Kein Betriebsausgabenabzug von Aufwendungen für typisch stille Beteiligungen von minderjährigen Kindern an einer Zahnarztpraxis des Vaters bei fehlendem Zufluss von Mitteln in das Praxisvermögen sowie bei Steuersparmotiven und Versorgung der Kinder als Ursachen für die Einräumung der stillen Beteiligungen
Leitsatz
1. Räumt ein freiberuflich tätiger Zahnarzt seinen minderjährigen Kindern zivilrechtlich wirksam (unter Einschaltung eines Ergänzungspflegers, mit Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht) im Wege der Schenkung jeweils eine typische stille Beteiligung an seiner Zahnarztpraxis ein, ohne dass Geldflüsse mit tatsächlichen Zahlungen von Geldern in das Betriebsvermögen erfolgt wären und wodurch jeder stille Gesellschafter mit 10 % am Gewinn der Gesellschaft, höchstens aber mit 15 % der Einlage sowie an einem Verlust ebenfalls mit 10 %, höchstens aber mit seiner Einlage beteiligt sein sollte, so sind die von dem Zahnarzt an seine Kinder gezahlten Gewinnbeteiligungen keine Betriebsausgaben, sondern Privataufwendungen (§ 12 EStG), wenn bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände des Einzelfalls die maßgebliche Veranlassung für die Einräumung der stillen Beteiligungen nicht in betrieblichen Motiven (z.B. Finanzierung einer betrieblichen Investition oder von laufenden Praxisaufwendungen), sondern in den privaten Motiven des Zahnarztes zu sehen ist, Steuern zu sparen und seinen Kindern einen Vorteil zukommen zu lassen (im Streitfall: angesichts der Gewinnsituation der Praxis nur geringfügige Indizierung einer betrieblichen Veranlassung durch die Vereinbarung auch einer Verlustbeteiligung; Motiv, die Kinder an die Tätigkeit als Zahnarzt heranzuführen und eventuell als Betriebsnachfolger aufzubauen, als nur geringwertiges Indiz für eine betriebliche Veranlassung; Gewinnbeteiligung von 10 % ohne Einlage von Mitteln in das Vermögen des Praxis als gegen betriebliche Veranlassung sprechendes Indiz).
2. Die Verträge führen mangels Betriebs eines Handelsgeschäfts nicht zu stillen Gesellschaften im Sinne des § 230 HGB; zivilrechtlich liegen damit BGB-Innengesellschaften vor, die aufgrund der vereinbarten Vertragsklauseln in allen wesentlichen Punkten mit einer stillen Gesellschaft im Sinne des HGB vergleichbar sind.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 12 Nr. 1, EStG § 12 Nr. 2, HGB § 230, BGB § 705
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
I.
Der als Zahnarzt tätige Kläger ermittelte die Einkünfte aus seiner Einzelpraxis in den Streitjahren 2008 bis 2015 durch Einnahme-Überschussrechnung. Das beklagte Finanzamt (FA) stellte die Einkünfte gesondert fest.
Am … 2007 gewährte Herr X dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 60.000 EUR zur Umschuldung der Finanzierung einer Mietwohnung. Am … 2007 gewährte Herr X dem Kläger ein weiteres Darlehen über 300.000 EUR zur Ablösung eines Praxisdarlehens. Beide Darlehen waren mit 4,5 % zu verzinsen und konnten von beiden Vertragsparteien jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gekündigt werden. Sondertilgungen durch den Kläger waren in beliebiger Höhe jederzeit möglich.
Der Kläger ist Vater der Kinder A (geboren am … 1994), B (geboren am …. 1996) und C (geboren am … 1999). Mit Beschluss vom … ordnete das zuständige Amtsgericht die Ergänzungspflegschaft für alle drei Kinder an. Wirkungskreis der Ergänzungspflegschaft war (nur) die Vertretung der Kinder beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrags über die Einräumung einer stillen Beteiligung an der Zahnarztpraxis des Klägers. Als Ergänzungspfleger bestellte das Gericht einen Steuerberater.
