FG Münster Urteil v. - 5 K 3278/15 U EFG 2018 S. 1504 Nr. 17

Umsatzsteuer

Änderung einer Umsatzsteuerfestsetzung

Finanz- und Abgaberecht

Leitsatz

§ 27 Abs. 19 Satz 1,2 UStG ist dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung dann zulässig ist, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich enstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

Gesetze: UStG § 27 Abs 19 Satz 1, 2

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dazu berechtigt war, die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2012 nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG zu ändern.

Die Klägerin ist eine GmbH, Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines Tiefbau- und Abbruchunternehmens sowie eines Containerdienstes. Geschäftsführerin ist Frau B S.

Am ging die Umsatzsteuererklärung 2012 beim Beklagten ein, mit der eine Umsatzsteuer in Höhe von -82.018,87 € erklärt wurde. Durch Mitteilung vom stimmte der Beklagte der Erklärung zu. Mit Bescheid vom hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 AO auf.

Am erhielt der Beklagte eine Kontrollmitteilung vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I. Die Klägerin habe im Jahr 2012 als leistende Unternehmerin Bauleistungen an die Bauträgerin W GmbH (W GmbH) über insgesamt 162.646,06 € netto (Umsatzsteuer nach § 13b UStG 30.902,76 €) erbracht. Die W GmbH als Bauleistungsempfängerin habe nunmehr unter Berufung auf das ) einen Antrag auf Erstattung der nach § 13b UStG für Bauleistungen der Klägerin abgeführten Umsatzsteuer 2012 gestellt.

Mit Schreiben vom setzte der Beklagte die Klägerin über diesen Sachverhalt in Kenntnis. Er teilte der Klägerin zugleich mit, dass diese nunmehr nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldnerin sei. Sie, die Klägerin, sei deshalb nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG verpflichtet, ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG auszustellen, die insbesondere den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag enthalten müssten. Zudem sei die Klägerin nach § 18 UStG verpflichtet, die Umsatzsteuer anzumelden. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, den gesamten sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land NRW vertreten durch den Beklagten nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG abzutreten. Im Falle der Einhaltung weiterer Mitwirkungspflichten könne die Klägerin hiermit an Zahlungs statt ihre Umsatzsteuerschuld erfüllen.

Die Klägerin erteilte zunächst gegenüber der W GmBH keine korrigierten Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis über die erbrachten Bauleistungen im Jahr 2012. Auch erklärte sie zunächst nicht die Abtretung der Zahlungsansprüche gegen die W GmbH im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG.

Der Beklagte erließ daraufhin am einen nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, in dem er die Umsatzsteuer nunmehr in Höhe von -56.050,24 € (Unterschiedsbetrag 25.968,63 €) festsetzte.

Am erhob die Klägerin hiergegen mit Zustimmung des Beklagten Sprungklage.

Zur Begründung ihrer Klage legt die Klägerin dar, dass § 27 Abs. 19 AO nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei, insbesondere verstoße die Norm gegen das Rückwirkungsverbot und der in § 176 Abs. 2 AO normierte Vertrauensschutz werde durchbrochen. Ferner hätten weder die Klägerin noch die W GmbH einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft unterlegen. Vielmehr sei die Klägerin vom Beklagten – entgegen ihrer Rechtsinterpretation – dazu gezwungen worden, die Steuerschuldnerschaft auf die W GmbH zu verlagern. Zudem habe die Klägerin keinen (abtretbaren) Anspruch gegen die W GmbH, insbesondere scheide ein Anspruch nach § 313 BGB aus, da sich die Klägerin und die W GmbH nicht bezüglich der Steuerschuldnerschaft geirrt hätten, sondern allenfalls die Finanzverwaltung. Vor diesem Hintergrund seien Ansprüche der Klägerin gegen die W GmbH auch verjährt, da die Klägerin und die W GmbH nicht erst seit dem oder seit den Feststellungen der Groß- und Konzernbetriebsprüfung im Jahr 2015, sondern bereits im Jahr 2012 Kenntnis von der Nichtanwendbarkeit des Reverse-charge-Verfahrens und damit vom Anspruch der Klägerin gegen die W GmbH auf Zahlung der Umsatzsteuer gehabt hätten.

