Die Selbstanzeige eines Beamten
Konsequenzen auf das Beamtenverhältnis
Das Thema Selbstanzeige hat seit geraumer Zeit Konjunktur. Während nach der letzten politischen Diskussion die Verschärfung (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-03/finanzminister-regeln-selbstanzeige; s. bezüglich der vorgeschlagenen Verschärfungsmodalitäten auch Götzenberger Seite 263) der Selbstanzeige beschlossen wurde, konzentriert sich der juristische Diskurs in Literatur und Rechtsprechung bisher vor allem auf die Voraussetzungen und strafrechtlichen Wirkungen einer strafbefreienden Selbstanzeige. Im Rahmen dieses Beitrags soll indes ein anderer Blick auf diese Thematik geworfen und insbesondere der Frage nachgegangen werden, welche Konsequenzen sich aus den im Zuge einer Selbstanzeige gewonnenen Erkenntnissen auf das Beamtenverhältnis des Anzeigenden ergeben können.
In der NWB Datenbank (Login über www.nwb.de) lässt sich eine Checkliste zur Erstellung einer Selbstanzeige aufrufen (NWB SAAAE-46633) sowie ein Muster mit Hinweisen an Mandanten für das Selbstanzeigeverfahren (NWB LAAAE-52184).
I. Selbstanzeige im Steuerstrafrecht
Die wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO stellt nach h. M. einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar (, wistra 1985 S. 74, 75; Franzen/Gast/Joecks-Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371, Rn. 32).
Das Besondere an dieser „goldenen Brücke zur Rechtstreue“ – im Vergleich zu der des allgemeinen strafrechtlichen Rücktritts nach § 24 StGB – ist ihre Wirkung nach Beendigung der Straftat (vgl. zum speziellen steuerstrafrechtlichen Charakter der Selbstanzeige Abramowski, DStZ 1992 S. 300). Begründet wird dies mit dem fiskalischen Interesse des Staats an der Erschließung bisher verheimlichter Steuerquellen.
Der BGH hat zudem mit Beschluss vom - 1 StR 577/09 NWB MAAAD-44091, Rn. 11 f.) eine weitere – bisher eher sekundär betrachtete – Rechtfertigungskomponente der Selbstanzeige gestärkt, nämlich den kriminalpolitischen Rechtsgedanken der vollständigen Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Diesem Gedanken folgend hat der BGH – in Abkehr seiner bisherigen Rechtsprechung – der Teilselbstanzeige eine Absage erteilt und somit fortan für eine Strafbefreiung das Erfordernis des (steuerartbezogenen) „Reinentischmachens“ aufgestellt.
Durch den Gesetzgeber wurde diese Anschauung des BGH durch die Änderung des § 371 AO im Rahmen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes gesetzlich umgesetzt. Eine Selbstanzeige führt demnach nur dann zur Straffreiheit, wenn hierdurch alle für die Besteuerung relevanten (unverjährten) Angaben einer Steuerart nacherklärt werden. Die strafbefreiende Wirkung kommt indes nur demjenigen zugute, der eine derartige Anzeige erstattet bzw. sich einer solchen zeitgleich anschließt (J. R. Müller, Die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren, 2012, Rn. 281 f.) Dieses Instrument lässt dabei zwar die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhaft begangene Tat als solche unberührt, hingegen die Strafbarkeit des (die Selbstanzeige) Erklärenden entfallen (Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 371, Rn. 6 f.).
Für den Berater können sich hieraus beträchtliche Risiken ergeben, da eine unkoordinierte Selbstanzeige eine faktische Sperrwirkung gegenüber anderen Beteiligten auslösen kann, auf die es aus Mandantensicht ggf. besonders Rücksicht zu nehmen gilt, wie z. B. der Ehegatte, der Geschäftspartner, die Miterben etc. (vgl. Scherer/von Sothen, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014, § 37, Rn. 16).
Die strafbefreiende Wirkung erstreckt sich allerdings nur auf solche Delikte, die von dem restriktiven Tatbestand des § 371 AO umfasst sind. Nach dem Wortlaut des § 371 AO kann eine Selbstanzeige für jede Tatbestandsvariante der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wirksam abgegeben werden (Franzen/Gast/Joecks-Joecks, a. a. O., § 371, Rn. 211 f.). Andere häufig in Kombination mit der Steuerhinterziehung begangenen S. 268Begleit- bzw. Anschlussdelikte wie z. B. Betrug (§ 263 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB) fallen hingegen nicht unter den privilegierenden Tatbestand des § 371 AO (Kohler in: MünchKomm-StGB, Band 6/1, § 371, Rn. 237).