Am … 2008 schloss der Kläger mit jedem seiner drei Kinder einen notariellen Vertrag. Mit den drei Verträgen räumte der Kläger jedem Kind eine typische stille Beteiligung an seiner Zahnarztpraxis in Höhe von 50.000 EUR ein. Die drei Einlagen stellte der Kläger seinen Kindern „schenkweise” zur Verfügung. Geldflüsse mit tatsächlichen Zahlungen von Geldern in das Betriebsvermögen erfolgten nicht.
Jede der Schenkungsvereinbarungen verwies auf eine Anlage mit dem Gesellschaftsvertrag über eine stille Beteiligung. Das zuständige Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) genehmigte die drei Verträge mit drei Beschlüssen vom …
Soweit in den Gesellschaftsverträgen keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, sollten die Bestimmungen der §§ 230 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) zur Anwendung kommen. Nach Nr. 7 der jeweiligen Gesellschaftsverträge stand dem stillen Gesellschafter – soweit nicht die ärztliche Schweigepflicht des Klägers entgegensteht – ein Kontrollrecht entsprechend § 233 HGB zu, während die Geschäftsführung nach Nr. 3 des jeweiligen Gesellschaftsvertrags ausschließlich dem Kläger zustand. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Praxis hinausgehen, bedurfte der Kläger der Zustimmung der stillen Gesellschafter. Ungewöhnliche Geschäfte mussten die stillen Gesellschafter bei der Gewinnberechnung und der Auseinandersetzung nicht gegen sich gelten lassen.
Jeder stille Gesellschafter sollte mit 10 % am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein, höchstens aber mit 15 % der Einlage (= 7.500 EUR). An einem Verlust sollte der jeweilige stille Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens aber mit seiner Einlage, beteiligt sein. Der auf den stillen Gesellschafter entfallende Jahresgewinn sollte bis zum 1. März des dem Geschäftsjahr nachfolgenden Jahres ausgezahlt werden.
Den Beginn der stillen Gesellschaften sowie die Schenkungen vereinbarte der Kläger rückwirkend auf den . Die stillen Gesellschaften sollten mindestens bis zum laufen und sich – falls keine Kündigungen erfolgten – jeweils um ein Jahr verlängern. Zu den übrigen Vertragsbedingungen – insbesondere den Klauseln zur vorzeitigen Kündigung der Gesellschaftsverträge aus „wichtigen Gründen” und zu den Widerrufsrechten des Klägers betreffend die Schenkung – wird auf die notariellen Verträge verwiesen.
In allen Streitjahren zahlte der Kläger als Gewinnbeteiligung den Höchstbetrag (jeweils 7.500 EUR = 22.500 EUR) auf Bankkonten der Kinder aus. Auf diese Bankkonten, über die der Kläger und die Mutter der Kinder Verfügungsgewalt hatten, flossen auch Gutschriften aus einer Erbschaft der Kinder. Ab dem Jahr 2010 wurden mit dem Kapital Wertpapiergeschäfte getätigt.
Im Bericht über die Außenprüfung vom …, auf den verwiesen wird, kam die Prüferin für die Jahre 2008 bis 2010 zu dem Ergebnis, dass die Zahlungen des Klägers an seine Kinder gemäß § 12 Nr. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) als Privataufwendungen anzusehen seien. Zur Begründung führte die Prüferin aus, dass der Kläger in seiner Praxis im Jahr 2008 keine Anschaffungen tätigte, die Geldzahlungen bedingt hätten. Auch irgendwelche anderen wirtschaftlichen Gründe für die Beteiligung von stillen Gesellschaftern waren für die Prüferin nicht ersichtlich.
Im Bericht über die Außenprüfung vom … betreffend die Jahre 2012 bis 2014 schloss sich der Prüfer der Rechtsansicht der vorhergehenden Prüfung an. Den Außenprüfern folgend kürzte das FA die erklärten Betriebsausgaben in allen Jahren um 22.500 EUR und stellte folgende Gewinne des Klägers gesondert fest: …
Die Einsprüche des Klägers wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück.
