Finanzgericht Nürnberg  Urteil v. - 2 K 514/15 EFG 2017 S. 1496 Nr. 18

Keine Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden bei nachträglich erkanntem Verstoß gegen das Unionsrecht

Leitsatz

Verwaltungsakte, die nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht mehr anfechtbar sind, sind auch dann für die Beteiligten bindend, wenn sie gegen das Unionsrecht verstoßen (vgl. BFH V R 57/09 vom ).

Gesetze: EGV Art. 10 Abs. 1, AO § 37 Abs. 2, AO § 125 Abs. 1, AO § 164 Abs. 2, AO § 171 Abs. 3a, AO § 171 Abs. 4, AO § 171 Abs. 8, AO § 175 Abs. 1 Nr. 1, AO § 175 Abs. 1 Nr. 2

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger die Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005 zu erstatten ist.

Der Kläger war in den Jahren 2002 bis 2010 als Berufsbetreuer unternehmerisch tätig. Bis 2003 machte er von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch. Für das Jahr 2004 reichte der Kläger vierteljährlich Umsatzsteuervoranmeldungen ein, die für 2004 eine Umsatzsteuer in Höhe von 4.793,49 € auswiesen. Nachdem der Kläger keine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt C. mit Bescheid vom die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer 2004 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) auf 5.125 € fest. Am reichte der Kläger die Umsatzsteuerjahreserklärung 2004 beim Finanzamt ein, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 7.788,41 € auswies. Das Finanzamt erließ am einen entsprechend geänderten Bescheid (§ 164 Abs. 2 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Auch für das Jahr 2005 reichte der Kläger vierteljährliche Umsatzsteuervoranmeldungen ein, die eine Umsatzsteuerzahllast für 2005 in Höhe von 8.087,51 € ergaben. Am reichte der Kläger die Umsatzsteuerjahreserklärung 2005 beim Finanzamt ein, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 8.170,10 € auswies. Die Steuererklärung galt mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO). Ein Steuerbescheid wurde nicht erteilt.

Mit Schreiben vom beantragte der Kläger beim Finanzamt A-Stadt-Süd die Erstattung der aufgrund der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2009 geleisteten Umsatzsteuerzahlungen unter Hinweis auf das (Zimmermann).

Das Finanzamt C. lehnte den vom Finanzamt A-Stadt-Süd zuständigkeitshalber weitergeleiteten Antrag auf Erstattung der Umsatzsteuer 2005 bis 2009 ab. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens erließ das Finanzamt für die Jahre 2006 bis 2009 Änderungsbescheide und gewährte die Steuerbefreiung. Erstmals mit Schreiben des Klägers vom begehrte er auch die Erstattung der Umsatzsteuer 2004. Gegen die Ablehnung mit Schreiben vom legte der Kläger mit Schreiben vom Einspruch ein.

Die Einsprüche gegen die Ablehnung der Änderung bzw. Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 wurden mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2004 und 2005 wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich sei.

Der Kläger hat Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom und den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, die gezahlte Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005 einschließlich der Zinsen zu erstatten.

Zur Begründung führt er aus:

Die Umsätze von Berufsbetreuern seien nach der Rechtsprechung des EuGH nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Das Finanzamt habe sich zu Unrecht auf die Festsetzungsverjährung berufen.

Der Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2004 sei durch Abhilfeentscheidung vom verbeschieden worden. Damit ende die "Zahlungsverjährungsfrist" erst Ende 2012.

Aufgrund des vom Finanzamt am versandten Fragebogens habe das Finanzamt mit Amtsermittlungen "im Zuge der Außenprüfung" begonnen, hierdurch werde der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Jahre 2004 bis 2009 gem. § 171 Abs. 4 AO hinausgeschoben. Die Außenprüfung sei nie förmlich durch einen Prüfungsbericht beendet worden.

