Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Fahrten von Profisportlern im Mannschaftsbus zu auswärtigen Terminen – Begriff der „tatsächlich geleisteten Arbeit“
Leitsatz
Tatsächlich geleistete Arbeit i.S.d. § 3b Abs. 1 EStG liegt ohne weitergehende Voraussetzungen bzw. Einschränkungen immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer die von ihm arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, für die ein Anspruch auf Grundlohn besteht.
Dementsprechend sind Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die Profisportlern und Betreuern für die verpflichtende Teilnahme an Fahrten im Mannschaftsbus zu auswärtigen Terminen zusätzlich zum Grundlohn gezahlt werden, unabhängig davon steuerfrei, ob während der Reisezeit eine belastende Tätigkeit ausgeübt wird.
Gesetze: EStG § 3b Abs. 1; EStG § 3b Abs. 2 Satz 1 1. Halbs.
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist, ob im Zusammenhang mit Hin- und Rückfahrten zu auswärts stattfindenden Terminen an Profisportler bzw. Betreuer geleistete Zahlungen als steuerfreie Zuschläge i.S. des § 3b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sind.
Der Beklagte führte bei der Klägerin, bei der es sich um eine ...[ Sportart ]- Profimannschaft handelt, eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum bis durch. Im Prüfungsbericht vom traf die Prüferin unter Tz. 1 die Feststellung, dass die Klägerin an ihre Spieler und Betreuer im Rahmen von auswärts stattfindenden Terminen zusätzlich zum Arbeitslohn steuerfreie Zuschläge zu Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit leiste. Für die Beförderungszeiten im Mannschaftsbus könnten, soweit diese nicht mit belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand), keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden. Mit der Klägerin bestehe Einvernehmen dahingehend, dass der Anteil der nachzuversteuernden Beträge mit 15 % der Gesamtzahlungen zu bemessen sei. Auf Antrag der Klägerin sei eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorzunehmen.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am einen Bescheid, der sowohl eine unstreitige Haftungsschuld (insgesamt 609,14 Euro) als auch die zwischen den Beteiligten streitige Nachforderung zur Lohnsteuer zzgl. Nebenabgaben i. H. v. von insgesamt…Euro zum Gegenstand hat.
Nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruch vom ) hat die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom am Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Einbeziehung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren geltend macht: Im Streitfall seien die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 3b EStG erfüllt. Die Arbeitnehmer leisteten während der Reisezeiten tatsächliche Arbeit i. S. des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG. Die Fahrtzeiten gehörten nach § 2 Abs. 2 Buchst. f bzw. § 6 des Standard-Arbeitsvertrages zu den arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeiten. Die Spieler/Betreuer seien zu der Teilnahme an Fahrten in dem vom Arbeitgeber bestimmten Transportmittel verpflichtet. Eine Möglichkeit zur individuellen Anreise bestehe nicht.
Tatsächliche Arbeit liege bei den Fahrtzeiten unabhängig davon vor, ob während der Fahrten weitere Tätigkeiten, wie z.B. die Teilnahme an Videoanalysen, Spiel- und Taktikbesprechungen, Einzelanalysen etc. stattfinden würden.
Für die Steuerfreiheit nach § 3b EStG sei unmaßgeblich, ob in den zuschlagsfähigen Zeiten eine „belastende“ Tätigkeit vorgenommen werde. Maßgebend sei allein, dass tatsächlich Arbeit geleistet werde. Was als tatsächlich geleistete Arbeit zu beurteilen sei, sei abhängig vom Berufsbild der jeweiligen Tätigkeit. Im Bereich des Profisports sei wesentliches Merkmal, dass sich die Profisportler in sportlichen Wettkämpfen messen würden, die an unterschiedlichen Orten stattfänden. Dies mache die Reisetätigkeit unumgänglich und habe zur Folge, dass eine Hauptleistungspflicht im arbeitsrechtlichen Sinne vorliege. Das „passive“ Verhalten der Spieler während der Reisezeiten liege zudem gerade im Interesse des Arbeitgebers, um die Fahrten selbst und die während der Fahrten stattfindenden Tätigkeiten vornehmen zu können. Die Spieler könnten während der Fahrten demgegenüber nicht frei über ihre Zeit verfügen, sondern seien zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber an einen Ort, nämlich den Bus, gebunden. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Fällen einer Rufbereitschaft (Urteil vom VI R 64/96) sei für die Annahme tatsächlicher Arbeit allein maßgeblich, dass die Fahrten nicht im Rahmen einer privaten Freizeitgestaltung stattfänden.
