Schätzung der Betriebseinnahmen einer Fahrschule wegen schwerer Buchführungsmängel
Leitsatz
1. Die zeitliche Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsmäßige Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel entscheidende Grundlagen einer kaufmännischen Buchführung. Mängel auf diesem Gebiet nehmen der Buchführung in aller Regel ihre Ordnungsmäßigkeit und berechtigen das FA zu einer Schätzung.
2. Die Buchführung einer Fahrschule ist nicht ordnungsgemäß, wenn u.a. teilweise erhebliche Differenzen zwischen den abgelegten Belegen und den steuerlich erfassten Betriebseinnahmen bestehen, eine Differenz zwischen dem rechnerischen Kassensbestand laut Kassenbuch und dem Bilanzansatz für die Kasse besteht, für ein Streitjahr keine Buchführungsunterlagen zur Kasse mehr vorliegen, in den Folgejahren die monatlichen Kassenblätter durch die zuständige Buchhalterin im Steuerbüro per EDV erstellt werden, hierzu jedoch keine handschriftliche Aufzeichnungen existieren, nachweislich in erheblichem Umfang nicht für alle Fahrschüler Einnahmen verbucht worden sind und somit insgesamt keine Kassensturzfähigkeit gegeben ist.
3. Die Schätzung der Betriebsprüfung ist trotz kleinerer Ungereimtheiten insgesamt nicht zu beanstanden, wenn die Betriebsprüfung von der Anzahl der durch die Fahrschule bei der Führerscheinstelle des Landratsamtes beantragten Führscheine ausgeht, eine Durchfall- bzw. Wiederholerquote von 30 % unterstellt, die Einnahmen pro Fahrschüler aus den von der Fahrschule erteilten Schlussrechnungen ableitet, einen Sicherheitszuschlag von 10 % vornimmt und den nicht nachgewiesenen Erklärungen des Fahrschulinhabers, er habe auch kostenlose Fahrstunden erteilt, Rabatte gewährt und Gefälligkeitsrechnungen erstellt, z. B. damit die Fahrschüler von Verwandten höhere Zuschüsse für den Führerschein bekommen, nicht folgt.
Gesetze: AO § 162 Abs. 1 S. 1, AO § 162 Abs. 2 S. 1, AO § 158, AO § 146 Abs. 1 S. 1, AO § 146 Abs. 1 S. 2, FGO § 96 Abs. 1 S. 1, EStG § 4 Abs. 1, EStG § 5 Abs. 1
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig sind Hinzuschätzungen nach einer Betriebsprüfung.
Der Kläger ist seit dem 21. Mai 2010 Insolvenzverwalter über das Vermögen der … X-Fahrschule GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin). Auf Grund einer Betriebsprüfung vom Sommer 2009 für die Jahre 2004 bis 2007 wurden die streitigen Steuerbescheide geändert. Die Betriebsprüferin sah die Kassenführung als mit Mängeln behaftet an, die Erstellung des Kassenblattes durch eine Angestellte des Steuerbüros gewährleiste nicht die geforderte Kassensturzfähigkeit. Der Kassenbestand zum 31.12.2005 lt. Bilanz habe nicht mit dem Bestand lt. Kassenbuch übereingestimmt. Die Prüferin kam zu den in der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2011 (Bl. 108 ff FG-Akte) dargestellten Hinzuschätzungen. Auf Grund der vorgelegten Ausbildungsnachweise sei festgestellt worden, dass nicht für alle Fahrschüler eine Abschlussrechnung in der Buchführung vorliege und somit keine Einnahmen verbucht wurden. Es seien in nicht unerheblichem Umfang erteilte Fahrstunden nach nicht bestandener praktischer Prüfung unerklärt geblieben. Die Betriebsprüfung hat die vorgelegten Ausbildungsnachweise mit den Angaben der Führerscheinstelle abgestimmt. Daraufhin wurden nicht erklärte Einnahmen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. Bp-Bericht Tz. 21 g., Bl. 67 der FG-Akte) hinzugerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht verwiesen. Die streitigen Bescheide ergingen am 22. April 2010, der hiergegen gerichtete Einspruch wurde am 14. Februar 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Auf Antrag des Klägers hat der Senat am 10.10.2012 den Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Herrn P. zum Klageverfahren beigeladen.
