Finanzgericht Nürnberg Urteil v. - 5 K 167/17 EFG 2018 S. 1262 Nr. 15

Werbungskosten: Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang

Leitsatz

Jedenfalls bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang am Ort der Bildungseinrichtung wird diese Einrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, so dass Kosten für Unterkunft sowie Mehraufwendungen für Verpflegung nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG § 9 Abs. 4 Satz 8

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einem mehr auf drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang am Ort der Bildungseinrichtung eine erste Tätigkeitsstätte gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, so das Mehraufwendungen für verpflegungskosten besteht.

Der ledige Kläger wurde für das Streitjahr 2014 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

In seiner Einkommensteuererklärung 2014 erklärte er im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei den sonstigen Werbungskosten folgende Aufwendungen für einen im Zeitraum vom 08.09. – in Vollzeit absolvierten Schweißtechnikerlehrgang bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt in A-Stadt:


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Lehrgangskosten
5.400,00 €
Prüfungskosten
885,00 €
Fahrtkosten (ÖPNV)
119,70 €
Unterkunftskosten (Miete mtl. 650 €)
2.600,00 €
Verpflegungsmehraufwand für drei Monate
2.076,00 €
abzüglich Stipendium
-4.440,58 €
abzüglich Zuschuss Meister-BAföG
-164,70 €
abzüglich Stipendium
-309,48 €
abzüglich Stipendium
-1.249,94 €
Summe
4.916,00 €

Auf Nachfrage des Finanzamts erläuterte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom , die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung hätten nicht vorgelegen.

Das Finanzamt veranlagte den Kläger für das Jahr 2014 mit Bescheid vom und berücksichtigte die Aufwendungen für den Schweißtechnikerlehrgang wie folgt:


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Lehrgangskosten
5.400,00 €
Prüfungskosten
885,00 €
Fahrtkosten (ÖPNV)
333,00 €
Zwischensumme
6.618,00 €
abzüglich Stipendium
-6.000,00 €
abzüglich Darlehenserlass
-379,00 €
abzüglich Zuschuss Meister-BAföG
-164,00 €
berücksichtigungsfähig
75,00 €

Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte im Namen des Klägers mit Telefax vom Einspruch ein. Er bezweifelte, dass die Neuregelung des Reisekostenrechts ab dem Jahr 2014 tatsächlich den Abzug der Unterkunftskosten auch bei einer nur auf wenige Monate befristeten Bildungsmaßnahme ausschließe. Bei kürzeren Maßnahmen könne ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vorliegen.

Mit Einspruchsentscheidung vom wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte auch eine Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte, wenn diese außerhalb eines Dienstverhältnisses und zum Zweck einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde. In diesem Fall komme die Berücksichtigung von Reisekosten nicht in Betracht. Fahrten zwischen Wohnung und Bildungseinrichtung seien mit der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgegolten. Übernachtungskosten, Familienheimfahrten und Verpflegungsmehraufwand seien nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig. Der Begriff der Bildungsmaßnahme sei nicht durch Dauer oder Umfang beschränkt. Die Ausbildung zum Internationalen Schweißtechniker ST sei allgemein anerkannt und erfülle damit die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des neuen Reisekostenrechts. Ein Meisterbonus sei nicht gezahlt worden. Die Neuregelungen zum Meisterbonus seien somit nicht auf den Streitfall anwendbar.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, nach dem Ende seines bisherigen Beschäftigungsverhältnisses zum sei er bis zum Beginn des Schweißtechnikerlehrgangs am und nach dem Ende des Lehrgangs vom bis ins Jahr 2015 arbeitslos gemeldet gewesen.

