Erbschaftsteuer
Abfindungszahlung wegen beeinträchtigender Schenkung, Nachlassverbindlichkeit
Leitsatz
Die Zahlung, die ein vom Vorerben Beschenkter zur Abwendung eines Herausgabeanspruches wegen beeinträchtigender Schenkung leistet, wird zur Erhaltung des Erwerbs geleistet und kann damit als Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Gesetze: ErbStG § 10 Abs 5 Nr 3
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die vom Kläger an seinen Bruder geleistete Zahlung zur Abwendung von dessen auf §§ 2113 Abs. 2 und 2287 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fußenden Herausgabe- und Zahlungsansprüchen bei der Festsetzung der Schenkungsteuer durch Bescheid vom für die Übertragung des Grundstücks A-Straße 1 in T seitens der Mutter des Klägers vom steuermindernd berücksichtigt werden kann.
Die Eltern des Klägers hatten 1994 ein Ehegattentestament errichtet. Die Erbeinsetzung lautete wie folgt:
„Der erstversterbende Ehegatte beruft den überlebenden Ehegatten zu seinem Alleinerben als befreiten Vorerben. Erben des längstlebenden Ehegatten und Nacherben des Erstverstorbenen sollen unsere gemeinsamen Kinder sein.”
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Testament, Blatt 9 der Gerichtsakte, hingewiesen. Der Kläger hat zwei Brüder, Herrn E 2 und Herrn E 3.
Nach dem Tod des Vaters 1997 legte der damalige Nachlassrichter das Testament dahingehend aus, dass die Mutter des Klägers alleine Vollerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann und er und seine beiden Brüder nach dem Tod der Mutter Schlusserben seien. Dementsprechend wurde ein Erbschein erteilt und auch das Grundbuch hinsichtlich des Grundbesitzes A-Straße 1, das den Eltern des Klägers bis zum Tod des Vaters zu je ½ gehört hatte, berichtigt und die Mutter des Klägers als Alleineigentümerin eingetragen.
Die Mutter des Klägers übertrug diesem durch notariellen Vertrag vom zunächst ein unbebautes Teilstück aus dem Grundbesitz A-Straße 1 im Wege der Schenkung. Schenkungsteuer fiel auf diesen Erwerb in Höhe von X Euro wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Freibetrages nicht an. Mit weiterem notariellem Vertrag vom erhielt der Kläger dann den Grundbesitz A-Straße 1 in Gänze. Seine Mutter behielt sich das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundbesitz vor. Der Bedarfswert wurde auf X Euro festgestellt.
Der Bruder E 3 erhielt den Grundbesitz B-Straße 2 in T ebenfalls durch Vertrag vom .
Aufgrund der im Jahr 2003 abgegebenen Schenkungsteuererklärung setzte der Beklagte die Schenkungsteuer für die Übertragung vom durch Schenkungsteuerbescheid vom unter Berücksichtigung der Vorschenkung vom und des persönlichen Freibetrags in Höhe von 205.000 Euro auf X Euro fest. Den wegen des Nießbrauchs gemäß § 25 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) gestundeten Steuerbetrag löste der Kläger später ab.
Nachdem die Mutter des Klägers am verstorben war, wurde der 1997 erteilte Erbschein auf Betreiben des weiteren Bruders, E 2, durch Beschluss vom für kraftlos erklärt und eingezogen. Das Nachlassgericht ging nunmehr davon aus, dass die Mutter des Klägers nach dem Vater lediglich Vorerbin gewesen und mit ihrem Tod der Nacherbfall eingetreten sei. Dementsprechend wurde am ein Teil-Nacherbschein erteilt, in dem der Bruder des Klägers, E 2, zum Nacherben nach seinem Vater zu 1/3 ausgewiesen ist (vgl. Blatt 16 bis 18 Band I der Zivilprozessakte LG O O XXX/13).