Mit der Klage macht der Kläger weiter geltend, die Zahlungen an seine Kinder seien als Betriebsausgaben anzuerkennen. Zur Begründung trägt der Kläger vor, er habe mit seinen Kindern zivilrechtlich Gesellschaften bürgerlichen Rechts gemäß § 705 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vereinbart. Die Vertragsklauseln seien aufgrund der Vertragsfreiheit anzuerkennen und würden im Ergebnis zu BGB-Gesellschaften führen, die sich zivilrechtlich von stillen Gesellschaften im Sinne des § 230 HGB nicht wesentlich unterscheiden. Aufgrund der Beteiligungen der Kinder am Verlust der Praxis könnten die in den notariellen Verträgen ausdrücklich „Gesellschaftsvertrag” genannten Verträge nicht gegen ihren Wortlaut als Darlehensverträge behandelt werden. Aufgrund der Ausgestaltung der BGB-Gesellschaften als stille Gesellschaften seien auch steuerrechtlich die Regelungen für stille Gesellschaften anzuwenden. Die den drei Kindern geschenkten Geldbeträge in Höhe von jeweils 50.000 EUR Kapital seien als Fremdkapital des Klägers zu akzeptieren. Die Gewinnbeteiligungen seien der Höhe nach zulässige Vergütungen für die Kapitalüberlassung und führten zu Betriebsausgaben des Klägers.
Der Kläger habe die stillen Beteiligungen gewährt, um seine Kinder an den Beruf des freiberuflichen Arztes heranzuführen und habe Anwartschaften auf die Nachfolge eingeräumt. Gerade um die steuerliche Qualifikation als freiberufliche Einkünfte nicht zu gefährden, habe der Kläger keine Mitunternehmerschaften eingeräumt. Da es im medizinischen Berufsstand erhebliche Nachfolgeprobleme gebe, sei diese Vorgehensweise zu begrüßen. Zudem plane der Kläger eine vorweggenommene Erbfolge.
Die Vertragsgestaltung des Klägers mit seinen Kindern halte auch einem Fremdvergleich stand. Die Verträge seien trotz der Minderjährigkeit der Kinder zivilrechtlich wirksam geschlossen worden, die Höhe der Gewinnbeteiligungen mit einer Obergrenze von 15 % der jeweiligen Beteiligung entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Sollte die Gewinnbeteiligung zu hoch sein, wäre im Übrigen als Rechtsfolge nur eine Kürzung der Betriebsausgaben auf die angemessene Höhe vorzunehmen. Die vollständige Nichtanerkennung der Verträge sei dagegen mit der Begründung einer fremdunüblichen Höhe der Gewinnbeteiligungen nicht zulässig. Auch ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor. Fremdübliche Gestaltungen dürften auch nahe Angehörige vereinbaren. Ein wichtiger zivilrechtlicher Grund für die Gestaltung sei es für den Kläger gewesen, für den Unterhalt seiner Kinder zu sorgen. Die Aufnahme von Fremdkapital durch den Kläger sei durch die Finanzierungsfreiheit gedeckt.
Der Vergleich des FA mit Darlehen sei nicht zulässig. Da die stillen Gesellschafter am Verlust beteiligt seien, lägen nicht vergleichbare unternehmerische Beteiligungen vor. Aus fehlenden Sicherheiten könne nicht auf eine unübliche Gestaltung geschlossen werden. Wer einen betrieblichen Verlust bis zur Höhe seiner Einlage mittragen müsse, könne auch bei langer Laufzeit keine Sicherheiten für die Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Kapitals verlangen. Unerheblich sei, dass der Kläger im Jahr 2008 keinen Finanzierungsbedarf hatte. Gerade bei freiberuflich organisierten Gesellschaften werde in der Regel nie die Liquidität des neu eintretenden Gesellschafters benötigt. Die Rechtsprechung habe daher bei einer familiär geprägten Freiberuflersozietät noch nie auf einen Finanzierungszusammenhang abgestellt. Diese Argumentation sei nur bei Darlehen zulässig.