Nach Ansicht des Klägers habe der Beklagte die Unterkunftskosten und die Verpflegungsmehraufwendungen unter Berufung auf § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Streitfall sei mit dem eines Studenten, der von vornherein für viele Jahre an den Studienort ziehe, nicht zu vergleichen. Er, der Kläger, habe in seinem nur drei Monate dauernden Lehrgang überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, seine beruflich veranlassten Mehraufwendungen zu reduzieren, indem er zum Beispiel seine Wohnung daheim aufgegeben oder untervermietet hätte oder in A-Stadt ein günstigeres Zimmer gesucht hätte. Entscheidend sei die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „vollzeitige Bildungsmaßnahme“. Subsumiere man hierunter jede Bildungsmaßnahme, die eine auswärtige Unterbringung erfordere, dann erlaube schon eine zweitägige Fortbildung nicht mehr den Werbungskostenabzug der Hotelkosten, wenn die Fortbildung zufällig in der Zeit absolviert werde, in der der Steuerpflichtige von einem Beschäftigungsverhältnis in ein anderes wechsele. Der Begriff „vollzeitig“ impliziere eine bestimmte Dauer, so dass man nach irgendeiner zeitlichen Grenze suchen müsse. In Anlehnung an die ebenfalls ab VZ 2014 neu eingeführte Definition des § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG sei von einer Dauer von mindestens einem Jahr auszugehen.

Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung erfüllt. Er, der Kläger, habe in einer abgeschlossenen Wohnung im Dachgeschoss des Hauses seiner Mutter in B-Stadt, die selbst das Erdgeschoss bewohnt habe, gelebt und sich auch an den Kosten der Haushaltsführung beteiligt. Daher sei er der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung erfüllt seien. In A-Stadt habe er eine Wohnung für 650 € monatlich als Untermieter angemietet. Nach dem Abschluss des Lehrgangs sei er in seine Wohnung in B-Stadt zurückgekehrt. Er habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nicht in A-Stadt, sondern in B-Stadt beibehalten. Die Anmietung der Wohnung in A-Stadt sei durch den Schweißtechniker-Lehrgang ausschließlich beruflich veranlasst gewesen. Auch wenn kein Mietvertrag bestanden und seine Mutter für die Dauer des Lehrgangs auf eine Kostenbeteiligung verzichtet habe, habe er sich in mehr als nur unwesentlicher Höhe an den Kosten der Haushaltsführung beteiligt.

Außerdem seien ihm, dem Kläger, Umzugskosten entstanden. Wie dem Mietvertrag zu entnehmen sei, habe er nur eine möblierte Unterkunft von ca. 21 m² Größe für einen Preis von 650 €/Monat (warm) bekommen. Zum Zwecke der Wohnungssuche sei er zweimal in A-Stadt gewesen, wobei er bei diesen Gelegenheiten bei seiner Tante übernachtet habe. Er sei dann im Weiteren zwei- oder dreimal mit dem Pkw (ein VW Golf) nach A-Stadt gefahren und habe zusätzliche private Einrichtungsgegenstände hingebracht, wie zum Beispiel seine Musikanlage. Er habe auch kleinere Gegenstände für den Haushalt wie z. B. Toilettenartikel zusätzlich gekauft. Der Zweck der Umzugskostenpauschalen sei es gerade, von der Einzelauflistung solcher unzweifelhaft entstandenen Kosten zu befreien.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2014 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten i. H. v. 2.600 €, der Verpflegungsmehraufwendungen i. H. v. 2.076 € sowie der Kosten für den Umzug nach A-Stadt i. H. v. 715 € entsprechend der Umzugspauschale nach § 10 BUKG und der Fahrtkosten für die Wohnungssuche in A-Stadt für zwei Fahrten herabgesetzt wird.

Der Kläger regt weiter an, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung für den Fall seines Unterliegens zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Umzugskosten i. H. v. 143 € und von Fahrtkosten für die Wohnungssuche i. H. v. 300 € herabgesetzt wird, und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Finanzamts gelte eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte. Der Gesetzgeber habe diesen Grundsatz hinsichtlich des zeitlichen Umfangs nicht eingeschränkt. Die Aufwendungen für die Miete und die Verpflegung hätten danach steuerlich außer Ansatz zu bleiben. Für die Berücksichtigung der Fahrtkosten sei die Entfernungspauschale zugrunde zu legen.

