Veräußerung einer Zufallserfindung
Leitsatz
1. Liegt ausnahmsweise eine sog. Zufallserfindung vor, so führt allein die Anmeldung der Erfindung zum Patent noch nicht zu einer nachhaltigen Tätigkeit.
2. Der Erlös aus der Veräußerung einer sog. Zufallserfindung ist nicht nach § 22 Nr. 2 oder 3 EStG steuerbar.
Gesetze: EStG §§ 15, 18, 22 Nrn. 2, 3EStG § 23
Instanzenzug: (EFG 2002, 1522) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der ursprünglich zum Kaufmann ausgebildete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Fotodesigner tätig. Die hierfür notwendigen Fähigkeiten erwarb er sich autodidaktisch. Kameras mit Autofokus setzte er bei seiner beruflichen Tätigkeit nicht ein.
Ende der 80er Jahre, bei privaten Fotoaufnahmen mit der Autofokus Pocket Kamera seines Sohnes, kam der Kläger auf die Idee, dass der Autofokus zur Aufnahme beweglicher Objekte flexibel sein müsse. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) meldete er seine Idee ohne weitere technische Ausarbeitung oder Entwicklung weiterer Ideen unter Einschaltung eines Patentanwaltes erfolgreich zum Patent in Deutschland, Europa und den USA an. Die hierfür entstandenen Aufwendungen der Jahre 1993 bis 1995 machte er als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit geltend, weil er seinerzeit von der Steuerbarkeit von Erfindereinkünften ausging. Dies korrigierte er später während einer Betriebsprüfung.
Nach Erteilung der drei beantragten Patente bot der Kläger diese erfolglos verschiedenen Herstellern zum Kauf an. Im Streitjahr 1995 erfuhr er, dass die Firma X eine Kamera mit beweglichem Autofokus auf den Markt gebracht hatte und nahm sie wegen Verletzung seines Patents in Anspruch. Mit Vertrag vom…1995 verkaufte er an X alle Rechte aus dem Patent für ... DM. Die Erfindung des Klägers wurde technisch noch nicht umgesetzt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1995 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die Erfindervergütung zu den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehöre und ermittelte nach Abzug der Aufwendungen für die Patentanmeldung einen Überschuss in Höhe von ... DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte dem nicht, sondern erfasste den Überschuss bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Tätigkeit und versteuerte ihn ermäßigt nach § 34 Abs. 2 EStG. Der Kläger sei nachhaltig tätig gewesen, denn seine Idee bedürfe noch der technischen Umsetzung und er habe durch die Anmeldung zum Patent in Deutschland, Europa und USA drei verschiedene Wirtschaftsgüter hergestellt.
Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 1522).
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die höchstrichterliche Rechtsprechung gehe davon aus, dass eine sog. Zufallserfindung äußerst selten sei; in allen bisher entschiedenen Fällen seien daher die Einkünfte des Erfinders versteuert worden. Nicht jede Blitzidee führe zu einer Zufallserfindung. Es seien weitere Tätigkeiten notwendig gewesen, um die Erfindung bis zur Verwertungsreife zu fördern. Dabei sei es nicht entscheidend, ob der Erfinder die bis zur Patentreife erforderlichen Arbeiten selbst durchführe oder von einem anderen durchführen lasse. Bereits das Vorbereiten und Anmelden mehrerer Patente stelle eine nachhaltige Erfindertätigkeit dar. Die Erlangung der Patente habe zu einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand geführt. Auch habe der Kläger mehreren Kameraherstellern die Patente zum Kauf angeboten.
Durch die betriebliche Geltendmachung der Kosten für die Patentanmeldung habe der Kläger dokumentiert, dass er die Erfindung als Teil seiner freiberuflichen Tätigkeit angesehen habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) neige neuerdings dazu, auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewillkürtes Betriebsvermögen zuzulassen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt im Wesentlichen unter Hinweis auf das FG-Urteil, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach den Feststellungen des FG habe er seine Blitzidee nicht durch weitere Ideen angereichert oder technisch ausgearbeitet. Die technische Umsetzung beim Käufer des Patents könne ihm nicht zugerechnet werden. Die Anmeldung zum Patent sei keine weitere technische Ausarbeitung. Trotz der Erteilung von mehreren Patenten handle es sich um ein und dieselbe Erfindung.
Werde Privatvermögen veräußert, so machten allein mehrere Veräußerungsversuche die Tätigkeit nicht zu einer nachhaltigen. Gewinne aus der Veräußerung privaten Vermögens seien weder nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch nach Auffassung der Finanzverwaltung gemäß § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Der Kläger sei ursprünglich davon ausgegangen, dass jeder Geldzufluss der Besteuerung unterliege. Erst im Herbst 1995 habe ihn sein Patentanwalt darauf hingewiesen, dass Zufallserfindungen nicht steuerbar seien.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um im Streitfall eine nicht steuerbare Zufallserfindung zu bejahen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG noch feststellen müssen, welche Tätigkeiten der Kläger im Anschluss an seine „Blitzidee„ entfaltet hat.
