Zur Berücksichtigung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit
Leitsatz
Schuldzinsen für betrieblich begründete und bei Betriebsveräußerung bzw. –aufgabe zurückbehaltene Verbindlichkeiten sind nur insoweit nachträgliche BA, als sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven WG hätten beglichen werden können, soweit nicht eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung vorliegt.
Eine solche Ausnahme rechtfertigen nur solche der Verwertung zurückbehaltenen Aktivvermögens entgegenstehende Hindernisse, die ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben.
Es steht nicht im Belieben des Unternehmers, bei einer Betriebsaufgabe betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten zu tilgen. Die Schuldentilgung hat Vorrang vor einer privaten Bedürfnisbefriedigung.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 18
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Rahmen der Ermittlung des Gewinns der Klägerin aus der Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit (§§ 16, 18 EStG) sowie der Ansatz von Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben im streitigen Veranlagungszeitraum 2003.
Die Klägerin, die als Chefärztin die Fachpraxis für … führte, gab ihre freiberufliche Tätigkeit infolge einer Umwandlung der hauptamtlichen … in eine Belegabteilung durch den Landkreis … auf. Das entsprechende Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich – u.a. gegen Zahlung eines Betrages von 56.700 € – aus betrieblichen Gründen zum beendet. In diesem Zusammenhang erhielt die Klägerin zudem für die Aufgabe ihrer Tätigkeit als freiberufliche … beim Kreiskrankenhaus … eine Abfindung i.H.v. 153.300 €, die an sie mit Wertstellung überwiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt valutierte ein von der Klägerin im November 1999 bei der Raiffeisen-Volksbank…aufgenommenes Darlehen über 300.000 DM, das der Umschuldung von Krediten für allgemeine betriebliche Zwecke diente, noch mit 107.901,55 €. Die Laufzeit dieses Darlehen war zu einem Zinssatz von 6,24 v.H. bis zum festgeschrieben. Der Klägerin war jedoch die Möglichkeit jährlicher Sondertilgungen i.H.v. 10 % des Ursprungskapitals ohne Berechnung eines Vorfälligkeitsentgelts eingeräumt worden. Im Übrigen sollte insoweit Ziff. 4 der allgemeinen Darlehensbedingungen gelten. Dort heißt es in Abs. 1 unter „Vorfälligkeitsentgelt/Schadensersatz wegen Nichterfüllung”:
„Wenn die Bank sich bei einer Zinsfestschreibung ausnahmsweise mit einer vorzeitigen ganzen oder teilweisen Darlehensrückzahlung einverstanden erklärt, hat der Darlehensnehmer dafür ein Entgelt zu zahlen. Die Höhe dieses Entgelts bestimmt die Bank nach den dann bestehenden Marktverhältnissen.”
Am erwarb die Klägerin (vgl. Blatt 41 der Bp-Arbeitsakte Band I) Deka-Fonds-Anteile für 200.000 €, von denen sie Anteile im Wert von 15.400 € am veräußerte und am als Sondertilgung für das vorerwähnte Darlehen bei der Raiffeisen-Volksbank in Höhe von 15.338,76 € verwandte. Am veräußerte die Klägerin weitere Deka-Fonds-Anteile im Umfang von insgesamt 101.000 € und verwandte diesen Betrag zur vollständigen Darlehenstilgung nebst Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 10.750 €.
Zuvor hatte die Raiffeisen-Volksbank…der Klägerin am mitgeteilt, dass im Falle einer Rückzahlung des Darlehens per eine Vorfälligkeitsentschädigung von 15.589,74 € anfalle. Eine Sondertilgungsmöglichkeit für 2003 bestehe nicht mehr, da diese bereits am ausgeschöpft worden sei.
Späterhin, nämlich am , hat das Kreditinstitut auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt, dass man sich am mit der Klägerin auf die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 12.000 € geeinigt habe, dieser Betrag sei dann schließlich aber am auf 10.750 € reduziert worden. Die entsprechenden – bereits im August 2002 begonnenen – Verhandlungen hätten sich in die Länge gezogen, weil man sich mit der Klägerin über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zunächst nicht einig geworden sei (Bl. 66 der Gerichtsakte).
In ihrer für den streitigen Veranlagungszeitraum 2003 beim beklagten FA … eingereichten Einkommensteuererklärung gab die Klägerin, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, ihre laufenden Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit als Chefärztin der … mit 131.216 € an. Hierin enthalten waren u.a. die auf das bei der Raiffeisen-Volksbank…aufgenommene Darlehen entfallenden Schuldzinsen für den Zeitraum 1. September bis mit insgesamt 3.595,76 € (30. September: 1.927,14 €; 30. Dezember: 1.668,62 €). Als Veräußerungsgewinn erklärte die Klägerin einen Betrag i.H.v. 144.186 €, in dem unter anderem als Veräußerungspreis 153.300 € sowie als Veräußerungskosten zur Ablösung des betrieblichen Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung mit 10.750 € enthalten waren. Daneben gab die Klägerin bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) die Einnahmen aus Deka-Investmentfonds mit 2.263,15 € an.