Die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung lägen nicht vor, weil der Kläger sich nach eigener Aussage an den Kosten der Haushaltsführung in der Zeit von September bis Dezember 2014 nicht beteiligt habe. Somit seien die geltend gemachten Aufwendungen für Miete und Verpflegung steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger habe die tatsächlichen Umzugskosten bisher nicht nachgewiesen. Außerhalb der doppelten Haushaltsführung entstandene Umzugskosten seien nachzuweisen. Der Kläger habe am bisherigen Wohnort keinen eigenen Hausstand geführt und habe gemäß Vorlage eines Untermietvertrages ein möbliertes Appartement gemietet. Es sei somit fraglich, ob dem Kläger überhaupt Umzugskosten entstanden seien. Die angeblichen Fahrten zum Transport von Musikanlage und kleineren Haushaltsgegenständen wie Toilettenartikel (zwei- oder dreimal) nach A-Stadt zum Transport von wenigen kleinen Gegenständen in eine möblierte 21 m² kleine Wohnung seien ohne weiteren Nachweis nicht glaubhaft. Die Umzugskosten könnten aber i. H. v. 20 % der Pauschbeträge für Umzugskosten für Ledige nach dem Bundesumzugskostengesetz (BUKG) geschätzt werden. Die Berücksichtigung von Fahrtkosten zum Zwecke der Wohnungssuche sei grundsätzlich möglich.

Der zwischenzeitlich zum Einzelrichter bestimmte Berichterstatter hat das Verfahren im Hinblick auf die diesem von der Klägerseite beigemessene grundsätzliche Bedeutung mit Beschluss vom gem. § 6 Abs. 2 FGO auf den Senat zurückübertragen.

Auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakte sowie der im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Die Aufwendungen für die beiden Fahrten zur Wohnungssuche sowie 20 % der Umzugskostenpauschale können als Werbungskosten zusätzlich angesetzt werden.

1. Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG können Kosten für Aus- und Fortbildung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden. Der Kläger war zwar damals arbeitslos; die Fortbildung sollte jedoch der Aufnahme einer neuen nichtselbständigen Tätigkeit dienen. Daher handelte es sich um vorweggenommene Werbungskosten. Die Fahrtkosten zum Zweck der Wohnungssuche können mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, weil der Kläger vor Beginn des Schweißerlehrgangs weder einen Wohnsitz noch eine erste Tätigkeitsstätte in A-Stadt gehabt hat. Die beiden Fahrten zur Wohnungssuche können daher mit 0,30 €/km angesetzt werden (250 km einfach x 2 x 2 x 0,30 €/km = 300 €).

2. Daneben können 20 % (§ 10 Abs. 4 BUKG) der Umzugskostenpauschale (715 € Umzugskostenpauschale gem. IV C 5 – S 2353/08/10007, BStBl I, 1342 x 20 % = 143 €) angesetzt werden. Die Begrenzung ergibt sich daraus, dass der Kläger in seinem Elternhaus über keine eigene Wohnung mit Kochgelegenheit, sondern lediglich über einen Kühlschrank und eine Mikrowelle verfügt hat. Weitere Fahrten allein zum Transport von Einrichtungsgegenständen in die möblierte Wohnung in A-Stadt hat der Kläger nicht nachgewiesen; es liegt nahe, dass ein Transport solcher Gegenstände bei Gelegenheit der Fahrten zum Lehrgang stattgefunden hat.

Es waren daher zusätzliche Werbungskosten i. H. v. 443 € zu berücksichtigen.

II.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Die Kosten für die Unterkunft sowie die Mehraufwendungen für Verpflegung können nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger in A-Stadt während des Schweißerlehrgangs seine erste Tätigkeitsstätte in A-Stadt gehabt hat.

  1. Die Aufwendungen für den Schweißerlehrgang können grundsätzlich gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG) angesetzt werden. Das Abzugsverbot für Ausbildungskosten gem. § 9 Abs. 6 EStG kommt nicht zum Tragen, da der Kläger bereits vor dem Schweißerlehrgang über eine abgeschlossene Ausbildung zum Behälter- und Apparatebauer verfügt hat.

  2. Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG auch notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a) und Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig wird (§ 9 Abs. 4a EStG). Voraussetzung ist also jeweils, dass der Steuerpflichtige am Ort der Auswärtstätigkeit nicht seine erste Tätigkeitsstätte hat; die Einschränkungen für die in § 9 Abs. 1 Satz 3 aufgezählten Werbungskostentatbestände gelten insoweit auch, soweit Fahrt-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten den Aus- und Fortbildungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zuzuordnen sind, wie sich aus der (klarstellenden) Ergänzung in § 9 Abs. 4 Satz 8, 2. Halbsatz EStG ergibt.