Der Kläger trägt vor, die angegriffenen Steuerbescheide seien rechtswidrig, die Schätzungen der Schülerzahlen seien rechtsfehlerhaft. Der Beklagte habe den Sachverhalt nicht ordentlich aufgeklärt. Zudem sei der Sicherheitszuschlag i. H. v. 10% rechtsgrundlos und willkürlich erfolgt. Die schuldnerische Buchführung sei nicht vollständig unbrauchbar gewesen. Nach Angabe des Beigeladenen seien die Einnahmen bis auf wenige Ausnahmen vollständig gebucht. Die Beantragung eines Führerscheins bedeute nicht in jedem Fall auch eine erfolgte Ausbildung. Mögliche Fahrschulwechsel während der Ausbildung seien außer Betracht geblieben. Es könnte auch eine Antragstellung innerhalb des Prüfungszeitraums, aber eine Ausbildung und Abrechnung außerhalb der geprüften Jahre erfolgt sein. Unterschiedliche Schreibweisen oder Schreibfehler von Namen könnten zu Missverständnissen führen. Auch Ausbildungsunterbrechungen seien möglich. Der Beigeladene führte im Schreiben vom 23.08.2010 (Bl. 107 Finanzgericht-Akte) aus, es sei richtig, dass die einzelnen Geschäftsvorfälle sehr schwer zu finden seien, weil auf den Belegen keine Kontierung erfolgt sei. Richtig sei auch, dass „die Kassenbücher zu verwerfen” seien. Dass wegen des zu verwerfenden Kassenbuches eine Zuschätzung zu erfolgen habe, sei einzusehen, nicht jedoch die erfolgte Schätzung. Diese sei unrealistisch, mit dem vorhandenen Personal habe der Umsatz nicht erwirtschaftet werden können. Der Beigeladene sei im Rahmen seiner Möglichkeiten seinen Mitwirkungspflichten hinreichend nachgekommen. Die Schätzung der Schülerzahlen sei unwahrscheinlich. Die Berechnung der durchschnittlichen Führerscheinkosten, so z. B. die Werte für 2004, 2006 und 2007 i. H. v. 1.300 EUR und für 2005 i. H. v. 1.400 EUR sei nicht verständlich. Auch eine Wiederholungsquote von 30 % sei nicht ausreichend begründet worden. Ein Rückschluss von den Anmeldezahlen von Fahrschülern lt. Aufstellung des Landratsamtes auf entsprechende Ausbildungen sei unzulässig.
Der Beigeladene meint, die Betriebsprüferin verfüge als Außenstehende nicht über das erforderliche Fachwissen. Allenfalls seien ca. 15.000 Euro nicht ordnungsgemäß erklärt worden. Seine Argumente seien nicht gehört worden. Seine Kassenführung habe das frühere Steuerbüro kontrolliert. Diese Zusammenarbeit habe er aber gekündigt. Es seien falsche Schülerzahlen zugrunde gelegt worden. Man müsse das Datum der Führerscheinerteilung berücksichtigen. Die Schülerzahlen seien stark zurückgegangen. Er habe einen Insolvenzantrag stellen müssen. Die Listen des Landratsamtes seien ungeeignet. Das Ausbildungsende müsse berücksichtigt werden, ebenso müssten Mehrfachnennungen ausgeschlossen werden. Er rüge auch die fehlende Klassenbereinigung und Nichtberücksichtigungen von Fahrschulwechseln sowie eine falsche Wahrscheinlichkeitsbetrachtung. Nicht alle vom Landratsamt gemeldeten Schüler seien bei ihm ausgebildet worden; insbesondere weise er darauf hin, dass die Führerscheine schon vor der Prüfung ausgestellt würden, doch würden nicht alle Prüflinge antreten und nicht alle bestehen. Das Finanzamt habe sich zu Unrecht direkt mit Auskunftsersuchen an die Schüler gewandt. Die dem Gericht in der mündlichen Verhandlung übergebene Kapazitäts- und Plausibilitätsberechnung unterstütze die von ihm erklärten maximalen Fahrschülerzahlen. Es hätten nur insgesamt ca. 495 Fahrschüler in 4 Jahren bei ihm eine Ausbildung absolviert.