Richtig sei zwar, dass der , BStBl II 2003, 656 Betriebsausgaben nicht anerkannt habe, da der Praxisinhaber die stille Einlage für private Zwecke, die Abgeltung des Zugewinnausgleichs seiner Ehefrau, verwendete. Im Streitfall könne dieser Sachverhalt indes nicht vorliegen, da keine Gelder in die schenkweise eingeräumten stillen Gesellschaften gezahlt wurden. Eine private Verwendung der Einlagen wäre damit schlichtweg unmöglich. Zudem seien Schenkungen keine unüblichen Gestaltungen. Der Bundesfinanzhof habe in der Vergangenheit Schenkungen ohne weiteres anerkannt (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1973 IV R 56/70, BStBl II 1973, 650). Im Übrigen habe der Bundesminister der Finanzen (BMF) im Schreiben vom , BStBl I 2011, 37 Rz. 15, ausgeführt, dass die Grundsätze für Darlehen auch für stille Gesellschaften gelten, „es sei denn, es ist eine Beteiligung am Verlust vereinbart”. Nach dieser Verwaltungsvorschrift sei das FA verpflichtet, der Klage abzuhelfen.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Die Klage betreffend das Streitjahr 2008 ist bereits aufgrund des steuerrechtlichen Verbots der rückwirkenden Vereinbarung von Verträgen unbegründet.
Einkünfte werden erzielt, wenn der Steuerpflichtige den Tatbestand des Steuergesetzes verwirklicht hat. Hat ein Steuerpflichtiger mithin Handlungen vorgenommen, die einen Einkünfteerzielungstatbestand erfüllen, fällt die Steuer an. Aufgrund des bei der Einkommensteuer geltenden Jahresprinzips steht damit mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungsjahres grundsätzlich fest, in welcher Höhe Einkommensteuer entstanden ist. Denn der für die Besteuerung maßgebliche Lebenssachverhalt kann sich nicht mehr ändern. Insbesondere Entnahme- und Einlagehandlungen sind tatsächliche Vorgänge, deren Wirkung nicht nachträglich beseitigt oder herbeigeführt werden kann (vgl. , BFH/NV 2016, 1819 unter 2e).
Im Streitfall kann damit die vertragliche Vereinbarung von Schenkungen und stillen Gesellschaften im Jahr 2008 nicht zu stillen Einlagen der Kinder im Jahr 2007 führen. Ein Ausnahmefall, in dem steuerrechtlich eine rückwirkende Änderung zulässig ist, liegt nicht vor. Einlagen in einem späteren Jahr sind keine Rechtshandlungen, die kraft Gesetzes zeitlich rückwirkend erfolgen können (vgl. hierzu Schmidt/Weber-Grellet § 2 EStG Rz. 43, 50 und 52).
Ohne Einlagen sind aber die vertraglichen Voraussetzungen der Zahlungen der drei Gewinnbeteiligungen im Jahr 2008 nicht gegeben. Denn im Jahr 2008 kann nach dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag eine Gewinnbeteiligung von höchstens 15 % der Einlage des Vorjahres gezahlt werden. 15 % einer Einlage in Höhe von Null ergibt indes einen Gewinnanspruch von Null. Der Kläger hat letztlich die Zahlungen 2008 an seine Kinder ohne die jeweilige Gegenleistung Einlage und ohne vertragliche Grundlage getätigt. Dies ist nicht fremdüblich und steuerlich nicht anzuerkennen.
2. Im Streitfall hat der Kläger die Vereinbarungen mit seinen Kindern zivilrechtlich wirksam geschlossen. Die Kinder waren beim Abschluss der notariellen Verträge durch einen Ergänzungspfleger vertreten und das zuständige Amtsgericht hat als Vormundschaftsgericht die Verträge genehmigt.
Allerdings führen die Verträge nicht zu stillen Gesellschaften im Sinne des § 230 HGB. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger ein Handelsgewerbe betreibt. Daran fehlt es, da die zahnärztliche Tätigkeit freiberuflich ist. Zivilrechtlich liegen damit drei BGB-Innengesellschaften vor, die aufgrund der vereinbarten Vertragsklauseln in allen wesentlichen Punkten mit einer stillen Gesellschaft im Sinne des HGB vergleichbar sind. Gemeinsames Eigentum zwischen dem Kläger und seinen Kindern entsteht zivilrechtlich nicht (vgl. hierzu Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach § 20 EStG Anm. 151 und Staub Großkommentar § 230 HGB Anm. 23). Eine Auslegung der Verträge dahin, dass – abweichend vom Wortlaut der Notarverträge – tatsächlich die Hingabe von Darlehen vereinbart wurden, ist nicht vorzunehmen. Einer solchen Auslegung steht die Verlustbeteiligung der Kinder entgegen (vgl. , BFH/NV 2009, 1021 unter II. 2.a).