Die vorstehende Beurteilung entspreche auch der Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Begriff der Arbeit. Danach sei Arbeit „jede Tätigkeit, die als Leistung der versprochenen Dienste i. S. des § 611 Abs. 1 BGB der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient“ (Urteil vom 5 AZR 292/08). Die Frage, ob es sich während der Reisezeit um Arbeitszeit i.S. des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) handele, sei demgegenüber für die Beurteilung im Rahmen des § 3b EStG ohne Belang.
Ein anderes Auslegungsergebnis zum Begriff der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ ergebe sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 3b EStG, für die die Gesetzesbegründung heranzuziehen sei. Daraus ergebe sich nur, dass der Gesetzgeber einkommensstarke Berufsgruppen, wie Profisportler, durch die Beschränkung auf einen maximal berücksichtigungsfähigen Grundlohn von 50 Euro von der Begünstigung ausnehmen wollte. Eine weitere Beschränkung nach der Art der ausgeübten Tätigkeit sei im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1945 vom , 8) nicht angeführt worden. Insbesondere gehe aus der Gesetzesbegründung nicht hervor, dass Reisezeiten nicht begünstigt werden sollten.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3b EStG folge nicht, dass der Gesetzgeber nur bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. Ärzte, Schichtarbeiter oder solche Arbeitnehmer, an deren Tätigkeit ein besonderes Interesse der Allgemeinheit bestehe, begünstigen wollte. In der Begründung zum Gesetzesentwurf des Steuerreformgesetzes 1990 in BT-Drucks. 11/2157, 1 ff. werde vom Gesetzgeber kein besonderes Interesse der Allgemeinheit gefordert. Die Begünstigung des § 3b EStG werde lediglich mit dem besonderen Interesse der Allgemeinheit begründet, welches sowohl im öffentlichen Bereich als auch in der Privatwirtschaft bestehen könne (BT-Drucks. 11 /2157, 138). Eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen sei der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Es sei auch nicht einzusehen, warum kein Interesse der Allgemeinheit an Sportveranstaltungen bestehen und zur Nichtanwendung der Regelung auf dafür benötigte Reisezeiten der Sportler führen solle.
Schließlich zählten angeordnete Ruhezeiten wie Pausen i. S. des § 4 ArbZG nach R 3b Abs. 6 Satz 2 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) zu den begünstigungsfähigen Arbeitszeiten i. S. des § 3b EStG, auch wenn diese aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht vergütungspflichtig seien. Voraussetzung für die Anwendung des R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR sei, dass die Ruhezeit zur vereinbarten und vergüteten Arbeitszeit gehöre und in den begünstigten Zeitraum falle. Deshalb liege auch bei Ruhezeiten während der Durchführung von Fahrten aus steuerlicher Sicht vereinbarte und vergütete Arbeitszeit vor.
