NWB Nr. 40 vom Seite 2935

Aktivierung von Diensterfindungen

Betriebsprüfung mit Erfindergeist?

Dr. Joachim H. Borggräfe und Dr. Matthias Hinz *

Die Großbetriebsprüfungsstellen stellen derzeit die Frage nach der Aktivierung von in Anspruch genommenen Diensterfindungen in der Steuerbilanz deutscher Unternehmen vor allem im Hinblick auf die nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz an den Arbeitnehmererfinder zu zahlenden angemessenen Vergütungen. Eine Aktivierung von in Anspruch genommenen Diensterfindungen kommt u. E. mangels entgeltlichen Erwerbs eines immateriellen Wirtschaftsguts nicht in Betracht. Die Zahlungen, die der Arbeitgeber für die Diensterfindungen leistet, sind als laufende Betriebsausgaben zu erfassen.

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I. Hintergrund und rechtliche Grundlagen

[i]Arbeitnehmererfindungen sind in deutschen Industrieunternehmen von großer BedeutungIn Forschungs- und Technologieunternehmen ist Erfindergeist gefragt. Die große Bedeutung des Erfindertums für die deutschen Technologieunternehmen im internationalen, globalisierten Wettbewerb wird in der wirtschaftspolitischen Diskussion immer wieder betont. Neben dem Transfer von Ideen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft tragen die Arbeitnehmer, die mit den Produkten und Herstellungsverfahren in besonderer Weise vertraut sind, mit ihren Innovationen zum Erfolg des Unternehmens bei. Das betriebliche [i]Arbeitnehmererfindungen werden angemessen vergütet Vorschlagswesen wird in allen großen deutschen Unternehmen sehr gepflegt. Die Arbeitnehmererfinder gehen dabei nicht leer aus. Ihre Erfindungen im Dienste und zum Wohle des Unternehmens werden angemessen vergütet.

1. Problemstellung

[i]Anschaffungskosten zum Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts?Steuerrechtlich stellt sich die Frage, ob die Zahlungen, die der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für Diensterfindungen leistet, Anschaffungskosten zum Erwerb eines S. 2936immateriellen Wirtschaftsguts sein können. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts sind bei der Beantwortung dieser Frage, die zurzeit von den Großbetriebsprüfungsstellen in die Dax-Konzerne hineingetragen wird, zu berücksichtigen.

Diese [i]Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, NWB Verlag Herne 2015, ISBN: 978-3-482-65552-4; lieferbar ab Dezember 2015steuerrechtliche Fragestellung ist bereits Mitte der 1970er Jahre erörtert und damals von der Industrie erfolgreich verneint worden. Die Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e. V. hat die Frage auf ihrer 66. Steuerrechtlichen Jahrestagung Unternehmen (im Mai 2015) im Rahmen des Generalthemas „Aktuelle Fragen aus dem Bilanzsteuerrecht und der Betriebsprüfung“ kontrovers behandelt (vgl. Rehfeld, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2015/2016, S. 689 ff.).

2. Arbeitnehmererfindungsrecht

[i]ArbnErfG: Diensterfindungen sind aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb obliegenden Tätigkeit entstandenDie rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmererfinder und Arbeitgeber sind im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom (BGBl 1957 I S. 756, Arbeitnehmererfindungsgesetz, ArbnErfG), zuletzt geändert durch das zum in Kraft getretene Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom , geregelt. Im Vordergrund stehen die Diensterfindungen i. S. des § 4 Abs. 2 ArbnErfG. Dies sind die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachten Erfindungen, die entweder

  • aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder

  • maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruhen.

[i]Mit Inanspruchnahme gehen alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber überDer Arbeitnehmer hat eine von ihm gemachte Diensterfindung dem Arbeitgeber unverzüglich in Textform zu melden (vgl. § 5 ArbnErfG); der Arbeitgeber kann eine Diensterfindung durch Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer in Anspruch nehmen (§ 6 Abs. 1 ArbnErfG). Damit gehen alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber über (§ 7 Abs. 1 ArbnErfG). Dagegen kann der Arbeitnehmer über die Diensterfindung ohne Einschränkungen verfügen, wenn der Arbeitgeber die Erfindung gegenüber dem Erfinder durch Erklärung in Textform freigibt (§ 8 ArbnErfG).