Die Klägerin beantragt,

den nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2012 vom aufzuheben;

hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist unter Verweis auf das der Auffassung, dass weder verfassungsrechtliche noch unionsrechtliche Zweifel an der Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG bestünden. Es bestehe auch ein zivilrechtlicher Anspruch des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung bzw. aus § 313 BGB. Der Anspruch sei auch zivilrechtlich nicht verjährt, da Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB der Schluss des Jahres 2013 sei. Zudem würde sich der Leistungsempfänger widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich verhalten, wenn er die Verjährungseinrede erheben würde.

Während des laufenden Klageverfahrens hat die Klägerin mit Schreiben vom die Abtretung der Forderungen gegenüber der Firma W aus den im Kalenderjahr 2012 erbrachten Werklieferungen und -leistungen beschränkt auf die Umsatzsteuer in Höhe von 19% aus 162.646,06 €, also 25.968,63 € an das Land NRW, vertreten durch den Beklagten erklärt (Bl. 89 der Gerichtsakten). Weiterhin hat die Klägerin mit Schreiben vom geänderte Rechnungen an den Beklagten übersandt (Bl. 154 ff. der Gerichtsakten):


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ReNr
Netto
USt
Brutto
1004950
2.490,18 €
473,13 €
2.963,31 €
1004951
2.646,00 €
502,74 €
3.148,74 €
1004954
53.934,09 €
10.247,48 €
64,181,57 €
1004959
3.697,48 €
702,52 €
4.400,00 €
1004960
99.878,30 €
18.976,88 €
118.855,18 €
Summe
162.646,05 €
30.902,75 €
129.431,981 €

Die Klägerin hat zudem mit Schreiben vom den Erlass eines Abrechnungsbescheides zur Umsatzsteuer 2012 beantragt (Bl. 169 der Gerichtsakten). Mit ihrer am erhobenen und unter dem Aktenzeichen 5 K 943/18 AO anhängigen Klage beantragt sie, den Beklagten zum Erlass eines Abrechnungsbescheides zu verpflichten.

In der Sache hat am eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 vom ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte war zur Änderung des Umsatzsteuerfestsetzung 2012 nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG berechtigt.

Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG). Nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG steht § 176 AO der Änderung nicht entgegen.

1. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Vorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG gegen das Verfassungsrecht bzw. Unionsrecht verstoße, so folgt der Senat dem nicht.

Der Senat schließt sich der Auffassung des an, wonach § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG dahingehend unionsrechtskonform auszulegen ist, dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung dann zulässig ist, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (, 24/16, BStBl. II 2017, 760). Der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes sei unionsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheides, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt würden (, 24/16, BStBl. II 2017, 760). Bei dieser unionsrechtskonformen Auslegung bestehen nach Auffassung des BFH, der der Senat folgt, auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (eingehend hierzu auch Kessens, MwStR 2016, 226 ff.).

Auch hat der Senat keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Regelung über die Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG sowie der Änderungsvorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG.

2. Der Klägerin steht im Streitfall auch ein abtretbarer Anspruch gegen die W GmbH zu.

a) Ein solcher Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung gegen die W GmbH ergibt sich aus § 313 Abs. 1 BGB.

Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Bei dem Umstand, der zur Grundlage des Vertrages geworden ist, handelt es sich um die Person des Steuerschuldners für die von der Klägerin an die W erbrachten Leistungen. In Bezug auf die Person des Steuerschuldners für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ist es nach Vertragsschluss zu einer schwerwiegenden Veränderung gekommen.