Die Klägerin beantragt,
den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Er führt unter Einbeziehung der Gründe der Einspruchsentscheidung aus: Die Steuervergünstigung nach § 3b EStG sei zu versagen, da die Beförderungszeiten zu und von auswärts stattfindenden Terminen keine Arbeitszeiten i. S. der gesetzlichen Regelung darstellen würden. Allgemein gelte, dass Zuschläge nach § 3b EStG für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden müssten und nicht den Charakter einer erhöhten Entlohnung haben dürften. Daran fehle es, wenn die Zuschläge ohne korrespondierende Arbeitsleistung entrichtet würden. Für die Auslegung des Begriffs der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ seien neben der steuerlichen Würdigung auch die arbeitsrechtlichen Grundsätze maßgeblich. Nach diesen Grundsätzen stellten Reisezeiten während der Dienstzeiten grundsätzlich keine Arbeitszeit i. S. des ArbZG dar. Zeiten einer Dienstreise könnten nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles als Arbeitszeit beurteilt werden. Maßgeblich sei, ob eine belastende Tätigkeit während der Reisezeit auszuüben sei. Arbeitszeit liege daher nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf der Dienstreise ein Fahrzeug lenken oder öffentliche Verkehrsmittel zur Erledigung einer Arbeitsaufgabe nutzen müsse. Die Beförderung von Arbeitnehmern in betriebseigenen Beförderungsmitteln von einer Betriebsstätte oder zurück sei folglich nicht als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne des § 2 ArbZG zu werten, da der Profisportler mit der Hinnahme der bloßen Beförderung ein rein passives Verhalten ausübe.
Diese Bewertung sei auch auf den steuerrechtlichen Begriff der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ im Sinne des § 3b EStG zu übertragen. Soweit belastende Tätigkeiten während der Reisezeit auf Anordnung des Arbeitgebers vorgenommen würden, sei hierüber ein entsprechender Nachweis zu führen (R 3b Abs. 6 Satz 3 LStR). Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass bei Einzelgesprächen zwischen Trainer und Spieler die restliche Mannschaft weiterhin keine belastende Tätigkeit ausübe.
In Abgrenzung zu Fahrtzeiten sei der Begriff der Pause, wie er in R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR verwendet werde, i. S. des § 4 ArbZG auszulegen und habe deshalb nur die im Voraus feststehende Unterbrechung der Arbeit zum Gegenstand, während der der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten, noch sich dafür bereitzuhalten habe.
Ruhezeiten i. S. des § 5 ArbZG stellten grundsätzlich keine Arbeitszeit dar. Dies gelte auch für Zeiten einer Rufbereitschaft, solange der Arbeitnehmer nicht tatsächlich zur Arbeit herangezogen werde. Nach der Rspr. des BFH seien Zeiten einer Rufbereitschaft als zuschlagfähige Arbeitszeit i. S. des § 3b EStG zu behandeln, wenn von einer Inanspruchnahme auszugehen sei. Die Reisezeiten der von der Klägerin beschäftigten Spieler stellten danach keine Arbeitszeit dar, da die Arbeitnehmer nicht zwingend mit einer Inanspruchnahme rechnen müssten.
Auch nach der von der arbeitsrechtlichen Auslegung grundsätzlich unabhängigen steuerrechtlichen Auslegung des Begriffs der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ komme eine Anwendung des § 3b EStG nicht in Betracht. Bei der Wortlautauslegung sei davon auszugehen, dass eine belastende Handlung vorliegen müsse, die als Hauptleistung zu qualifizieren sei. Bei einem Profisportler sei die sportliche Betätigung als Hauptleistungspflicht anzusehen. Reine Beförderungszeiten stellten dagegen keine sportliche Betätigung dar. Die Beförderung als solche sei für den Sportler nicht belastend, sondern als rein passives Geschehen zu beurteilen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass während der Beförderung jederzeit die Möglichkeit für den Profisportler bestehe, zu Taktikschulungen oder ähnlichen Aktivitäten durch den Trainerstab herangezogen zu werden, da das bloße Bereithalten keine belastende (Haupt-)Leistungspflicht zur Folge habe.