[i]Arbeitnehmererfinder hat Anspruch auf angemessene VergütungDer Arbeitnehmer hat gem. § 9 ArbnErfG gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Diensterfindung in Anspruch genommen hat. Die Vergütung kann eine feste Summe sein, die einmalig oder in mehreren Teilbeträgen zu zahlen ist; sie kann aber auch eine laufende Beteiligung an der Nutzung der Erfindung durch den Arbeitgeber sein (Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, Handkommentar, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 35; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen, 6. Aufl. 2014, Rn. 220).

II. Entgeltlicher Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts?

[i]In der Regel immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, jedoch ...Bei den vom Arbeitgeber in Anspruch genommenen Diensterfindungen handelt es sich in der Regel um immaterielle Wirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen gehören (Rehfeld, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2015/2016, S. 689, 693; Crezelius in Kirchhof, EStG, Kommentar, 14. Aufl. 2015, § 5 Rn. 163, Einzelnachweis „Erfindungen“; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl. 2015, § 5 Rn. 172).

[i]... Aktivierung nur bei entgeltlichem Erwerb, d. h. bei ...Immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind aber nur dann in der Steuerbilanz zu aktivieren, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 5 Abs. 2 EStG). Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist entgeltlich erworben, wenn es durch ein Rechtsgeschäft gegen Hingabe einer bestimmten Gegenleistung [i]... Hingabe gegen eine bestimmte Gegenleistungübergegangen ist (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 5 Rn. 190 ff.; Crezelius in Kirchhof, EStG, § 5 Rn. 65 ff.).

III. Inanspruchnahme einer Diensterfindung: laufende Betriebsausgabe oder Aktivierung?

Die bisherige Praxis der deutschen Industrieunternehmen geht, soweit ersichtlich, dahin, dass sie die Zahlungen für die Inanspruchnahme einer Diensterfindung als laufende S. 2937 [i]Steuerliche Praxis: regelmäßig als laufende Betriebsausgaben erfasstBetriebsausgaben erfassen. Dies trifft sowohl auf die Pauschalvergütungen als auch auf erfolgsabhängige laufende Zahlungen an den Arbeitnehmer sowie auf die Kosten zu, die entstehen, wenn die Arbeitnehmererfindung vom Arbeitgeber zur Erteilung eines Schutzrechts angemeldet wird.

[i]Praxis der Bundesbetriebsprüfung: Aktivierung als entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter und dadurch ...Die für Produktionsbranchen zuständige Bundesbetriebsprüfung vertritt aktuell die Auffassung, dass es sich bei den Zahlungen für die Inanspruchnahme von Arbeitnehmererfindungen um einen entgeltlichen Erwerb aktivierungspflichtiger immaterieller Wirtschaftsgüter handelt. Sie rechnet zudem sämtliche Kosten für die wegen der Arbeitnehmererfindungen zu erteilenden gewerblichen Schutzrechte zu den Anschaffungsnebenkosten (z. B. Kosten der Patentanmeldungen).

[i]... ggf. signifikante Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens Folge dieses Vorgehens ist die Aktivierung bisher als laufende Betriebsausgaben steuerlich abgezogener Kosten – und damit eine ggf. signifikante Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens des Unternehmens. Die Aktivierung kann bereits innerhalb nur eines Prüfungszeitraums bei einem forschungsintensiven Dax- oder MDax-Unternehmen zu Nachaktivierungen in Höhe von mehreren 10 Mio. € führen. Setzt sich die Praxis der Bundesbetriebsprüfung durch, führt dies zu steuerlichen Mehrbelastungen für den Forschungsstandort Deutschland in Höhe von mehreren Milliarden Euro p. a. als Bemessungsgrundlage.