In dem für das Streitjahr unter dem ergangenen Einkommensteuerbescheid, der gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, wurde die Klägerin zunächst erklärungsgemäß veranlagt. Dies führte bei Einnahmen i.H.v. insgesamt 2.290 € zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Umfang von 689 €.
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung war das beklagte FA der Auffassung, dass weder die nach dem angefallenen Schuldzinsen für das bei der Raiffeisen-Volksbank…aufgenommene Darlehen noch die an dieses Kreditinstitut geleistete Vorfälligkeitsentschädigung gewinnmindernd zu berücksichtigen seien und erließ mit Datum vom unter Umsetzung weiterer – hier nicht streitiger – Änderungen einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren mit Schreiben vom erhobenen Klage. Bei der von ihr entrichteten Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 10.750 €, die auf die vorzeitige Ablösung eines betrieblichen Kredits im Rahmen einer Betriebsaufgabe entfallen sei, handele es sich um Veräußerungskosten. Diese seien zu Recht in der auf den aufgestellten Betriebsaufgabebilanz erfasst worden. Sowohl die Vorfälligkeitsentschädigung als auch die bis zur endgültigen Tilgung des Darlehens noch geleisteten Schuldzinsen seien objektiv und subjektiv durch die Aufgabe der … Praxis veranlasst gewesen. Sie – die Klägerin – habe von Anfang an beabsichtigt, das restliche Darlehen abzulösen. Die entsprechenden Konditionen hätten aber zunächst mit der Bank verhandelt werden müssen. Aus diesem Grund hätten einer sofortigen Rückzahlung des restlichen Darlehens zum rechtliche Hindernisse entgegengestanden. In tatsächlicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass die Abfindungszahlung über 153.300 € erst am Mittwoch – – einem ihrer Konten gutgeschrieben worden sei, so dass ihr lediglich zwei Werktage zur Verfügung gestanden hätten, wenn sie die restlichen Darlehensverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe am , einem Sonntag, hätte ablösen wollen. Dies sei tatsächlich gar nicht machbar gewesen.
Im Übrigen habe sie sich bereits kurze Zeit nach Eingang des Geldes mit der finanzierenden Raiffeisen-Volksbank mit dem Ziel in Verbindung gesetzt, das Darlehen zu akzeptablen Vorfälligkeitskonditionen abzulösen, was dann ja auch schließlich innerhalb eines Zeitraums von lediglich vier Monaten gelungen sei.
Soweit die Raiffeisen-Volksbank im September 2003 die Ablösung des betrieblichen Darlehens gegen Zahlung eines mit 15.589,74 € berechneten Vorfälligkeitsentgelts angeboten habe, sei sie – die Klägerin – mit diesen Konditionen angesichts ihrer bereits langjährig bestehenden Geschäftsbeziehung zu diesem Kreditinstitut nicht einverstanden gewesen. Auch das im Oktober 2003 angebotene pauschale Vorfälligkeitsentgelt von 12.000 € habe sie ebenso wenig akzeptiert wie die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung über rund 12.355 € unter Einbeziehung einer (weiteren) Sondertilgung aus Dezember 2003. Man habe sich schließlich auf einen Betrag von 10.750 € geeinigt.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Betriebsaufgabe in den meisten Fällen um einen Zeitraum und nicht um einen Zeitpunkt handele. Denn die Betriebsaufgabe vollziehe sich ihrer Natur nach allmählich und damit in Teilakten. Entscheidend sei lediglich, dass es sich um einen einheitlichen Vorgang handele, wobei die Beurteilung auch von der Zeitdauer der Aufgabehandlungen abhänge. Auch nach der Rechtsprechung sei noch ein „kurzer” Zeitraum, der sich auch auf ein Jahr erstrecken könne, gegeben. In Abgrenzung hierzu sei nur die Aufgabe-"Bilanz” auf den Tag zu erstellen, an dem die laufende Betriebstätigkeit – hier: der – aufgegeben werde.