Steuerrechtliche Folge ist, dass der Kläger und seine Kinder nicht an denselben Einkünften beteiligt sind, eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte mithin nicht erforderlich ist. Die vom Kläger gezahlten Gewinnbeteiligungen sind bei ihm Betriebsausgaben, wenn sie steuerrechtlich anzuerkennen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. , BStBl II 1988, 186).
3. Bei der Prüfung, ob der Betriebsausgabenabzug zulässig ist, sind folgende Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen.
a) Mit Urteil vom X R 121/88, BStBl II 1992, 468 hat der BFH entschieden, dass Zinszahlungen privat veranlasst sind (§ 12 Nr. 2 EStG), wenn ein Steuerpflichtiger in einem Vertrag seinen Kindern Geldbeträge zuwendet, die sie ihm sogleich wieder als Darlehen zur Verfügung stellen müssen. Zur Begründung hat der 10. Senat des BFH darauf abgestellt, dass es für die steuerliche Wertung nicht entscheidend auf zivilrechtliche Konstruktionen ankommt. Vielmehr liege ein Darlehen erst dann vor, wenn eine endgültige Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Daran fehlt es bei einem bloß formalen „Hin- und Her” von Geldzahlungen. Die endgültige Vermögensverschiebung wird in einem solchen Fall erst in der Zukunft in dem Jahr bewirkt, in dem die Kinder des Steuerpflichtigen die geschenkten Geldmittel tatsächlich zur freien Verfügung in ihrem Vermögensbereich erhalten.
b) Beteiligt ein Steuerpflichtiger seine Kinder mitunternehmerisch an seinem Betrieb (OHG; KG; atypisch stille Gesellschaft), kann nicht mit einer erst zukünftigen Vermögensverschiebung argumentiert werden. Denn bei einer mitunternehmerischen Beteiligung erfüllen die Kinder in jedem Veranlagungszeitraum den (gewerblichen oder freiberuflichen) Einkünfteerzielungstatbestand. Mit einem solchen Sachverhalt ist eine typisch stille Gesellschaft indes nicht vergleichbar.
Bei einer typisch stillen Gesellschaft handelt es sich vielmehr um einen Vertragstypus der zwischen einer mitunternehmerischen Beteiligung und einem Darlehen liegt. Einerseits liegen wegen der Verlustbeteiligung unternehmerische Elemente vor, andererseits entsteht beim still Beteiligten – wie bei einem Darlehen – nur eine Forderung gegen den eigentlichen Unternehmer. Zudem kommt den gesellschaftsrechtlichen Rechten und Pflichten bei minderjährigen Kindern keine große praktische Bedeutung zu. Diese Zwischenstellung macht eine rechtlich begründete Zuordnung der stillen Beteiligung erforderlich. Der X. Senat des BFH hat im Urteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BStBl II 1993, 289 entschieden, dass eine stille Beteiligung ohne Verlustbeteiligung steuerrechtlich wie ein Darlehen zu beurteilen ist. Wendet ein Steuerpflichtiger einem Kind schenkweise einen Geldbetrag zu, den das Kind sogleich als Einlage im Rahmen einer typisch stillen Beteiligung dem Steuerpflichtigen wieder zur Verfügung stellen muss, fehlt es somit ebenfalls an einer gegenwärtigen Vermögensverschiebung. Die Zahlungen des Steuerpflichtigen an seine Kinder sind in solchen Fällen privater Natur.
