FG Münster Urteil v. - 5 K 1117/16 U EFG 2017 S. 1834 Nr. 22

Umsatzsteuer

Frage der Einordnung einer Zahlung als Schadensersatz oder umsatzsteuerliches Entgelt

Leitsatz

Die von der DB Netz AG geleistete Entschädigung für Betriebserschwernisse an den Stpfl. stellt keinen Schadensersatz, sondern umsatzsteuerliches Entgelt für eine Leistung des Stpfl. (Einverständnis mit der Schließung des Bahnübergangs) dar. Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Die gewählte Bezeichnung, etwas wie im Streitfall „Entschädigung”, ist unerheblich.

Gesetze: UStG § 10

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Zahlung im Zusammenhang mit der Schließung eines Bahnübergangs Schadensersatz oder umsatzsteuerliches Entgelt darstellt und ob im Falle der Annahme eines steuerbaren Umsatzes dieser im Streitjahr zu erfassen ist und unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) fällt und hilfsweise, ob pauschaliert zu berechnende Vorsteuern zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist Landwirt. Er hat seinen Betrieb mit Wirkung zum im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn übertragen. Im Streitjahr 2006 unterlag er mit seinen land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG.

Beim Bau einer parallel zur Bundesstraße xxx gelegenen Eisenbahnlinie wurden von der Eisenbahngesellschaft für die betroffenen Landwirte Übergänge über die Bahngleise geschaffen. Einzelvertragliche Vereinbarungen und grundbuchliche Eintragungen im Hinblick auf ein Querungsrecht des Klägers bestanden nicht. Mit Schreiben der Flurbereinigungsbehörde vom (Bp-Handakte Bl. 106) wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die bestehenden Übergänge, Straßen und Wirtschaftswege durch den Wege- und Gewässerplan nach § 41 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) als öffentliche bzw. gemeinschaftliche Anlagen planfestgestellt worden sind. Der Bahnübergang gewährleistete den unmittelbaren Zugang von der Hofstelle zu den jenseits der Bahntrasse gelegenen landwirtschaftlich genutzten Eigentumsflächen des Klägers.

Die DB Netz AG beabsichtigte aus Gründen der Sicherheit und Abwicklung des Verkehrs die Schließung von Privatweg-Bahnübergängen, unter anderem auch den des Klägers. Mit Planfeststellungsbeschluss vom wurde gemäß § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) der Plan der DB Netz AG für die Schließung des Bahnübergangs festgestellt. Die Entscheidung enthielt unter Gliederungspunkt II (Entscheidungen, Auflagen, Bedingungen, Befristungen) unter anderem folgende Regelungen:

„…

3. Die Schließung des Bahnübergangs darf erst erfolgen, wenn der Ersatzweg fertiggestellt ist.

4. Für die Mehrwege des Einwenders D (= Kläger) ist für die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen eine Entschädigung zu leisten. Das Nähere ist dem Entschädigungsverfahren vorbehalten.

…”

Die durch die Schließung des Bahnübergangs erforderlichen Umwege des Klägers für Fahrten zu seinen jenseits der Bahntrasse liegenden Flächen betrugen ca. 1500 m (einfacher Weg). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Planfeststellungsbeschluss vom verwiesen (Gerichtsakte Bl. 82 ff).

Der Kläger versuchte zunächst mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht N gegen den Planfeststellungsbeschluss die Schließung seines Bahnübergangs zu verhindern. Mit Vereinbarung vom zwischen der DB Netz AG und dem Kläger stimmte der Kläger der Aufhebung des Bahnübergangs zu. Die DB Netz AG verpflichtete sich in der vorgenannten Vereinbarung zum Bau eines Ersatzwegs und für die aus der Bahnübergangsaufhebung resultierenden Betriebserschwernisse zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 128.369,93€. Auch die aus der Entschädigungszahlung entstehenden Steuerbelastungen sollten dem Kläger von der DB Netz AG erstattet werden. Der Bahnübergang sollte erst nach Fertigstellung der Sicherungsanlage an einem anderen Bahnübergang, zu dem der zu bauende Ersatzweg führte, und nach Fertigstellung des Ersatzweges geschlossen werden. Die Entschädigungszahlung war nach Schließung des Bahnübergangs zu zahlen. Es wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Vereinbarung vom (Gerichtsakte Bl. 23 f.) verwiesen. Die verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nahm der Kläger mit Schriftsatz vom (Gerichtsakte Bl. 112) zurück. Die Schließung des Bahnübergangs erfolgte im Streitjahr 2006.