Die nach dem angefallenen und von der Klägerin geleisteten Schuldzinsen stellten nachträgliche Betriebsausgaben dar. Soweit der Abfindungsbetrag in Geldmarktfonds angelegt worden sei, sei dies allein aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen erfolgt, um das betriebliche Abfindungsguthaben bis zur Tilgung des Darlehens zinsgünstig zu parken. Es habe sich gerade nicht so verhalten, dass sie mit einer Fortführung des betrieblichen Darlehens private Geldanlagegeschäfte habe tätigen wollen. Auf diese Weise sei auch der vom beklagten FA behauptete private Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen nicht gegeben. Insbesondere habe sich die Klägerin nicht missbräuchlich verhalten. Hätte sie bereits unmittelbar am das betriebliche Darlehn abgelöst, so hätte die dann angefallene Vorfälligkeitsentschädigung die Summe aus nachträglich i.H.v. 3.596 € angefallenen Zinsen und das tatsächlich entrichtete Vorfälligkeitsentgelt von 10.750 € noch übertroffen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuer-Änderungsbescheides vom und Aufhebung des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides vom die Einkommensteuer 2003 soweit herabzusetzen, wie sie sich mindert, wenn im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) weitere Betriebsaufgabekosten i.H.v. insgesamt 14.346 € (Schuldzinsen mit 3.596 € und Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 10.750 €) einkommensmindernd berücksichtigt werden.
Das beklagte Finanzamt … beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner Auffassung, dass weder die Schuldzinsen noch die Vorfälligkeitsentschädigung einkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Schuldzinsen für betrieblich begründete und bei Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe zurückbehaltene Verbindlichkeiten führten lediglich insoweit zu nachträglichen Betriebsausgaben, als sie nicht auf Verbindlichkeiten entfielen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten beglichen werden können. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass bei der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit die Schuldentilgung Vorrang vor der privaten Bedürfnisbefriedigung habe. Die nach der Rechtsprechung mögliche Ausnahme, wonach Schuldzinsen trotz unterbliebener Schuldentilgung auch nach einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe als nachträgliche Betriebsausgaben abgezogen werden könnten, weil eine sofortige Schuldentilgung aufgrund eines Hindernisses nicht möglich sei, bestehe im Streitfall nicht.
Denn die Klägerin habe ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindungssumme die Möglichkeit gehabt, den bei der Raiffeisen-Volksbank aufgenommenen Kredit unverzüglich zu tilgen. Ausweislich Ziff. 4 der allgemeinen Darlehensbedingungen sei eine vorzeitige ganz oder teilweise Rückzahlung möglich gewesen, sofern der Darlehensnehmer dafür ein Entgelt entrichte. Von einem entsprechenden Einverständnis des Kreditinstitutes könne vorliegend ausgegangen werden, da die Bank einer Zahlung gegen Leistung einer (wenn auch von der Klägerin zunächst hinsichtlich der Höhe beanstandeten) Vorfälligkeitsentschädigung zugestimmt habe.
Die von der Klägerin durch Verhandlungen mit der Raiffeisen-Volksbank erzielte Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung beruhe lediglich auf einer wirtschaftlichen Entscheidung der Klägerin. Diese begründe allerdings kein Hindernis, das ihr die Ablösung des Kredits durch unverzüglichen Einsatz der erhaltenen Abfindung, nämlich Verwertung des Aktivvermögens, unmöglich machte. Hinzu komme, dass durch ihre Entscheidung, die Abfindung über 153.300 € nicht zur sofortigen (vollständigen) Tilgung des betrieblichen Darlehens, sondern alternativ zur Anschaffung von Deka-Fonds-Anteilen mit einer hierdurch verbundenen Überführung ins Privatvermögen zu verwenden, der ursprüngliche betriebliche Zusammenhang nach außen hin erkennbar gelöst worden sei. Lediglich Rückzahlungshindernisse bei Verbindlichkeiten und Verwertungshindernisse beim Aktivermögen, die durch den Steuerpflichtigen nicht beeinflussbar seien, ließen eine Ausnahme vom Grundsatz der vorrangigen Schuldentilgung zu. Hiervon könne im Streitfall aber nicht ausgegangen werden.
Insoweit sei auch die Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigung unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Betriebsausgaben bzw. als Veräußerungskosten nicht möglich. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Abfindungssumme nicht ausgereicht hätte, sowohl das Darlehen als auch die Vorfälligkeitsentschädigung zu begleichen. Auch hiervon könne im vorliegenden Verfahren keine Rede sein.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin bereits ab Juni 2003 auf die Beendigung ihrer freiberuflichen Tätigkeit hätte einstellen und dementsprechend mit der Liquidation ihrer Praxis beginnen können. Laut Aufgabebilanz zum sei nur noch geringfügiges Anlagevermögen vorhanden gewesen, das ins Privatvermögen überführt worden sei. Von einer Streckung der Betriebsaufgabe nach dem könne daher mangels Wirtschaftsgütern, deren Verwertung zu Schwierigkeiten und somit zu einer verzögerten Schuldentilgung hätte führen können, nicht ausgegangen werden.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
I. Im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus ihrer selbstständig ausgeübten Tätigkeit als Chefärztin für … sind weitere Schuldzinsen unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Betriebsausgaben in der Höhe nach unstreitigem Umfang von 1.927,14 € einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Der weitergehenden Klage kann dagegen kein Erfolg beschieden sein.