Für das Jahr 2005 sei kein Umsatzsteuerbescheid erlassen worden. Die Zahlungen seien vorläufig erfolgt, vorläufige Steuerfestsetzungen unterlägen gem. § 171 Abs. 8 AO der Ablaufhemmung. Die Festsetzungsfrist habe danach erst Ende 2008 begonnen und 2012 geendet.

Gem. § 171 Abs. 14 AO ende die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt sei. Es bestehe ein Anspruch auf Erstattung des entrichteten Steuerbetrags, weil dieser ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sei. Die Vergütung des Berufsbetreuers sei umsatzsteuerfrei gewesen.

Weiter sei die Rechtsprechung des EuGH im Fall "Emmott" anwendbar, wonach nationale Fristen außer Betracht blieben, wenn internationales Recht nicht umgesetzt worden sei.

Die materielle Bestandskraft der Steuerbescheide sei aufgrund § 175 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO durchbrochen. Außerdem seien die Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 aufgrund der vorsätzlichen Missachtung europarechtlicher Vorgaben offensichtlich nichtig.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es aus:

Eine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO sei nicht eingetreten. Das vom Finanzamt am versandte Schreiben habe keine Außenprüfung eingeleitet. Es habe sich lediglich um einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gehandelt, der mit Schreiben vom vom Kläger beantwortet worden sei. Die Außenprüfung beginne grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem der Außenprüfer nach Bekanntgabe der Prüfungsordnung konkrete Ermittlungshandlungen vornehme. Vorliegend sei keine Prüfungsanordnung bekanntgegeben, kein Außenprüfer beauftragt worden und kein Prüfungsbericht ergangen.

Die Umsatzsteuerjahreserklärung stelle eine Steueranmeldung dar, die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe (§ 168 Satz 1 AO). Die vom Kläger für 2005 eingereichte Umsatzsteuererklärung sei ohne Abweichung verarbeitet worden, so dass ein weiterer Bescheid nicht erforderlich gewesen sei. Die Festsetzung der Umsatzsteuer 2005 sei zwar unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, nicht aber vorläufig erfolgt. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 8 AO sei daher nicht einschlägig.

Aufgrund des geänderten Umsatzsteuerbescheids 2004 vom habe sich kein Erstattungsanspruch, sondern eine Nachzahlung ergeben. Die Ausführungen des Klägers zur Erstattungsverjährung seien demnach unbeachtlich.

Es lägen weder die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 2 AO vor.

Im Übrigen werde auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger ist durch die Ablehnung der Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 nicht in seinen Rechten verletzt.

Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind gem. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist für Steuern beträgt gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Abweichend von § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Abs. 1 später beginnt (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Die Umsatzsteuererklärungen 2004 und 2005 wurden am beim Finanzamt C. eingereicht. Die Festsetzungsfrist begann daher für beide Jahre mit Ablauf des und endete einheitlich für beide Jahre mit Ablauf des . Die am (2005) bzw. (2004) gestellten Anträge auf Änderung der Steuerfestsetzungen 2004 und 2005 wurden somit nach Ablauf der Festsetzungsfrist und Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt.

Eine Ablaufhemmung gem. § 171 AO ist nicht eingetreten.

Gem. § 171 Abs. 3a AO läuft die Festsetzungsfrist, wenn ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder Klage angefochten wird, nicht ab bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der am in Form der Umsatzsteuerjahreserklärung 2004 eingelegte Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 wurde durch Abhilfebescheid vom und damit innerhalb der Festsetzungsfrist erledigt. Ein Einspruch für 2005 lag nicht vor bzw. wurde nicht nachgewiesen. Die Einsprüche gegen die Ablehnung der Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 sind am (2004) bzw. (2005) eingelegt worden. Sie berühren nicht die bereits am eingetretene Festsetzungsverjährung der Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005. Damit liegt nicht ein Fall des § 173 Abs. 3a 2. Halbsatz AO vor. Denn dieser erfasst nur solche Sachverhalte, in denen die Finanzbehörde die Festsetzungsfrist noch gewahrt hat, der Steuerpflichtige den Bescheid aber nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist anzufechten braucht, weil die Rechtsbehelfsfrist länger läuft als die Festsetzungsfrist (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 171 AO Tz. 24). Dieser Ausnahmefall ist nicht gegeben.