Die Höhe der Entschädigungszahlung von 128.369,93€ beruht auf einem Gutachten des von der Landwirtschaftskammer NRW öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. H I vom . Das per aktualisierte Gutachten geht bei einer Ausgangsgröße von 191.245,00€ von einer Verminderung um die Position „Umweg mit Ersatzweg” um 62.875,07€ auf 128.369,93€ aus, weil dem Kläger die Nutzungsmöglichkeit am neu zu schaffenden Ersatzweg gegengerechnet wurde. Es wird wegen der Einzelheiten auf die Gutachten vom und verwiesen (Bp-Handakte 109-114; 117-121).

Der Kläger erhielt folgende Zahlungen von der DB Netz AG:


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1) :
128.369,93€
2) :
54.819,64€
3) 2010/2011:
23.247,91€
4) 2012/2013:
5.744,50€
Gesamt:
212.181,98€.

Die Zahlungen zu 2) – 4) erfolgten zur Abgeltung der Einkommensteuer des Klägers gemäß § 2 Abs. 3 der Vereinbarung. Eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr hat der Kläger nicht abgegeben.

Am begann eine Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N (im Folgenden: Groß-Bp) beim Kläger für 2006-2008. Der Prüfer war der Auffassung, der Kläger habe eine Leistung an die DB Netz AG erbracht, die nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG falle und dem Regelsteuersatz unterliege. Die an den Kläger gezahlte Entschädigung für Wirtschaftserschwernisse in Höhe von brutto insgesamt 212.181,98€ sei umsatzsteuerliches Entgelt (Nettoentgelt: 182.915,50€, Umsatzsteuer: 29.266,49€). Es wird wegen der Einzelheiten auf Tz 2.2.2 und 2.3.1 Bp-Bericht vom Bezug genommen.

Der Beklagte erließ nach Maßgabe des Bp-Berichts am einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid für 2006 und setzte darin die Umsatzsteuer i.H.v. 29.266,40€ fest. Der dagegen vom Kläger fristgemäß eingelegte Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ).

Dagegen richtet sich die Klage.

Der Kläger meint, die Zahlungen der DB Netz AG stellten Schadensersatzleistungen und kein umsatzsteuerrechtliches Entgelt dar. Das /93) sehe in Ausgleichszahlungen für Landwirte für Nutzungseinschränkungen in Wasserschutzgebieten kein Entgelt im Sinne des UStG.

Die Entschädigungszahlung stehe außerdem in einem untrennbaren Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Umsätzen des Klägers und falle deshalb unter die Pauschalierungsregelung des § 24 UStG. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf ein . Der dort zu Grunde liegende Sachverhalt (Entschädigungszahlung) im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Pachtvertrags sei mit der vorliegenden Problematik vergleichbar.

Auch habe der Beklagte einen falschen Leistungszeitpunkt angenommen. Die Vereinbarung mit der DB Netz AG sei bereits in 2005 abgeschlossen worden. Ab diesem Zeitpunkt habe die DB Netz AG über den Bahnübergang verfügen und seine Schließung veranlassen können. Der tatsächliche Schließungszeitpunkt und der Zeitpunkt der Zahlungen seien unmaßgeblich. Der Kläger beruft sich auf die Kommentierungen in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Anm. 94 und Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 13 Rz. 37. Entgegen der Auffassung des Beklagten liege keine Beendigung einer Duldungsleistung durch die DB Netz AG vor. Das Querungsrecht des Klägers sei zeitlich unbeschränkt gewesen. Außerdem habe der Leistungsempfänger (DB Netz AG) gar nicht die Berechtigung zur Nutzung des Bahnübergangs verleihen können, weil die DB Netz AG wegen fehlender Eigentümerstellung über ein solches Recht nicht habe verfügen können. Der Bahnübergang sei auf öffentlich-rechtlichem Grund errichtet und das Querungsrecht durch das Flurbereinigungsverfahren verliehen und gemäß § 41 FlurbG planfestgestellt worden. Auf das festgestellte Recht habe der Kläger durch Abschluss der Vereinbarung vom verzichtet. Maßgeblich sei der Verzichtszeitpunkt und nicht die tatsächliche Ausübung des Rechts durch den Leistungsempfänger.