  3. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gilt als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Durch die Neuregelung des Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 ist die Rechtsprechung des BFH, wonach es sich bei einer vollzeitig besuchten Bildungsstätte nicht um eine regelmäßige Tätigkeitsstätte handele, überholt (U. Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 9 Rn. 1412). Für die Zeit des schweißtechnischen Lehrgangs ist der Kläger kein Arbeitnehmer gewesen, da er sich nicht in einem Arbeitsverhältnis befunden hat. Dementsprechend bestimmt sich seine erste Tätigkeitsstätte nicht nach den nur für Arbeitnehmer geltenden Regeln des § 9 Abs. 4 Sätze 1 – 7 EStG, sondern nach Satz 8 dieser Vorschrift. Während dieses Zeitraums war die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt A-Stadt die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, denn hierbei handelt es sich um eine Bildungseinrichtung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Unter Bildungseinrichtung ist jede Anstalt oder jeder Ort zu verstehen, an dem Wissen oder Bildung vermittelt wird, vorzugsweise im Rahmen der Berufsaus- und -weiterbildung (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG, Anm. 562). Bei der Lehr- und Versuchsanstalt handelt es sich um eine Bildungseinrichtung in diesem Sinne. Diese Einrichtung hat der Kläger während dieser Zeit auch tatsächlich im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht.

  4. Dem steht die befristete Lehrgangsdauer von gut drei Monaten nicht entgegen.

    aa) Der Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG spricht nicht von einer Zuordnung für einen bestimmten Zeitraum, sondern vom tatsächlichen „Aufsuchen“. Aus diesen Gründen hat das FG Münster eine Mindestdauer verneint, weil ein eigenständiger Begriff der ersten Tätigkeitsstätte vorliege und die Regelungen für Arbeitnehmer nicht zur Anwendung kämen (Urteil vom 7 K 1007/17 E, F, juris). Zutreffend ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber nicht auf eine Berufsausbildung i. S. d. § 9 Abs. 6 EStG Bezug genommen hat, was nahegelegen hätte, wenn er eine Mindestdauer hätte festlegen wollen.

    bb) Dem Tatbestandsmerkmal „zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme“ des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG ist ebenfalls keine feste Mindestdauer zu entnehmen. Auch im Rahmen eines Vollzeitstudiums können sich Studienorte ändern; mancher Studienort wird nur für ein einzelnes Auslandssemester aufgesucht. Der Begriff der „Bildungsmaßnahme“ ist noch weiter; hierzu wird man auch Umschulungsmaßnahmen rechnen müssen (U. Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 9 Rn. 606), die typischerweise nur einige Monate dauern.

    cc) Selbst wenn man, anders als das , F –, juris) die Regelungen für Arbeitnehmer (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG) zugrunde legt, wofür beispielsweise die Begründung der Ergänzung von § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BT-Drucks. 18/1529) spricht, ist auch nach den Maßstäben für Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte des Klägers in A-Stadt anzunehmen. Der Kläger hat, wie von vornherein geplant, den gesamten Lehrgang an der Anstalt in A-Stadt absolviert. Auch bei Arbeitnehmern gibt es keine Mindestdauer für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte. So genügt es beispielsweise, wenn eine Servicekraft für die Dauer des Oktoberfestes auf der Münchener Wies’n tätig wird, damit diese dort ihre erste Tätigkeitsstätte hat (Thomas in DStR 2014, 500). Eine Übertragung der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG enthaltenen Frist von 48 Monaten auf befristete Bildungsmaßnahmen kommt nicht in Betracht, da in diesem Zeitraum in vielen Fällen die gesamte Bildungsmaßnahme absolviert wird.

    dd) Eine praktikable Lösung ist aus Sicht des Senats, auf die Dreimonatsgrenze für die steuerliche Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG abzustellen. Diese ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, da bei Bestehen einer ersten Tätigkeitsstätte schon der Tatbestand in § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG nicht erfüllt ist. Der der Regelung in § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG zugrundeliegende Gedanke, dass eine auf mehr als drei Monate angelegte Tätigkeit es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, seine Lebensumstände kostenmindernd zu organisieren, ist durchaus für die Auslegung des Begriffs der „vollzeitigen Bildungsmaßnahme“ zur Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte, wobei es ebenfalls um die mögliche Kostenminderung aufgrund der Absehbarkeit eines längeren Tätigwerdens an einem bestimmten Ort geht, heranzuziehen.