E 2 nahm daraufhin seinen Bruder E 3 auf Rückauflassung des Grundbesitzes B-Straße 2 jeweils anteilig an die aus ihm und seinen Brüdern nach dem verstorbenen Vater bzw. nach der verstorbenen Mutter bestehenden Erbengemeinschaften in Anspruch. Die vor dem Landgericht O geführte Klage (O XXX/13) hatte teilweise Erfolg. E 3 wurde zur Rückauflassung eines 1/6 ideellen Miteigentumsanteils an seinen Bruder E 2 verurteilt. Zur Begründung führte das Gericht aus, aufgrund der testierten Vor- und Nacherbschaft der Eltern sei es mit dem Tod des Vaters des Klägers bei der Trennung der elterlichen Vermögensmassen geblieben. Durch die Übertragung des Grundbesitzes in 2003 habe die Mutter bezüglich des in den Nachlass nach dem Vater fallenden Grundstücksteils als Nichtberechtigte verfügt und E 3 insoweit gutgläubig das Eigentum erworben. Dagegen bestehe hinsichtlich der aus dem Vermögen der Mutter übertragenen Grundstückshälfte gemäß § 2287 BGB, der auf letztwillige wechselbezügliche Ehegattenverfügungen entsprechend anzuwenden sei, ein Anspruch auf anteilige Rückauflassung in der Höhe, in der E 2 Erbe geworden sei. Zu den Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts O vom (Blatt 179 ff Band I der Gerichtsakte O XXX/13 – U XX/14) Bezug genommen.
In dem daraufhin angestrengten Berufungsverfahren U XX/14 vor dem Oberlandesgericht wies das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom darauf hin, dass hinsichtlich der gutgläubig erworbenen Grundstückshälfte ein Wertersatzanspruch gemäß § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht komme. Auch der Anspruch gemäß § 2287 BGB gehe auf Wertersatz. Bezüglich der Auslegung des Testaments bedürfe es noch einer Beweisaufnahme. Vergleichsmöglichkeiten wurden erörtert. Auf das Protokoll und den Berichterstattervermerk vom (Blatt 383 bis 387 Band II der Gerichtsakte O XXX/13 – U XX/14) wird Bezug genommen.
In der Folge einigten sich die Brüder durch Vergleich vom , nach dem der Kläger wegen der Übertragung des Grundbesitzes A-Straße 1 zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Zahlung in Höhe von X Euro an seinen Bruder E 2 leistete.
Mit Antrag vom begehrte er beim Beklagten die Änderung der Schenkungsteuerfestsetzung vom und die erwerbsmindernde Berücksichtigung der Vergleichszahlung von X Euro.
Durch Bescheid vom lehnte der Beklagte den Antrag ab, da kein Zusammenhang mit der schenkweisen Grundstücksübertragung, sondern vielmehr mit dem bei Tod der Mutter eingetretenen Nacherbfall nach dem Vater bestehe. Darüber hinaus sei es nicht zu einer tatsächlichen Rückabwicklung der Schenkung gekommen.
Der dagegen gerichtete Einspruch vom blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom (ZU vom ) führte der Beklagte aus, eine Änderung des Schenkungsteuerbescheides gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) komme nicht in Betracht, da ein veränderter Sachverhalt, dem eine rückwirkende steuerliche Bedeutung zukomme, nicht vorliege. Die Voraussetzungen von § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG seien ebenso wenig erfüllt wie die des § 10 Abs. 5 Nr. 2 oder 3 ErbStG, da die Zahlung lediglich im Zusammenhang mit dem Nacherbfall, nicht aber mit der ursprünglichen Schenkung stehe.