Der Beigeladene weist darauf hin, dass er die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und allenfalls 5.000 Euro aufbringen könne. Er sei sonst immer ein pünktlicher und zuverlässiger Steuerpflichtiger gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2004, 2005, 2006, 2007,
die Körperschaftsteuerbescheide 2004, 2005, 2006, 2007,
die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004, 2005, 2006, 2007,
die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach dem KStG zum 31.12.2004, 2005, 2006, 2007,
die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2004, 2005, 2006, 2007,
die Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages 2004, 2005, 2006, 2007,
sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2004, 2005, 2006, 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2011
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte beruft sich auf die Einspruchsentscheidung. Aus den Buchführungsmängeln ergäbe sich die Schätzungsbefugnis. Er halte es für ausreichend, von den in der Aufstellung des Landratsamtes Schmalkalden/Meiningen ermittelten Fahrschülern in den Streitjahren auszugehen und die durchschnittlichen Einnahmen pro Führerschein anzusetzen. Die Zuschätzung sei schlüssig. Die überlassene Liste beinhalte lediglich die Namen der Führerscheinbewerber, die letztlich auch einen solchen bekommen hätten. Schüler, die ihre Ausbildung bei einer anderen Schule beendet oder krankheitsbedingt unterbrochen hätten, seien in diesen Aufstellungen gar nicht enthalten. Ebenso blieben Führerscheinanträge unberücksichtigt, die letztlich aus verschiedensten Gründen keine Aushändigung eines Führerscheines nach sich zögen. Zudem hätten die Aufklärungsversuche weder bei den fehlenden Einnahmen aus den Abschlussrechnungen noch bei den fehlenden Einnahmen der wiederholenden Schüler zum Erfolg geführt. Der Vortrag im Einspruchsverfahren, es seien Gefälligkeitsrechnungen erteilt und Verrechnungen durchgeführt worden, sei nicht stichhaltig. Zudem beinhalte jede Schätzung eine gewisse Unschärfe. Die Werte von 1.300 EUR bzw. 1.400 EUR seien anhand der vorhandenen Abschlussrechnungen der Gemeinschuldnerin ermittelt worden. Auch die von den Schülern für Fahrstunden vor Wiederholung der praktischen Prüfung zu zahlenden Entgelte habe die Prüferin anhand der bei der Gemeinschuldnerin vorgefundenen Gegebenheiten ermittelt.
Am 03.12.2012 wurde der Rechtsstreit zunächst mit dem Berichterstatter erörtert, am 30.01.2013 vor dem Senat verhandelt und Beweis durch Vernehmung der Betriebsprüferin erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Protokolle Bezug genommen. Den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe wies der Senat mit Beschluss vom 06.12.2012 als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Schätzung erging dem Grunde und der Höhe nach zu Recht.
1. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen, § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige die Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nach § 158 AO nicht zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AO).
Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH–vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; , BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a). Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger, d. h. nicht, wie der Beigeladene meint, ein Fahrschulbetreiber, jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Ist-Bestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. , BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m. w. N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. , BFH/NV 1985, 12). Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Schätzung im Ergebnis nicht zu beanstanden.