1.)a) Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Schuldzinsen stehen in einem derartigen Zusammenhang mit dem Betrieb, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs – BFH – vom GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2.). Sofern Betriebsausgaben nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils entstehen, gehören sie zu den nachträglichen Einkünften aus der früheren betrieblichen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG).
Schuldzinsen für betrieblich begründete und bei Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe zurückbehaltene Verbindlichkeiten sind nur insoweit nachträgliche Betriebsausgaben i.S. des § 24 Nr. 2 EStG, als sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten beglichen werden können (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 900, m.w.N.), soweit nicht eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung vorliegt (Auszahlungshindernisse hinsichtlich des Veräußerungserlöses: , BStBl II 1985, 323, unter 3.; Verwertungshindernisse hinsichtlich des zurückbehaltenen Aktivvermögens: , BStBl II 1990, 213, unter 1.a; Rückzahlungshindernisse hinsichtlich der früheren Betriebsschuld: , BStBl II 2000, 120, unter 2.b; Vorgänge, die sich ähnlich wie Rückzahlungshindernisse auswirken: , BStBl II 1989, 456, unter II.2.b aa, zum fehlenden Anlass zur Tilgung der Betriebsschuld wegen der Zusage ihres späteren Erlasses, und vom I R 205/85, BStBl II 1990, 537, unter II.B.2.d, wegen der Ungewissheit der Verbindlichkeit).
b) Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen jedoch nur solche der Verwertung zurückbehaltenen Aktivvermögens entgegenstehende Hindernisse, die ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben.
Es steht nicht im Belieben des Unternehmers, im Falle einer Betriebsaufgabe betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten zu tilgen. Vielmehr hat bei der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit die Schuldentilgung Vorrang vor einer privaten Bedürfnisbefriedigung. Wer sich anders verhält, muss sich so behandeln lassen, als ob er die erhaltenen und zurückbehaltenen Aktivwerte voll zur Schuldentilgung verwendet hätte (, BStBl II 1981, 460). Deshalb können in Fällen, in denen aktive Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nicht zur Schuldentilgung eingesetzt worden sind, Schuldzinsen nicht als nachträgliche Betriebsausgaben geltend gemacht werden (, BFH/NV 2007, 1570).
2.)a) In Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall konnte die Klage lediglich im Hinblick auf die bis zum 30. September des Streitjahres angefallenen Schuldzinsen in Höhe von 1.927,14 € Erfolg haben. Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt war das von der Klägerin bei der Raiffeisen-Volksbank…aufgenommene Darlehen mit der Folge als betriebliche Schuld anzusehen, dass die hierfür aufgewandten Schuldzinsen zu (nachträglichen) Betriebsausgaben bei ihren Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) führten.
Die von der Klägerin nach dem geschuldeten und gezahlten Zinsen für die bei der Raiffeisen-Volksbank unverändert fortbestehende Darlehensverbindlichkeit stellen dagegen keine nachträglichen Betriebsausgaben aus ihrer (vormaligen) Tätigkeit als Chefärztin des … dar, weil sie nicht mehr betrieblich veranlasst waren. Denn die Klägerin hätte mit dem an sie ausgezahlten Abfindungsbetrag über 153.300 € das zu diesem Zeitpunkt noch mit rd. 108.000 € valutierende betriebliche Darlehen nebst Vorfälligkeitsentgelt tatsächlich vollumfänglich ablösen können und in rechtlicher Hinsicht auch ablösen dürfen. Da sie sich aus bloß wirtschaftlichen Gründen anders entschieden hat, ist die Darlehensverbindlichkeit in ihr Privatvermögen übergegangen, so dass jedweder weiterer Aufwand nicht mehr ihren betrieblichen Bereich berührte.
aa) Entgegen der vom beklagten Finanzamt vertretenen Auffassung ist das Gericht der Ansicht, dass im Zeitpunkt der Aufgabe der chefärztlichen Tätigkeit der Klägerin zum ein rechtliches Hindernis bestand, die zu dieser Zeit noch mit 107.901,55 € valutierende Darlehensverbindlichkeit bei der Raiffeisen-Volksbank abzulösen.