Gem. § 171 Abs. 4 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist auch dann gehemmt, wenn mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wurde. Die Außenprüfung ist die als solche besonders angeordnete, i.d.R. umfassende Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Besteuerung und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (, BStBl II 1993, 828; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 171 Tz. 32). Da die Prüfungsanordnung die materiell-rechtliche Grundlage der Außenprüfung ist, hemmen Prüfungshandlungen ohne Anordnung oder aufgrund unwirksamer, nichtiger oder auf Anfechtungsklage aufgehobener Anordnung den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht (Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 171 AO Tz. 34a m.w.N. der Rechtsprechung).

Der vom Finanzamt am versandte Fragebogen zur steuerlichen Erfassung stellt keine Außenprüfung dar. Der Kläger wurde lediglich aufgefordert, zur Aufnahme seiner unternehmerischen Tätigkeit Stellung zu nehmen. Dies stellt keine umfassende Ermittlung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers dar. Auch liegt keine Prüfungsanordnung vor, die unverzichtbare Voraussetzung einer Außenprüfung ist.

§ 171 Abs. 8 AO ist nicht einschlägig. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 2004 und 2005 waren weder nach § 165 AO ausgesetzt noch ist die Steuer vorläufig festgesetzt worden.

Auch § 171 Abs. 14 AO ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO noch nicht verjährt ist (§ 228). Die Vorschrift ermöglicht es der Finanzbehörde, die Steuerfestsetzung nachzuholen, solange ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO wegen Zahlung ohne rechtlichen Grund noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen ist (, BFH/NV 1996, 1; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 171 AO Rz. 105).

Gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Dies gilt gem. Satz 2 auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Ob eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den der Steuerzahlung zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen (§ 168 AO 1977) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs.1 Satz 1 und 2 AO 1977). Ob nach materiellem Steuerrecht die Steuer "ohne rechtlichen Grund" gezahlt wurde, ist hingegen nach der Auslegung des § 37 Abs. 2 AO 1977 durch den Bundesfinanzhof (BFH) nicht maßgeblich (, BStBl II 1991, 281).

Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich. Die Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 weisen jeweils Zahllasten aus. Die Umsatzsteuerzahlungen sind aufgrund bestandskräftiger Bescheide erfolgt, sie stellen den Rechtsgrund für die Zahlungen des Klägers unabhängig von der materiellen Richtigkeit dar. Ein Erstattungsanspruch wegen Steuerfreiheit der Leistungen als Berufsbetreuer kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die zugrunde liegenden Steuerbescheide wegen der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht mehr aufgehoben oder geändert werden können.

Die materielle Bestandskraft der Steuerbescheide ist nicht gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO durchbrochen. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ist nicht einschlägig, weil kein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für einen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wurde. Es liegt auch kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Ein rückwirkendes Ereignis ist beispielsweise der Eintritt einer auflösenden Bedingung oder die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts. Kein rückwirkendes Ereignis ist hingegen die Änderung der Rechtsprechung; das gilt auch für Urteile des EuGH (, BStBl II 1996, 399).

Es liegt auch keine Nichtigkeit vor. Verwaltungsakte sind gem. § 125 Abs. 1 AO nichtig, wenn sie an einem besonders schwerwiegenden Mangel leiden, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein deswegen nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften, auch diejenigen des formellen Rechts (Verfahrensrechts), unrichtig angewendet worden sind. Der erforderliche besonders schwere Fehler liegt nur vor, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen und offenkundigen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Für Verstöße gegen Unionsrecht ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (, BStBl II 2011, 151).

