Aufwendungen auch für eine medizinisch indizierte Ehescheidung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz
1. Scheidungskosten (Prozesskosten wie Anwalts-, Gerichts- und Notarkosten) können nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (Anschluss an ).
2. Scheidungskosten gehören auch dann nicht zu den Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, wenn die Ehescheidung durch psychische Erkrankungen beider Ehegatten medizinisch indiziert ist.
Gesetze: EStG § 33 Abs. 1, EStG § 33 Abs. 2 S. 1, EStG § 33 Abs. 2 S. 4, EStG § 33 Abs. 3
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für eine Ehescheidung als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
Mit seiner am eingegangenen Einkommensteuererklärung 2015 machte der Kläger Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Ehescheidungsverfahren (Anwaltskosten, Gerichtkosten, Notarkosten) i.H.v. insgesamt 3.818 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend, die der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom unberücksichtigt ließ. Den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers vom wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
Am hat der Kläger Klage erhoben.
Ohne das Ehescheidungsverfahren sei er Gefahr gelaufen, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Er habe durch die Scheidung ohnehin schon die Hälfte seiner betrieblichen Altersvorsorge verloren und es hätte auch noch sein Wohneigentum als Altersvorsorgebaustein verloren gehen können. Seine ehemalige Ehefrau leide unter Depressionen und sei arbeitsunfähig. Im Asklepios Fachklinikum W. habe man ihr die Beendigung der Ehe nahe gelegt. Auch er sei wegen physischer Probleme in dieser Klinik behandelt worden. Trotz dem er mit seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau damals noch verheiratet gewesen sei, habe er sie dort nicht besuchen dürfen. Auch ihm hätten sowohl die Klinikärzte als auch sein Hausarzt zur Bekämpfung eigener Depressionen zur Ehescheidung geraten. Ihm sei neben Antidepressiva die Ehescheidung sozusagen als Medikament verordnet worden. Ohne die Scheidung wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Arbeit nachzugehen. Auch die beiden Töchter hätten stark unter dem Zustand vor der Trennung gelitten.
Das Ehescheidungsverfahren falle auch nicht unter den Begriff des „Rechtsstreits” im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 4 Einkommensteuergesetz –EStG–.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die von ihm geltend gemachten Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO–) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO). Die streitgegenständlichen Aufwendungen für die Ehescheidung des Klägers sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichten gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen nach § 33 Abs. 3 zu ermittelnde zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreites (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigend zu können.
Mit und weiteren Parallelentscheidungen vom gleichen Tage ist höchstrichterlich geklärt, dass die Begriffe des „Rechtsstreits” und der „Prozesskosten” im Sinne vom § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG auch ein Ehescheidungsverfahren und die dafür anfallenden Aufwendungen erfassen. Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das v.g. BFH-Urteil verwiesen, dass im Bundessteuerblatt –BStBl– II 2017 ab Seite 988 veröffentlich wurde.
Fernerhin hat der Bundesfinanzhof in seinen v.g. Entscheidungen umfänglich dargelegt, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Auch diesbezüglich wird auf das o.g. BFH-Urteil Bezug genommen.
Weiterhin hat der Bundesfinanzhof in den v.g. Urteilen höchstrichterlich entschieden, dass zu den ausnahmsweise gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht vom Abzug ausgeschlossenen Prozesskosten, ohne deren Aufwendung der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, die Kosten für ein Scheidungsverfahren nicht zählen, weil es dabei ausschließlich um die materielle Existenz bzw. um materiell notwendige Bedürfnisse geht und die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zu deren Sicherung erbracht werden. Insofern wird ebenfalls wegen der Gründe im Einzelnen auf das v.g. BFH-Urteil verwiesen.
Auch im Streitfall wäre der Kläger nicht abweichend vom v.g. Grundsatz Gefahr gelaufen, seine berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen.
Zu der vom Kläger vorgetragenen Gefährdung seiner Altersvorsorge kam es infolge der Scheidung und nicht wegen der durch diese aufgelösten Ehe. Die Aufwendungen für die Ehescheidung dienten mithin nicht der Führung eines Rechtsstreites zur Abwendung der Gefährdung einer Existenzgrundlage. Die Gefährdung der Altersvorsorge wurde vielmehr neben den Anwalts-, Gerichts- und Notarkosten in Kauf genommen, um die aus Sicht des Klägers unumgängliche Ehescheidung herbeizuführen.
Des Weiteren gehören Scheidungskosten auch dann nicht zu den Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, wenn die Ehescheidung – wie der Kläger das für den Streitfall vorbringt – medizinisch indiziert ist. Denn die – wie dargelegt – dabei allein maßgebliche materielle Existenzgrundlage ist in solchen Fällen nur mittelbar betroffen. Unmittelbar Anlass für eine medizinische Indikation sind seelische oder körperliche Beeinträchtigungen. Es steht zwar außer Frage, dass solche Beeinträchtigungen schlussendlich auch – wie es der Kläger vorträgt – zum Verlust der materiellen Existenzgrundlage führen können. Dass genügt nach der o.g. BFH-Rechtsprechung jedoch nicht für das Eingreifen der Rückausnahme vom Abzugsverbot gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Nur wenn die Führung eines Rechtsstreites unmittelbar der Abwehr einer Gefahr für die materielle Existenzgrundlage und die Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen dient, ist ein Abzug der dafür entstandenen Aufwendungen ausnahmsweise zulässig. Anders als bei etwa medizinisch indizierten Medikamenten, deren Kosten allein nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 EStG zu beurteilen sind, weil kein ausdrückliches Abzugsverbot besteht, reicht bei Prozesskosten ebenso wie etwa bei einer medizinisch indizierten Diätverpflegung im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG deren mittelbare Notwendigkeit zur Sicherung der materiellen Existenzgrundlage nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.
ECLI:DE:FGSN:2018:0419.8K80.18.00
Fundstelle(n):
QAAAG-85642