Zwar verfügte die Klägerin mit der Auszahlung der Abfindung über 153.300 € mit Wertstellung über ausreichende finanzielle (betriebliche) Mittel, um das Darlehen vollständig zurückzuführen. Indes war sie hierzu unter Berücksichtigung des mit der kreditgewährenden Bank geschlossenen Darlehensvertrages aus November 1999 nicht berechtigt. Denn nach Ziffer 8 dieses Vertragswerks (vgl. Bl. 29 f der Gerichtsakte) war ihr lediglich das Recht kalenderjährlicher Sondertilgungen ohne Berechnung eines Vorfälligkeitsentgelts in Höhe von 10 v. H. des ursprünglich über 300.000 DM lautenden Darlehensbetrages eingeräumt worden, wovon sie im Streitjahr aber bereits unter dem Gebrauch gemacht hatte.
Darüber hinausgehend wurde dort lediglich auf Ziffer 4 der allgemeinen Darlehensbedingungen der Bank hingewiesen, aus der sich bei einer wie im Streitfall bestehenden Zinsfestschreibung die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Leistung eines Entgelts im Falle eines „ausnahmsweise” erklärten Einverständnisses der Bank zur vorzeitigen ganzen oder teilweisen Darlehensrückführung ergab (vgl. Bl. 78 der Gerichtsakte). Die Klägerin war hiernach gerade nicht zu einer einseitigen, d. h. allein auf ihrem persönlichen Willensentschluss beruhenden Darlehensrückführung berechtigt.
Aus den insoweit maßgebenden zivilrechtlichen Bestimmungen (vgl. §§ 488 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – bzw. §§ 607 ff BGB a. F.) lässt sich nichts anderes entnehmen, so dass das Gericht diesbezüglich von weiteren Ausführungen Abstand nimmt.
bb) Das zunächst in rechtlicher Hinsicht bestehende Hindernis einer Darlehensrückführung ist jedoch Ende September 2003 mit dem von der Raiffeisen-Volksbank als Darlehensgeberin (unstreitig) erklärten Einverständnis zu einer vollumfänglichen Darlehensrückführung durch die Klägerin gegen Gewährung einer Vorfälligkeitsentschädigung über 15.589,74 € (vgl. das entsprechende Anschreiben der Bank vom sowie die hierzu vorgelegte Berechnung des Vorfälligkeitsentgelts, Bl. 56 und 71 der Gerichtsakte) in Wegfall geraten.
Die Klägerin hat gegen die Art und Weise der Berechnung dieses Vorfälligkeitsentgelts keine substantiierten rechtlichen Einwendungen erhoben. Da sich solche auch nicht anhand der dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergeben, ist davon auszugehen, dass die Berechnung einschließlich der ihr zu Grunde gelegten Zahlen nicht zu beanstanden ist.
Dass sich die Klägerin gleichwohl hierauf nicht eingelassen hat, beruhte allein auf den von ihr angestellten wirtschaftlichen Erwägungen, wie sie insbesondere auch in den schriftsätzlich verwandten Formulierungen wie: …
„… Die Bank forderte jedoch zunächst eine Vorfälligkeitsentschädigung in wirtschaftlich nicht hinnehmbarer Höhe…”
„… Ziel war die Ablösung des Darlehens zu akzeptablen Vorfälligkeitskonditionen…”
„… Mit diesen Konditionen (gemeint war das Angebot der Raiffeisen-Volksbank vom mit der Berechnung eines Vorfälligkeitsentgelts über 15.589,74 €) war die Klägerin angesichts ihrer langjährig bestehenden Geschäftsbeziehung zur Volksbank nicht einverstanden…”
zum Ausdruck kommen. Die Klägerin lehnte allein aus diesen wirtschaftlichen Überlegungen heraus auch späterhin sowohl eine pauschale Vorfälligkeitsentschädigung über 12.000 € Ende Oktober 2003 als auch eine unter Einbeziehung einer (weiteren) Sondertilgung in Höhe von 10 v. H. der ursprünglichen Darlehenssumme berechnete Vorfälligkeitsentschädigung aus Dezember 2003 über 12.355,53 € ab. Erst nach Gewährung eines nochmaligen Abschlags durch die Raiffeisen-Volksbank war sie schließlich bereit, die ursprünglich betriebliche Schuld Anfang Januar 2004 vollständig zurückzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war diese Schuld jedoch bereits in ihr Privatvermögen übergegangen.
cc) Die von der Klägerin ins Feld geführten wirtschaftlichen Überlegungen zur Minderung des Vorfälligkeitsentgelts und der auf diese Weise von ihr hinausgezögerten Darlehenstilgung sind im Ergebnis nicht geeignet, eine Abweichung vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung bei ausreichendem Aktivvermögen ohne entgegenstehende tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse zu rechtfertigen. Denn wirtschaftliche Aspekte vermögen kein Hindernis für die Ablösung bei Betriebsaufgabe bestehender betrieblicher Verbindlichkeiten bei in ausreichendem Maße vorhandenem Aktivvermögen zu begründen.
