Besteuerung von Einnahmen aus einer 20-prozentigen Stillen Beteiligung an einer GmbH mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 % wegen Vorliegens eines Näheverhältnisses
Leitsatz
1. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes Interesse, hier: das Vater-Sohn-Verhältnis, begründet ohne Vorliegen besonderer Umstände, aus denen sich eine Beherrschungssituation ergibt, kein Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1b EStG, es sei denn, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt.
2. Bei der Auslegung des Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1b EStG ist ein Rückgriff auf die gesetzliche Definition des Begriffs “nahestehende Person“ im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG und § 138 InsO ebenso ausgeschlossen, wie auf den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff der nahestehenden Person bei einer verdeckten Gewinnausschüttung.
3. Einnahmen des Sohnes eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH aus einer 20-prozentigen Stillen Beteiligung, der zugleich leitender Angestellter bei der GmbH ist, sind regelmäßig mit dem Abgeltungssteuersatz nach § 32 Buchst. d Abs. 1 S. 1 EStG zu besteuern.
Gesetze: EStG § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1b; EStG § 32d Abs. 2 Nr. 1a; EStG § 32d Abs. 2 Nr. 1b
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Einnahmen des Klägers aus einer stillen Beteiligung mit 25 v.H. oder dem tariflichen Einkommensteuersatz zu besteuern sind.
Mit Vertrag von 2001 beteiligte sich der Kläger als stiller Gesellschafter an der Y GmbH (nachfolgend: GmbH). Die GmbH ist im Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen. Das Stammkapital, welches ursprünglich 50.000,00 DM betrug und in mehreren Schritten, zuletzt in 2004, auf 150.000,00 € erhöht wurde, wird von Herrn V, dem Vater des Klägers und alleinigen Gesellschafter sowie Alleingeschäftsführer der GmbH, gehalten.
Die Beteiligung des Klägers an der GmbH betrug zunächst 5.200,00 €, was 20% des seinerzeitigen Stammkapitals von 26.000,00 € entsprach. Nach dem Vertrag über die Gründung einer typischen stillen Gesellschaft von 2001 war der Kläger berechtigt, eine entsprechende Erhöhung seiner Kapitaleinlage zu verlangen, wenn sich das Kapital des Geschäftsinhabers ändert. Derzeit beträgt die Beteiligung des Klägers 30.000,00 €, was wiederum 20% des aktuellen Stammkapitals entspricht. Nach § 8 Abs. 5 des Vertrages über die Gründung einer typischen stillen Gesellschaft ist der Kläger zu 20% am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, wobei jeweils keine betragsmäßigen Obergrenzen festgelegt sind.
Seit demselben Zeitpunkt wie der Kläger und zu denselben Bedingungen ist auch Herr A an der GmbH beteiligt. Letzterer ist wie der Kläger leitender Angestellter der GmbH.
In 2002 wurde dem Kläger Einzelprokura erteilt und diese ins Handelsregister eingetragen.
In den Streitjahren flossen dem Kläger Einnahmen aufgrund seiner stillen Beteiligung an der GmbH in Höhe von 109.037,00 € im Jahr 2012, in Höhe von 120.985,00 € im Jahr 2013 und in Höhe von 184.709,00 € im Jahr 2014 zu.
Der Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2012 vom wurde zuletzt mit Datum vom geändert und dabei wurden die Einnahmen des Klägers aus dessen stiller Beteiligung dem tariflichen Steuersatz anstatt dem Abgeltungssteuersatz von 25% unterworfen. Dies führte zu einer Erhöhung der festgesetzten Steuer von 72.646,00 € auf 91.782,00 €.
Auch in dem Einkommensteuerbescheid für 2013 vom ebenso wie in dem Bescheid für 2014 vom wurden die Einnahmen aus der stillen Beteiligung an der GmbH dem tariflichen Einkommensteuersatz unterworfen. Gegen alle drei Steuerfestsetzungen wurden Einsprüche eingelegt. Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2013 am und der Einkommensteuerbescheid 2014 am 07.09. und aus anderen Gründen noch einmal geändert und die Steuern auf 102.249,00 € bzw. 121.863,00 € festgesetzt worden waren, wies das FA die Einsprüche mit Datum vom als unbegründet zurück.
Am hat der Kläger beim Hessischen Finanzgericht Klage erhoben.
