GmbH kann Privatlehrer nach der MwStSystRL sein
(AdV)
Die Diskussion um den Umfang der Steuerbefreiung für Dozenten und Schulen bleibt in den Schlagzeilen. In einem aktuellen Beschluss sieht das FG Baden-Württemberg keine ernsthaften Bedenken, wenn sich auch eine GmbH auf die Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht beruft.
A. Leitsatz der Verfasserin
Ein Privatlehrer erbringt Unterrichtsleistungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, was auch für eine GmbH zutreffen kann.
B. Sachverhalt
Der Antragsteller betreibt als Ein-Mann-GmbH eine Fahrschule. Überwiegend wird der Unterricht in der Fahrerlaubnisklasse B (Pkw) erteilt. Der Unterricht wurde als umsatzsteuerfreie Leistung erklärt. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurden die Leistungen durch den Antragsgegner abweichend als umsatzsteuerpflichtig festgesetzt. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Einspruch und Aussetzungsantrag. Letzteren lehnte der Antragsgegner telefonisch ab. Daraufhin beantragte der Steuerpflichtige die Aussetzung der Vollziehung (AdV) im gerichtlichen Verfahren.
C. Entscheidung des Finanzgerichts
Das Gericht gab dem Aussetzungsantrag statt. Zunächst sei der Antrag zulässig. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO sei ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht (grundsätzlich) nur statthaft, wenn das Finanzamt einen bei ihm gestellten Aussetzungsantrag zuvor abgelehnt hat. Die Ablehnung des Antrags könne auch mündlich erfolgen ().
Ferner sei der Antrag begründet. Zwar könne sich der Antragsteller nach nationalem Recht auf keine Steuerbefreiung berufen. Allerdings sei es bei summarischer Prüfung möglich, dass der Antragsteller die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfüllt. Danach sei der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht steuerbefreit. Der EuGH habe entschieden, dass die Privatlehrereigenschaft vorliegt, wenn der Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt. Dies sei auch für eine GmbH möglich. Inhaltlich könnte der Unterricht ein Gemeinwohlinteresse begründen, was ein hinreichendes Kriterium für die Steuerbefreiung darstellen könnte.
D. Konsequenzen für die Praxis
Zunächst erscheinen die Ausführungen zur Zulässigkeit relevant. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geht es in aller Regel (auch) um Vollstreckungsschutz. Zwar sollen die Finanzbehörden bei laufenden AdV-Anträgen nicht vollstrecken, AEAO zu § 361, Tz. 3.1. In der Praxis entstehen hier indes häufiger Meinungsverschiedenheiten. Ist der AdV-Antrag bei Gericht anhängig, wird – ggf. durch Hinweis auf § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO – in der Regel nicht mehr vollstreckt. Deshalb besteht seitens des Steuerpflichtigen ein hohes Interesse an einer zügigen Abwicklung des Rechtsstreits. Für die Ablehnung des AdV-Antrags ist keine Form vorgegeben. Insofern genügt auch eine telefonische Mitteilung der Behörde. Lässt sich das Finanzamt im Gerichtsverfahren entsprechend ein, muss der Steuerpflichtige nichts weiter vortragen. Bleibt der Gesprächsinhalt streitig, dürfte die Vorlage der Telefonnotiz nebst eidesstattlicher Versicherung zur Glaubhaftmachung genügen.
Abb.: Zulässigkeit des gerichtlichen AdV-Antrags.
In einem zweiten Punkt geht das Gericht kurz auf die Frage nach der Steuerbefreiung des Fahrschulunterrichts ein. Deren Beantwortung ist zwischen Beraterschaft und Finanzverwaltung stark umstritten. Da nunmehr mindestens drei bejahende AdV-Entscheidungen der Gerichte vorliegen, können entsprechende Anträge durch die Finanzverwaltung im Grunde nicht mehr abgelehnt werden (siehe Trinks/Trinks, DStR 2016 S. 2374).
Schließlich entfaltet die Frage Bedeutung, ob sich auch eine GmbH auf die Privatlehrereigenschaft berufen kann. Im Streitfall geht das Gericht davon offenbar fest aus. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Dogmatisch wird es hier gleichwohl etwas schwierig. Zwar ist die Umsatzsteuer generell rechtsformneutral. Allerdings deutet die Begrifflichkeit des Lehrers in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL darauf hin, dass eine Einzelperson gemeint ist (dies andeutend auch , Gregg, Rn. 14). Im Zusammenhang ist insoweit die Steuerbefreiung für schulische Einrichtungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu sehen, unter die (auch) juristische Personen fallen. Die Unterscheidung beider Befreiungen ist von Bedeutung, weil letztere im Ermessen der Mitgliedstaaten steht. Für den Fall einer Ein-Personen-GmbH ist die Steuerbefreiung entweder nach Buchst. j oder nach Buchst. i unter zwingender Ermessensreduktion auf null zu gewähren (so auch Trinks/Trinks, UStB 2015 S. 75). Für größere GmbH (oder andere juristische Personen) und Personenzusammenschlüsse streitet das Argument, dass für die Steuerbefreiung letztlich kein Anwendungsbereich mehr verbliebe, wenn man nur noch den einzelnen Lehrer einbeziehen würde.
Fundstelle(n):
USt direkt digital 5 / 2017 Seite 6
QAAAG-39209