Die Berücksichtigung (subjektiver) wirtschaftlicher Aspekte bei der Frage, ob/zu welchem Zeitpunkt/in welchem Umfang Verbindlichkeiten aus Anlass einer Betriebsaufgabe zurückzuführen sind, führte im Ergebnis dazu, dass es – da nur sehr eingeschränkt von den Finanzbehörden und im finanzgerichtlichen Verfahren nachprüfbar – letztlich ins Belieben des Steuerpflichtigen gestellt würde, ob/zu welchem Zeitpunkt/in welchem Umfang der betriebliche Zusammenhang einer Darlehensverbindlichkeit gelöst würde und diese ins Privatvermögen überginge. Im äußersten Fall bliebe diese bis zur Endfälligkeit des Darlehens bzw. Auslaufen des Darlehensvertrages Betriebsvermögen.
Nichts anderes dürfte für Aktivvermögen gelten, das vom Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe allein deshalb nicht verwertet wird, weil etwa der entsprechende Markt aktuell von einem Preisverfall gekennzeichnet ist. Blieben die entsprechenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen, müssten auch die hiermit in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten weiterhin dem Betriebsvermögen zuzurechnen sein. Dies führte zu kaum noch handhabbaren Abgrenzungsschwierigkeiten mit der Folge, dass allein aus diesem Grund lediglich tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen können. Auf dieses Abgrenzungsmerkmal, das im Übrigen der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht, kann sich ein Steuerpflichtiger bei seinen Planungen auch einstellen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Abweichen von dieser Rechtsprechung nicht gerechtfertigt erscheint.
Will ein Steuerpflichtiger demnach trotz ihm in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht möglicher Schuldentilgung aus wirtschaftlichen Gründen hiervon Abstand nehmen, weil er z. B. – wie die Klägerin im Streitfall – weiterhin über die Höhe der von ihm geschuldeten Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln will oder weil er sich aus der anderweitigen Verwendung des Aktivvermögens höhere Renditen oder andere Vorteile verspricht, so muss er es hinnehmen, dass die betriebliche Schuld in sein Privatvermögen übergeht und die für die Darlehensverbindlichkeit zu entrichtenden Zinsen nicht mehr als (nachträgliche) Betriebsausgaben einkommensmindernde Berücksichtigung finden können.
dd) Den Übergang der bei der Raiffeisen-Volksbank…bestehenden Darlehensverbindlichkeit vom Betriebsvermögen der Klägerin in ihr Privatvermögen sieht der Senat zum , so dass die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Schuldzinsen in unstreitiger Höhe von 1.927,14 € (noch) als nachträgliche Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Das Gericht hat insoweit in zeitlicher Hinsicht das Angebot der darlehensgewährenden Bank vom zu Grunde gelegt und der Klägerin eine etwa einwöchige Überlegungsfrist für ihre Entscheidung, das Darlehen zu diesen Konditionen zurückzuführen oder aber auch nicht, zugestanden.
ee) Eine anderweitige steuerrechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe.
Zwar kann sich eine Betriebsaufgabe über einen längeren Zeitraum erstrecken, innerhalb dessen alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entnommen oder veräußert worden sein müssen. Alle Teilakte müssen dabei auf dem einheitlichen Aufgabeentschluss beruhen (vgl. , BFH/NV 2010, 404 (405) m.w.N.).
Hiervon kann im Streitfall aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten FA, der sich im Übrigen mit den in der Aufgabebilanz enthaltenen Angaben (vgl. Blatt 13 der ESt-Akte 2003) deckt, nur über geringfügiges Anlagevermögen verfügte, das zudem in ihr Privatvermögen überführt worden ist. Von einer sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Betriebsaufgabe kann danach keine Rede sein. Diese ist vielmehr zum bewirkt.
Die bloße Verhandlung mit einem Kreditinstitut über die Möglichkeit der vorzeitigen Rückführung einer betrieblichen Verbindlichkeit nebst der hierfür zu leistenden Vorfälligkeitsentschädigung vermag dagegen keine in zeitlicher Hinsicht gestreckte Betriebsaufgabe mit der Folge einer unverändert fortbestehenden betrieblichen Veranlassung der für dieses Darlehen noch geleisteten Schuldzinsen zu begründen. Der Zeitpunkt der Betriebsaufgabe wird hierdurch in keiner Weise tangiert, weil es insoweit schon an einem Wirtschaftsgut fehlt, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählt. Im übrigen gilt die steuerrechtliche Einordnung einer Darlehensverbindlichkeit als Betriebsschuld zunächst stets bis zum Zeitpunkt/Ende der Betriebsaufgabe und setzt sich darüber hinaus grundsätzlich so lange fort, bis diese betriebliche Schuld durch den Veräußerungspreis und/oder die Verwertung zurückbehaltener aktiver Wirtschaftsgüter tatsächlich zurückgeführt wird oder hierdurch hätte beglichen werden können (Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung, siehe oben).
