BBEV Nr. 9 vom Seite 285

Umtausch- und Aktienanleihen

Aktuelle BFH-Rechtsprechung und das

von Oliver Schultze, Pinneberg *

Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung gelten Umtausch- und Aktienanleihen als Finanzinnovationen (, BStBl 2001 I S. 206). Da bei beiden Anleiheformen keine Emissionsrendite existiert, erfolgt die Besteuerung nach der Marktrendite. Demzufolge wirken sich die Einlösungsgewinne und -verluste von Umtauschanleihen sowie die Einlösungsverluste von Aktienanleihen steuerlich bei den Kapitaleinkünften aus. Dieser Beitrag untersucht, inwieweit diese Zuordnung auch nach der neuen BFH-Rechtsprechung noch Gültigkeit hat. Abschließend geht der Autor auf die Konsequenzen des NWB XAAAC-50848 ein.

I. Aktuelle BFH-Rechtsprechung

Der BFH hat mit seinen Urteilen v. - VIII R 97/02 NWB AAAAC-37184 sowie v. - VIII R 79/03 NWB QAAAC-37183 die Besteuerung der Finanzinnovationen in weiten Teilen neu definiert und dabei den Gesetzeswortlaut einschränkend ausgelegt (vgl. hierzu bereits Haisch, BBEV 2007 S. 81 NWB UAAAC-38936 und Moritz, BBEV 2007 S. 84 NWB EAAAC-38937). Wenngleich die Begründungen des BFH überrascht haben, so sind die Urteile nur eine konsequente Fortentwicklung bereits 2003 definierter Grundsätze.

Beherrschender Gedanke des BFH ist dabei die strikte Trennung von Ertrag/Fruchtziehung – die zur Steuerpflicht führt – und Vermögensstamm – dessen Wertveränderungen grundsätzlich steuerlich unerheblich sind. Bei Wertveränderungen des Vermögensstamms ist nach den Ausführungen des BFH zwischen Quellennutzung und -verwertung zu unterscheiden: Eine Besteuerung ist danach nur ausnahmsweise zulässig, wenn in den Wertsteigerungen Nutzungsvergütungen enthalten sind und keine hinreichend klare Abgrenzbarkeit der Ertrags- von der Vermögensebene gegeben ist (vgl. a. a. O.).

Bei Floatern und Reverse Floatern ist nach Auffassung des BFH eine klare Abgrenzung gegeben. Es kommt nur durch Marktzins-Veränderungen zu Kursbewegungen, wie sie auch bei festverzinslichen Wertpapieren zu beobachten sind. Eine klare Trennung ist möglich, da die Wertveränderungen nicht von einer (anderen) Bezugsgröße abhängen, sondern sich in diesen Änderungen nur der geänderte „Preis” der Kapitalüberlassung widerspiegelt.

Bei Garantiezertifikaten, bei denen kein explizites Kapitalnutzungsentgelt vereinbart wird, ist eine Trennung in Ertrags- und Vermögensebene nach Auffassung des BFH nicht möglich, da es an Schätzgrundlagen zur Aufteilung der Vermögensänderungen fehlt. Diese Zertifikate werden mit dem Ziel erworben, wirtschaftlich betrachtet eine möglichst hohe Vergütung für die Kapitalüberlassung zu erhalten. Das Streben nach einem möglichst hohen Entgelt rechtfertigt dem BFH zufolge die Übernahme des Kursrisikos und positiver wie negativer Abweichungen von der erstrebten Rendite. Dies reicht für die Richter als Begründung für die Erfassung mit der Marktrendite aus.

II. Umtauschanleihen

Umtauschanleihen sind Anleihen mit

  • einer festen, aber unter dem marktüblichen Zinsniveau bei Emission liegenden Verzinsung und

  • einem Wahlrecht für den Anleger, bei Fälligkeit anstelle der Rückzahlung die Übertragung einer vorher festgelegten Anzahl von Aktien zu verlangen.

Sie haben einen festen Zins, der eindeutig der Nutzungsebene zuzuordnen ist. Die Rückzahlung erfolgt zum Nennwert oder durch Zuteilung einer festen Anzahl an Aktien, wenn deren Wert seit Ausgabe der Anleihe (deutlich) gestiegen ist und der Anleger daraufhin sein Wahlrecht ausübt. Diese Kurssteigerung ist von einer anderen Basisgröße (der zugrunde liegenden Aktie) abhängig und betrifft somit grundsätzlich die Vermögensebene.

Eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene erscheint auf den ersten Blick einfach; Umtauschanleihen würden nicht zu den Finanzinnovationen (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG) zählen. Daher wären auch nur die niedrigen Zinsen zu versteuern, und der Gewinn aus der Übertragung der Aktien (außerhalb der Jahresfrist) wäre steuerfrei.

Bei Betrachtung der wirtschaftlichen Funktion der Umtauschanleihe und einem Vergleich mit dem Garantiezertifikat wird allerdings deutlich, dass es sich auch nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung um Finanzinnovationen handelt: S. 286

Bei einem Garantiezertifikat handelt es sich nach seiner Funktionsweise um eine Kombination aus einer „normalen” festverzinslichen Anleihe und Call-Option auf den zugrunde liegenden Index. Die Zinsen, die der Anleger für die Anleihe erhalten würde, werden jedoch mit dem Kaufpreis der Call-Option vom Emittenten verrechnet, so dass sich im Ergebnis eine Schuldverschreibung ohne laufende Zinszahlung ergibt. Durch den Kauf eines festverzinslichen Wertpapiers und einer Option auf den Index kann das Garantiezertifikat nachgebildet werden.

Auch die Umtauschanleihe lässt sich in ein entsprechendes festverzinsliches Wertpapier und eine Option auf die jeweilige Aktie zerlegen. Hier findet ebenfalls durch den Emittenten eine bereits in den Ausgabebedingungen fixierte Verrechnung der Optionsprämie mit den Zinsen für die Kapitalüberlassung statt.

Der einzige Unterschied zwischen beiden Papieren: Bei der Umtauschanleihe übersteigt das Entgelt für die Kapitalüberlassung den Preis der Option, und der Anleger erhält somit noch eine Zinszahlung. Beim Garantiezertifikat sind dagegen Nutzungsentgelt und Optionsprämie gleich hoch. Diese Differenzierung ist jedoch willkürlich und begründet daher m. E. keine unterschiedliche steuerliche Behandlung. Sie ließe sich zudem leicht umgehen, indem beim Garantiezertifikat ein geringfügiger Zins gezahlt oder bei der Umtauschanleihe auf den Zins verzichtet wird. Durch die Wahl des Garantielevels beim Zertifikat bzw. die Zahl der Aktien lässt sich dies für den Emittenten problemlos feinjustieren.

III. Aktienanleihen

Als Aktienanleihen werden Anleihen mit einem bei Emission deutlich über dem Marktniveau liegenden Zinssatz bezeichnet, bei denen der Emittent das Recht hat, anstelle der Rückzahlung zum Nennwert eine vorher bestimmte Anzahl von Aktien zu liefern.

Aktienanleihen beinhalten ein hohes Risiko: Sowohl bei Garantiezertifikaten als auch bei Umtauschanleihen ist das Verlustrisiko (für den Ersterwerber) durch die garantierte Rückzahlung minimiert. Der Anleger muss allenfalls einen Zinsverlust gegenüber einer Alternativanlage hinnehmen. Bei Aktienanleihen kann dagegen auch ein Verlust entstehen, der den Zins übersteigt, wenn in einer Aktienbaisse der Wert der zu liefernden Aktien unter dem Nennwert der Anleihe liegt.

Auch für Aktienanleihen gilt, dass der Zinssatz fest ist und offensichtlich eindeutig der Nutzungsebene zugeordnet werden kann. Die möglichen Kursverluste sind von einer anderen Basisgröße abhängig – der zugrunde liegenden Aktie bzw. einem Index. Damit wären sie der Vermögenssphäre zuzuordnen.

Ähnlich wie Garantiezertifikat und Umtauschanleihe lässt sich aber auch die Aktienanleihe in zwei am Markt handelbare Finanzinstrumente aufteilen: Festverzinsliche Anleihe mit marktgerechtem Zins und Put-Option für die zugrunde liegenden Aktien.