IV. Rechtsprechung des BFH

Die Bundesbetriebsprüfung beruft sich für ihre Rechtsauffassung auf eine finanzgerichtliche Rechtsprechung u. a. des BFH aus den 1970er Jahren. Diese Judikatur kann u. E. jedoch nicht überzeugend die Aktivierung legitimieren.

1. BFH-Urteil vom 28. 1. 1976 - I R 103/75

[i]Arbeitnehmererfindervergütungen sind laut BFH beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben abzugsfähigDer (BStBl 1976 II S. 746) entschieden, dass die Arbeitnehmererfindervergütungen auch dann beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, wenn die Zahlungen an den Erfinder nach dessen Eintritt in das Unternehmen des Arbeitgebers als Gesellschafter erfolgen.

a) Sachverhalt

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer aus seiner Arbeit als technischer Betriebsleiter im Einzelunternehmen seiner Ehefrau heraus eine Erfindung entwickelt, für die er von 1965 an neben seinem Arbeitslohn Lizenzgebühren erhielt. Er hatte die Diensterfindung der Arbeitgeberin gemeldet, und diese hatte die Erfindung in Anspruch genommen. Zum gründeten die Ehefrau als Komplementärin, die ihr Einzelunternehmen einbrachte, und der Erfinder als Kommanditist, der eine Geldeinlage leistete, eine Kommanditgesellschaft (Klägerin). Neben dem ihm zustehenden Gewinn bezog der Erfinder weiterhin Lizenzgebühren. In der Eröffnungsbilanz wurde die Arbeitnehmererfindung als immaterielles Wirtschaftsgut „Diensterfindung“ ohne Wertansatz ausgewiesen. Die Kommanditgesellschaft behandelte die im Jahr 1967 gezahlten Lizenzgebühren weiterhin als Betriebsausgaben.

Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1967 erhöhte das Finanzamt den Gewinn der Kommanditgesellschaft u. a. um die gezahlten Lizenzgebühren. Hiergegen wandte sich die Kommanditgesellschaft zunächst erfolglos mit Einspruch und finanzgerichtlicher Klage. Mit der Revision zum BFH hatte die Klägerin Erfolg.

b) Entscheidungsgründe

[i]BFH verneint Aktivierungspflicht für Diensterfindung, ...Der BFH hat geprüft, ob die Erfindervergütung eine Sondervergütung i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist. Eine solche liegt vor bei Entgelten für Leistungen, die der Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als besonderen Beitrag zur S. 2938Förderung des Gesellschaftszwecks erbringt. Diese Voraussetzungen lagen nach Meinung des BFH im Fall der Erfindervergütungen nicht vor. Dem Arbeitnehmererfinder steht aufgrund der Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Arbeitgeber gem. § 9 ArbnErfG ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu, der durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird (§ 26 ArbnErfG).

Der Anspruch auf die Erfindervergütung ist somit losgelöst von der Lohnforderung zu sehen und damit auch nicht Vergütung für die Tätigkeit des Gesellschafters im Dienste der Gesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der BFH hat der klagenden Kommanditgesellschaft somit [i]... beschreibt Inanspruchnahme der Erfindung durch Arbeitgeber jedoch als „kaufähnlichen Vermögensübergang“ den Abzug der gezahlten Erfindervergütungen als Betriebsausgaben zugestanden und die Aktivierungspflicht der Erfindung verneint. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zugleich hat der BFH jedoch die Inanspruchnahme der Arbeitnehmererfindung als „kaufähnlichen Vermögensübergang“ beschrieben, durch den der Arbeitgeber die vermögenswerten Rechte an der Erfindung im Wege des abgeleiteten Erwerbs erhält.

2. Beschluss des FG München vom 20. 10. 1978 - VIII (IX) 196/76 Aus G

[i]FG München: zur Aktivierung führender entgeltlicher Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts Das VIII (IX) 196/76 Aus G (EFG 1979 S. 71) an die Formulierungen des BFH angeknüpft und die Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch den Arbeitgeber als einen kaufähnlichen Vermögensübergang qualifiziert, durch den der Arbeitgeber das Recht an der Arbeitnehmererfindung im Wege des abgeleiteten Erwerbs erhält. Das Finanzgericht hat ungeachtet der Tatsache, dass der BFH in seinem Urteil vom - I R 103/75 die Aktivierungspflicht verneint hatte, die Auffassung vertreten, dass mit der Inanspruchnahme einer Diensterfindung ein zur Aktivierung führender entgeltlicher Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts vorliegt.

