Dienstleistung; Mehrwertsteuer; Umsatzsteuer; Umtausch; Vergütung; Währung; Wechselkurs
Rechtsfrage
1. Ist Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass als Umtausch einer virtuellen Währung in eine herkömmliche Währung und umgekehrt bezeichnete Umsätze, für die eine Vergütung zu entrichten ist, die der Erbringer dieser Leistung bei der Festlegung der Wechselkurse einrechnet, als Erbringung einer Dienstleistung gegen Entgelt zu verstehen sind?
2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Ist Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass derartige Umtauschgeschäfte von der Steuer befreit sind?
Gesetze: RL 2006/112/EG Art 135 Abs 1, RL 2006/112/EG Art 2 Abs 1
Instanzenzug (anhängig gemeldet seit 31.08.2014): Högsta förvaltningsdomstolen (Schweden) ABl EU 2014, Nr C 245, 7, Vorabentscheidungsersuchen
Dieses Verfahren ist erledigt
erledigt durch:
- Urteil
Das schwedische Vorabentscheidungsersuchen C-264/14 (David Hedqvist) betrifft die Frage, ob es sich beim Umtausch einer virtuellen Währung (Bitcoins) in eine herkömmliche Währung und umgekehrt um eine Dienstleistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL handelt und ob diese Leistung gem. Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL von der MwSt befreit ist.
Der Kläger beabsichtigt, über ein Einzelunternehmen Dienstleistungen in Form des An- und Verkaufs der virtuellen Währung Bitcoin anzubieten, d. h. herkömmliche Währung in Bitcoin umzutauschen und umgekehrt. Dabei werden Bitcoins von Privatpersonen und Unternehmern oder von einem internationalen Umtauschportal angekauft, ggf. zwischengelagert und über die Website des Unternehmens an solche Portale, Privatpersonen oder Unternehmen weiterverkauft. Der Preis für die Bitcoins ist in schwedischen Kronen angegeben. Er beruht auf dem Preis, der auf einem bestimmten anderen Umtauschportal gilt, zuzüglich eines bestimmten Prozentsatzes (hierin liegt der steuerbare Ertrag). Weitere Gebühren werden nicht in Rechnung gestellt. Hat der Kunde den Preis akzeptiert, werden die Bitcoins bzw. automatisch an die vom Kunden angegebene Bitcoin-Adresse verschickt. Der Kläger beantragte beim schwedischen Steuerrechtsausschuss einen verbindlichen Vorbescheid über die steuerliche Behandlung der geplanten Tätigkeit. In diesem Vorbescheid stufte der Skatterättsnämnd den An- und Verkauf von Bitcoins unter Hinweis auf das , First National Bank of Chicago, als steuerbare Umtauschdienstleistung gegen Entgelt ein, die jedoch nach den schwedischen Steuervorschriften für Finanzdienstleistungen von der Steuer befreit sei. Bitcoins würden wie gesetzliche Zahlungsmittel verwendet und wiesen eine große Ähnlichkeit mit elektronischem Geld (E-Geld) auf, so dass die Befreiungen in Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL griffen. Auch die schwedische Finanzaufsicht habe die Tätigkeit als Finanzgeschäft in Form der Bereitstellung von Zahlungsmitteln angesehen.
Das vorlegende Gericht weist auf die im Bericht der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) beschriebenen Ähnlichkeiten von Bitcoin mit anderen umtauschfähigen Währungen hin, da sie den Erwerb sowohl echter als auch virtueller Waren ermöglichten. Andererseits werde am Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der MwStSystRL deutlich, dass Währungen, die keine gesetzlichen Zahlungsmittel darstellen, vom Anwendungsbereich der Befreiungstatbestände in Art. 135 Abs. 1 MwStSystRLausgeschlossen sein sollen. In einigen Mitgliedstaaten würde der An- und Verkauf von Bitcoins auch als "Umsatz im Geschäft mit Forderungen" von der Umsatzsteuer befreit. Eine Behandlung als "sonstiges Wertpapier" scheine hingegen eher ausgeschlossen.
Bei Bitcoins handelt es sich um eine virtuelle Währung bzw. um Datensätze, die von jedermann, der über die entsprechende Software verfügt, über einen bestimmten Algorithmus unmittelbar im Netz geschaffen ("geschürft") werden können. Sie dürften daher keine körperliche Gegenstände im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sein.. Der im geplante An- und Verkauf von Bitcoins dürfte daher nicht etwa als "Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerpflichtig sein.
Der An- und Verkauf von Bitcoins könnte aber als steuerbare "Dienstleistung gegen Entgelt" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL anzusehen sein. Diesbezüglich hat der EuGH u.a. in dem Urteil v. , C-172/96, First National Bank of Chicago festgestellt, dass eine Leistung dann gegen Entgelt im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erbracht wird, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet. Nur wenn die Tätigkeit eines Dienstleistenden darin besteht, ausschließlich Leistungen ohne unmittelbare Gegenleistung zu erbringen, gibt es keine Besteuerungsgrundlage, und nur dann unterliegen diese Leistungen nicht der MwSt.
Im Ausgangsverfahren ist beabsichtigt, Bitcoins auf einem elektronischen Portal zum Kauf bzw. zum Tausch anzubieten. Das Entgelt besteht in dem Preis, der auf einem bestimmten anderen Umtauschportal gilt, zuzüglich eines bestimmten Prozentsatzes als Provision. Die geplante Tätigkeit dürfte somit zweifelsohne eine Dienstleistung (Übertragung der Bitcoin) gegen Entgelt (Bezahlung in schwedischen Kronen) im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darstellen.
Die geplante Tätigkeit dürfte nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL fallen. Bei Bitcoins handelt es sich nicht um Buchgeld, das Gegenstand der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL genannten Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr ist. Buchgeld und E-Geld leiten sich immer von gesetzlichen Zahlungsmitteln ab. Bitcoins sind aber nirgendwo als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Sie leiten sich auch nicht in sonstiger Weise von einem gesetzlichen Zahlungsmittel ab.
Da Bitcoins im Gegensatz zu den im Übrigen in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL genannten Zahlungen, Überweisungen und Schecks in der Regel nicht zu einem Geldtransfer, sondern zu einem Sachtransfer führen, dürften Bitcoins auch nicht als "andere Handelspapiere" im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL anzusehen sein. Auch die Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuerrichtlinie (Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Art. 15 Abs. 2 genannten Rechte und Wertpapiere) dürfte nicht einschlägig sein.
Fundstelle(n):
SAAAE-72070