Für diese Put-Option erhält der Anleger zusätzlich zum Nutzungsentgelt „Zins” eine Optionsprämie. Der in den Emissionsbedingungen vereinbarte über dem Marktzinsniveau liegende Zins wird somit nicht alleine für die Kapitalüberlassung gezahlt, sondern enthält eine zusätzliche Risikoprämie. Damit ist hier eine der wesentlichen Einschränkungen des BFH wiederum nicht erfüllt. Denn das reine Nutzungsentgelt lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln. Allerdings ist für den Anleger auch die Risikoprämie steuerpflichtig. Nach der jüngsten Rechtsprechung des IX. Senats sind Einnahmen aus der Gewährung einer Option als Stillhalterprämie gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig (vgl. NWB HAAAC-47295). Aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes des § 22 EStG verbleibt es jedoch bei einer Besteuerung der gesamtenZinsen” gem. § 20 EStG; eine Aufteilung erfolgt nicht.

Der BFH lässt es aber zu, dass der Verkäufer einer Option die Aufwendungen zur Beendigung dieser Verpflichtung als Werbungskosten von den vorher vereinnahmten Prämieneinnahmen abziehen kann (Urteil v. - IX R 23/06 NWB XAAAC-47294). Soweit diese Aufwendungen die Einnahmen übersteigen, sind sie jedoch nur mit Gewinnen aus gleichartigen Geschäften verrechenbar.

Überträgt man dies auf den Fall des Verkaufs einer Aktienanleihe vor Fälligkeit, erfolgen wirtschaftlich eine Glattstellung der Option und der Verkauf einer festverzinslichen Anleihe. Der Erlös aus dem Verkauf der Anleihe wird mit den Aufwendungen zur Glattstellung der Option vom Emittenten verrechnet. Dabei entstehende Vermögensverluste sind entsprechend der Rechtsprechung des IX. Senats steuerlich zu berücksichtigen, da auch hier eine Sicherung der erzielten Zinseinnahmen erfolgt.

Beim Verkauf einer Aktienanleihe mit Verlust ist daher nicht die steuerlich unbeachtliche Vermögensebene betroffen. Sämtliche Einnahmen/Verluste sind dem BFH zufolge steuerlich beachtlich, wenn auch z. T. mit einer Verlustbeschränkung. Da eine Trennung und Aufteilung der Ertragsbestandteile der Aktienanleihe auf praktische Schwierigkeiten stößt, wäre auch bzgl. der entstehenden Vermögensverluste zu prüfen, welche Norm vorrangig ist. Weil die Besteuerung der Einnahmen aus dem Verkauf der Option als sonstige Einkünfte nachrangig gegenüber der Besteuerung gem. § 20 EStG ist (§ 22 EStG), kann für die Werbungskosten nichts anderes gelten. Ein bei der Veräußerung der Aktienanleihe entstehender Verlust ist somit nach § 20 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen. S. 287

Fraglich ist, ob der Rückzahlungsverlust auch steuerlich zu berücksichtigen ist, wenn kein Verkauf erfolgt, sondern stattdessen der Emittent bei Fälligkeit von seinem Recht Gebrauch macht und dem Anleger Aktien andient. Nach Ansicht der Finanzverwaltung (, BStBl 2001 I S. 986, Tz. 27) sind das Verpflichtungsgeschäft und ein sich anschließendes Erfüllungsgeschäft getrennt zu sehen.

Diese Auffassung für Optionen lässt sich jedoch nicht auf Aktienanleihen übertragen. Da hier keine eindeutige Trennung der einzelnen Zahlungen einer Aktienanleihe in Ertrags- und Vermögenssphäre gelingt, liegt nach den Kriterien des und , a. a. O.) eine Finanzinnovation vor. Für diese gilt gem. § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 EStG eine einheitliche Behandlung bei Verkauf und Endfälligkeit. Da der § 20 EStG gegenüber dem § 22 EStG vorrangig ist, dürfte hieran auch eine anders lautende Entscheidung des BFH zum Verfall einer Option nichts ändern.

Praxishinweis

Um sicher zu gehen, sollten Anleger jedoch bei drohender Rückzahlung der Aktienanleihe durch Einbuchung der Aktien nicht die Fälligkeit abwarten, sondern die Anleihe verkaufen. Dann kommt nur die Besteuerung der Aktienanleihe als Finanzinnovation mit Berücksichtigung des Verlusts als negativer Kapitalertrag gem. § 20 Abs. 2 EStG in Betracht.