Der Kläger habe auch keinerlei Möglichkeit gehabt, auf den Zeitpunkt der Schließung des Bahnübergangs einzuwirken. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung vom habe der Kläger seine Rechtsposition aufgegeben und damit sei der wirtschaftliche Vorteil für die DB Netz AG eingetreten. Der Zeitpunkt der Schließung des Bahnübergangs habe lediglich Einfluss auf die Fälligkeit der Entschädigungszahlung gehabt. Sie sei keine aufschiebende Bedingung für den Leistungszeitpunkt. Die Leistung sei in 2005, also in einem festsetzungsverjährten Zeitraum erbracht worden.

Des Weiteren habe der Beklagte bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung einen zusätzlichen Vorsteuerabzug für die Umwegfahrten zu berücksichtigen. Ausgehend von einem vom Gutachter ermittelten vorsteuerbelasteten jährlichen Aufwand für Umwegfahrten von 5.134,80€ betrage der darin enthaltene Vorsteueraufwand zu 16% 708,25€. Die Vorsteuerbeträge des Klägers für das Streitjahr betrügen insgesamt 16.383,97€. Dieser Betrag ergebe sich aus sämtlichen Buchführungsbelegen des Kalenderjahrs. Zu den laufenden Vorsteuern kämen noch die anteiligen Vorsteuerberichtigungsbeträge gemäß § 15 a UStG hinzu.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben,

hilfsweise dergestalt zu ändern, dass ein weiterer Vorsteuerabzug i.H.v. 708,25€ berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, ein zusätzlicher Vorsteuerabzug komme nicht in Betracht, weil die Aufwendungen, die durch die Verlegung des Bahnübergangs entstünden, den landwirtschaftlichen Umsätzen zuzurechnen seien und diese gemäß § 24 UStG der Durchschnittssatzbesteuerung unterlägen. Im Übrigen sei bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe die in den Richtwerten für Maschinenkosten enthaltene Umsatzsteuer als Aufwand berücksichtigt worden. Ein Abzug als Vorsteuer würde daher zu einer Doppelberücksichtigung führen.

Die Leistung des Klägers sei im Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der DB Netz AG noch nicht bewirkt gewesen. Die streitbefangenen Leistungen des Klägers seien substanzüberlassender Art, denn die Würdigung der Gesamtumstände ergebe, dass der Vertrag die Einwilligung zur Beschränkung des Eigentums durch Schließung des Bahnübergangs bezweckte. Die im Streitjahr vereinbarte Leistung sei erst nach Errichtung des Ersatzwegs erbracht worden. Die Leistung sei nicht allein dadurch vollzogen worden, dass der Kläger den Vertrag, an den er zwar grundsätzlich gebunden war, unterzeichnet habe. Eine solche Betrachtungsweise würde dem wirtschaftlichen Gehalt der substanzüberlassenden sonstigen Leistung nicht gerecht, die sich nicht in der Abgabe einer Willenserklärung erschöpft habe, sondern in dem Übergang des Rechtes selbst. Nach der in § 1 des Vertrags getroffenen Vereinbarung stehe die Einwilligung des Klägers unter der aufschiebenden Bedingung der Schaffung des Ersatzwegs. Es sei daher davon auszugehen, dass die Vertragspartner zunächst, d.h. vor der vollständigen Schließung des Übergangs und anschließender Entschädigungszahlung, die Schaffung des Ersatzwegs gewollt und umgesetzt hätten. Die DB Netz AG habe aus rechtlicher Hinsicht zwar eine hinreichend gesicherte Position inne gehabt, die die Beschränkung akzeptierende Partei (der Kläger) sei jedoch bis zum Bedingungseintritt Rechtsinhaber geblieben, da er sich seiner Rechtsposition mangels vorbehaltsloser Übertragung gerade nicht gänzlich entäußert habe. Die Leistung des Klägers sei somit erst im Streitjahr 2006 erbracht worden.

Die Sache wurde am vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FinanzgerichtsordnungFGO–).

1) Die streitbefangene Entschädigung stellt zwar keinen Schadensersatz dar, sondern umsatzsteuerrechtliches Entgelt, das für eine Leistung des Klägers gezahlt worden ist. Die Leistung des Klägers ist aber nicht im Streitjahr 2006 zu erfassen.

a) Die von der DB Netz AG geleistete Entschädigung für Betriebserschwernisse stellt keinen Schadensersatz, sondern umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Sinne von § 10 UStG für eine Leistung des Klägers (Einverständnis mit der Schließung des Bahnübergangs) dar. Echte Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen liegen vor, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern wenn der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat. In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung (ständige Rechtsprechung, siehe z. B. , BFHE 257, 154, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (, HFR 2014, 431). Die gewählte Bezeichnung, etwa wie im Streitfall „Entschädigung”, ist unerheblich.