1. Die Tätigkeit des Klägers als Erfinder kann eine von seinem Beruf als Fotodesigner unabhängige selbständige Tätigkeit sein. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die damit erzielten Einkünfte gewerbliche oder freiberufliche sind (vgl. z.B. Schmidt/ Wacker, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 18 Rz. 64). Sowohl die freiberufliche (wissenschaftliche) als auch gewerbliche Tätigkeit muss —zumindest vorübergehend (§ 18 Abs. 2 EStG)— nachhaltig sein (vgl. § 15 Abs. 2; Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, § 18 Rz. 33).
a) Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine Einkunftsquelle zu machen und wenn sie sich objektiv als nachhaltig darstellt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294; vom III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, m.w.N.). Vorübergehend i.S. des § 18 Abs. 2 EStG ist eine Tätigkeit, wenn sie planmäßig nur einmalig oder wenige Male, jedoch mit der Absicht ausgeübt wird, sie bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen (vgl. z.B. , BFHE 102, 367, BStBl II 1971, 684). Der sog. Zufallserfindung liegt mangels Wiederholungsabsicht keine nachhaltige Tätigkeit zu Grunde (vgl. , BFHE 186, 351, BStBl II 1998, 567; Steinhauff in Littman/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 18 Rz. 90). Dies kann insbesondere bei branchenfremden Erfindern der Fall sein (Blümich/Hutter, a.a.O., § 18 Rz. 37).
b) Die Wiederholungsabsicht muss sich auf die (hier) erfinderische Tätigkeit beziehen; es muss sich um eine planmäßige Erfindertätigkeit handeln. Wird ein Steuerpflichtiger wiederholt erfinderisch tätig, sei es, um auf den erfinderischen Gedanken zu kommen, sei es um die Verwertungsreife einer Erfindung zu fördern, so ist die vorübergehende Tätigkeit auch dann nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige letztlich nur eine Erfindung macht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 186, 351, BStBl II 1998, 567). Da der Steuerpflichtige selbst das Merkmal der nachhaltigen Tätigkeit erfüllen muss, können allerdings nur solche Tätigkeiten berücksichtigt werden, die er selbst ausführt oder die von Dritten in seinem Auftrag ausgeführt werden. Tätigkeiten eines Dritten im Rahmen seines Gewerbebetriebes nach Erwerb der (patentierten) Erfindung können dem Veräußerer der Erfindung nicht mehr zugerechnet werden.
Die Patenterteilung und die darauf gerichteten Tätigkeiten eines beauftragten Patentanwalts dienen dazu, das Recht des Erfinders auf ausschließliche Verwertung (sog. geistiges Eigentum) zu schützen und die Erfindung bekannt zu machen (vgl. z.B. Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Aufl., Einleitung Rz. 1; § 1 Rz. 2); sie stellen keine auf Wiederholung angelegte erfinderische Tätigkeit dar und dienen nicht der Förderung der (technischen) Verwertungsreife der Erfindung. In diesem Sinn hat der BFH in BFHE 186, 351, BStBl II 1998, 567 Patentanmeldungen allein nicht als Ausdruck nachhaltiger Tätigkeit beurteilt, sondern nur solche Tätigkeiten, die die technische Verwertungsreife förderten. Die Patente konnten dort erst „nach Erprobung und Ausarbeitung der Erfindung„ (BFHE 186, 351, BStBl II 1998, 567), die im Auftrag des damaligen Klägers stattfanden, zum Patent angemeldet werden.
c) Die Feststellungen des FG, der Kläger habe allein für die erfinderische Idee, d.h. ohne deren weitere Ausarbeitung Patente erhalten, widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen.
Der Gedanke „der Autofocus soll flexibel sein„ allein, war als allgemeine Idee nicht patentierbar. Patente werden —national oder international— nur für eine (fertige) Erfindung erteilt. Eine solche besteht —ganz allgemein— in der Anweisung, Kräfte, Stoffe oder Energien der belebten oder unbelebten Natur zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges zu benutzen und besteht in der Lösung einer Aufgabe (vgl. z.B. Benkard, a.a.O., § 1 Rz. 40; Schulte, Patentgesetz, 6. Aufl., § 1 Rz. 16 ff.; Jakob, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2000, 317, m.w.N.). Auch wenn es nicht notwendig ist, dass die Erfindung bereits als verkaufs- oder fabrikationsreife Konstruktion vorliegt und der Erfinder sich auch nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse für das wirkliche Geschehen aneignen muss (vgl. z.B. Benkard/Bruchhausen, a.a.O., § 1 Rdnr. 51, 53, m.w.N.), muss der Kläger, der für seine Erfindung Patente erhielt, nach dem er seine Idee von der Flexibilität des Autofokus hatte, eine technische Lehre zur Lösung des Problems entwickelt und/oder dargestellt haben.