Der X. Senat hat diese Grundsätze anlässlich einer stillen Gesellschaft ohne Verlustbeteiligung der Kinder entwickelt. Die Anwendung auf Fälle mit Verlustbeteiligung hat der X. Senat offengelassen, da in älteren Urteilen andere Senate des BFH Schenkungen bei stillen Beteiligungen mit Verlustbeteiligung akzeptiert hatten und eine Entscheidung über einen nicht anhängigen Sachverhalt nicht erforderlich war. Konsequent seine Rechtsansicht verfolgend hat der X. Senat im Urteil vom X R14/99, BFH/NV 2003, 1547 unter 4. d. cc.) dem Finanzgericht aufgegeben, im zweiten Rechtsgang eine endgültige Vermögensverschiebung zu prüfen. Diesem Prüfauftrag lag eine stille Gesellschaft mit Verlustbeteiligung zu Grunde. Damit ist die Frage der Behandlung von stillen Gesellschaften in Fällen mit einem „Hin und Her” von Mittelflüssen von 1992 bis heute nicht abschließend höchstrichterlich geklärt.
c) Zutreffend weist das FA darauf hin, dass sich in der Zeit seit 1992 die steuerrechtliche Methodik bei der Überprüfung von Angehörigenverträgen anhand eines Fremdvergleichs als Folge des (Oderkonto-)Beschlusses des Verfassungsgerichts vom 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34 geändert hat. Als Folge dieses Beschlusses ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass bei der Abgrenzung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Einzelne Gesichtspunkte dürfen weder vollständig unbeachtet bleiben noch dürfen sie wie gesetzliche Tatbestandsmerkmale behandelt werden. Ältere BFH-Urteile, die noch keine Gesamtabwägung vornehmen, sind aus heutiger Sicht methodisch überholt.
4. Nach diesen Grundsätzen ist die Klage unbegründet.
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Nach dem Regelungsziel des Einkommensteuergesetzes sind Aufwendungen dann durch eine Einkunftsart veranlasst, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden” Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BStBl II 1990, 817, 823).
Im Streitfall liegen bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände des Einzelfalls Privataufwendungen vor (§ 12 EStG). Die maßgebliche Veranlassung sieht der Senat in den privaten Motiven, Steuern zu sparen und seinen Kindern einen Vorteil zukommen zu lassen.
a) Eine stille Beteiligung hat für einen Betrieb den Vorteil, dass ihm mit der Einlage zusätzliche Wirtschaftsgüter zur Verfügung gestellt werden. Im Streitfall ist diesem Vorteil der drei stillen Beteiligungen, der für eine betriebliche Veranlassung spricht, indes keine erhebliche Bedeutung beizumessen. Denn die Praxis des Klägers hat nur rein formal eine Einlage erhalten. Tatsächlich sind ihr dagegen keine zusätzlichen Mittel zugeflossen. Die Finanzierung der laufenden Aufwendungen der Praxis erfolgte damit ersichtlich mit den vorhandenen Mitteln und den laufenden Einnahmen. Anschaffungen von (teuren) Anlagegütern hat der Kläger nicht getätigt. Vielmehr räumt er selbst ein, dass im Jahr 2008 kein weiterer Finanzierungsbedarf bestand.
b) Die Verlustbeteiligungen der drei stillen Gesellschafter sind ein Vorteil für die Praxis des Klägers, der ebenfalls ein Indiz für eine betriebliche Veranlassung der Vertragsgestaltung ist. Diesem Vorteil kommt im Streitfall indes ebenfalls nur geringfügige Bedeutung zu. Denn der Kläger haftet als Einzelunternehmer nicht nur mit seinem Betriebsvermögen sondern auch mit dem Privatvermögen. Da sein Privatvermögen durch die untrennbar mit den Einlagen verbundenen Schenkungen aber in Höhe der Verlustbeteiligungen geschmälert wird, hat er bei einer Gesamtbetrachtung der notariellen Verträge letztlich keinen Vorteil. Denn der Kläger wird im Falle von betrieblichen Verlusten nur so gestellt, wie er ohne die Schenkungen stehen würde. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass bei der Praxis des Klägers Verluste unwahrscheinlich sind, da der Kläger selbst im Falle eines erheblichen Umsatzrückgangs noch mit Gewinn arbeiten würde.
c) Auch das Motiv, seine Kinder an die Tätigkeit als Zahnarzt heranzuführen und eventuell als Betriebsnachfolger aufzubauen, hat als Indiz für eine betriebliche Veranlassung nur geringe Bedeutung. Die Kinder waren bei Abschluss der notariellen Verträge 13 Jahre, 11 Jahre und 8 Jahre alt. Eine Mitarbeit in der Praxis war aufgrund des Alters und jeglicher beruflichen Ausbildung unmöglich und bei der ärztlichen Tätigkeit zudem verboten. Die Gesellschaftsverträge sehen auch keine tatsächliche Mitarbeit vor.
