuerschuldnerschaft von Bauträgern als Leistungsempfänger von Bauleistungen, durch die sich die Rechtwidrigkeit der aufgrund der ergangenen Steuerfestsetzungen gegenüber Bauträgern herausgestellt hat, nicht zu einem rückwirkenden Ereignis führe, weil das BFH-Urteil lediglich deklaratorischer Natur sei und insoweit die Erkenntnis der schon zuvor geltenden Rechtslage vermittelte.

NWB Datenbank

In der NWB Datenbank können Sie unter NWB CAAAG-90394 einen Mustereinspruch zum anhängigen BFH-Verfahren V R 15/18 aufrufen.

VI. Aufrechnung durch Abtretung erworbener zivilrechtlicher Forderung

Die Finanzbehörden können gegen den Umsatzsteuererstattungsanspruch (oder andere Steuererstattungsansprüche oder Steuervergütungsansprüche) des Leistungsempfängers mit der vom leistenden Unternehmer durch Abtretung erworbenen zivilrechtlichen Forderung grundsätzlich ab deren Fälligkeit aufrechnen (§ 226 AO i. V. mit §§ 387 bis 396 BGB). Der Beginn der Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger bestimmt sich nach § 195 BGB i. V. mit § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine Verjährungsfrist beginnt regelmäßig dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt hat ( BStBl 2017 I S. 1001).

Hinweis

In der Beratungspraxis stellen sich diesbezüglich jedoch zahlreiche Rechtsfragen hinsichtlich des Bestandes einer wirksamen Aufrechnungslage in Anbetracht einer rechtsinstanzlichen Forderungsfeststellung insbesondere im Zusammenhang mit dem Erlass von Abrechnungsbescheiden im Erhebungsverfahren.

VII. Überblick

Die Finanzgerichte haben der Finanzverwaltung weitreichend die Stirn hinsichtlich einer Abwicklung von Bauträgerfällen, insbesondere im Kontext einer Steuerschuld des Bauträgers sowie eines Erstattungsanspruchs, geboten.

Nach wie vor sind die Rechtsfragen, insbesondere hinsichtlich einer Anwendung des § 17 UStG bei Rückabwicklung des Reverse-Charge-Verfahrens seitens des Werkunternehmers sowie einer Durchsetzbarkeit eines Erstattungsanspruchs beim BFH unter V R 7/18 sowie XI R 21/17 anhängig.

NWB Datenbank

In der NWB Datenbank können Sie unter NWB JAAAG-68604 einen Mustereinspruch zum anhängigen BFH-Verfahren XI R 21/17 aufrufen.

Zugunsten der Bauträgerbranche hat der BFH zwischenzeitlich mit jüngst entschieden, dass Bauträger das Entfallen einer rechtswidrigen Besteuerung insoweit ohne Einschränkung gelten machen können. Hierdurch wurde der diesbezüglich einschränkenden Verwaltungsauffassung nun auch höchstrichterlich widersprochen. Erstattungsverlangen von Bauträgern für Leistungsbezüge bis zur Anwendung der Übergangsregelung dürften daher nicht mehr von einer Nachzahlung von Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer oder dem Bestand einer Aufrechnungslage für die Finanzverwaltung abhängig gemacht werden.

Weitergehend bleibt spannend, inwieweit der BFH über das Entstehen von Erstattungszinsen nach § 233a AO im Kontext eines rückwirkenden Ereignisses entscheiden wird (beim BFH anhängig unter V R 3/18, V R 7/18 und V R 15/18).

NWB Datenbank

In der NWB Datenbank können Sie unter NWB JAAAG-81956 einen Mustereinspruch zum anhängigen BFH-Verfahren V R 3/18 aufrufen.

Umfangreicher Beratungsbedarf vermag sich bei Rückabwicklung von Bauträgerfällen überdies auch hinsichtlich einer Aufrechnung mittels Abtretung erworbener zivilrechtlicher Forderungen, in Anbetracht weitreichender Beurteilungsspielräume bzgl. einer rechtswirksamen Aufrechnungslage, ergeben. Diesbezüglich kann einer rechtsinstanzlichen Forderungsfeststellung im Kontext des Erlasses von Abrechnungsbescheiden im Erhebungsverfahren eine gewichtige Rechtswirkung zukommen.

Autor

Thomas Rennar,
Dipl.-Finw., ist bei der KSB INTAX v. Bismarck, Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Notare PartG mbB in Hannover beschäftigt.

Fundstelle(n):
USt direkt digital 22 / 2018 Seite 13
TAAAG-99810