Vorliegend ist kein Nichtigkeitsgrund ersichtlich, insbesondere kann der Auffassung des Klägers, die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide seien wegen der unrichtigen Anwendung von Unionsrecht nichtig, nicht gefolgt werden. Die Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 leiden nicht an einem offenkundigen Mangel i.S.d. § 125 Abs. 1 AO. Sie entsprechen dem Kenntnisstand bei Erlass der Bescheide, wonach die Umsätze der Berufsbetreuer der Umsatzsteuerpflicht unterlagen. Auch der Kläger hat seine Umsätze in den Umsatzsteuererklärungen für 2004 und 2005 als steuerpflichtig behandelt, das Finanzamt ist dem gefolgt. Ein "offenkundiger" Mangel ist nicht gegeben.

Eine fehlende Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheids 2005 ist nicht gegeben. Der Kläger hat eine Umsatzsteuererklärung für 2005 eingereicht, die Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Weicht die Behörde nicht von der Erklärung ab, ist kein weiterer Bescheid zu erlassen. Da die für 2005 eingereichte Umsatzsteuererklärung ohne Abweichung verarbeitet worden ist, war ein weiterer Bescheid nicht erforderlich. Den Umsatzsteuerbescheid 2004 hat der Kläger offensichtlich erhalten, da er hiergegen Einspruch eingelegt hat.

Auch eine Berufung auf das Urteil des EuGH in Sachen Emmott führt nicht zum Erfolg. Nach der Rechtsprechung des , Emmott, Slg. 1991, I-4269 Rdnr. 23) kann sich ein säumiger Mitgliedstaat zwar bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf die verspätete Einlegung einer Klage berufen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die sich in der Rechtssache Emmott daraus ergaben, dass ein Bürger eines Mitgliedstaates von dessen Behörden zunächst von der rechtzeitigen Einlegung einer Klage abgehalten und ihm später der Einwand der verspäteten Klageerhebung entgegen gehalten wurde (, Danske Slagterier, Slg. 2009, I-2119 Rdnr. 53-54).

Eine derartige Fallgestaltung ist hier nicht gegeben, denn der Kläger ist nicht vom Finanzamt gehindert worden, innerhalb der allgemeinen Fristen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2004 und 2005 anzufechten. Bereits mit Urteil vom XI R 67/06 (BFH/NV 2009, 869) hat der BFH über die Umsatzsteuerbefreiung für Betreuungsleistungen entschieden. Der Kläger hätte somit Anlass und Gelegenheit gehabt, gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen vorzugehen, um die Verfahren offen zu halten.

Das Unionsrecht verlangt auf Grundlage der aus Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) abgeleiteten Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz nur, dass die Mitgliedstaaten die verfahrensrechtlichen Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts einzuhalten sind, nicht ungünstiger ausgestalten als in den nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren. Weiter darf es nicht praktisch unmöglich sein, eine auf das Unionsrecht gestützte Rechtsposition geltend zu machen. Danach sind Verwaltungsakte, die nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht mehr anfechtbar sind, selbst wenn sie gegen das Unionsrecht verstoßen, für die Beteiligten bindend (, BStBl II 2011, 151, Rn. 30 unter Hinweis auf EuGH-Entscheidungen vom C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837, Rdnr. 24; I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, Rdnr. 51). Im Streitfall war es dem Kläger nicht unmöglich, die Umsatzsteuerfestsetzungen 2004 und 2005 vor Ablauf der angemessenen Festsetzungsfristen anzufechten. Im Interesse der Rechtssicherheit ist der Kläger an die festsetzungsverjährten Steuerfestsetzungen gebunden.

Unter den genannten Voraussetzungen kommt es auf den Vortrag des Klägers zum Abrechnungsmodus nach dem Vormünder- und Betreuer-Vergütungsgesetz oder wann der Vergütungsantrag nicht als Rechnung anzusehen ist (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung am ; Schriftsatz des Klägers vom mit Anlage , nicht an.

Danach ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DStR 2018 S. 9 Nr. 7
DStRE 2018 S. 495 Nr. 8
EFG 2017 S. 1496 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2017 S. 2812
SAAAG-54150