Eine steuerbare Leistung kann auch darin liegen, dass jemand gegen Entgelt darin einwilligt, einen Eingriff in seinen Rechtskreis zu dulden, der ohne diese Einwilligung einen Schadensersatzanspruch ausgelöst hätte (Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 1 UStG, Rn. 140 mit weiteren Nachweisen). Der Annahme einer steuerbaren Leistung steht in derartigen Fällen nicht entgegen, dass die Einwilligung „notgedrungen”, etwa im Hinblick auf eine sonst drohende Enteignung, erfolgt, weil die den Leistungswillen auslösenden Umstände für die Frage der Steuerbarkeit einer Leistung ohne Bedeutung sind (, BStBl II 1987, 465; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 1 UStG, Rn. 140).

Zwar war das Querungsrecht des Klägers weder vertraglich noch dinglich geregelt, trotzdem konnte die DB Netz AG dem Kläger das Querungsrecht nicht entschädigungslos entziehen. Der vom Kläger bisher genutzte Bahnübergang war gemäß § 41 FlurbG festgestellt. Diese Feststellung begründete die Zulässigkeit der öffentlichen Nutzung des Bahnübergangs. Grundsätzlich hat ein Anlieger zwar auch unter Berücksichtigung von Art. 14 GG keinen Anspruch auf Beibehaltung bestimmter öffentlicher Wegeverbindungen. Anlieger werden durch eine Verschlechterung der für ihre Grundstücke bestehenden Verkehrsverhältnisse in der Regel nicht in ihren Rechten verletzt. Erst wenn Grundstücke nach den jeweiligen Umständen nicht mehr in zumutbarer Weise erreichbar sind, sind Entschädigungen zu zahlen oder Ersatzwege anzulegen ( u. a., NVwZ 2006, 603). Im Streitfall bestand eine solche Unzumutbarkeit der Duldung einer Verschlechterung der Verkehrsanbindung der Grundstücke des Klägers, was im Planfeststellungsbeschluss vom festgestellt worden ist.

b) Die Leistung des Klägers ist nicht im Streitjahr 2006, sondern im Jahr 2005 erbracht worden. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1 UStG ist der Umsatz in 2005 zu erfassen, denn dem Kläger ist keine Versteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) genehmigt worden.

Die sonstige Leistung des Klägers bestand in der schriftlichen Einwilligung im Jahr 2005 zur Schließung des bisherigen Bahnübergangs und der gleichzeitigen Rücknahme der Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss. Mit diesen Maßnahmen hat der Kläger einer Beschränkung seines Eigentums, nämlich der Verschlechterung der Verkehrsanbindung zu seiner Hofstelle, zugestimmt. Der Vorteil für die DB Netz AG lag darin, dass ein zeitaufwändiges Enteignungsverfahren vermieden worden ist und unmittelbar ein Entschädigungsverfahren durchgeführt werden konnte (§ 22 Abs. 3 AEG).

Der Senat teilt nicht die zunächst vom Beklagten vertretene Auffassung, dass die Leistung des Klägers darin bestand, eine Beendigung einer Duldungsleistung der DB Netz AG zu akzeptieren. Die DB Netz AG hat keine Duldungsleistung an den Kläger erbracht, die hätte beendet werden können. Der Bahnübergang ist bereits 1999 gemäß § 41 FlurbG als öffentliche bzw. gemeinschaftliche Anlage festgestellt worden. Damit war das Nutzungsrecht des Klägers am Bahnübergang rechtsgestaltend geregelt worden. Einer „Duldung” durch die DB Netz AG bedurfte es daher nicht mehr.