Mit der Klage vom verfolgt der Kläger sein Begehren auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Durch den Vergleich habe der Streit unter Brüdern endgültig beendet werden sollen. Dazu sei es wichtig gewesen, die Eigentumsverhältnisse bezüglich der Häuser nicht mehr zu ändern. Deshalb habe der Kläger sich auch auf die Forderung seines Bruders E 2 eingelassen, die darauf basierte, dem Grundbesitz A-Straße 1 einen Verkehrswert in Höhe von X Euro zuzumessen.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom zu ändern und der Besteuerung einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von X Euro zugrunde zu legen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung und verweist darauf, dass bezüglich einer Änderung des Bescheides vom Verjährung eingetreten sei. An einem rückwirkenden Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fehle es, da nur die tatsächliche Rückübertragung, nicht aber die Abwendungszahlung als ein solches anzusehen sei. Eine verfahrensrechtliche Gleichstellung der Rückübertragung mit der Abwendungszahlung sei über die Fälle des § 528 BGB und des § 2329 Abs. 2 BGB nicht möglich.
Im Übrigen seien bei der Frage der Höhe einer etwaig zu berücksichtigenden Verbindlichkeit allein die Wertverhältnisse zum Stichtag maßgeblich.
Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin Bezug genommen (Blatt 97 der Gerichtsakte).
Die Zivilprozessakten (Landgericht O/Oberlandesgericht (O XXX/13 – U XX/14)) sind beigezogen worden.
Der Senat hat in der Sache am mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift hingewiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid, mit dem der Beklagte die Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom abgelehnt hat, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte ist verpflichtet, den Schenkungsteuerbescheid zu ändern und die Zahlung in Höhe von X Euro an den Bruder des Klägers steuermindernd zu berücksichtigen.
Die Schenkungsteuer ist nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss.
Zwar stand dem Bruder E 2 vorliegend ein auf §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2287 Abs. 1 BGB beruhendes Rückforderungsrecht bezüglich eines Drittel Anteils an dem Grundbesitz A-Straße 1 zu. Denn aufgrund der im Testament der Eltern angeordneten Vor- und Nacherbschaft verfügte die Mutter des Klägers nach dem Tod des Vaters hinsichtlich des in den Nachlass nach dem Vater fallenden Anteils am Grundbesitz A-Straße 1 gemäß § 2113 Abs. 2 BGB als Nichtberechtigte. Mangels Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch hat der Kläger das Eigentum insoweit zwar gutgläubig erworben, ist seinem Bruder jedoch gemäß § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Herausgabe des auf diesen entfallenden Grundbesitzanteils verpflichtet. Und bezüglich des im Eigentum seiner Mutter stehenden Grundbesitzanteils ergibt sich diese Verpflichtung gemäß § 2287 Abs. 1 BGB, der als Vorschrift zum Erbvertragsrecht auf Ehegattentestamente entsprechend anwendbar ist (vgl. , ZEV 2018 mit weiteren Nachweisen). Der Senat sieht keinen Anlass, von der Entscheidung des Landgerichts O oder von den Wertungen des Oberlandesgerichts in den Verfahren O XXX/13 – U XX/14 abzuweichen.
An der weiteren Voraussetzung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, dass der Übertragungsgegenstand tatsächlich herausgegeben wird (vgl. dazu auch , BFH/NV 2001, 39), fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Eine analoge Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Fällen anderer als der dort genannten Abwendungszahlungen kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. , BStBl. II 2004, 234).
Vielmehr ergibt sich eine steuermindernde Berücksichtigung der auf dem Vergleich unter den Brüdern beruhenden Zahlung des Klägers zur Abwendung der zivilrechtlichen Herausgabeansprüche seines Bruders E 2 aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Die Zahlung ist zwar nicht zur Erlangung – so der Wortlaut der Vorschrift –, jedoch zur Erhaltung des Erwerbs geleistet worden. Der Senat hält diese Regelung auch im vorliegenden Fall für anwendbar.