Die Klägerin und die W GmbH haben das Vertragsverhältnis gem. § 13b UStG im Wege des Reverse-Charge Verfahrens abgewickelt. Dies zeigt sich insbesondere an den von der Klägerin erteilten Rechnungen, mit denen diese über ein Entgelt ohne Steuerabzug abrechnete und in denen diese ausdrücklich auf die Steuerschuldnerschaft der W GmbH nach § 13b UStG hinwies. Dass dies auch dem Verständnis der W GmbH entsprach, wird dadurch belegt, dass die W GmbH die von der Klägerin empfangenen Leistungen als Leistungsempfängerin nach § 13b UStG versteuerte und erst nach Veröffentlichung des , BStBl. II 2014, 128) die Rückgängigmachung dieser Besteuerung geltend machte. Die Klägerin und die W GmbH mussten auch auf Basis der damals geltenden Verwaltungsauffassung davon ausgehen, dass die W GmbH Steuerschuldnerin für die erbrachten Leistungen war, denn auf der Grundlage der damals geltenden Verwaltungsauffassung (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005) war es nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Umsätze, für die er als Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, mit von ihm erbrachten Umsätzen nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. unmittelbar zusammenhängen (, 24/16, BStBl. II 2017, 760).

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass sie selbst und auch die W GmbH bereits damals die Verwaltungsauffassung übereinstimmend für falsch gehalten hätten, so ist dies nach Auffassung des Senates unerheblich, da eine innere Überzeugung von der vorgenommenen Handlung, der Ausstellung der Rechnungen sowie der Abgabe der Steuererklärungen nach den Grundsätzen der damaligen Verwaltungsauffassung, nicht erforderlich ist. Vielmehr hätte die Klägerin bzw. die W GmbH gegen die damalige Steuerfestsetzung Einspruch einlegen und ggf. Klage erheben müssen.

Diese Verwaltungsauffassung hat der BFH durch das Urteil vom (V R 37/10, BStBl. II 2014, 128) ausdrücklich verworfen und entschieden, dass es für die Entstehung der Steuerschuld beim Leistungsempfänger darauf ankommt, ob dieser die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Danach war die W GmbH, die die von der Klägerin bezogenen Leistungen für die steuerfreie Lieferung von Wohnungen verwendet hat, nur auf der Grundlage der beim Vertragsschluss geltenden Verwaltungsauffassung, nicht aber nach der BFH-Rechtsprechung Steuerschuldnerin (, 24/16, BStBl. II 2017, 760).

Durch diese Beurteilungsänderung ist es zu einer schwerwiegenden Veränderung in Bezug auf die Person des Steuerschuldners als Vertragsgrundlage gekommen. Denn die Klägerin muss für die W GmbH eindeutig erkennbar ihren Vergütungsanspruch nicht mehr auf der Grundlage eines von ihr nicht zu versteuernden Entgelts, sondern als Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Steuerschuld kalkulieren (, 24/16, BStBl. II 2017, 760).

In Kenntnis der BFH-Rechtsprechung und der sich hieraus ergebenden Steuerschuldnerschaft der Klägerin hätten die Klägerin und die W GmbH als Vergütung für die Klägerin eine Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer vereinbart. Damit ist die Klägerin entsprechend § 313 Abs. 1 BGB berechtigt, Anpassung des Vertrages zu verlangen. Dies führt zu einer Erhöhung des der Klägerin zustehenden Vergütungsanspruchs um die von der Klägerin für ihre Leistung geschuldete Umsatzsteuer. Ein Festhalten am unveränderten Vertrag kann der Klägerin nicht zugemutet werden (, 24/16, BStBl. II 2017, 760).

Gründe für ein Erlöschen des Anspruchs sind weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich.

b) Nach Auffassung des Senates ist es unerheblich, ob der Anspruch der Klägerin verjährt ist. Denn eine (mögliche) Verjährung würde nicht zum Erlöschen des Anspruchs führen, sondern dem Leistungsempfänger nur eine Einrede ermöglichen. An der vom BFH lediglich (im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung) geforderten Abtretbarkeit der Forderung würde eine Verjährung jedenfalls nichts ändern (so auch Gieseler/Dürr, BB 2017, 2075, 2079).

Selbst wenn man das Nichtvorliegen der Verjährungsvoraussetzungen als Voraussetzung für das Vorliegen eines abtretbaren Anspruchs und damit für das Bestehen einer Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ansehen würde, so war im maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2012 am nach allen vertretenen Rechtsauffassungen noch keine Verjährung eingetreten.