Bei der Auslegung anhand der Entstehungsgeschichte sei der gesetzgeberische Wille, wie er in der BT-Drucks. 15/1945, 7 f. zum Ausdruck komme, zu berücksichtigen. Danach solle die Beschränkung nach § 3b Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG dazu dienen, besonders einkommensstarken Gruppen - wie Profisportlern - eine übermäßige Begünstigung durch die uneingeschränkte Anwendung des § 3b EStG zu versagen. In Konsequenz dessen sei § 3b EStG restriktiv auszulegen und bloße Beförderungszeiten seien nicht als „tatsächlich geleistete Arbeit“ einzustufen.
Die Auslegung anhand der Gesetzessystematik bedinge, dass arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die bloße Beförderungszeiten zu und von auswärts stattfindenden Terminen /Trainingslagern als Arbeitszeiten qualifizierten, keinen Einfluss auf die Begriffsbestimmung der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ haben dürften.
Bei der Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift sei das vom Gesetzgeber verfolgte Interesse der Allgemeinheit an Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausreichend zu berücksichtigen (BT-Drucks. 11/1257, 1 f). Dieses liege z.B. bei der Tätigkeit von Ärzten im Schichtdienst oder von Straßenbauarbeitern vor. Demgegenüber sei ein besonderes Interesse der Allgemeinheit an der Beförderung von Profisportlern zu auswärts stattfindenden Terminen als sehr gering einzuschätzen und werde deshalb vom Regelungszweck des § 3b EStG nicht erfasst.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vom Beklagten überlassenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der vom Beklagten gegen die Klägerin nach § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG erlassene Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig, da die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in Höhe des Nachforderungsbetrages nach § 3b Abs. 1 EStG als steuerfrei zu behandeln sind. Der Bescheid war deshalb aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. der Finanzgerichtsordnung - FGO -)
I. Nach § 3b Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Gesetzesfassung sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Vomhundertsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 26.?10.?1984 VI?R?199/80, BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57). Es muss also eine entsprechende subjektive Zweckbestimmung vorliegen. Hierzu sind grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit erforderlich ( VI?R?90/87, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293). Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. An einer Zahlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit fehlt es, wenn diese nur pauschal abgegolten werden, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Vomhundertsätzen des Grundlohns) möglich ist (, BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725; , juris).
II. Die für die Steuerfreistellung in § 3b EStG erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
1. Die ihrem Umfang nach unstreitigen Zuschläge, die auf die „passiven“ Fahrzeiten entfallen, sind den Arbeitnehmern der Klägerin neben dem Grundlohn gezahlt worden.
a) Für die „passiven“ Fahrzeiten bestand ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Zahlung von Grundlohn.
Grundlohn liegt nach der Legaldefinition in § 3b Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. EStG bei laufendem Arbeitslohn vor, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Danach ist immer dann von Grundlohn auszugehen, wenn für Arbeitszeit ein Lohnanspruch besteht, also Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne vorliegt.
Aufgrund der gesetzlich für die Steuerfreiheit der Zuschläge in § 3b Abs. 1 EStG vorgegebenen Anknüpfung der Freistellung an das Vorliegen von Grundlohn sind dessen Voraussetzungen begrifflich vorrangig, nämlich vor der Frage einer Zahlung der Zuschläge für tatsächlich geleistete Arbeit, festzustellen. Mit dem Grundlohn muss die Arbeitsleistung als solche abgegolten werden und mit dem Zuschlag, dass die Arbeit zu ungünstigen Zeiten geleistet wird (von Beckerath in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 3b Rz. 6).
b) Im Streitfall ist für die „passiven“ Fahrzeiten, also die Zeiten, in denen die Spieler/Betreuer nicht im engeren Sinne arbeitsbezogen tätig sind (z.B. Zeiten ohne Gruppen- oder Einzelgespräche), ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslohn gegeben.