§ 10 Abs. 5 ErbStG gilt gemäß § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden, soweit bei diesen entsprechende bereicherungsmindernde Umstände wie Erwerbsaufwendungen i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG vorliegen (vgl. auch , BStBl. II 2004, 234 mit weiteren Nachweisen). Unabhängig davon, ob man die Aufzählung in § 10 Abs. 5 ErbStG für nicht abschließend (so , EFG 1987, 309 und Meincke/Hannes/Holtz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, 17. Auflage 2018, § 10 Rz. 39) und bereits deshalb erwerbserhaltende Aufwendungen für berücksichtigungsfähig hält, kommt im vorliegenden Fall ein Abzug der Abwendungszahlung gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG auch aus folgenden Erwägungen in Betracht:
Im hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung des Herausgabeanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten wegen beeinträchtigender Schenkung gemäß § 2329 Abs. 2 BGB bei der Besteuerung eben dieser Schenkung erwerbsmindernd gemäß § 10 As. 5 Nr. 2 ErbStG zu berücksichtigen sind. Dabei führt der Bundesfinanzhof aus, dass die Ansprüche nach § 2329 BGB mit der zur Ausgleichspflicht führenden Schenkung zusammen hängen und dieser als Folge der durch die Schenkung herbeigeführten Pflichtteilsbeeinträchtigung von Beginn als „potentielle Verpflichtungslage” anhaften. Dieses Urteil wird in der Literatur allgemein zustimmend referiert (vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 10 Rz. 98.2; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 10 Rz. 175 mit der Erweiterung auf Zahlungsverpflichtungen gemäß § 2287 BGB, Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, § 10 Rz. 188; Meincke/Hannes/Holtz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, 17. Auflage 2018, § 10 Rz. 54).
Nach Auffassung des Senats sind die Ansprüche wegen beeinträchtigender Schenkung gemäß § 2287 Abs. 1 BGB und gemäß §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 BGB bei Verfügungen des Vorerben mit denen wegen beeinträchtigender Schenkung im Pflichtteilsrecht vergleichbar. Denn in allen Fällen wird über Vermögensgegenstände zu Lasten eines berechtigten Dritten verfügt, der deswegen gegenüber dem Verfügungsempfänger Herausgabeansprüche geltend machen kann. Das rechtfertigt es aus Sicht des Senats, die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs aus dem Urteil vom II R 46/01 auch auf diese Herausgabeansprüche und Zahlungen zu deren Abwendung anzuwenden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, dass im Fall des Pflichtteilsrechts das Recht des Herausgabeverpflichteten zu Abwendungszahlungen in § 2329 Abs. 2 BGB ausdrücklich vorgesehen ist. Denn auch wenn in den Fällen der §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 und 2287 Abs. 1 BGB etwaige Abwendungszahlungen unter den Beteiligten im Vergleichswege ausgehandelt werden, haben sie ihren Ursprung in den entsprechenden im BGB geregelten Herausgabeansprüchen. Das reicht für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 oder Nr. 3 ErbStG aus. Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof darauf hingewiesen, dass bereits die beeinträchtigende Schenkung die Ursache für den Anspruch des Beeinträchtigten legt und dies der Schenkung von Beginn an als „potentielle Verpflichtungslage” anhaftet. Das bedeutet aus Sicht des Senats, dass Abwendungszahlungen in diesem Zusammenhang dann für die Erlangung eines rechtsfesten bzw. unangefochtenen Erwerbs geleistet werden und unter diesem Gesichtspunkt gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Erwerbsaufwendungen abzugsfähig sind (vgl. auch Meincke/Hannes/Holtz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, 17. Auflage 2018, § 10 Rz. 63).
Die begehrte Änderung der Schenkungsteuerfestsetzung vom kann antragsgemäß erfolgen. Die Festsetzungsfrist ist insoweit noch nicht abgelaufen.
Zur erwerbsmindernden Berücksichtigung der auf dem Vergleich vom beruhenden Zahlung in Höhe von X Euro ist die Steuerfestsetzung vom gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis, nämlich die Leistung der auf dem Vergleich beruhenden Zahlung, eintritt.