II. Disziplinarrechtliche Folgen
1. Mitteilungspflicht
Für Beamte kann sich in derartigen Situationen aufgrund ihres besonderen Beschäftigungsverhältnisses – trotz einer erfolgreichen Selbstanzeige – allerdings noch ein anderes entscheidendes Problem stellen: die Gefahr möglicher disziplinarrechtlicher Folgen.
Beamte stehen in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat. Deshalb gelten in Strafverfahren gegen Beamte besondere Mitteilungspflichten (§ 115 BBG – gilt für Bundesbeamte, § 49 BeamtStG – gilt für Landesbeamte), § 125c BRRG a. F. i. V. mit Nr. 15 MiStra (Verwaltungsvorschrift bezüglich der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen - MiStra vom ).
2. Verfahrenseinstellung
a) Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden haben dem Dienstvorgesetzten zur Sicherstellung der dienstrechtlichen Maßnahmen im Fall der Erhebung der öffentlichen Klage die Anklageschrift, den Strafbefehlsantrag und die strafrechtlich abschließende Entscheidung mit Begründung zu übermitteln (§ 49 Abs. 1 BeamtStG, § 115 Abs. 1 BBG, § 125c BRRG a. F.). Nach Eingang der Selbstanzeige wird zunächst regelmäßig ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, um die Angaben zu überprüfen, das bei wirksamer Selbstanzeige danach wieder eingestellt wird.
Nach dem Wortlaut der § 49 BeamtStG, § 115 BBG folgt, dass die bloße Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens nicht übermittelt werden darf.
b) Mitteilung über Einstellung als solche
Die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung ist hingegen von den Strafverfolgungsbehörden und Finanzbehörden (soweit diese gem. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO mit der Ahndung von Steuerstraftaten in ihrer Funktion als Steuerfahndung auftreten) zu übermitteln (§ 115 Abs. 3 i. V. mit Abs. 6 Satz 1 BBG, § 49 Abs. 3 i. V. mit Abs. 6 Satz 1 BeamtStG, ). Gem. § 115 Abs. 3 BBG, § 49 Abs. 3 BeamtStG ist allerdings nur die Einstellungsnachricht als solche zu übermitteln und – entgegen der Ansicht des BFH und BMF (, BStBl 2008 II S. 337; , BStBl 2010 I S. 222 NWB VAAAE-53854) – nicht auch die in der Sache ergehende Begründung der Verfahrenseinstellung, da sich die Mitteilung dieser Tatsachen vielmehr nach den strengeren Voraussetzungen der § 115 Abs. 4 BBG, § 49 Abs. 4 BeamtStG richtet ( NWB IAAAC-83104).
c) Pflicht zur Mitteilung
Im Rahmen der § 115 Abs. 3 BBG, § 49 Abs. 3 BeamtStG besteht grds. eine Mitteilungspflicht, die nur in atypischen Fällen Ermessen einräumen soll (Battis, BBG, 4. Aufl. 2009, § 115, Rn. 5).
Eine Mitteilung i. S. der § 115 Abs. 3 BBG, § 49 Abs. 3 BeamtStG (wortgleich mit § 125c BRRG a. F., Battis, a. a. O., § 115, Rn. 1) soll dabei nach Auffassung des BFH (VII B 149/07) allenfalls dann entfallen, wenn im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Unschuld des Beamten erwiesen oder der bestehen gebliebene Verdacht sich ersichtlich nicht erhärten lässt.
Da die Wirkung der Selbstanzeige – wie bereits dargestellt – die Schuld des Täters unberührt lässt, wird eine Mitteilung der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung, auch soweit die vorhandenen Daten aus der Entscheidung der Verfahrenseinstellung dem Steuergeheimnis unterliegen, in der Praxis als zulässig erachtet (Pflaum, wistra 2011 S. 55, 58 m. w. N.), denn eine Selbstanzeige führe nicht zur Einstellung des Steuerstrafverfahrens (§ 170 Abs. 2 StPO), sondern zu einer die weitere Verwertung (z. B. im Rahmen eines anschließenden Disziplinarverfahrens) nicht ausschließenden Verfahrenseinstellung i. S. des § 153a StPO (§ 398a AO; , NJW 1991 S. 1530).