IV. Das aktuelle BMF-Schreiben

Das a. a. O., zur Anwendung von fünf BFH-Urteilen (v. - VIII R 67/04 NWB NAAAC-34407; v. , a. a. O.; v. - VIII R 62/04 NWB GAAAC-37182, VIII R 79/03, a. a. O., und VIII R 6/05 NWB JAAAC-42141) enthält keine expliziten Regelungen zu den Aktien- und Umtauschanleihen. Allerdings werden Reverse Floater und Down-Rating-Anleihen weiterhin als Finanzinnovationen eingestuft, wenn die Emissionsbedingungen von denen in den BFH-Urteilen abweichen. Daher ist m. E. davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung ebenfalls an ihrer bisherigen Auffassung festhalten und Umtausch- und Aktienanleihen weiterhin als Finanzinnovationen einstufen wird. Im Hinblick auf die Einführung der Abgeltungsteuer (vgl. hierzu bereits Haisch BBEV 2007 S. 245 NWB XAAAC-51418) ist daher m. E. nicht mit nennenswerten Änderungen der bisherigen Verwaltungspraxis bei Umtausch- und Aktienanleihen zu rechnen. Darüber hinaus macht die Finanzverwaltung in ihrem a. a. O., deutlich, dass für die Kapitalertragsteuer weiterhin von Finanzinnovationen auszugehen ist, soweit vom WM-Datenservice keine Umschlüsselung vorgenommen wird.

Praxishinweis

Dies führt insbesondere in Depotübertragungsfällen zu einem deutlich zu hohen Kapitalertragsteuerabzug, der nur im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden kann.

Im Hinblick auf die Einführung der Abgeltungsteuer ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung die Urteile nur einschränkend anwenden will. So sollen grundsätzlich die Angaben des Stpfl. aus der Erklärung übernommen werden. Lediglich in Verlustfällen kann der Nachweis der Emissionsrendite gefordert oder die Anerkennung des Verlusts versagt werden.

Wenn der Stpfl. aber darlegen kann, dass die Bedingungen „seiner” Anleihe nicht denen der BFH-Entscheidungen entsprechen, gelten diese Anleihen insoweit auch weiterhin als Finanzinnovationen, und Verluste sind anzuerkennen.

Soweit eine Umschlüsselung durch den WM-Datenservice nicht vorgenommen wird, werden die Gewinne aus Veräußerungen allerdings weiterhin in den Erträgnisaufstellungen der Banken ausgewiesen. Da diese Werte von der Finanzverwaltung vorrangig übernommen werden, kommt das Schreiben für Down-Rating-Anleihen, Floater, Reverse Floater und vergleichbare Anleihen quasi einem Nichtanwendungserlass gleich. Hier ist der Stpfl. bzw. sein Berater gefordert, darzulegen, dass es sich nur um Nutzungsentgelte handelt.

Fazit
  1. Umtauschanleihen entsprechen in ihrer zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung Garantiezertifikaten. Sie werden daher auch nach der neuen BFH-Rechtsprechung als Finanzinnovationen behandelt.

  2. Bei Aktienanleihen sind Ertrags- und Vermögenssphäre ebenfalls nur schwer trennbar. Da sowohl der isolierte Anleiheteil als auch der isolierte Optionsteil der Aktienanleihe vom Grundsatz zu steuerpflichtigen Erträgen führt, sind Aktienanleihen daher m. E. weiterhin als Finanzinnovationen einzustufen.

  3. Weil die Verluste aus dem Verkauf/Closing der einzelnen – in der Aktienanleihe enthaltenen und Optionen vergleichbaren – Optionspositionen steuerlich nach der BFH-Rechtsprechung berücksichtigt werden können, gilt dies in jedem Fall auch für den vorzeitigen Verkauf der Aktienanleihe. Um sicher zu gehen, sollten Anleger daher Aktienanleihen, bei denen eine Tilgung durch Einbuchung von Aktien droht, kurz vor Fälligkeit verkaufen.

Fundstelle(n):
BBEV 9/2007 Seite 285
RAAAC-53896