Keine Rückstellung einer Steuerberatungsgesellschaft für freiwillige zehnjährige Aufbewahrung von Mandantendaten im Rechenzentrum der DATEV
Leitsatz
1. Trägt eine Steuerberatungsgesellschaft ohne eine zivilrechtliche Verpflichtung freiwillig zur Kundenbindung im Rahmen noch bestehender Mandatsverhältnisse die Kosten einer zehnjährigen Aufbewahrung der Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum, so ist sie insoweit nicht zur Bildung einer gewinnmindernden Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten berechtigt.
2. Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden, wenn u. a. die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Es besteht aber keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung von steuerberatenden Unternehmern und Unternehmen zur Aufbewahrung von Mandantendaten auf eigene Kosten; auch § 66 Abs. 1 StBerG, wonach ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter für die Dauer von 10 Jahren nach Beendigung des Auftrags die Handakten aufzubewahren hat, begründet keine derartige öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Anschluss an ).
Gesetze: EStG § 5 Abs. 1, HGB § 249 Abs. 1 S. 1, StBerG § 66 Abs. 1, StBerG § 66 Abs. 4
Instanzenzug: ,
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Klägerin im Streitjahr für die Kosten der 10-jährigen Aufbewahrung von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum eine gewinnmindernde Rückstellung in Höhe von 85.806 EUR bilden kann.
Die Klägerin ist eine Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Ihren Gewinn ermittelt die Klägerin durch Betriebsvermögensvergleich. In der Bilanz auf den stellte die Klägerin eine Rückstellung für Aufbewahrungsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 99.336 EUR gewinnmindernd ein. Im Rahmen einer vom 11. März bis zum bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung bezüglich des Zeitraums 2008 bis 2010 stellte die Prüferin fest, dass sich diese Rückstellung aus einer Rückstellung für die Kosten im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der eigenen Buchführungsunterlagen in Höhe von 13.530 EUR und aus einer Rückstellung für die Kosten für die 10-jährige Aufbewahrung der Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum in Höhe von 85.806 EUR zusammensetzt. Bei der Berechnung der Rückstellung für die Mandantendatenarchivierung legte die Klägerin monatlich je Mandant pauschal an die DATEV zu zahlende 1,65 EUR zugrunde (19,80 EUR pro Jahr) und nahm entsprechende Abschläge für Mandanten vor, die ihre Daten auf einer Speicher-DVD sichern ließen, und für Mandatsbeendigungen innerhalb des zehnjährigen Aufbewahrungszeitraums. Die Klägerin erklärte hierzu, dass die zu zahlenden Kosten für die Speicherung dieser Daten mit den Honorarzahlungen der Mandanten für die laufende Buchführung bzw. für die Erstellung des Jahresabschlusses abgegolten seien und nach der Gebührenordnung für Steuerberater nicht gesondert auf die Mandanten umgelegt werden könnten. Während die Prüferin die Rückstellung für die Kosten der Aufbewahrung der eigenen Buchführungsunterlagen der Klägerin dem Grunde nach nicht beanstandete und diese zugunsten der Klägerin in Höhe von 23.650 EUR ermittelte und berücksichtigte, vertrat die Prüferin bezüglich der Rückstellung für die Kosten der 10-jährigen Aufbewahrung von Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum die Auffassung, dass diese nicht zulässig sei, da es insoweit an der erforderlichen Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung mangele.
So ergebe sich aus § 66 Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) lediglich eine 10-jährige Aufbewahrungspflicht des Steuerberaters für die Handakten nach Beendigung des Mandantenverhältnisses. Selbst insoweit hätte die Klägerin nach § 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG zum Erlöschen ihrer Aufbewahrungspflicht ihre Mandanten auffordern können, ihre Handakten oder die Daten in Form einer DATEV-Archiv-CD in Empfang zu nehmen. Dass sie dies nicht getan habe, diene lediglich der Mandantenbindung und führe nicht zur Zulässigkeit der Rückstellung.
Dieser Auffassung schloss sich der Beklagte an und erließ am unter anderem einen geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und berücksichtigte lediglich eine Rückstellung für die Aufbewahrungsverpflichtung in Höhe von 23.650 EUR und hob mit Bescheid vom den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie nach der Berufsordnung für Steuerberater und des damit bestehenden Grundsatzes der gewissenhaften Berufsausübung verpflichtet sei, die Mandantendaten kostenfrei zu sichern und aufzubewahren. Dies ergebe sich auch aus den mit den Mandanten regelmäßig abgeschlossenen Dienstverträgen, die eine vollumfängliche Beratung und damit auch eine kostenfreie und sichere Aufbewahrung der Mandantendaten im DATEV-Rechenzentrum zum Gegenstand hätten.
Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass weder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung noch eine privatrechtliche Verpflichtung vorläge, nach der die Klägerin zur Sicherung der Daten verpflichtet sei. Insbesondere verwies der Beklagte auf das (juris). Auch dürfe eine Rückstellung nicht gebildet werden, wenn ihre Erfüllung künftige Gewinnchancen ermöglichen solle. Außerdem komme eine Rückstellung auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin laufend Gebühren für die Bearbeitung des Mandats erhalte und die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften durch § 5 Abs. 4a EStG ausdrücklich ausgeschlossen sei.
Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Pflicht zur Aufbewahrung der Mandantendaten nicht nur um eine rein zivilrechtliche Verpflichtung aus dem Steuerberatungsvertrag handele. Auch aus der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung heraus bestehe die Obligation des Steuerberaters zur Führung und Aufbewahrung der Handakten und Speicherung aller mandatsbezogenen Daten. Diese Verpflichtung ergebe sich bei der Führung der Handakten in elektronischer Form aus § 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 StBerG. Aus diesem eindeutigen Gesetzesbefehl ergebe sich bereits die für die Bildung einer Rückstellung aus einer Verpflichtung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften notwendige Konkretisierung. Dem entsprechend sei der Steuerberater als Organ der Steuerrechtspflege von Gesetzes wegen verpflichtet, i.V.m. Mandantendaten 10 Jahre aufzubewahren und auf Anforderung herauszugeben. Entscheide er sich für eine Aufbewahrung durch Speicherung in elektronischer Form unter Zuhilfenahme des DATEV-Rechenzentrums, so sei dies durch den Gesetzgeber in der seit dem geltenden Fassung des § 66 Abs. 4 StBerG vorgesehen und anerkannt. Verletze der Steuerberater die aus dieser Vorschrift herrührende zwingende Berufspflicht, so sei dies nach §§ 89 ff StBerG auch sanktionsbewehrt. Schließlich folge die Aufbewahrung und Speicherung von Daten durch die Klägerin aus der mit der Mandantschaft bei Mandatsbegründung geschlossenen Vertragsabrede sui generis im Sinne eines Aufbewahrungsverhältnisses. Obwohl er diese Leistung nicht gesondert abrechnen dürfe, sei er aufgrund des Beratervertrages zur Aufbewahrung und Herausgabe verpflichtet. Verstöße würden gegen die Nebenpflichten aus diesem Vertrag verstoßen.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid für 2010 über den Gewerbesteuermessbetrag vom , in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30. Juli 2014 und schließlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , wird dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR festgesetzt wird.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Hilfsweise wird zu Ziffer 1 beantragt:
Die Revision wird zugelassen. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Am hat der Berichterstatter in der ebenfalls beantragten Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2012 (Az. 1 V 44/15) einen Erörterungstermin durchgeführt. Dabei wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass sich ein solcher Anspruch für die Mandanten auch aus ständiger Übung ergebe.
Zur weiteren Ergänzung wird auf die Schriftsätze und die vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die von der Klägerin gebildete Rückstellung für die Aufbewahrungskosten von Mandantendaten zu Recht unberücksichtigt gelassen.
Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem ist erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss (vgl. , BStBl II 2001, 570). Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Bei einem entsprechend konkreten Gesetzesbefehl kann sich allein aus dem Gesetz eine Verpflichtung ergeben, die zur Bildung einer Rückstellung berechtigt. Weiter ist erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann (vgl. , a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im Streitfall weder die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung aus einer öffentlich-rechtlichen noch aus einer zivilrechtlichen Verpflichtung heraus erfüllt.