Auch eine Verfahrenseinstellung wegen Strafverfolgungsverjährung soll nicht die Mitteilung an den Dienstvorgesetzten verhindern können (BFH VII B 149/07).
Aus disziplinarrechtlicher Sicht gehen ferner strafrechtlich berücksichtigungsfähige Zeiträume, insbesondere aufgrund des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens, nicht zwangsläufig mit einem Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs gemäß § 15 BDG (§ 35 BWLDG) einher (Bauschke/Weber, BDG, § 15 Rn.11; 1 DB 21.84 = DVBl. 1984, 962 f.).
Zudem können Erkenntnisse vorliegen, die unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung ein Dienstvergehen i. S. des §§ 47 Abs. 1 BeamtStG, 77 Abs. 1 BBG darstellen (vgl. § 14 Abs. 2 BDG), denn für die Übermittlung der Daten (nach den §§ 115 Abs. 3 BBG, 49 Abs. 3 BeamtStG) an den Dienstherren, wird die bloße Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens als ausreichend erachtet (BFH VII B 149/07).
3. Mitteilung „sonstiger Tatsachen“
Eine über die schlichte Entscheidung zur Verfahrenseinstellung hinausgehende Mitteilung (BVerfG 2 BvR 336/07) richtet sich nach den strengeren Voraussetzungen der § 49 Abs. 4 i. V. mit Abs. 6 Satz 2 BeamtStG, § 115 Abs. 4 i. V. mit Abs. 6 Satz 2 BBG. Nach diesen Vorschriften ist auch die Weiterleitung von sonstigen Tatsachen, die im Rahmen der Ermittlung bekannt werden, u. U. (nach den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO) zulässig.
Unter den Begriff der „sonstigen Tatsachen“ fällt insbesondere die in der Sache ergehende Begründung der Verfahrenseinstellung.
Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung der aus der Tat erlangten Tatsachen wird dabei nach dem S. 269Wortlaut des § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO u. a. bei Wirtschaftsstraftaten mit einem gewissen Umfang oder einem verursachten Schaden von gesteigertem Gewicht regelmäßig vorliegen.
Nach welchen Kriterien die Steuerfahndung im konkreten Fall diese Informationen bewerten soll bzw. ab wann ein zwingendes öffentliches Interesse vorliegt, ist nicht eindeutig. Einerseits sollte nach einem früheren Schreiben des Bundesfinanzministeriums erst bei einem Verkürzungsbetrag von 5.000 DM pro Veranlagungszeitraum (bei Beamten des Landes Baden-Württemberg gilt die Schwelle von 2.500 € pro Tat) oder bei einer zwar unter diesem Wert liegenden Steuerverkürzung, jedoch bei Vorliegen einer erheblichen kriminellen Energie (etwa bei Fälschung von Belegen) eine Mitteilung an den Dienstvorgesetzten zulässig sein (, BStBl 2000 I S. 494 NWB SAAAA-77889).
Nach dem neueren BMF-Schreiben sollen vielmehr – unabhängig von einer Wertgrenze – nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls die aus der Selbstanzeige gewonnenen Informationen an den Dienstvorgesetzten weitergeleitet werden dürfen, wenn sie ggf. auch für die Entscheidung der Dienstbehörde des Beamten erforderlich sein könnten und dadurch an deren Offenlegung zugleich ein zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO i. V. mit § 49 Abs. 6 Satz 2 BeamtStG bzw. § 115 Abs. 6 Satz 2 BBG) vorliege (, BStBl 2011 I 574 NWB HAAAD-85774; vgl. auch BFH VII B 149/07).
Andererseits hat die Mitteilung zu unterbleiben, wenn schutzwürdige Interessen des Beamten schwerer als das Übermittlungsinteresse wiegen (Battis, a. a. O., § 115, Rn. 6).