b)aa) Für die Beurteilung der von der Klägerin entrichteten Vorfälligkeitsentschädigung unter dem Gesichtspunkt in die Ermittlung ihres Aufgabegewinns einzubeziehender Veräußerungskosten (vgl. hierzu grundlegend , BStBl II, 2000, 458) kann im Ergebnis nichts anderes gelten, da sowohl im Zeitpunkt der entsprechenden Absprachen zwischen Klägerin und Raiffeisen-Volksbank Ende Dezember 2003 als auch im Zeitpunkt der Zahlung im Januar 2004 der Bezug der ursprünglich begründeten Darlehensverbindlichkeit zu den Einkünften der Klägerin aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) bereits in steuerschädlicher Weise dergestalt gelöst worden war, dass sich diese im Privatvermögen der Klägerin befand, nachdem sie die Möglichkeit zur Ablösung des bei der Raiffeisen-Volksbank noch bestehenden Darlehens mit der an sie ausgezahlten Abfindung Ende September 2003 ungenutzt hatte verstreichen lassen (siehe oben).
bb) Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die abschließende Vereinbarung über die Rückführung des restlichen Darlehens gegen Vorfälligkeitsentschädigung zu einem früheren Zeitpunkt – nämlich vor Übergang der Darlehensverbindlichkeit in das klägerische Privatvermögen – erfolgt und lediglich die Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden wäre, kann dahinstehen, weil dies ersichtlich nicht dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt entspricht und lediglich mögliche Gestaltungen ohne Auswirkung auf die steuerrechtliche Beurteilung bleiben.
cc) Aus eben diesem Grund kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die tatsächlich ab 31. August bis Ende 2003 geleistete Summe aus Schuldzinsen (3.595,76 €) und Vorfälligkeitsentschädigung (10.750 €) niedriger als das von der Raiffeisen-Volksbank für die vorzeitige Darlehensrückführung zunächst geforderte Vorfälligkeitsentgelt von 15.589,74 € war, und deshalb den Abzug der 10.750 € als Veräußerungskosten einfordern.
Zwar besagt die von der Klägerin zitierte Entscheidung des , BStBl II 1985, 323), dass bei der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit die Schuldentilgung Vorrang vor einer privaten Bedürfnisbefriedigung habe und wer sich anders verhalte, sich so behandeln lassen muss, als ob er die erhaltenen und zurückbehaltenen Aktivwerte voll zur Schuldentilgung verwandt hätte.
Aus dieser zur Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben ergangenen Rechtsprechung lässt sich aber keineswegs der Grundsatz der Berücksichtigung hypothetischer Sachverhaltsgestaltungen im Zusammenhang mit der Rückführung ursprünglich betrieblicher Darlehen herleiten. Vielmehr wird mit dieser Rechtsprechung lediglich klargestellt, dass sich eine zunächst betriebliche Verbindlichkeit in eine private Schuld verwandelt, wenn ein Steuerpflichtiger anlässlich der Betriebsaufgabe in hinreichendem Umfang vorhandenes Aktivvermögen nicht zur (vorrangigen) Schuldentilgung einsetzt. Genau auf diesen Grundsätzen basiert die gegenüber den Beteiligten dieses Verfahrens ergangene Entscheidung, die an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt im Streitfall anknüpft.
3.) Eine Berücksichtigung der auf den Zeitraum 1. Oktober - für das bei der Raiffeisen-Volksbank bestehende Darlehen entfallenden Schuldzinsen kommt schließlich auch nicht ganz oder teilweise als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) im Hinblick auf die von ihr Anfang September 2003 erworbenen Deka-Fonds-Anteile und die hieraus erzielten Einnahmen in Betracht.
a) aa) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Werbungskosten auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann zu bejahen, wenn die Darlehensmittel zur Finanzierung von Aufwendungen dienen, die zur Erzielung von Einkünften aus dieser Einkunftsart verausgabt werden.
bb) Für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten ist jedoch nicht allein auf den ursprünglich mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit auf die erstmalige Verwendung der Valuta abzustellen. In der Rechtsprechung des BFH ist für mehrere Fallgestaltungen die Möglichkeit einer „Umwidmung” des ursprünglichen Darlehenszwecks anerkannt worden (s. im Einzelnen , BStBl II 1997, 454, unter II.2.a; vom X R 96/95, BStBl II 1999, 353, unter II.2.c). So kann sich u.a. ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Zinsaufwendungen mit bestimmten Erträgen auch dann ergeben, wenn ein kreditfinanziertes Wirtschaftsgut im Rahmen einer anderen Einkunftsart verwendet wird (, BStBl II 1997, 454, unter II.2.a aa). Die durch das (aus diesem Grund aufrecht erhaltene) Darlehen verursachten Schuldzinsen stehen (nunmehr) im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der neuen Einkunftsart (, BStBl II 1995, 697, unter 2.c, m.w.N.).