Zu Recht ist der Beklagte im Streitfall davon ausgegangen, dass für die Klägerin keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur 10-jährigen Aufbewahrung der streitigen Mandantendaten besteht. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf § 66 Abs. 1 StBerG berufen, wonach ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter für die Dauer von 10 Jahren nach Beendigung des Auftrags die Handakten aufzubewahren hat. Denn nach Auffassung des Senats erstreckt sich diese gesetzliche Verpflichtung nicht auf die hier streitigen Mandantendaten, da diese nicht mit den in der Handakte aufzubewahrenden Daten identisch sind. Außerdem tritt die Verpflichtung aus § 66 Abs. 1 StBerG erst mit Beendigung des Mandatsverhältnisses ein. In diesen Fällen hat die Klägerin aber offensichtlich ihre Aufbewahrungspflicht bezüglich der streitigen Mandantendaten beendet. Außerdem verweist der Beklagte insoweit auch zutreffend auf das (a.a.O.), in dem dieses ohnehin auch die Bildung einer Rückstellung für Aufbewahrungskosten von Handakten abgelehnt hat. Das Finanzgericht begründet dies damit, dass diese gesetzliche Regelung für die erforderliche Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nicht ausreicht, weil diese Verpflichtung schon vor Beendigung dieses Zeitraums erlischt, wenn der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer den Auftraggeber aufgefordert hat, die Handakten in Empfang zu nehmen und der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten nicht nachkommt. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung, ist für den Senat im Streitfall auch keine zivilrechtliche Verpflichtung zur 10-jährigen Aufbewahrung der Mandantendaten erkennbar, der sich die Klägerin nicht entziehen kann. So räumt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst ein, dass eine entsprechende ausdrückliche Verpflichtung zur Aufbewahrung der Mandantendaten in den mündlich mit den Mandanten geschlossenen Beratungsverträgen nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Doch selbst wenn man dem Vortrag der Klägerin folgt, wonach die Mandanten aufgrund der ständigen Übung der Klägerin darauf vertrauen und davon ausgehen, dass diese die Daten auf ihre eigenen Kosten zehn Jahre bei der DATEV für sie aufbewahrt, so spricht bereits die Tatsache, dass die Klägerin bei der Bildung der Rückstellung Abschläge für zwischenzeitlich beendete Mandate vorgenommen hat, dafür, dass sich die Klägerin der Verpflichtung zur 10-jährigen Aufbewahrung offensichtlich zumindest im Fall der Mandatsbeendigung entziehen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, setzt aber die Bildung einer Rückstellung gerade voraus, dass sich der Steuerpflichtige einer endgültig entstandenen rechtlichen Verpflichtung und der damit verbundenen Vermögensbelastung höchstwahrscheinlich nicht mehr entziehen kann, und selbst die theoretische Möglichkeit soll bereits schädlich sein (, BStBl II 1991, 485 und vom I R 28/77, BStBl II 1981, 62). Genauso ist es aber offensichtlich im Streitfall, denn die Klägerin kann sich, anders als bei der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht für die eigenen Geschäftsunterlagen nach § 147 AO, zumindest im Fall der Beendigung der Mandantenbeziehung auch der damit vereinbarten Aufbewahrungspflicht entledigen, sodass die Bildung einer Rückstellung dafür zu Recht abgelehnt wurde. Dass die Klägerin die Mandantendaten während des Bestehens des Beratungsverhältnisses auf ihre Kosten aufbewahrt, zielt nach Auffassung des Senats vielmehr darauf ab, die Mandanten an sich zu binden. Dafür darf aber eine Rückstellung nicht gebildet werden, da dies lediglich die Erfüllung künftiger Gewinnchancen ermöglichen soll (, BFH/NV 1998, 22).
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht letztlich auch der Zweck einer Rückstellung. So sollen durch die Bildung der Rückstellungen später zu leistende Ausgaben den Perioden ihrer Verursachung zugerechnet werden. Gerade der Umstand, dass die Klägerin selbst offensichtlich nur in den Fällen, in denen das Mandat bestehen bleibt, von einer weiter bestehenden Aufbewahrungspflicht ausgeht, zeigt, dass die Aufwendungen den laufenden Ausgaben zuzuordnen sind und deshalb unter Beachtung des Grundsatzes der periodengerechten Buchung erst im Jahr des tatsächlichen Anfalls als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 304 Nr. 6
BBK-Kurznachricht Nr. 24/2017 S. 1133
DStR 2017 S. 2768 Nr. 50
DStRE 2018 S. 445 Nr. 7
EFG 2018 S. 28 Nr. 1
EStB 2018 S. 75 Nr. 2
GmbH-StB 2018 S. 23 Nr. 1
KSR direkt 2017 S. 12 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2018 S. 228
QAAAG-62511