3. Keine kohärente finanzgerichtliche Rechtsprechung

Auf eine kohärente finanzgerichtliche Rechtsprechung, wonach die vom Arbeitgeber in Anspruch genommene Diensterfindung als entgeltlich erworbenes immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren ist, kann sich die Betriebsprüfung somit nicht stützen. Der BFH selbst hat zudem die Aktivierungspflicht verneint. Der Beschluss des FG München kann nicht überzeugen (s. unten V), denn er lässt die Besonderheiten der durch das ArbnErfG geprägten Rechtsbeziehung zwischen dem Arbeitnehmererfinder und dem Arbeitgeber außer Acht.

V. Rechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz

[i]Entgeltlicher Erwerb nur bei Übergang eines bereits beim Arbeitnehmer vorhandenen marktfähigen Wirtschaftsguts Ein entgeltlicher Erwerb i. S. des § 5 Abs. 2 EStG liegt (s. oben II) vor, wenn das immaterielle Wirtschaftsgut durch ein Rechtsgeschäft gegen Hingabe einer bestimmten Gegenleistung übergegangen ist (s. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 5 Rn. 190 ff.; Crezelius in Kirchhof, EStG, § 5 Rn. 65 ff.). Zwischen dem Arbeitnehmererfinder und dem Arbeitgeber liegt ein entgeltlicher Erwerb aber nur dann vor, wenn (bei der Inanspruchnahme der Erfindung durch den Arbeitgeber) ein bereits beim Arbeitnehmer vorhandenes marktfähiges Wirtschaftsgut übergeht. Dies ist bei der Diensterfindung nicht der Fall.

1. Arbeitnehmererfindung vor Inanspruchnahme kein Wirtschaftsgut

[i]Kein Erwerb, wenn Steuerpflichtiger das Wirtschaftsgut selbst schafft (herstellt) oder sich aneignet Es fehlt bei der Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Arbeitgeber bereits am Erwerbsvorgang im steuerlichen Sinne. Ein Erwerb ist dann gegeben, wenn das Wirtschaftsgut aus dem Vermögen eines anderen erlangt wurde (abgeleiteter Erwerb). Hieran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut selbst schafft (herstellt) S. 2939oder sich aneignet (Falterbaum/Bolk/Reiß/Eberhart, Buchführung und Bilanz, 22. Aufl. 2015, S. 433).

a) Gesetzliches Aneignungsrecht des Arbeitgebers

[i]Arbeitgeber hat gesetzliches Aneignungsrecht im Hinblick auf DiensterfindungDer Arbeitgeber kann eine Diensterfindung nach dem ArbnErfG durch Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer in Anspruch nehmen, wodurch alle vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf ihn übergehen (s. oben I, 2). Dem Arbeitgeber steht somit im Hinblick auf die Arbeitnehmererfindung ein gesetzliches Aneignungsrecht zu (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen, Rn. 159). Allein die – einseitige – Inanspruchnahmeerklärung des Arbeitgebers bewirkt den Übergang der vermögenswerten Rechte auf diesen. Der Arbeitnehmer kann dies nicht verhindern; auf seinen (Übertragungs-)Willen kommt es nicht an.

b) Keine marktfähige Rechtsposition des Arbeitnehmers

[i]Arbeitnehmer hat vor Inanspruchnahme der Diensterfindung keine marktfähige Rechtsposition, die er übertragen könnteDer Arbeitnehmer kann über seine Diensterfindung vor der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber nicht wirksam zugunsten Dritter verfügen (§ 7 Abs. 2 ArbnErfG). Der Arbeitnehmer hat daher keine marktfähige Rechtsposition, die er vor der Inanspruchnahme übertragen könnte.