Mehr als problematisch erscheint hierbei, dass ein Steuerfahnder anhand der o. g. Vorgaben faktisch eine disziplinarrechtliche Prognose vorzunehmen und nach dieser Überlegung über die Weitergabe zu entscheiden hat. Teilweise wird auch eine Mitteilungsmöglichkeit in solchen Fällen („sonstige Tatsachen“) grds. bezweifelt, da man diese Mitteilung von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt sieht bzw. allenfalls einen unter § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO analog subsumierbaren Fall annehmen könne, der entsprechend restriktiv ausgelegt werden müsse und daher nur bei erheblichen Steuerverkürzungen in Betracht kommen soll (so Franzen/Gast/Joecks-Joecks, a. a. O., § 371 AO, Rn. 218 e).
4. Verwertungsverbot
Vom NWB HAAAC-07475 entschieden und vom NWB FAAAB-86569) als verfassungsrechtlich mit dem Grundsatz der Selbstbezichtigungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare“) als auch mit dem Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) vereinbar bestätigt ist die Ahndung eines mit der Steuerhinterziehung tateinheitlich begangenen allgemeinen Strafdelikts, wie z. B. einer Urkundenfälschung.
Nach Ansicht des BGH gilt im Ergebnis unter Würdigung des Zusammenspiels von § 393 Abs. 1 und Abs. 2 AO, dass ein Selbstanzeigender zwar nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO abweichend von § 328 AO nicht mit Zwangsmitteln zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren gezwungen werden kann (nemo-tenetur-Grundsatz). Offenbart er sich hingegen „freiwillig“ im Rahmen einer Selbstanzeige, sind die daraus gewonnenen Erkenntnisse über eine mögliche Implikation an einer allgemeinen Straftat verwertbar.
Die vorhandene Zwangssituation beim Steuerpflichtigen, auf der einen Seite der Entdeckung der Steuerhinterziehung zu unterliegen und auf der anderen Seite durch die Selbstanzeige grds. verwertbare Informationen über andere Straftaten preiszugeben, führt nach der Interessenabwägung des BVerfG nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Selbstanzeige (§ 371 AO) stellt sich aufgrund der zunächst strengen Anforderungen zur Erlangung der strafbefreienden Wirkung sowie der verbleibenden – im Zweifel schwer einzuschätzenden – strafrechtlichen Folgen als ein riskantes und für den Betroffenen als auch dessen Berater schwieriges Instrument dar.
5. Disziplinarmaßnahmen
Die Selbstanzeige führt demnach nicht zum Ausschluss von disziplinarrechtlichen Maßnahmen. Allerdings stellt sie zumindest einen u. U. beachtlichen Milderungsgrund dar, der auch im Rahmen eines dienstrechtlichen Verfahrens zu würdigen ist (Franzen/Gast/Joecks-Joecks, a. a. O., § 371 AO, Rn. 218; , NVwZ-RR 2001 S. 775; 3d A 1849/08, Rn. 71 f.; 2 C 16.10 NWB PAAAD-92185, Rn. 39).
Der Dienststelle können Tatsachen mitgeteilt werden, die unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung ein Dienstvergehen (§ 47 Abs.1 BeamtStG, § 77 Abs.1 BBG) darstellen (vgl. § 14 Abs. 2 BDG). Dienstvergehen eines Bundesbeamten unterliegen dem Bundesdisziplinargesetz (BDG), während für Landesbeamte die jeweiligen Landesdisziplinargesetze der Länder (z. B. BWLDG) einschlägig sind.
Der Disziplinarmaßnahmenkatalog für Bundesbeamte ist in § 5 BDG in einer aufsteigenden Stufenfolge – nach der Schwere des Dienstvergehens – geregelt. Gegen einen Beamten kann somit
ein Verweis (§ 6 BDG),
eine Geldbuße (§ 7 BDG),
die Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG),
die Zurückstufung (§ 9 BDG) oder
als Ultima Ratio die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) ausgesprochen werden.
Für Beamte, die sich bereits in Ruhestand befinden, kommt sowohl
die Kürzung (§ 11 BDG) als auch
die gänzliche Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG
in Betracht.
Ein (innerdienstliches) Dienstvergehen begehen Beamte, wenn sie ihnen obliegende Pflichten schuldhaft verletzen.
Ist eine Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für S. 270Amt oder Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, kann auch ein (außerdienstliches) Dienstvergehen vorliegen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG).