Zu deren Begründung führt er aus, dass das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals “nahestehende Person“ im Verhältnis des Klägers zum Inhaber des Handelsgewerbes, Herrn V, nicht bestritten werde. Allerdings führe unter Hinweis auf das (Az. 4 K 718/13 E) nicht jedes Näheverhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer zur Besteuerung mit der tariflichen Einkommensteuer. Vielmehr müsse aufgrund der konkreten Umstände durch Vertragsverhältnisse und der daran beteiligten Personen der sichere Schluss möglich sein, dass das Motiv der Darlehensgewährung vordergründig in der ertragsorientierten Ausnutzung des Gefälles zwischen dem progressiven Einkommensteuertarif und dem Abgeltungssteuersatz liege. Hier sei die stille Beteiligung des Klägers aber zu einem Zeitpunkt begründet worden, als der Abgeltungssteuertarif noch nicht gegolten habe und also steuerliche Gesichtspunkte bei der Gründung der stillen Gesellschaft nicht relevant gewesen seien.
Sowohl der Kläger als auch Herr A sollten nach dem Willen des Gesellschafters V am Unternehmenserfolg beteiligt werden, ohne dass damit Gesellschafterrechte einhergehen sollten. Beide hätten das nötige Know-how gehabt, um die Entwicklung der GmbH positiv zu beeinflussen. Die Begründung der stillen Gesellschaften habe ausschließlich der Motivation und dem Verbleib der beiden als Mitarbeiter gedient.
Soweit nach der Rechtsprechung des BFH das Tatbestandsmerkmal der “nahestehenden Person“ ein Beherrschungsverhältnis voraussetze, ergebe sich ein solches – entgegen dem Vortrag des FA – nicht aus dem Umstand, dass der Kläger als Sohn des Alleingesellschaftergeschäftsführers der GmbH bei dieser als Prokurist angestellt sei. Diese Konstellation begründe auch nicht durch ein eigenes Interesse des Klägers an der Einkünfteerzielung seines Vaters ein besonderes Näheverhältnis. Mit der Berufung zum Prokuristen gehe nämlich eine erhöhte Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft einher, hinter der persönliche Interessen in der Gesellschaft zurückzutreten hätten.
Nach der Argumentation des FA nehme der Kläger als Prokurist aufgrund seiner Einflussnahmemöglichkeiten und seiner Interessenlage eine einem Gesellschaftergeschäftsführer vergleichbare Stellung ein. Während dessen Gewinnanteile aber dem Abgeltungssteuersatz unterlägen, solle der Gewinnanteil des Klägers der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, was un-logisch erscheine.
Eine Betriebsprüfung bei der GmbH, welche für die Jahre 2014 bis 2016 abgeschlossen worden sei, habe zu keinen Beanstandungen seitens des FA bezüglich des streitigen Sachverhaltes geführt.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2012 vom , den Einkommensteuerbescheid 2013 vom sowie den Einkommensteuerbescheid 2014 vom unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aufgrund dessen Gewinnbeteiligung als stiller Gesellschafter der Y GmbH in Höhe von 109.037,00 € im Jahr 2012, von 102.985,00 € im Jahr 2013 und von 184.709,00 € im Jahr 2014 mit einem Steuersatz von 25% besteuert werden.
dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweisung auf die Einspruchsentscheidung vom wird seitens des FA hierzu vorgetragen, dass zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der GmbH ein Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG bestehe. Beim Kläger handele es sich nicht bloß um einen Kapitalgeber, sondern um einen leitenden Angestellten und Prokuristen, der aktiv in der GmbH tätig sei und durch Geschäftsabschlüsse indirekt Einfluss auf Umsatz und Gewinn der GmbH habe. Herr V übe als Alleingeschäftsführer der GmbH zweifellos einen beherrschenden Einfluss auf den Kläger aus, insbesondere könne er jederzeit dessen Vertragsverhältnisse als Kapitalgeber und Arbeitnehmer mit der GmbH auflösen.
Dagegen sei die Frage, ob das betreffende Darlehen zu fremdüblichen Konditionen gewährt worden sei, für das Vorliegen eines Näheverhältnisses ohne Bedeutung und nach Auffassung des BFH nicht geeignet, von der Anwendung des allgemeinen Steuertarifs abzusehen.
Auch der Hinweis auf einen vergleichbaren Vertrag eines weiteren stillen Gesellschafters mit gleichen Konditionen und der dortigen Anwendung des Abgeltungssteuertarifs sei nicht überzeugend, zumal im Unterschied zu diesem zwischen dem Kläger und dessen Vater als Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis bestehe.
Die vorliegende Fallgestaltung entspreche nicht dem Regelungszweck des § 32d Abs. 1 EStG, denn im Hinblick darauf, dass die GmbH im Jahr 2000 ein zu versteuerndes Einkommen von 840.000,00 DM gehabt und dem Kläger aufgrund seiner stillen Beteiligung ein Gewinnanteil von 20% zugestanden habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Gründung der stillen Gesellschaft im Vordergrund gestanden habe, der GmbH Kapital zur Verfügung zu stellen.
Der Steuersatz von 25% sei jedenfalls wegen des Abhängigkeits- und Näheverhältnisses zwischen dem Kläger und der GmbH ausgeschlossen, unabhängig von der Frage, ob ein solches Näheverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Vater bestehe.
