Keine Geringfügigkeitsgrenze bei der Besteuerung der Privatnutzung von Geschäftsfahrzeugen
Leitsatz
1. Privatfahrten mit einem dem Betriebsvermögen zugeordneten Pkw sind auch dann als Entnahme zu versteuern, wenn sich der Anteil der Privatnutzung auf lediglich 5,07 % der Gesamtnutzung beläuft.
2. Bei der Einkommensbesteuerung von Privatfahrten mit dem dem Betriebsvermögen zugeordneten Pkw besteht keine Geringfügigkeitsgrenze.
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Klägerin (Klin) ist als Steuerberaterin freiberuflich tätig. Sie ermittelt ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). In ihrem Betriebsvermögen hat sie einen Porsche Carrera aktiviert, welchen sie am für 41.042,01 EUR angeschafft hatte. Im Streitjahr machte sie für dieses Fahrzeug Betriebsausgaben (netto) wie folgt geltend:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kraftfahrzeugsteuer | 300,00 EUR |
Versicherung | 2.446,56 EUR |
Betriebskosten | 1.314,42 EUR |
Sonstige Kosten | 443,78 EUR |
Absetzung für Abnutzung (AfA) |
9.121,00 EUR
|
Summe |
13.625,76 EUR
|
Den privaten Nutzungsanteil ermittelte die Klin mittels Fahrtenbuch. Er beträgt unstreitig 5,07 %.
In ihrer am beim Beklagten (Bekl) eingereichten Einkommensteuer (ESt)-Erklärung für das Streitjahr 2013 erklärte sie einen Gewinn in Höhe von xxx.xxx,xx EUR. Eine Entnahme für die private Kfz-Nutzung erklärte sie nicht und legte zur Begründung u.a. einen Auszug des Artikels „Pkw-Nutzung im Steuerlexikon/smartsteuer.de” vor, in welchem es heißt:
„Beträgt die private Pkw-Nutzung z.B. 5 %, ist die private Mitveranlassung von untergeordneter Bedeutung. Die auf die Privatnutzung entfallenden Aufwendungen sind aus Vereinfachungsgründen in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Umsatzsteuerrechtlich stellt die 5 %ige private Nutzung eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG dar, auf deren Ansatz nicht verzichtet werden kann. Umsatzsteuerrechtlich ist der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug um 5 % zu korrigieren.”
Im ESt-Bescheid 2013 vom erhöhte der Bekl den Gewinn um den Ansatz einer privaten Kfz-Nutzung wie folgt:
13.625,76 EUR × 5,34% = 727,61 EUR
Umsatzsteuer: 10.879,20 EUR × 5,34% = 580,95 EUR, davon 19% = 110,38 EUR.
Im Rahmen des sich daran anschließenden Einspruchsverfahrens erließ der Bekl am einen Änderungsbescheid, in welchem er u.a. der privaten Kfz-Nutzung nur noch einen Nutzungsanteil von 5,07% zugrunde legte. Die Aufwendungen für das Fahrzeug setzte er wie folgt an:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kraftfahrzeugsteuer | 300,00 EUR |
Versicherung | 2.446,56 EUR |
Reparaturkosten | 1.269,99 EUR |
Laufende Betriebskosten | 1.314,42 EUR |
Sonstige Kosten | 443,78 EUR |
Absetzung für Abnutzung (AfA) |
9.121,00 EUR
|
Summe |
13.625,76 EUR
|
Der vom Bekl ermittelte private Nutzungsanteil betrug 872,25 EUR (14.895,75 EUR × 5,07% zzgl. 12.149,19 ERUR × 5,07% × 19%).
In seiner Einspruchsentscheidung vom wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Klin die Herabsetzung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit um 872,25 EUR. Sie trägt zur Begründung vor, der private Nutzungsanteil habe im Streitjahr 5,07% betragen. Dies stelle ihrer Meinung nach eine nur untergeordnete private Mitbenutzung dar. In derartigen Fällen habe aber der Ansatz eines privaten Nutzungsanteils zu unterbleiben. Denn im Beschluss des Großen Senats des , Bundessteuerblatt –BStBl– II 2010, 672) werde ausgeführt, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung einem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegenstehe. Dieser Auffassung habe sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen. Denn im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2010, 614) werde geregelt, dass bei einer untergeordneten privaten Mitveranlassung (< 10 %) die Aufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar seien. Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung sei der Bekl an diese Anweisung gebunden. Der Bekl habe bisher keinen triftigen Grund genannt, welcher ihn zu einer Abweichung von dieser Weisung veranlassen dürfte. Vielmehr sei die Verwaltung im Rahmen des Gleichheitssatzes verpflichtet, diese Regelung in allen Fällen anzuwenden.