Die regelmäßige (dreijährige) Verjährungsfrist nach § 195 BGB beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Wann die Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger nach § 313 BGB in den Bauträgerfällen nach § 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt, ist umstritten:

Nach teilweise vertretener Auffassung beginne die Verjährungsfrist für einen etwaigen zivilrechtlichen Nachforderungsanspruch mit Ausführung der Bauleistung (, juris und , juris). Nach dieser Auffassung hätte die Verjährungsfrist am begonnen und am geendet.

Nach anderer Auffassung soll die Verjährung mit Verkündung des am (, EFG 2016, 338 und , EFG 2015, 2135) beginnen, so dass die Frist am abgelaufen wäre.

Nach einer weiteren Auffassung beginnt die Frist dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis davon erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsanspruch bei seinem Finanzamt gestellt hat ( BStBl. I 2017, 1001, Rz. 17; , juris; Sterzinger UR 2015, 293; Fleckenstein-Weiland, BB 2014, 2391). Die Klägerin hat durch Schreiben des Beklagten vom vom Erstattungsanspruch der W GmbH erfahren, so dass die dreijährige Verjährungsfrist nach dieser Auffassung am begonnen hat und erst am ablaufen würde.

Nach einer weiteren Ansicht sei der Fristbeginn nicht vor Verkündung des , BStBl. II 2017, 760) am anzunehmen, da dieses Urteil die erste höchstrichterliche Entscheidung über mögliche Nachzahlungsansprüche gewesen sei (, EFG 2018, 533 mit Anm. Pflaum). Fristende wäre danach der .

c) Über die Frage, inwieweit der Beklagte aufgrund der im Streitfall erst während des laufenden Klageverfahrens im Jahr 2016 erklärten Abtretung der (möglicherweise zu diesem Zeitpunkt verjährten) Forderung der Klägerin gegen Leistungsempfänger gegenüber diesem noch aufrechnen kann, war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Den Verjährungseinwand kann der erstattungsberechtigte Leistungsempfänger/Bauträger im Erhebungsverfahren geltend machen und mit dem Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) eine rechtsbehelfsfähige Verwaltungsentscheidung herbeiführen (Lippross, ).

Ebenfalls nicht zu entscheiden war über die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Steuerschuld gegenüber der Klägerin nach § 27 Abs. 19 Satz 3, 4 UStG (Ermessensreduzierung auf Null) anzunehmen sind, obwohl die Klägerin den Anspruch erst im Jahr 2016 (und damit nach teilweiser vertretener Auffassung erst nach Eintritt der Verjährung) abgetreten und die Rechnungen erst im Jahr 2017 (ohne diese in den Verkehr zu bringen) ggü. dem Beklagten berichtigt hat. Diese Frage wäre ebenfalls (nach Erlass eines Abrechnungsbescheides) im Erhebungsverfahren und damit ggf. im Verfahren 5 K 943/18 AO zu klären. Denn nach der Rechtsprechung des BFH soll lediglich die Frage des Bestehens und der Abtretbarkeit der Forderung bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Nur wenn bereits keine abtretbare Forderung besteht, soll schon keine Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG bestehen. Anderenfalls könnte der leistende Unternehmer durch eine verzögerte Erfüllung seiner Pflichten aus § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG die Änderung seines Steuerbescheides nach § 27 Abs. 19 Satz 1 AO verhindern. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers.

3. Der Höhe nach wäre der Beklagte zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2012 in Höhe von 30.902,75 € (19% von 162.646,06 € netto) berechtigt gewesen. Soweit der Beklagte zugunsten der Klägerin bei den Umsätzen von 162.646,06 € offenbar von einem Bruttobetrag ausgegangen ist und hieraus die festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von lediglich 25.968,63 € errechnet hat, ist der Senat an einer weitergehenden Entscheidung durch das im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Verböserungsverbot gehindert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Der Senat folgt in seinem Urteil der Rechtsprechung des , 24/16, BStBl. II 2017, 760).

Anmerkung

ECLI:DE:FGMS:2018:0515.5K3278.15U.00

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGMS:2018:0515.5K3278.15U.00

Fundstelle(n):
DB 2018 S. 18 Nr. 29
EFG 2018 S. 1504 Nr. 17
KÖSDI 2018 S. 20905 Nr. 9
UStB 2018 S. 227 Nr. 8
UVR 2019 S. 2 Nr. 1
SAAAG-88430