Der Gesetzgeber trägt der Tatsache Rechnung, dass der Arbeitgeber die wirtschaftlichen Grundlagen für die Erfindung in seiner unternehmerischen Sphäre schafft (Wexel, GRUR 1986 S. 785, 786 f.; Müller-Dott, StbJb 1983/84 S. 265, 279; Bartenbach/Fischer, GRUR 1980 S. 1025, 1027).

[i]Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers tätigDie Arbeitnehmererfindung ist somit „eingebettet“ in die arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer: Der Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers tätig. Der Arbeitgeber trägt sämtliche Kosten der Tätigkeit des Arbeitnehmers im eigenen Namen und für eigene Rechnung bzw. hat ihm ggf. Auslagen zu erstatten. Sämtliche Arbeitsergebnisse aus der arbeitsvertraglichen Tätigkeit des Arbeitnehmers gehören „per se“ dem Arbeitgeber (vgl. auch NWB WAAAE-87480: Arbeitnehmer nur Besitzdiener der in den Räumen des Arbeitgebers befindlichen Sachen). Das gesetzliche Übernahmerecht des Arbeitgebers bei einer Diensterfindung ist als Anwartschaftsrecht des Arbeitgebers zu verstehen, das in seiner Person mit der Inanspruchnahme originär zum Vollrecht erstarkt.

[i]Diensterfindung ist vor Inanspruchnahme kein Wirtschaftsgut Die Arbeitnehmererfindung ist folglich vor der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber (oder deren Ablehnung) nicht marktfähig. Das Erfinderrecht des Arbeitnehmers ist von vornherein mit dem quasi-dinglich ausgestatteten Recht des Arbeitgebers auf Inanspruchnahme der Arbeitnehmererfindung belastet (Wexel, GRUR 1986 S. 785, 786; Bartenbach/Fischer, GRUR 1980 S. 1025, 1027). Damit ist die Arbeitnehmerdiensterfindung vor der Inanspruchnahme nicht verkehrsfähig. Ihr fehlt infolgedessen der Charakter eines Wirtschaftsguts aus steuerlicher Sicht. Der für § 5 Abs. 2 EStG erforderliche abgeleitete Erwerb eines Wirtschaftsguts aus dem Vermögen des Arbeitnehmers liegt bei einer Inanspruchnahme der Diensterfindung durch den Arbeitgeber nicht vor.

2. Vergütung kein Entgelt

[i]Ansatz und Bewertung bedürfen noch der Bestätigung durch den Markt Das steuerbilanzielle Aktivierungsverbot für Herstellungskosten selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter findet seinen Grund darin, dass Ansatz und Bewertung dieser Wirtschaftsgüter unsicher sind und noch der Bestätigung durch den Markt bedürfen. Bei entgeltlich erworbenen immateriellen [i]Angemessene Vergütung ist kein Entgelt für den Übergang der vermögenswerten Rechte Wirtschaftsgütern ist dagegen der Wert vom Markt bestätigt (vgl. Falterbaum/Bolk/Reiß/Eberhart, Buchführung und Bilanz, S. 432). Die angemessene Vergütung gem. § 9 ArbnErfG ist kein Entgelt für den Übergang der vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber. Dies gilt dem Grunde wie der Höhe nach. S. 2940

a) Kein (echtes) rechtsgeschäftliches Gegenseitigkeitsverhältnis

Aufgrund der vom Gesetz vorgesehenen einseitigen Erklärung des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme der Erfindung (§ 6 Abs. 1 ArbnErfG) fehlt es von vornherein an einem (echten) rechtsgeschäftlichen Gegenseitigkeitsverhältnis. Allein die Inanspruchnahmeerklärung des Arbeitgebers bewirkt den Übergang der vermögenswerten Rechte auf diesen. Die Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber stellt sich als einseitiges, empfangsbedürftiges Gestaltungsrecht dar, auf das der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat und dessen Wirkungen er sogar gegen seinen Willen hinnehmen muss (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen, Rn. 162). Auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung entsteht dem Grunde nach ohne darauf gerichteten Willen der Beteiligten kraft Gesetzes (Wexel, GRUR 1986 S. 785, 787 f.; Bartenbach/Fischer, GRUR 1980 S. 1025, 1027). Ein Leistungsaustausch unter Marktbedingungen (Erfindung gegen Entgelt) ist somit von vornherein ausgeschlossen (Wexel, GRUR 1986 S. 785 ff.; Müller-Dott, StbJb 1983/84 S. 265, 278).