Sie, die Klin, empfinde es als Ungleichbehandlung, wenn die Finanzverwaltung bei „üblich gemischt veranlassten Aufwendungen” bei einem privaten Nutzungsanteil von bis zu 10% einen kompletten Betriebsausgabenabzug zulasse, beim gemischt genutzten PKW hingegen nicht. Der Bekl könne nicht damit argumentieren, dass beim Fahrzeug ein objektiv feststellbarer Maßstab vorliege, denn das oben zitierte BMF-Schreiben verlange immer eine Aufteilung nach objektiven Kriterien. Denn ohne einen nachgewiesenen Prozentsatz ist die Anwendung des BMF-Schreibens ausgeschlossen.
Die Regelung in Tz. 12 des schon mehrfach zitierten Schreibens vom gelte für alle gemischten Aufwendungen. Sie stelle eine klare, eindeutige und generell gültige Regelung dar. Die im Kommentar von Blümich vertretene Auffassung, ein Entnahmeansatz könne nur bei einem privaten Nutzungsanteil von ca. 3% unterbleiben, entspreche nicht den allgemeinen Grundsätzen, denn in der Praxis werde der Begriff „fast ausschließlich betriebliche Nutzung” mit einer Grenze von 10% versehen, wie dies sämtliche Kommentare, die Rechtsprechung und auch die Verwaltung in anderen Fällen, z.B. beim § 7g EStG, so sähen. Exemplarisch verweise sie z.B. auf das .
Der Bekl habe in ihrem Fall in den Jahren 2011 und 2012 bei vergleichbar geringen Privatfahrten keinen Entnahmeansatz vorgenommen. Auch ein anderes Finanzamt sowie der Bekl in anderen Fällen hätten bei einem privaten Nutzungsanteil von unter 10% immer einen vollen Betriebsausgabenabzug zugelassen.
Die Klin beantragt,
den geänderten ESt-Bescheid 2013 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit auf xxx.xxx,xx EUR herabgesetzt wird,
die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigen im Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, es sei zutreffend, dass der Große Senat des BFH in seiner Entscheidung vom im Ergebnis zu einem Aufteilungsgebot komme und die Verwaltung in der Folge in dem Schreiben vom bei nicht eindeutig zuordenbaren gemischten Aufwendungen und einem untergeordneten privaten Nutzungsanteil (von unter 10%) einen voll umfänglichen Betriebsausgabenabzug zulasse. Damit werde in dem zitierten BMFSchreiben lediglich die Abziehbarkeit der Aufwendungen geregelt.
Im Streitfall gehe es aber um die Bewertung von Entnahmen. Hierzu enthalte das Gesetz eine Regelung für derartige Fälle in § 6 Abs.1 Nr. 4 EStG. Diese Regelung enthalte keine Bagatellgrenze.
Im Übrigen enthalte das zitierte BMF-Schreiben bereits unter Randziffer 1 den Hinweis, dass die folgenden Anwendungsregeln dann zur Anwendung kommen, wenn gesetzlich nichts anderes geregelt sei. § 6 Abs.1 Nr. 4 EStG sei aber gerade eine anderweitige ausdrückliche gesetzliche Regelung.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am haben beide Beteiligte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom erklärte die Klin, im Hinblick auf ihren neuen Schriftsatz halte sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für unverzichtbar und nehme deshalb ihren Verzicht zurück.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Bekl den Gewinn der Klin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit um die Entnahme der privaten Kraftfahrzeugnutzung des im Betriebsvermögen aktivierten Porsche Carrera in Höhe von 872,25 EUR korrigiert.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke mit dem Teilwert anzusetzen. Die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, ist nach Satz 2 dieser Vorschrift für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen; die private Nutzung kann abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese Regelung ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 vom (Bundesgesetzblatt –BGBl– I 95, 1250) eingeführt worden und enthält eine spezialgesetzliche Bewertung der Entnahme bei privater Kfz-Nutzung (, BStBl II 10, 689). Sie gilt unmittelbar für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich; ist jedoch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 entsprechend anwendbar ( Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen –BFH/NV– 2009, 1422; klarstellend jetzt § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG i.?d.?F. des AmtshilfeRLUmsG v. ). Diese Regelung ist formell verfassungsgemäß zustande gekommen (, BStBl II 2001, 403). Sie ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verfassungsgemäß (, BStBl II 2011, 451).
Zu Recht hat der Bekl unter Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG für den von der Klin mittels ordnungsgemäßem Fahrtenbuch ermittelten Anteil von Privatfahrten in Höhe von 5,07 % den Gewinn der Klin um 872,25 EUR erhöht, denn bei dem im Betriebsvermögen der Klin aktivierten Kraftfahrzeug Porsche Carrera handelt es sich um ein Kraftfahrzeug, welches typischerweise und nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt wird (, BStBl II 2010, 848).