Kennzeichnend für ein Ereignis, das im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, ist, dass der in Frage stehende rechtlich bedeutsame Vorgang oder tatsächliche Lebensvorgang erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides eingetreten ist und ihm nach dem einschlägigen materiellen Recht eine rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt. Dabei ist die Vorschrift im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur dann anwendbar, wenn der Gesetzgeber – wie in § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – vorsieht, dass einem nach der Entstehung der Steuer eintretenden Ereignis Wirkung für die Vergangenheit zukommt (vgl. , BStBl. II 2011, 247 betreffend die Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer gemäß § 21 ErbStG und vom II R 46/98, BFH/NV 2001, 420 betreffend den nachträglichen Ausfall einer zum Nachlass gehörigen Forderung und vom II R 62/97, BFH/NV 2001, 39 betreffend die Herausgabe eines Geschenks wegen eines Rückforderungsanspruchs).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom gemäß §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht in Betracht, weil es im vorliegenden Fall an einer tatsächlichen Herausgabe des Geschenks fehlt. Allerdings ist die Vorschrift nach Auffassung des Senats auch dann anzuwenden, wenn statt der tatsächlichen Herausgabe des Geschenks Abwendungszahlungen geleistet werden, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG steuermindernd zu berücksichtigen sind. Denn verfahrensrechtlich kann derjenige, der statt der Herausgabe eine Abwendungszahlung geleistet hat, nicht schlechter stehen.
Darüber hinaus wird aus der Entscheidung des deutlich, dass es keiner ausdrücklichen Anordnung der Rückwirkung durch den Gesetzgeber bedarf. Es reicht, wenn sich der Wille des Gesetzgebers aus dem materiellen Regelungsgehalt ergibt. Das ist vorliegend der Fall. Die hier maßgeblichen Herausgabeansprüche aus den §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 und 2287 Abs. 1 BGB haften der Schenkung vom von Anfang an als potentielle Verpflichtungslage an, die sich durch den Abschluss des Vergleichs und die infolgedessen geleistete Zahlung im Nachhinein rückwirkend realisiert hat. Insofern kann die vergleichsweise Zahlung nicht anders beurteilt werden als die vergleichsweise Festlegung eines strittigen Veräußerungspreises, die auf den Zeitpunkt der Realisierung eines Veräußerungsgewinns i. S. d. § 16 Einkommensteuergesetz zurückwirkt (vgl. , BStBl. II 1984, 786, dem folgend AEAO zu § 175 2.4 im amtlichen AO-Handbuch 2017).
Die Verbindlichkeit ist gemäß §§ 12, 11 und 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung auf den Kläger gegebenen Wert anzusetzen. Da sich der Anspruch des Bruders des Klägers auf die anteilige Herausgabe des Grundbesitzes bzw. entsprechenden Wertersatz gerichtet hat, ist Anhaltspunkt für die Bewertung der Verbindlichkeit der Wert des Grundbesitzes zum Übertragungszeitpunkt. Diesen hat der Kläger mit X Euro beziffert. Dieser Wert erscheint mit Blick auf die festgestellten Bedarfswerte nicht überhöht. Erhöht man die Bedarfswerte (X Euro und X Euro) um den 20%igen Abschlag vom Bodenrichtwert gemäß. § 145 Abs. 3 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) in der zum Übertragungsstichtag gültigen Fassung, ergibt sich ein Betrag von X Euro. Dass der Bruder des Klägers den Verkehrswert der streitbefangenen Immobilie mit X Euro angesetzt und danach seine Ansprüche beziffert hat, ist somit nachvollziehbar und nicht überzogen. Davon gehen mittlerweile auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Die Berechnung der Steuer obliegt dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts.
ECLI:DE:FGMS:2019:0214.3K1237.17ERB.00
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2019 S. 16 Nr. 13
DStRE 2019 S. 1147 Nr. 18
EFG 2019 S. 730 Nr. 9
ErbBstg 2019 S. 163 Nr. 7
ErbStB 2019 S. 131 Nr. 5
KÖSDI 2019 S. 21390 Nr. 9
NWB-EV 2019 S. 146 Nr. 4
UVR 2019 S. 173 Nr. 6
PAAAH-11172