Die Kontrollrechte konnten die Kinder bis zur Volljährigkeit nicht ausüben, faktisch hat sich der Kläger als sorgeberechtigter Kläger damit bis zur Volljährigkeit selbst kontrolliert.
Nach der Volljährigkeit waren die Kontrollrechte der Kinder durch die ärztliche Schweigepflicht eingeschränkt, so dass die stille Gesellschaft zu keinen Einblicken der Kinder in die konkrete fachliche Tätigkeit des Klägers führen kann. Zudem führt der Kläger selbst aus, dass mitunternehmerische Beteiligungen, die zur Gewerbesteuerpflicht führen könnten, ausdrücklich nicht gewollt waren. Letztlich beschränkte sich die „Tätigkeit” der Kinder damit auf die Entgegennahme von Gewinnanteilen. Die stille Gesellschaft war damit in ihrer konkreten Ausgestaltung – wenn überhaupt – nur wenig geeignet, die Kinder an den Beruf eines Zahnarztes heranzuführen.
d) Die stillen Gesellschaften haben für den Kläger den Nachteil, dass er seinen Kindern Gewinnbeteiligungen in Höhe von insgesamt 30 %, höchstens aber 15 % der Einlagen, gewähren musste. Die Gewinnbeteiligungen als solche sind im Streitfall ein Indiz gegen die betriebliche Veranlassung der stillen Gesellschaften. Der Kläger selbst trägt vor, dass im Jahr 2008 kein Finanzierungsbedarf bestand. Damit hätte der Kläger seinen Betrieb ohne die Belastung durch die Gewinnbeteiligungen fortführen können (siehe oben unter Buchstabe a). Selbst wenn man aus der Sicht des Zeitpunkts des Abschlusses der notariellen Verträge die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Privatperson ihre dem Kläger gewährten Kredite (kurzfristig) kündigt und eine Bankfinanzierung erforderlich werden könnte, ändert sich diese Beurteilung nicht. Die stillen Gesellschaften hätten bei unerwartetem Geldbedarf eine Bankfinanzierung nicht vermeiden können, da dem Betrieb mit den geschenkten stillen Beteiligungen faktisch keine zusätzlichen Mittel zuflossen.
e) Im Urteil vom XI R 24/02, BStBl II 2003, 656, hat der BFH eine stille Beteiligung in Höhe von 3.000.000 DM mit Verlustbeteiligung wirtschaftlich als „qualifizierten Kredit” des Geschäftsinhabers angesehen. Hieraus hat er den Schluss gezogen, dass im Ergebnis die ständige Rechtsprechung zur Anwendung kommt, nach der die Finanzierung von Entnahmen durch Kredite zu einem Abzugsverbot der Kreditzinsen mangels betrieblicher Veranlassung führt. Der Kläger wendet gegen die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ein, solche Sachverhalte könnten im Streitfall von Natur aus nicht vorliegen. Diese Argumentation beruht auf der Annahme, dass eine Nutzung der stillen Einlagen für Entnahmen nicht vorliegen könne, da es tatsächlich nie zu konkreten Einzahlungen bzw. konkreten Einlagehandlungen kam, mithin also nicht festgestellt werden kann, dass mit konkreten Einlagen Entnahmen finanziert wurden.