Entgegen der Auffassung der Klin enthält die zitierte Vorschrift keine Geringfügigkeitsgrenze. Dagegen spricht schon der eindeutige und klare Wortlaut der Norm, welcher eine Differenzierung nach dem Umfang einer Entnahme weder erkennen lässt noch zulässt. Auch die Entstehungsgeschichte gibt keinen Hinweis auf eine etwaige Geringfügigkeitsgrenze. Diese Vorschrift war im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom (Bundestagsdrucksache –BTDrucks–, 13/901) und im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom (BTDrucks 13/1173) zunächst nicht enthalten. Sie fand aber (bereits) am über einen Antrag einiger Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend die „Soziale und gerechte Einkommensteuerreform 1996” (BTDrucks 13/936) Eingang in das Gesetzgebungsverfahren. Darin war als „konsequente Maßnahme zur Bekämpfung steuerlichen Mißbrauchs” u.a. ein Vorschlag enthalten zur „Änderung der pauschal unterstellten Annahme in den Einkommensteuerrichtlinien (Abschnitt 118 Abs. 2 Satz 3), dass Geschäftsfahrzeuge, die ebenfalls privat genutzt werden, i.d.R. zu 65 bis 70 % geschäftlich genutzt werden” (BTDrucks 13/936, S. 15). Nachdem der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags den Antrag in seiner Ersten Beschlussempfehlung vom zunächst abgelehnt hatte (BTDrucks 13/1558, S. 9), empfahl der Finanzausschuss des Bundesrats am „zur Vereinfachung der Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs eine zwingende Regelung”, nämlich die 1-v.H.-Regelung einzuführen (Bundesratsdrucksache –BRDrucks– 171/2/95, S. 8). Mangels einer Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat wurde die streitige Regelung dann erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom Bundestag am angenommen (Plenarprotokoll 13/55, S. 4581) und fand schließlich auch die Zustimmung des Bundesrats (Beschluss vom , BRDrucks 520/95; siehe zum Verfahrensablauf aaO.) Nach Überzeugung des Senats macht diese Entstehungsgeschichte deutlich, dass – gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung – vom Gesetzgeber eine wie auch immer geartete Bagatellgrenze nicht geplant war, deren Ausgestaltung den geplanten Vereinfachungseffekt zumindest zum Teil wieder zunichte gemacht hätte.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung der von der Klin zitierten Entscheidung des Großen Senats des , BStBl II 2010, 672). Es ist zwar zutreffend, dass der Große Senat in dieser Entscheidung davon ausgeht, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegensteht. Diese Entscheidung betrifft aber lediglich die Ermittlung des Umfangs des Betriebsausgabenabzugs („Stufe 1”). Übertragen auf den Streitfall der Klin ist festzuhalten, dass auch diese auf der Stufe 1 (Umfang des Betriebsausgabenabzugs) zu Recht die auf den im Betriebsvermögen aktivierten Porsche Carrera entfallenden Betriebsausgaben in vollem Umfang gewinnmindernd geltend gemacht und vom Bekl auch anerkannt erhalten hat. Darüber, ob für eventuelle private Anteile eine Entnahme anzusetzen ist („Stufe 2”), besagt die Entscheidung hingegen nichts. Hier gilt insoweit – wie oben ausgeführt – die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Insofern kann der Senat die von der Klin monierte Ungleichbehandlung nicht erkennen.
Auch die Anwendung des führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch dieses regelt nur die Behandlung von Aufwendungen auf der Stufe 1, die Problematik eventueller Entnahmeansätze ist nicht geregelt. Ferner verweist das Schreiben unter „1. Allgemeines” in der Randziffer 1 darauf, dass dieses nur zur Anwendung kommt „soweit gesetzlich nichts anders bestimmt ist”. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist aber eine solche gesetzlich anderweitige Bestimmung.
Selbst wenn man das BMF-Schreiben als Selbstbindung der Verwaltung im Sinne der von der Klin vertretenen Auffassung verstehen würde, wäre der Senat nicht daran gebunden. Denn eine derartige Regelung („Privatentnahmen unter 10% werden nicht angesetzt”) würde den eindeutigen gesetzlichen Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verlassen, mithin nicht mit dem Gesetz in Einklang stehen und deshalb keine Selbstbindung der Verwaltung bewirken können (Finanzgericht –FG– Münster vom 6 K 2405/07 E,U, juris mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BFH).
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 16/2016 S. 771
DStZ 2016 S. 598 Nr. 16
EFG 2016 S. 1076 Nr. 13
QAAAF-76359