Gründe
1. Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Zu Unrecht hat das FA die Einnahmen des Klägers aus dessen stiller Beteiligung an der GmbH dem tariflichen Einkommensteuersatz anstatt dem Abgeltungssteuersatz von 25% unterworfen.
a) Nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht dem § 20 Abs. 8 EStG unterfallen, 25 Prozent. Gemäß Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a gilt Absatz 1 u.a. nicht für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 Hs. 2 EStG keine Anwendung findet. Darüber hinaus gilt Absatz 1 nach Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 für die o.g. Kapitalerträge auch dann nicht, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigener gezahlt werden, der zu mindestens 10 Prozent an der Gesellschaft beteiligt ist. Dies gilt nach Satz 2 auch dann, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die sich aus dem Wortsinn von “nahestehender Person“ ergebende Auslegung, es seien alle natürlichen und juristischen Personen gemeint, die zueinander in enger Beziehung stehen, insbesondere Angehörige im Sinne von § 19 der Abgabenordnung (AO), zu weitgehend ( BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986; VIII R 35/13 BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990 und VIII R 44/13 BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992 sowie vom VIII R 8/14, BFHE 249, 133, BStBl II 2015, 397). Sie widerspreche dem in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, nach dem ein Näheverhältnis nur dann vorliegen solle, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande seien, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen begründeten Einfluss ausüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen habe (vgl. BT-Drucks 16/4841 S. 61). Daher sei ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis im Sinne des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass grundsätzlich jede – also auch eine natürliche – Person beherrscht werden könne, setze dies voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibe.
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sei die genannte einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmales “nahestehende Person“ geboten. Es würde nämlich eine mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbare Diskriminierung der Familie vorliegen, wenn der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte ausschließlich an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen im Sinne des § 15 AO geknüpft und – anders als bei fremden Dritten – auch dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhielte.
Ein Rückgriff auf die gesetzlichen Definitionen des Begriffes “nahestehende Person“ in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 138 der Insol-venzordnung (InsO) im Wege der analogen Anwendung sei demgegenüber wegen des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Gleiches gelte für den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff “nahe-stehende Person“ bei einer verdeckten Gewinnausschüttung und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
b) Für die Einnahmen des Klägers aufgrund seiner stillen Beteiligung an der GmbH in Höhe von 109.037,00 € im Jahr 2012, in Höhe von 120.985,00 € im Jahr 2013 und in Höhe von 184.709,00 € im Jahr 2014 beträgt der Steuersatz 25%, ohne dass dessen Anwendung ausnahmsweise ausgeschlossen wäre.
aa) Insbesondere besteht unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze zwischen dem Kläger und dessen Vater V als Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH kein Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG.
Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen beiden reicht zur Begründung des Näheverhältnisses im Sinne der genannten gesetzlichen Regelung allein nicht aus und auch wenn Herr V als Vater und aufgrund seiner Geschäftsführerstellung einen gewissen Einfluss auf Entscheidungen des Klägers haben sollte, vermag der Senat ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis ohne wesentlichen eigenen Entscheidungsspielraum nicht festzustellen.
Ein solches Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis wurde durch die Rechtsprechung ausdrücklich bislang allein für den Fall bejaht, dass ein Ehemann seiner Ehefrau ein Darlehen zur Anschaffung und Renovierung eines Mietobjektes gewährte, wobei die Ehefrau mangels eigener finanzieller Mittel und Kreditwürdigkeit “bei der Aufnahme der Darlehen von dem Klägers als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig“ war (vgl. , BFHE 249, 133, BStBl II 2015, 397). Zur Begründung seines Urteiles hat der BFH u.a. auf Beweisanzeichen verwiesen, die unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen und gegen eine fremdübliche Kreditgewährung sprechen.
Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hält es der erkennende Senat mit verschiedenen Stimmen im Schrifttum für schwer vorstellbar, ein Näheverhältnis anzunehmen, soweit die getroffenen Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten (Oellerich in Bordewin/Brandt, EStG, Stand 03/2017, § 32d Rz. 58; Werth in Blümich, EStG, Stand 09/2016, § 32d Rz. 71). Der Einwand des FA dagegen, dass sich dann bei fremdüblichen Darlehensverhältnissen und stillen Beteiligungen trotz Näheverhältnis nahezu in keinem Fall die Anwendung des Tarifsteuersatzes ergäbe, beruht auf dem Missverständnis, dass die Verwandtschaft zweier Personen ausreichend sei, um ein Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG zu begründen. Das ist aber gerade nicht der Fall. Trotz des vorliegenden Vater-Sohn-Verhältnisses mangelt es an einem tatbestandlichen Näheverhältnis, solange nicht eine der in der Gesetzesbegründung formulierten besonderen Umstände vorliegt, insbesondere eine Beherrschungssituation gegeben ist.