b) Höhe der Vergütung

[i]Maßgeblich ist, in welchem Umfang Aufgaben und Stellung des Arbeitnehmers „erfindungsnah“ ausgestaltet sindDie Höhe der an den Arbeitnehmererfinder zu zahlenden Vergütung ist nach der gesetzlichen Vorgabe des § 9 Abs. 2 ArbnErfG insbesondere danach zu bemessen, in welchem Umfang die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb „erfindungsnah“ ausgestaltet sind: Ein Forschungsleiter, der mit dem Ziel eingestellt wird, auf entsprechende Neuerungen beim Arbeitgeber hinzuarbeiten, erhält für eine wertvolle Erfindung als „angemessen“ eine geringere Zahlung als ein Fabrikarbeiter, der kraft seiner Beobachtung zu einer entsprechenden Arbeitnehmererfindung außerhalb seiner Zuständigkeit kommt.

[i]Geschäftsführer-Erfinder Besonders deutlich wird die materielle Nähe zur arbeits-/dienstvertraglichen Vergütung beim angestellten Geschäftsführer der Unternehmung als Erfinder: Für diesen gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz als Arbeitnehmerschutzgesetz nicht (, GRUR 2000 S. 49; Ia ZR 8/64, GRUR 1965 S. 302, 304; Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, § 9 Rn. 44). Beim Geschäftsführer-Erfinder kann ein gesonderter Vergütungsanspruch wegen einer Erfindung im Geschäftsführerdienstvertrag daher insgesamt ausgeschlossen werden; die Erfindertätigkeit des Geschäftsführers, der gerade mit dem Ziel entgeltlich angestellt wird, persönlich auf entsprechende Neuerungen hinzuarbeiten, ist materiell mit den regelmäßigen Dienstbezügen abgegolten (vgl. Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, § 9 Rn. 45).

[i]Vergütung ist nicht Gegenleistung für die ErfindungSind schließlich die vom Arbeitgeber getragenen Kosten der Erfindung hoch, mindern auch diese die an den Arbeitnehmer zu zahlende Vergütung, denn gem. § 9 Abs. 2 ArbnErfG ist auch der Anteil des Betriebs an dem Zustandekommen der Diensterfindung für die Bemessung der Vergütung maßgebend. Damit aber bestimmt nicht der (objektive) Wert der Erfindung die Höhe der Vergütung an den Arbeitnehmer; es fehlt insoweit an einem marktkonformen „do ut des“ (= Entgelt für die Übertragung der Erfindung). Die Vergütung ist nicht Gegenleistung für die Erfindung, sondern „Prämie für das anteilige Verdienst“ des Arbeitnehmers am Zustandekommen der Erfindung im Betrieb des Arbeitgebers (Müller-Dott, StbJb 1983/84 S. 265, 280).

3. Arbeitnehmer bleibt Erfinder

[i]Arbeitgeber wird mit Inanspruchnahme der Diensterfindung nicht selbst ErfinderMit der Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber kann dieser die Erfindung rechtlich und wirtschaftlich nutzen. Der Arbeitgeber wird aber mit der Inanspruchnahme nicht selbst Erfinder; dies bleibt der Arbeitnehmer (sog. Erfinderprinzip). Es kommt daher formell zu keiner Übertragung der Erfinder-Rechtsposition vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber. S. 2941

VI. Kosten einer Schutzrechtsanmeldung

Gem. § 13 Abs. 1 ArbnErfG ist der Arbeitgeber allein berechtigt und verpflichtet, eine gemeldete Diensterfindung unverzüglich im Inland zur Erteilung eines Schutzrechts (Patent oder Geschmacksmuster) anzumelden.