Nach § 611 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i. V. m. § 2 Abs. 2 Buchst. f des Standardarbeitsvertrages sind die Arbeitnehmer zur Teilnahme an den Fahrten zu Reisen ..., für die der [ Arbeitgeber] auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmt, verpflichtet. Korrespondierend zur arbeitsvertraglichen Pflicht der Arbeitnehmer besteht nach § 611 Abs. 1 BGB eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers für die versprochenen Dienste und damit ein Lohnzahlungsanspruch. Eine gesonderte Regelung für Fahrzeiten, in denen die Spieler/Betreuer nur „passiv“ an den Fahrten teilnehmen, etwa in dem Sinne, dass solche Fahrzeiten nicht vergütungspflichtig sein sollen, ist nach dem Inhalt des dem Gericht vorgelegten Standardvertrages von den Vertragsparteien nicht getroffen worden.
Auch nach der neueren Rspr. des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Fahrzeiten unabhängig davon, ob sie Hauptleistungspflichten im eigentlichen Sinne darstellen (wie z.B. bei einem Berufskraftfahrer), jedenfalls dann als vergütungsrechtliche Arbeitszeiten zu behandeln, wenn die Dienstreise vom Arbeitgeber angeordnet worden ist und der Arbeitnehmer aufgrund dessen über die auf die Dienstreise entfallenen Zeiten nicht selbst verfügen kann, er also weder eine Pause i. S. des ArbZG noch Freizeit hat (, Neue Zeitschrift Arbeitsrecht - NZA - 2011, 917; Stöhr/Stolzenberg, Dienstreisen: Arbeitszeitrechtliche Behandlung und Vergütung, NZA 2019, 505 m.w.N. zur Entwicklung der arbeitsrechtlichen Rspr.).
c) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den „passiven“ Fahrzeiten“ nicht um solche, die in keinem Zusammenhang mit einer korrespondierenden Arbeitsleistung stehen. Die darin zum Ausdruck kommende Beurteilung des Beklagten der Fahrzeiten als „arbeitsfreie“ Reisezeit baut auf der Behandlung von Fahrzeiten/Dienstreisen nach dem ArbZG auf. Die Vorgaben des ArbZG dienen nach § 1 Nr. 1 ArbZG dem Zweck, im Hinblick auf die Beanspruchung des Arbeitnehmers einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz sicher zu stellen (Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, beck-online, § 2 Rn. 74).). Die Auslegung des Arbeitszeitbegriffes i. S. des ArbZG ist von der Auslegung im vergütungsrechtlichen Sinne zu unterscheiden. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers ist von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung unabhängig (BAG, NZA 2011, 917). Die Auslegung im jeweiligen Kontext kann zu voneinander abweichenden Ergebnissen führen (vgl. Stöhr/Stolzenberg, a.a.O.). Aufgrund der Bezugnahme in § 3b Abs. 1 EStG auf die vergütungsrechtlich ausgerichtete Definition des Grundlohns ist das Verständnis in dem vom Beklagten vertretenen arbeitsschutzrechtlichen Sinne bei der Frage, ob Arbeitszeit vorliegt, nicht vertretbar.
d) Ob im Streitfall während der gesamten Dauer der Fahrzeiten daneben eine „Rufbereitschaft“ der Spieler/Betreuer bestand, die ebenfalls als Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne anzusehen sein könnte (vgl. , BFHE 200, 240, BStBl II 2002, 883), oder alternativ die „passiven“ Fahrzeiten als (nicht vergütungspflichtige) Pausen gemäß R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR gleichsam als begünstigte Arbeitszeit zu behandeln wären, kann im Hinblick auf die Feststellung, dass bereits die „passiven“ Fahrzeiten als solche als Arbeitszeit zu beurteilen sind, dahinstehen. .
2. Von der Klägerin sind auf den Grundlohn im vorstehenden Sinne unstreitig auch Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit an die Arbeitnehmer gezahlt worden. Die Zuschläge überschreiten zudem nicht die maximal steuerfreien Beträge.