Ein angesichts der Rechtsprechung des BFH vergleichbares absolutes Abhängigkeitsverhältnis, aufgrund dessen dem Kläger keine andere Wahl geblieben wäre als die stille Beteiligung zu begründen und über die Jahre fortzuführen, vermag der Senat vorliegend aber nicht zu erkennen. Vor allem gab es für den Kläger ausreichend gute Gründe für eine stille Beteiligung an der GmbH. Nicht nur konnte er so unmittelbar an dem geschäftlichen Erfolg teilhaben, zu dem er selbst mit seiner Tätigkeit als leitender Angestellter beitrug, es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass er dabei wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft ein erhöhtes finanzielles Risiko eingegangen wäre. Aus diesem Grund besteht auch kein Anlass anzunehmen, die GmbH hätte einen eventuellen Finanzierungsbedarf nicht ebenso gut durch ein marktübliches Darlehen decken können.
Schließlich gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Herr V auf den Kläger einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausgeübt hätte oder jeweils ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen gegeben war. Insbesondere erscheint es als ausgeschlossen, dass vor dem einen oder anderen Hintergrund die Begründung der stillen Beteiligung der Ausnutzung des günstigeren Steuersatzes gedient hätte. Während die stille Gesellschaft bereits in 2001 begründet und das Stammkapital im Dezember 2004 auf den heutigen Stand von 150.000,00 € erhöht wurde, erfolgte die Einführung der Abgeltungssteuer erst zum . Mit § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG wollte der Gesetzgeber hierbei Gestaltungen verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z.B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungssteuersatz reduziert wird. Durch die getroffene Regelung sollte erreicht werden, dass unternehmerische Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens steuerlich unverzerrt bleiben (vgl. BT-Drucks. 16/4841, S. 60).
bb) Die Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG ist auch weder nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen noch stehen ihr andere Gründe entgegen. Ob § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG dann, wenn – wie vorliegend – Erträge durch Kapitalgesellschaften gezahlt werden, überhaupt Anwendung findet oder durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG als speziellere Norm verdrängt wird, kann der Senat dabei dahinstehen lassen (so Kühner in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand 08/2018, § 32d EStG Rz. 32). Jedenfalls mangelt es an einem Näheverhältnis zwischen der GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und dem Kläger als Gläubiger.
Eine Beherrschung der einen durch den anderen bzw. des einen durch die andere ist im Anschluss an die oben gemachten Ausführungen nicht festzustellen. Weder war die GmbH zur Deckung ihres Finanzierungsbedarfs auf das Kapital des Klägers angewiesen noch befand sich dieser in einer Situation, in welcher ihm im Wesentlichen kein Entscheidungsspielraum mehr verblieb als die stille Gesellschaft zu begründen bzw. beizubehalten. Als dritte Person mit beherrschendem Einfluss auf Gläubiger und Schuldnerin käme vorliegend zwar der Vater und Alleingesellschaftergeschäftsführer der GmbH, Herr V, in Betracht, doch war dessen unstreitig vorhandener Einfluss auf den Kläger, wie zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG bereits dargelegt wurde, nicht von einer Intensität, dass diesem praktisch kein eigener Entscheidungsspielraum verblieb.
Hinsichtlich des Kriteriums eines eigenen wirtschaftlichen Interesses an der Erzielung der Einkünfte des anderen, welches ein Näheverhältnis im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG zu begründen vermag, ist unzweifelhaft, dass jeder an dem Gewinn einer Gesellschaft Beteiligte naturgemäß Interesse daran hat, dass dieser Gewinn möglichst hoch ausfällt. Das gilt für den stillen Beteiligten ebenso wie für jeden Gesellschafter, gleich ob seine Beteiligung im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG mindestens 10 % beträgt oder darunter liegt. Damit ist dieses Interesse zur Begründung bzw. als Indiz eines besonderen Näheverhältnisses aber ungeeignet. Dagegen gibt es vorliegend keinen Anhaltspunkt für das Vorhandensein eines Eigeninteresses der GmbH bzw. des Klägers am verbleibenden Gewinn der GmbH.
2. Die Kosten des Verfahrens hat das FA als unterliegender Verfahrensbeteiligter nach § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der erstattungsfähigen Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung, die zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
4. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 8 Nr. 13
DStRE 2019 S. 610 Nr. 10
DStZ 2019 S. 134 Nr. 5
EFG 2019 S. 166 Nr. 3
EStB 2019 S. 145 Nr. 4
GStB 2019 S. 157 Nr. 5
KÖSDI 2019 S. 21143 Nr. 3
PAAAH-07197