1. Unterschiedliche Rechtsvorgänge

[i]Bundesbetriebsprüfung: Aktivierung der Kosten bei dem immateriellen Wirtschaftsgut „Erfindung“ Die Bundesbetriebsprüfung versteht auch die Kosten einer Schutzrechtsanmeldung als Anschaffungsnebenkosten der – nach ihrer Auffassung entgeltlich erworbenen – Erfindung und will diese daher bei der Aktivierung des immateriellen Wirtschaftsguts „Erfindung“ berücksichtigen. Dies ist bereits im Ansatz verfehlt. Die Inanspruchnahme der Erfindung einerseits und die Anmeldung von gewerblichen Schutzrechten andererseits sind zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsvorgänge beim Arbeitgeber.

[i]Arbeitgeber meldet die Erfindung im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Erteilung des Schutzrechts an Erklärt der Arbeitgeber die Inanspruchnahme der Erfindung, gehen gem. § 7 Abs. 1 ArbnErfG alle vermögenswerten Rechte an der Erfindung einschließlich des (materiellen) Rechts auf das Schutzrecht auf ihn über (vgl. NWB MAAAC-04958). Hiervon ist die verfahrensrechtliche Seite zu trennen, die in § 13 ArbnErfG geregelt ist. Die grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers zur unverzüglichen Anmeldung einer gemeldeten Diensterfindung besteht unabhängig von der Inanspruchnahme (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen, Rn. 135; Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, § 13 Rn. 9). Hierdurch soll verhindert werden, dass die materiellen Rechte und rechtlichen Möglichkeiten, die eine Diensterfindung bietet, durch Zuwarten verloren gehen (BGH X ZR 155/03). Die Regelung dient der frühestmöglichen Sicherung von Prioritätsrechten, die mit der ersten Hinterlegung einer Schutzrechtsanmeldung entstehen. Der Arbeitgeber meldet die Erfindung im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Erteilung des Schutzrechts an. Er ist alleiniger Herr des Schutzrechtserteilungsverfahrens und betreibt auch die Erteilung des Schutzrechts auf seinen Namen; die Kosten des Erteilungsverfahrens fallen ihm allein zur Last (Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, § 13 Rn. 3, 11; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungen, Rn. 146). Bei der Anmeldung wird der Arbeitnehmererfinder, dessen Erfinderpersönlichkeitsrecht unberührt bleibt, als Erfinder der als schutzfähig angesehenen Erfindung angegeben. Er ist nicht (Mit-)Anmelder.

2. Keine Kosten für Übergang der vermögenswerten Rechte

[i]Kosten der Schutzrechtsanmeldung sind kausal und final keine Kosten für den Übergang der vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber Der Arbeitgeber hat die Schutzrechtsanmeldung auf seinen Namen also unabhängig davon zu betreiben, ob er die Diensterfindung in Anspruch genommen hat oder in Anspruch nehmen wird – und somit unabhängig davon, ob ihm auch das (materielle) Recht auf das Schutzrecht zusteht oder zustehen wird. Dies zeigt bereits, dass die Anmeldungs- und Verfahrenskosten für die Schutzrechtserteilung kausal und final keine Kosten für den Übergang der vermögenswerten Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber sind.

Hinzu kommt, dass nicht jede Erfindung für die betriebliche Nutzung zur Erteilung des Schutzrechts anzumelden ist; insbesondere im Hinblick auf geheimzuhaltende Verfahren und die mit der Erteilung eines Schutzrechts verbundene Veröffentlichung kann der Arbeitgeber von der Erwirkung des Schutzrechts absehen, wenn er die Schutzfähigkeit der Diensterfindung gegenüber dem Arbeitnehmer anerkennt (§ 13 Abs. 2 Nr. 3, § 17 Abs. 1 ArbnErfG). Die Wirkung einer Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber und damit auch der Übergang des Rechts auf das Schutzrecht bleiben unberührt.