2. Die Buchführung, insbesondere die Kassenführung der Gemeinschuldnerin, wies erhebliche Mängel auf. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine ordnungsgemäße Buchführung, dass „sämtliche” Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Die zeitliche Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsmäßige Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel entscheidende Grundlagen einer kaufmännischen Buchführung. Mängel auf diesem Gebiet nehmen der Buchführung in aller Regel ihre Ordnungsmäßigkeit. Bei der Kassenführung wurden erhebliche Differenzen zwischen den abgelegten Belegen und den erfassten Beträgen ermittelt. Darüber hinaus wurde eine Differenz zwischen dem Kassenendbestand laut Kassenbuch zum 31.12.2005 und dem Bilanzansatz zum 31.12.2005 festgestellt. Für 2004 wurden von der GmbH keine Buchführungsunterlagen der Kasse vorgelegt. Es ist davon auszugehen, dass die Kassenbuchführung für diesen Zeitraum ebenfalls nicht ordnungsgemäß ist. In den folgenden Kalenderjahren wurden die monatlichen Kassenblätter durch die zuständige Buchhalterin im Steuerbüro per EDV erstellt. Handschriftliche Aufzeichnungen existieren nicht. Die geforderte Kassensturzfähigkeit war somit nicht gegeben. Weiter wurde anhand der vorgelegten Ausbildungsnachweise festgestellt, dass nicht für alle Fahrschüler eine Abschlussrechnung in der Buchführung enthalten war und somit die entsprechenden Einnahmen nicht verbucht worden waren. Es blieben auch in nicht unerheblichem Umfang Fahrstunden nach nicht bestandener Prüfung, die sich aus den Ausbildungsnachweisen zweifelsfrei ergaben, ungebucht. Diese Feststellungen betrafen sämtliche Jahre des Prüfungszeitraums.
Die Erklärungsversuche des Beigeladenen, kostenlose Fahrstunden erteilt, Rabatte gewährt und Gefälligkeitsrechnungen erstellt zu haben, z. B. damit die Fahrschüler von Verwandten höhere Zuschüsse für den Führerschein bekommen, sind nicht glaubhaft. Die Ermittlungen der Betriebsprüferin durch Auskunftsersuchen an Fahrschüler bestätigten ihre Feststellungen. Aufgrund der festgestellten Mängel kam der Beklagte zu dem Schluss, dass nicht gewährleistet ist, dass das Ergebnis der Buchführung der Gemeinschuldnerin dem Betriebsergebnis entspricht, welches sich bei ordnungsgemäßer Buchführung ergeben würde. Ihre Buchführung bzw. die Aufzeichnungen wiesen erhebliche Mängel auf. Dies hat der Beigeladene sogar schriftlich eingeräumt (Schreiben vom 23.08.2010, Bl. 107 Finanzgerichts-Akte).
Da die Klägerin keine ordnungsgemäße Buchführung nachweisen konnte, die der Besteuerung zugrunde zu legen war, ist die Hinzuschätzung von Umsätzen gem. § 162 AO dem Grunde nach gerechtfertigt.
3. Auch der Höhe nach ist die Schätzung nicht zu beanstanden.
Schätzungen müssen in sich schlüssig, ihre Ergebnisse wirtschaftlich möglich und vernünftig sein und sie dürfen nicht den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen (, Juris; vgl. Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO § 162 Rz. 29 m. w. N.). Das Schätzungsergebnis darf nicht wirtschaftlich unmöglich, damit schlechthin unvertretbar sein und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellen (, BFH/NV 2009, 951). Ziel ist es, die Besteuerungsgrundlagen anzusetzen, die die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben und der Wirklichkeit am nächsten kommen. Naturgemäß besteht bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen eine Bandbreite möglicher Wertansätze (sog. Schätzungsrahmen). Soweit sich die Schätzung innerhalb des Rahmens bewegt, den der durch die Finanzbehörde unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen festgestellte Sachverhalt vorgibt, ist sie nicht zu beanstanden (vgl. , BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259). Der Schätzungsrahmen ist umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Die Vernachlässigung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bei der Sachaufklärung darf jedoch nicht dazu führen, dass der Nachlässige einen Vorteil erzielt gegenüber denjenigen, die ihre steuerliche Pflichten ordnungsgemäß erfüllen (vgl. , BFHE 88, 212, BStBl III 1967, 349; vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, a.a.O.). Die Schätzungsungewissheit darf nicht dazu führen, nur den Betrag anzunehmen, der auch im ungünstigsten Fall als sicher vereinnahmt angesehen werden kann. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss ein Steuerpflichtiger, der Veranlassung zur Schätzung gibt, es vielmehr hinnehmen, dass die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheit oder Fehlertoleranz (vgl. , BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618) gegen ihn ausschlägt und das Finanzamt im Rahmen seines Schätzungsspielraumes je nach Einzelfall bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze bleibt. Es liegt im Wesen der Schätzung, dass die durch sie ermittelten Größen von den tatsächlichen Verhältnissen mehr oder minder abweichen. Gibt ein Steuerpflichtiger durch Verletzung seiner Mitwirkungspflichten Anlass zur Schätzung, ist ein (Un)sicherheitszuschlag als wahrscheinlich gerechtfertigt (vgl. , a.a.O.) und trägt den jeder Schätzung anhaftenden Unschärfen Rechnung.
Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht verbuchten Umsätzen steht, charakterisieren (, BFH/NV 1995, 373).
4. Als Schätzungsgrundlage ging die Betriebsprüferin von einer Liste der Führerscheinstelle des Landratsamtes Schmalkalden-Meiningen über die durch die Gemeinschuldnerin beantragten Führerscheine in den einzelnen Kalenderjahren des Prüfungszeitraums aus. Dieser Ansatz ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
Zwar weist die Schätzung in der Tat insoweit Ungenauigkeiten auf, als verschiedentlich Doppelnennungen von Schülern erfolgt sind. Nur zum Teil ist das zweifache Aufführen einiger Fahrschüler dadurch erklärlich, dass die Fahrschüler mehrere Führerscheinprüfungen abgelegt haben (z. B. Fahrschüler A. Bl. 31 Führerschein A, B und auf Bl. 14 Führerschein M oder Fahrschüler B., Bl. 35 Führerschein A1/B am 22.06.2006 und am 20.08.2007 Führerschein B, Bl. 46). Gleichwohl hält der Senat an der Schätzung im Ergebnis fest, da andererseits die Schüler, die in den laut Klägervortrag umsatzstärkeren Vorjahren bei der Führerscheinstelle angemeldet wurden und noch zu Erträgen in den Streitjahren führten, nicht erfasst sind. Demzufolge kam die Betriebsprüfung auch im ersten Streitjahr nur zu einer Zuschätzung von rund 1.500 Euro, was eine Zuschätzung von lediglich ca. einem einzigen Fahrschüler bedeutet. Zwar stehen auf der Liste des Landratsamtes 11 Schüler weniger als die Betriebsprüferin zugrunde gelegt hat. Dies muss nach Einschätzung des Senats daran liegen, dass die Liste nicht vollständig ist, denn gerade in 2004 sind für die ersten Monate des Jahres kaum Führerscheine beantragt bzw. ausgestellt worden (siehe unter „Erst.Dat.”). Dies ist im Verhältnis zu den anderen Streitjahren deutlich zu wenig.
Die Anzahl der Schüler, die ihre praktische Prüfung wiederholen müssen, wurde ebenfalls geschätzt. Die Internetrecherche ergab einen Prozentsatz von 30 %. Der sich aus den von der GmbH vorgelegten Unterlagen ergebende prozentuale Anteil liegt durchschnittlich bei 31,1 % (2004: 48 erstmalige Wiederholungen, 2005: 44, 2006: 23, 2007: 40). Somit erscheint die Anwendung des Prozentsatzes von 30 % sachgerecht.
Die Kosten pro Führerschein bzw. pro Wiederholung wurden anhand der von der GmbH vorgelegten Schluss- bzw. Wiederholungsrechnungen ermittelt. Die Werte spiegeln somit die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls wieder (innerer Betriebsvergleich) und sind daher nicht zu beanstanden.