Zu Art und Umfang der zur Patentreife führenden Tätigkeit des Klägers fehlen jegliche Feststellungen. Von der vom FG erwähnten Patentschrift, die Rückschlüsse auf die erfinderische Tätigkeit des Klägers zuließe, liegt nur Seite 5 vor.
Das FG hat die notwendigen Feststellungen nachzuholen. Sollten diese ergeben, dass der Kläger tatsächlich nur seine Idee in Gestalt einer Skizze schriftlich niedergelegt hat, so ergäbe sich hieraus allein noch keine nachhaltige erfinderische Tätigkeit; denn auch für eine gelegentliche Zufallserfindung ist deren Dokumentation unerlässlich.
Mit der Zurückverweisung an das FG erhält das FA Gelegenheit darzulegen, welche Tätigkeiten nach seiner Auffassung im Streitfall zur Förderung der Patentreife ggf. noch notwendig waren.
2. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang wiederum zu der Überzeugung gelangen, dass tatsächlich keine nachhaltige erfinderische Tätigkeit, sondern ausnahmsweise eine „gelegentliche„ Zufallserfindung vorliegt, wäre der Veräußerungserlös nicht nach § 22 Nr. 2 oder 3 EStG steuerbar. Der gegenteiligen, vom Reichsfinanzhof (RFH) in der Form von obiter dicta geäußerten Auffassung (z.B. , Steuer und Wirtschaft —StuW— 1932 Nr. 267; vom VI A 493/32, RStBl 1933, 958), ist für das geltende Einkommensteuerrecht nicht zu folgen.
a) Die Steuerbarkeit des Überschusses aus der Veräußerung einer Zufallserfindung durch den Erfinder gemäß § 23 Nr. 2 EStG scheitert schon daran, dass die eigene Erfindung nicht im Sinne des Gesetzes angeschafft worden ist. Die Anschaffung setzt einen entgeltlichen Erwerb eines Wirtschaftsguts von einem Dritten voraus (vgl. z.B. , BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, m.w.N.).
b) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, die nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllen, sind auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, m.w.N.; vom IX R 88/95, BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776, m.w.N.; vom VIII R 117/75, BFHE 120, 182, BStBl II 1977, 27). Gegenteiliges lässt sich für den Fall einer Erfindung auch nicht der nicht veröffentlichten Entscheidung des entnehmen. Denn dort hat der VI. Senat des BFH ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Veräußerungsvorgang nicht unter den Leistungsbegriff des § 22 Nr. 3 EStG fällt.
3. Die Auffassung des FG, die Erfindung sei nicht notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen des Klägers im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Fotodesigner geworden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Notwendiges Betriebsvermögen i.S. des § 4 Abs. 1 EStG sind solche Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb in dem Sinne unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind (vgl. z.B. , BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren —unstreitig— nicht erfüllt.
b) Nach bislang ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein Freiberufler nur unter der Voraussetzung, dass er seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, gewillkürtes Betriebsvermögen bilden (vgl. z.B. , BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828, m.w.N.; noch offen gelassen in , BFHE 191, 307, BStBl II 2000, 297; vom X R 37/91, BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Unabhängig hiervon, können dem gewillkürten Betriebsvermögen nur Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, die objektiv dazu geeignet und erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern. Die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen muss unmissverständlich in einer Weise kundgemacht werden, dass ein sachverständiger Dritter ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen erkennen kann (z.B. BFH-Urteile in BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172; vom VIII R 63/96, BFHE 188, 358, BStBl II 1999, 466).
Die Feststellung des FG, der Kläger habe die erteilten Patente nicht unmissverständlich seinem freiberuflichen Betrieb gewidmet, ist für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Ob eine eindeutige Einlagehandlung vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage (, BFH/NV 2000, 563). Nach den Feststellungen beruhte die Geltendmachung der mit der Patentanmeldung zusammenhängenden Unkosten als Betriebsausgaben auf dem Irrtum des Klägers, die Gewinne aus der Verwertung des Patents seien stets steuerbar. Auch der Betriebsprüfer rechnete aus den genannten Gründen die Erfindung nicht zum Betriebsvermögen des Klägers. Im Übrigen kann ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens nicht allein dadurch Betriebsvermögen werden, dass die damit in Zusammenhang stehenden Ausgaben irrtümlich steuerlich geltend gemacht werden (vgl. zur Unbeachtlichkeit buchmäßiger Behandlung z.B. , BFHE 200, 388, BStBl II 2003, 297; in BFHE 191, 307, BStBl II 2000, 297).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 218
BB 2004 S. 147 Nr. 3
BFH/NV 2004 S. 257
BFH/NV 2004 S. 257 Nr. 2
BStBl II 2004 S. 218 Nr. 6
DB 2004 S. 962 Nr. 18
DStRE 2004 S. 185 Nr. 4
FR 2004 S. 342 Nr. 6
KÖSDI 2004 S. 14049 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2005 S. 3031
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2005 S. 4051
StB 2004 S. 43 Nr. 2
RAAAB-14623