3. Bei den Zuschlägen handelt es sich darüber hinaus um Zuschläge, die entsprechend dem Gesetzestext des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG für „tatsächlich geleistete“ Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt worden sind.
a) Der Begriff der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ ist in § 3b EStG nicht legaldefiniert. Das Gesetz enthält in § 3b Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. EStG nur die bereits dargestellte Definition des Grundlohnes. Aufgrund dessen liegt nach dem Wortlautverständnis des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG tatsächlich geleistete Arbeit immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer die von ihm arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, für die ein Anspruch auf Grundlohn besteht.
Bei der Auslegung des Merkmals „tatsächlich geleistete Arbeit“, sind, sofern - wie vorliegend - die Voraussetzungen für vergütungspflichtige Arbeitszeit erfüllt sind, keine weitergehenden Voraussetzungen bzw. Einschränkungen für die Steuerfreiheit anhand des Wortlauts des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG auszumachen. Insbesondere lassen sich dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass vergütungspflichtige Zeiten, nur deshalb, weil sie „passive“ Fahrzeiten darstellen, vom Begriff der tatsächlich geleisteten Arbeit i. S. des § 3b Abs. 1 1. Halbs. EStG auszunehmen sind.
Nach der Rspr. des BFH sind Zuschläge nur dann nicht steuerfrei, wenn ihnen keine tatsächliche Arbeitsleistung zugrunde liegt, wie dies im Rahmen einer Entgeltfortzahlung der Fall ist (vgl. , BFHE 112, 478, BStBl II 1974, 646, zum freigestellten Betriebsratsmitglied; vom VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801, zum Freizeitausgleich unter Fortzahlung der Bezüge; vom VI R 92/88, BFHE 159, 157, BStBl II 1990, 315, zu Zeitzuschlägen bei Bereitschaftsdienst; , BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730 zum MuschG). Für eine solche Ausnahme liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor. Weitere Einschränkungen lassen sich - soweit ersichtlich - weder der bisherigen Rspr. (vgl. , BFHE 200, 240, BStBl II 2002, 883 m.w.N.) noch dem Schrifttum (vgl. Wagner in Heuermann/Wagner, beck-online, E. Steuerfreiheit von Arbeitslohn, Rn. 378 ff.) entnehmen.
b) Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ in dem vom Beklagten vertretenen Sinne, wonach es sich für die Steuerfreiheit der Zuschläge um eine „belastende“ (Haupt-)Tätigkeit handeln muss, ist auch nicht anhand weiterer Auslegungskriterien gerechtfertigt. Anhaltspunkte für das Erfordernis einer belastenden Hauptleistung ergeben sich weder aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Gesetzes noch der Gesetzessystematik. Aufgrund dessen kann die von den Beteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob auch die „passiven“ Fahrzeiten der Spieler/Betreuer in einem Mannschaftsbus „belastend“ sind oder nicht, dahin gestellt bleiben.
§ 3b EStG ist aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen und dem Allgemeininteresse an Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit geschaffen worden (Blümich/Erhard, 146. EL Februar 2019, EStG, § 3b Rn. 5). In der Gesetzesbegründung zum Steuerreformgesetz 1990 in BT-Drucks. 11/2157, 138 führt der Gesetzgeber hierzu nur aus, dass (wie bisher) sowohl im öffentlichen Bereich als auch im privaten Bereich ein Interesse der Allgemeinheit an dieser Arbeit, also an der Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie Nachts bestehe, und benennt hierzu beispielhaft bestimmte Berufsgruppen, ohne diese abschließend aufzuzählen oder einen Berufs- oder Kriterienkatalog hinsichtlich der begünstigten Arbeitnehmer bzw. einzelner Tätigkeiten aufzustellen. Lediglich die bisherigen Unterschiede beim Umfang der Besteuerung danach, ob und in welcher Höhe Lohnzuschläge gesetzlich geregelt oder tarifvertraglich festgelegt sind, solle beseitigt werden.