Diese Argumentation übersieht, dass eine konkrete Einlage notwendige Voraussetzungen für eine stille Gesellschaft ist (vgl. z.B. , BStBl II 2008, 852). Ohne Einlage kommt eine stille Gesellschaft nicht zustande, jedenfalls aber wäre im Streitfall der Gesellschaftsvertrag nicht vollzogen. Soll die Gestaltung des Klägers mit seinen Kindern also anerkannt werden, ist es zwingende Voraussetzung, dass in den drei Schenkungen auch drei Einlagen in das Betriebsvermögen gesehen werden. Da sich im Streitfall das Betriebsvermögen faktisch nicht vermehrt, ergibt sich hieraus zwingend, dass auch Entnahmen in gleicher Höhe vorliegen. Denn die Minderung des Eigenkapitals durch die Forderungen der stillen Gesellschafter auf Rückzahlungen der Einlagen ist durch die Schenkungen und damit privat veranlasst.
Ein Steuerpflichtiger, der seine Einkünfte durch Buchführung ermittelt, müsste im Falle einer Einlage durch Geldzahlungen gewinnneutral „Bank an Verbindlichkeiten gegenüber stille Gesellschafter” buchen. Erfolgt – wie im Streitfall – keine tatsächliche Einzahlung, darf der zu buchende Passivposten „Verbindlichkeiten gegen stille Gesellschafter” aufgrund seiner schenkungsbedingten privaten Veranlassung gleichwohl den Gewinn nicht mindern. Zu buchen wäre mithin eine Entnahme. Damit wäre im Falle einer Buchführung dokumentiert, dass die Verbindlichkeit, die zu den Gewinnbeteiligungen führt, durch eine Privatentnahme entstanden ist. Die steuerrechtliche Folge, die private Veranlassung der Aufwendungen aus der Verbindlichkeit, kann ein Steuerpflichtiger nicht dadurch vermeiden, dass er die Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung wählt.
f) Im Übrigen gelten die vom X. Senat des , BStBl II 1993, 289 für stille Gesellschaften ohne Verlustbeteiligungen entwickelten Grundsätze auch für stille Gesellschaften mit Verlustbeteiligung, wenn die Begründung der stillen Gesellschaften sich in der Zuwendung einer Forderung erschöpft.
Sachliche Unterschiede zwischen stillen Gesellschaften mit Verlustbeteiligung und stillen Gesellschaften ohne Verlustbeteiligung bestehen beim Fremdvergleich z.B., soweit es auf Sicherheiten für die Rückzahlung der Einlagen ankommt und soweit die Angemessenheit der Gewinnbeteiligung zu prüfen ist. Ist ein stiller Gesellschafter am Verlust beteiligt, ist er bei der Frage der Sicherheiten für die Rückzahlung nicht ohne weiteres mit einem Kreditgeber gleichzustellen. Ferner rechtfertigt eine Verlustbeteiligung eine höhere Gewinnbeteiligung.
Der X. Senat hat indes darauf abgestellt, dass im Zeitpunkt der Einlage noch keine endgültige Vermögensverschiebung erfolgte, da es nur zu einer formalen Auslagerung von Vermögen kommt und die gesellschaftsrechtliche Komponente des Vertrags von vornherein kein ausreichendes wirtschaftliches Gewicht hat. So liegen die Verhältnisse auch im Streitfall. Ein Unterschied, der sich aus der Verlustbeteiligung ergibt, ist nicht ersichtlich. Ob es im Falle der Beendigung der stillen Gesellschaft zur Auszahlung der stillen Einlage und damit zu einer endgültigen Vermögensverschiebung kommt oder nicht, kann die bis dahin verwirklichten Lebenssachverhalte bzw. Einkünfteerzielungstatbestände nicht mehr beeinflussen. Auch hier gibt es keine Rückwirkung.
g) Im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände kommt der Senat zum Ergebnis, dass die für eine betriebliche Veranlassung sprechenden Gesichtspunkte bei wertender Betrachtung nicht die ausschlaggebenden Motive für die Zusage von Gewinnbeteiligungen der Kinder waren. Vielmehr sieht der Senat das ausschlaggebende Motiv des Klägers in dem privaten Ziel, Steuern zu sparen und die Kinder zu versorgen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 6 Nr. 50
DStRE 2020 S. 66 Nr. 2
EFG 2019 S. 1372 Nr. 16
EStB 2020 S. 31 Nr. 1
ErbStB 2020 S. 8 Nr. 1
GStB 2020 S. 56 Nr. 2
KÖSDI 2019 S. 21421 Nr. 10
RAAAH-34165