    Jedenfalls bei einer auf mehr als drei Monate angelegten vollzeitigen Bildungsmaßnahme wird diese Einrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte mit der Folge, dass die Einschränkungen gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG ab Beginn der Maßnahme gelten.

  5. Im vorliegenden Fall war der Schweißerlehrgang von vornherein auf mehr als drei Monate angelegt. Der Kläger hat somit die Möglichkeit gehabt, seine Kosten zu mindern, und hat davon auch tatsächlich Gebrauch gemacht, indem er eine Wohnung angemietet und die Kosten und Mühen des täglichen Pendels vermieden hat. Er hat daher in A-Stadt über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Der Abzug von Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen ist daher ausgeschlossen.

2. Auch eine Berücksichtigung der Unterkunfts- und Verpflegungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 4 Satz 8 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) ist nicht möglich.

  1. Diese Vorschrift ist gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG auf Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen entsprechend anzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung nur vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG).

  2. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren keinen eigenen Hausstand außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte. Als solcher kann im Streitfall allein die mütterliche Wohnung in B-Stadt in Betracht kommen. An den Kosten der Lebensführung für diese Wohnung hat sich der Kläger während des Lehrgangs jedoch nicht finanziell beteiligt, weil seine Mutter auf eine Kostenbeteiligung in der Zeit seiner geminderten Leistungsfähigkeit verzichtet hat. Bereits nach der Rechtsprechung zur bis 2013 geltenden Rechtslage, bei der die finanzielle Beteiligung keine Tatbestandsvoraussetzung des eigenen Hausstands darstellte, war geklärt, dass nicht verheiratete junge Arbeitnehmer, die nach Beendigung der Ausbildung im elterlichen Haushalt ihr Zimmer – wenn auch gegen Kostenbeteiligung – bewohnen, dort keinen eigenen Hausstand unterhalten (, BFH/NV 2017, 903). Durch die ab 2014 eingeführte Gesetzesänderung sollte der Begriff des eigenen Hausstandes gesetzlich konkretisiert und damit zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen werden. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien genügt es weiterhin nicht, wenn ein Arbeitnehmer im Haushalt seiner Eltern lediglich ein Zimmer bewohnt (BT-Drucks. 17/10774, S. 13f).

    Die Klage ist daher insoweit unbegründet.

    Daraus ergibt sich folgende Berechnung der Einkommensteuer 2014:

    Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Bruttoarbeitslohn
    19.610,00 €
    Entfernungspauschale für 134 Tage x 6 km x 0,30 €/km
    -242,00 €
    Aufwendungen für Arbeitsmittel
    -407,00 €
    Reisekosten bei Auswärtstätigkeiten
    -148,00 €
    Verpflegungsmehraufwand
    -120,00 €
    Fahrtkosten nach A-Stadt
    -300,00 €
    Umzugskostenpauschale
    -143,00 €
    übrige Werbungskosten
    -307,00 €
    Einkünfte
    17.943,00 €
    abzgl. Sonderausgaben
    -2.975,00 €
    zzgl. Kirchensteuererstattungsüberhang
    108,00 €
    zu versteuerndes Einkommen
    15.076,00 €
    ESt lt. Grundtarif
    1.362,00 €

    Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom war dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer 2014 unter Berücksichtigung von Fahrtkosten i. H. v. 300 € und der Umzugskostenpauschale i. H. v. 143 € als zusätzlichen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit herabgesetzt wird. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen (§ 136 Abs. 1 Satz FGO). Aus dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen ergibt sich die im Tenor ausgewiesene Kostenquote. Danach habe der Kläger die Kosten zu 11/12 und der Beklagte zu 1/12 zu tragen.

IV.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ab welcher zeitlichen Dauer ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme die aufgesuchte Bildungseinrichtung gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG zur ersten Tätigkeitsstätte werden lassen, hat grundsätzliche Bedeutung und ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 1262 Nr. 15
EStB 2019 S. 385 Nr. 9
GStB 2018 S. 435 Nr. 12
PAAAG-88269