Auch der späteren Gesetzesbegründung zum Steueränderungsgesetz 2003 (BT-Drucks. 15/1945) lassen sich keine Anhaltspunkte für vom Gesetzgeber gewollte Beschränkungen bezüglich der zu begünstigten Berufsgruppen bzw. bezüglich der ausgeübten Tätigkeiten entnehmen. Die Gesetzesänderung zur Neufassung des § 3b EStG enthält nur eine Beschränkung der als Grundlohn zu berücksichtigenden Bemessungsgrundlage auf 50 Euro. In der Einzelbegründung zur Gesetzesänderung (BT-Drucks. 15/1945, V. B Art. 1 zu § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG) wird lediglich im Zusammenhang mit der angestrebten Begrenzung der Steuerfreiheit für einkommensstarke Gruppen beispielhaft auf die Gruppe der Profisportler Bezug genommen. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Gesetzgeber hinsichtlich dieser Berufsgruppe eine Unterscheidung bzw. Einschränkung je nach der konkret ausgeübten Tätigkeit vornehmen wollte.
Schließlich rechtfertigen auch steuersystematische Gesichtspunkte keine vom Wortlaut der Regelung abweichende Auslegung i. S. des Vorbringens des Beklagten. Zwar handelt es sich bei der Steuerfreistellung von der sachlichen Steuerpflicht um eine Ausnahmeregelung, die deshalb grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. , BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730). Hiermit lässt sich jedoch ebenso wenig wie mit der Tatsache, dass die Steuerfreistellung als rechtspolitisch verfehlt angesehen wird (Erhard in Hermann/Heuer/Raupach, EStG KStG, § 3b EStG Anm. 6; Wagner in Heuermann/Wagner, beck-online, E. Steuerfreiheit von Arbeitslohn, Rn. 375) eine aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmende Ausnahme von der Steuerfreistellung für nicht „belastende“ Tätigkeiten begründen.
c) Selbst wenn ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ein dem Vorbringen des Beklagten entsprechender (subjektiver) Wille des Gesetzgebers bestanden haben sollte, könnte dieser bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (vgl. z.B. Urteil vom 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, und Beschluss vom 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126) und des BFH (vgl. z.B. Urteil vom VIII R 31/88, BFHE 164, 159, BStBl II 1992, 167 m.w.N.) ist für die Auslegung von Steuergesetzen der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt. Der subjektive Wille der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen kann für die Auslegung nur insofern von Bedeutung sein, als er die Richtigkeit einer nach den sonstigen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die sonst nicht ausgeräumt werden könnten. Die Motive und Vorstellungen der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften können mithin nur dann berücksichtigt werden, wenn sie - was vorliegend nicht der Fall ist - im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben (BVerfGE 11, 126; , BVerfGE 13, 261; u.a., BVerfGE 59, 128).
d) Neben den vorstehenden Erwägungen sprechen schließlich auch rein praktische Überlegungen gegen eine vom Gesetzgeber (subjektiv) gewollte Beschränkung der Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge auf bestimmte Arten von Tätigkeiten innerhalb eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses. Denn gerade dann, wenn - wie im Streitfall - während einer einheitlichen Dienstreise neben die „belastenden“ Tätigkeiten sowie die nach R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR zu begünstigenden Pausenzeiten, zusätzlich „passive“ Fahrzeiten treten, würden sich daraus umfangreiche, in der Praxis nicht zu realisierende und darüber hinaus nicht überprüfbare Aufzeichnungspflichten ergeben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die nicht abschließend geklärten Fragen zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „tatsächlich geleisteten Arbeit“ in § 3b Abs. 1 EStG zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGD:2019:0711:14K1653.17L.00
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 2325 Nr. 40
DStR 2019 S. 6 Nr. 45
DStRE 2019 S. 1451 Nr. 23
DStZ 2019 S. 734 Nr. 20
EFG 2019 S. 1662 Nr. 20
EStB 2020 S. 31 Nr. 1
GStB 2019 S. 430 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2019 S. 2832
StB 2019 S. 323 Nr. 11
SAAAH-30232