Der Senat teilt auch nicht die im Schriftsatz des Beklagten vom vertretene Auffassung, die Leistung des Klägers sei substanzüberlassender Art. Der Kläger hat im Streitjahr keine substanzüberlassende sonstige Leistung an die DB Netz AG erbracht. Es ist nicht ersichtlich, welches Recht der Kläger auf die DB Netz AG übertragen haben soll. Die in den vom Beklagten zitierten Fundstellen genannten Vollrechte (z.B. Urheber- oder Verlagsrecht, Lieferungs- und Kompensationsrecht, Miteigentumsanteil) stehen den Einschränkungen, die der Kläger gegen Entgelt akzeptiert hat, nicht gleich. Eine substanzüberlassende sonstige Leistung setzt voraus, dass der Leistende seine Rechtsposition auf den Leistungsempfänger überträgt oder sonstwie über sie verfügt. Im Streitfall hat der Kläger nicht eine Rechtsposition oder ein Recht auf die DB Netz AG übertragen, sondern Betriebserschwernisse akzeptiert und seine verwaltungsgerichtliche Klage zurückgenommen, was für die DB Netz AG den Vorteil einer unmittelbaren Durchführung des Entschädigungsverfahrens ohne vorheriges Enteignungsverfahren hatte. Der Kläger hatte hingegen kein übertragbares Recht, das die Beibehaltung der alten Wegeführung beinhaltete. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Fall, über den der Bayerische 22 A 09.40034, juris) zu entscheiden hatte. Die im vorgenannten Urteil niedergelegten Grundsätze, auf die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung abgestellt hat, können auf den Streitfall nicht angewendet werden. Im VGH-Fall bestand nämlich eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über die Nutzung des Bahnübergangs, woraus sich für den Nutzungsberechtigten ein „subjektiv-dingliches, nicht im Grundbuch eingetragenes Recht” ergab. Ein solches Recht ist grundsätzlich geschützt und übertragbar. Im vorliegenden Streitfall lagen hingegen keine Nutzungsvereinbarungen vor.

Die vorgenannte Vereinbarung stand auch nicht unter einer aufschiebenden Bedingung. Die Erstellung des Ersatzweges war keine Bedingung, sondern gehörte zu den Verpflichtungen der DB Netz AG. Mit Unterzeichnung des Vertrags hat der Kläger sein (unbedingtes) Einverständnis zur Akzeptanz der Betriebserschwernisse erklärt. Die DB Netz AG hat sich dafür zur Zahlung der „Entschädigung” und der Erstellung des Ersatzweges verpflichtet. Die Leistung des Klägers und der DB Netz AG stehen in einem synallagmatischen Verhältnis, das heißt, sie gehören zu den gegenseitigen vertraglichen Rechten und Pflichten.

Der Wert des Ersatzwegs, den der Gutachter mit 62.875,07 Euro beziffert hat, ist im angefochtenen Bescheid bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die streitbefangene Leistung des Klägers nicht berücksichtigt worden. Insoweit lag jedoch ebenfalls Entgelt i. S. v. § 10 Abs. 2 S. 2 UStG vor. Die zu geringe Bemessung des Umsatzes des Klägers ist hier jedoch unerheblich, weil der Umsatz nicht im Streitjahr zu berücksichtigen ist.

2) Ob der streitbefangene Umsatz des Klägers unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fällt, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, weil der Umsatz schon zeitlich nicht in das Streitjahr gehört.

3) Der weitere Vorsteuerabzug ist vom Kläger nur hilfsweise geltend gemacht worden. Da der Kläger mit seinem Hauptantrag obsiegt, ist über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

III. Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der BFH hat in seiner EuGH-Vorlage vom V R 51/16, DStR 2017, 2049, EuGH Az: C-548/17, zur Sollversteuerung sinngemäß u. a. die Frage aufgeworfen, ob europarechtliche Grundsätze dem entgegenstehen, dass ein der Sollversteuerung unterliegender Unternehmer einen Umsatz bereits im Leistungszeitraum versteuern muss, obwohl das Entgelt noch gar nicht fällig oder zumindest nicht unbedingt geschuldet wird. Im Streitfall ist die Leistung des Klägers im Jahr 2005 erfolgt. Die dafür geschuldeten Entgelte sind erst in den Jahren 2006 bis 2013 zugeflossen. Die EuGH-Entscheidung könnte daher, falls der EuGH die Steuerentstehung nicht nur vom Leistungszeitpunkt, sondern auch vom Zeitpunkt der Entgeltzahlung abhängig macht, Bedeutung für den Ausgang dieses Rechtsstreits haben.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
DStR 2018 S. 12 Nr. 39
DStRE 2018 S. 1372 Nr. 22
EFG 2017 S. 1834 Nr. 22
RAAAG-64002