cc) Nach der Rechtsprechung kann der einmal entstandene wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit einer bestimmten Einkunftsart nicht durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen hergestellt oder geändert werden (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen in BStBl II 1995, 697; BStBl II 1990, 817, 824; vom VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594, m.w.N.; in BStBl II 1999, 353). Eine „willkürliche” Zuordnung eines Darlehens zu einem anderen Wirtschaftsgut ist nicht zulässig. Mit dieser Maßgabe ist ein Austausch der Finanzierungsgrundlagen ohne vorherige Lösung des ursprünglichen wirtschaftlichen Zusammenhangs steuerrechtlich nicht möglich (vgl. z.B. , BFH/NV 1998, 20, unter 1.b der Gründe, m.w.N.; vom VIII R 12/95, BFH/NV 1998, 290, unter 1.b der Gründe, m.w.N.; vom XI R 98/96, BStBl II 1998, 144; in BFH/NV 1999, 594).
dd) Andererseits steht es auch nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, Darlehenszinsen für ein kreditfinanziertes Wirtschaftsgut einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen. Maßgebend ist vielmehr der objektive wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit einer Einkunftsart. Die Besteuerung knüpft stets nur an die effektiv verwirklichten, nicht hingegen an hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht verwirklichte Sachverhalte und Gestaltungen an. Deshalb stehen nach der Rechtsprechung Zinsaufwendungen für ein kreditfinanziertes Wirtschaftsgut, das im Rahmen einer anderen Einkunftsart verwendet wird, nunmehr in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser Einkunftsart (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 454, unter II.2.a aa). Der Veranlassungszusammenhang zwischen der den Darlehenszinsen zugrunde liegenden Verbindlichkeit mit der ursprünglichen Einkunftsart ist endgültig beendet. Der Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben/Werbungskosten ist ausschließlich bei der Einkunftsart möglich, in deren Rahmen das kreditfinanzierte Wirtschaftsgut tatsächlich verwendet wird.
Nichts anderes gilt, wenn aktive Wirtschaftsgüter im Falle einer Betriebsaufgabe aus Gründen, die in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen liegen, nicht zum Zwecke der Schuldenregulierung verwertet, sondern zusammen mit der ursprünglich betrieblich begründeten Verbindlichkeit ins Privatvermögen übernommen werden. In diesem Fall sind die Schulden – gleichgültig, ob sie zur Finanzierung allgemein betrieblicher Zwecke oder bestimmter, nun nicht mehr im Betriebsvermögen vorhandener Wirtschaftsgüter aufgenommen wurden – bis zur Höhe des Werts der ins Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter nun diesen zuzuordnen (BFH-Urteil in BStBl II 1999, 353, unter II.2.e). Werden dann die ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter im Rahmen einer anderen Einkunftsart genutzt, stehen die durch die ursprünglich betrieblichen Verbindlichkeiten verursachten Schuldzinsen nunmehr in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dieser neuen Einkunftsart und können bei dieser ggf. als Betriebsausgaben/Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden (, BFH/NV 2007, 1570).
b) Von einer „Umwidmung” des Darlehens kann danach im Streitfall nicht ausgegangen werden. Denn die Anschaffung der Deka-Fonds-Anteile über insgesamt 200.000 € unter dem erfolgte nicht unter Verwendung in das Privatvermögen der Klägerin entnommener aktiver Wirtschaftsgüter aus ihrer zum beendeten selbstständigen Tätigkeit als Chefärztin im …, sondern mittels der aus diesem Anlass an die Klägerin mit Wertstellung zur Auszahlung gelangten Abfindung in Höhe von 153.300 €.
4.) Die Berechnung der hiernach unter Berücksichtigung weiterer (nachträglicher) Betriebsausgaben im Umfang von 1.927,14 € bei den Einkünften der Klägerin aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) neu festzusetzenden Einkommensteuer 2003 wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem beklagten Finanzamt aufgegeben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der Rechtssache im Hinblick auf die Einbeziehung wirtschaftlicher Interessen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Ablösung betrieblicher Verbindlichkeiten anlässlich einer Betriebsaufgabe grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Fundstelle(n):
EFG 2010 S. 1302 Nr. 16
StBW 2010 S. 625 Nr. 14
RAAAD-45219