Die Reichweite von außerdienstlichen Dienstvergehen zeigte ein Fall, mit dem sich das BVerfG auseinandersetzen musste. In diesem Verfahren wurde eine gewichtige Steuerhinterziehung trotz erfolgreicher Selbstanzeige als ausreichend erachtet, um einen beamteten Lehrer zu degradieren (§ 9 BDG). Mit Blick auf dessen besondere Stellung (Dienst- und Treueverhältnis) entschied das Gericht, dass auch eine Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) mit anderen außerhalb des Beamtenverhältnisses befindlichen vergleichbaren Berufsgruppen als sachlich gerechtfertigt zu werten sei (BVerfG 2 BvR 336/07).
Das BVerwG hat andererseits eine Schadensbegleichung durch den Steuerpflichtigen innerhalb der ihm auferlegten Frist nach einer erfolgreichen Selbstanzeige als beachtlichen Milderungsgrund anerkannt, der – vorbehaltlich von im Einzelfall vorliegenden besonderen Erschwerungsgründen – grds. die schwerste Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) auszuschließen vermag ( = NVwZ-RR 2012 S. 356 f., Rn. 39). So führt das BVerwG aus: „Jedenfalls bei einer siebenstelligen Größenordnung der hinterzogenen Steuern kann die höchste Disziplinarmaßnahme angezeigt sein, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung noch den Schluss rechtfertigt, der Beamte sei noch tragbar.“ (BVerwG 2 C 16/10, Rn. 38).
Der Entscheidung des BVerwG ist jedenfalls zu entnehmen, dass es grds. fernab von festen Kriterien (z. B. bestimmte Größenordnung von hinterzogenen Beträgen) stets auf eine Einzelfallabwägung ankommt, die sowohl die für den Beamten positiven als auch negativen Erwägungen in ein angemessenes Verhältnis zu setzen hat.
Unabhängig davon ist das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils zu beenden, wenn ein Beamter durch das Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG sowie § 24 Abs. 1 BeamtStG). Sollte also die Gefahr einer unwirksamen Selbstanzeige bestehen, so ist auch diese Regelung zu berücksichtigen.
Die Reichweite einer Selbstanzeige ist im Hinblick auf anschließende disziplinarrechtliche Verfahren nur schwer einzuschätzen.
Zum einen führt die weite Auslegung des öffentlichen Interesses zu einer extensiven Entscheidungskompetenz der Strafverfolgungsbehörde bzw. Steuerfahndung bezüglich der Datenübermittlung an den Dienstvorgesetzten des steuerhinterziehenden Beamten (Kohler, a. a. O., § 371, Rn. 241 m. w. N.).
Darüber hinaus sind nach der aufgezeigten Entscheidung des BVerfG selbstbelastende Tatsachen im Rahmen einer Selbstanzeige grds. verwertbar. Die somit geschaffene Situation kann dazu führen, dass Beamte der Möglichkeit, ggf. anstehenden Disziplinarmaßnahmen zu entgehen, höheres Gewicht beimessen werden als der Aufdeckungsgefahr der begangenen Steuerhinterziehung. Vor diesem Hintergrund wird sicherlich in etlichen Fällen von den Betroffenen eine Aufrechterhaltung der Hinterziehung bevorzugt – so unsinnig dies sein mag –, um durch eine Selbstanzeige keine Übermittlung an den Dienstvorgesetzten anzustoßen.
Da diese Vorgehensweise letztlich weder im Interesse der Betroffenen noch des Fiskus liegen wird, stellt dies einen unbefriedigenden Zustand dar. Die strengeren Anforderungen der Selbstanzeige nach § 371 AO n. F. und die damit einhergehende Stärkung der kriminalpolitischen Komponente (vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit) haben indes die Selbstanzeige als Milderungsgrund grds. gestärkt, da diese Erwägungen auch das Persönlichkeitsbild des Beamten durch die vollständige Rückkehr zur Rechtstreue positiv beeinflussen (vgl. dabei im Umkehrschluss noch die auf § 371 AO a. F. beruhende Entscheidung des VGH Mannheim, Urteil vom - DL 13 S 2145/10, NVwZ-RR 2011 S. 574). Dies ist beim Disziplinarverfahren zu beachten.
Fundstelle(n):
NWB-EV 8/2014 Seite 267
SAAAE-70155