[i]Anmeldungs- und Verfahrenskosten sind keine Kosten des immateriellen Wirtschaftsguts „Erfindung“ Bei Erteilung des vom Arbeitgeber im eigenen Namen nachgesuchten Schutzrechts entsteht dieses erstmals – originär – beim Arbeitgeber. Die hiermit verbundenen S. 2942Anmeldungs- und Verfahrenskosten sind daher schon dem Grunde nach keine Kosten des immateriellen Wirtschaftsguts „Erfindung“ beim Arbeitgeber.

Fazit

Für eine Aktivierung von „Erwerbskosten“ i. S. von § 5 Abs. 2 EStG ist, wenn der Arbeitgeber eine Arbeitnehmererfindung in Anspruch nimmt, kein Raum. Es kommt zu einem originären Erwerb des Wirtschaftsguts „Erfindung“ durch den Arbeitgeber. Bei der Leistung des Arbeitgebers handelt es sich um eine arbeitsrechtlich vom Gesetzgeber geforderte „Prämie“ für die erfinderische Tätigkeit des Arbeitnehmers und nicht um ein Entgelt, das im Markt für einen abgeleiteten (derivativen) Erwerb eines zuvor in der Person des Arbeitnehmers bestehenden immateriellen Wirtschaftsguts gezahlt würde.

Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Die Wertschöpfung, die in deutschen Unternehmen erarbeitet wird, beruht nachhaltig auf den erzielten Innovationen. Diese lassen sich national und international erfolgreich nur dann vermarkten, wenn sie patent- und/oder markenrechtlich geschützt werden.

Deutschland ist bei den ca. 247.000 Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt im Jahre 2014 „Patent-Europameister“: Auf Deutschland entfallen ca. 32.000 Anträge auf Patentschutz (vor Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden). Weltweit kommt Deutschland auf Platz 3 (hinter den USA und Japan, vor China und Südkorea).

Kalkuliert man die (internen und externen) Patentanmeldungskosten pauschal mit ca. 50.000 €/Patent, dann entfallen auf die deutschen Unternehmen im Jahr 2014 Kosten von ca. 1,6 Mrd. €. Setzt man kalkulatorisch die an die Arbeitnehmererfinder gezahlten Vergütungen nochmals mit demselben Jahresbetrag an, zielt der Prüfungsansatz der Großbetriebsprüfung auf eine neu geschaffene Bemessungsgrundlage in Höhe von ca. 3,2 Mrd. € p. a. Bei einem kalkulierten Steuersatz in Höhe von 30 % (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) würde dies zu einem Mehrsteueraufkommen in Höhe von ca. 1 Mrd. € p. a. führen, das der Fiskus erwarten könnte, hätte die Betriebsprüfung mit ihrem Prüfungsansatz recht.

Exportstarke und innovative deutsche Großunternehmen (BASF, Bosch, Siemens, Daimler, Volkswagen u. a.) wären besonders betroffen. Sie hätten ihr jeweiliges Forschungsbudget um die „Steuerkosten“ auf die Diensterfindungen zu erhöhen – oder die F&E-Aktivitäten wegen der neuen Steuerlast einzuschränken!

Autoren

Dr. Joachim H. Borggräfe, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht, ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Castle Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Frankfurt am Main). Er ist als Wirtschafts- und Steueranwalt in allen Fragen des nationalen und internationalen Steuerrechts beratend tätig. Die Themenstellung des Aufsatzes knüpft an die Diskussion an, die in den 1970er Jahren bereits die Steuerabteilungen der deutschen Chemie-Unternehmen intensiv beschäftigt hatte.

Dr. Matthias Hinz ist als Rechtsanwalt für die Marccus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Düsseldorf tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung deutscher, französischer und englischsprachiger Unternehmen im Arbeits- und Vertragsrecht einschließlich der Prozessführung. Am French Desk der Kanzlei ist er außerdem auf die Beratung im deutsch-französischen Rechtsverkehr spezialisiert.

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 2935 - 2942
NWB TAAAF-02446