Auch die Ausführungen des Beigeladenen im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung ändern an diesem Ergebnis nichts. Er konnte die sich aus den Buchführungsmängeln ergebenden Zweifel nicht ausräumen, so dass der Senat die Schätzung des Beklagten im Ergebnis als eigene übernehmen kann, §§ 162 AO, 96 FGO.
Soweit der Kläger vorträgt, die vom Beklagten angesetzte Anzahl von Fahrschülern hätte die Gemeinschuldnerin nicht bewältigen können, bestehen dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dafür sprechen die sich aus den vorgelegten Ausgangsrechnungen und Quittungen ergebenden Schülerzahlen (2004: 145, 2005: 121, 2006: 120, 2007: 112). Weshalb die Schülerzahlen trotz gleich bleibenden Personalbestandes sanken, hat weder der Kläger noch der Beigeladene zur Überzeugung des Senats ausgeführt. Insbesondere ist die vom Beigeladenen vorgelegte Verprobung der Kapazität der Fahrschule nicht überzeugend, da bereits nicht berücksichtigt wird, dass eine Fahrstunde üblicherweise nur 45 Minuten dauert, die Arbeitsstunde der Fahrlehrer aber 60 Minuten beträgt. Auch berücksichtigt die Schätzung des Beigeladenen nicht, ob und wie viele Überstunden die Fahrlehrer gemacht haben. Häufig werden Fahrstunden auch am Wochenende absolviert, so dass es zumindest naheliegt, dass auch Überstunden anfielen. Zudem sind dem Senat regelmäßige wöchentliche Dienstberatungen von jeweils 2 Stunden für alle Fahrlehrer nicht plausibel. Darüber hinaus ist nicht überzeugend dargelegt, wieso für den Beigeladenen nur 0,2 Arbeitszeitanteile für den praktischen Unterricht angesetzt werden sollten, zumal der theoretische Unterricht regelmäßig abends erfolgt, so dass ihm auch tagsüber Zeit verblieb, Fahrstunden zu erteilen. Auch hat er für jeden Fahrlehrer bereits 4 Stunden für Theorie abgezogen, so dass dieser Bereich weitgehend abgedeckt sein müsste. Weiterhin hatte die Gemeinschuldnerin nach Auskunft der Lohnsteuerstelle nicht nur 3 Arbeitnehmer, sondern vier bis fünf Personen angemeldet.
Auch der nicht unerhebliche Fahrzeugpark (vgl. Anlageverzeichnisse der Streitjahre) spricht dafür, dass die geschätzten Umsätze getätigt werden konnten.
Der Vortrag des Beigeladenen, dass nicht alle angemeldeten Schüler bei der Gemeinschuldnerin auch die Ausbildung beendet und die Prüfung angetreten haben, weil sie z. B. an eine andere Fahrschule gewechselt sind, mag in Einzelfällen zutreffen.
Andererseits muss der Senat umgekehrt davon ausgehen, dass Schüler, die über andere Fahrschulen angemeldet waren, zur Gemeinschuldnerin gewechselt sind, die jedoch in der Liste des Landratsamtes nicht als Schüler der Gemeinschuldnerin aufgeführt sind. Zudem ist es auch naheliegend, dass nicht nur Fahrschüler, die die Fahrprüfung erstmalig ablegen mussten, Unterricht nahmen, sondern auch vereinzelt Führerscheininhaber freiwillig Auto- oder Motorradfahrstunden nahmen, um ihre Kenntnisse aufzufrischen. Auch ist bei einigen der älteren Fahrschülern nach der Lebenserfahrung zu vermuten, dass diese deutlich mehr Fahrstunden benötigten als der zumeist jugendliche Durchschnitt. Insbesondere muss davon ausgegangen werden, dass einige Schüler mehrfach durch die Prüfung gefallen sind und daher erheblich mehr Stunden nahmen.
Ob die Prüflinge schließlich letztendlich bestanden haben oder nicht ist für die Zuschätzung unbeachtlich, da der Gewinn sich aus den abgeleisteten Stunden ergibt. Der Einwand des Beigeladenen, bei 91 Schülern sei kein Mindestalter erreicht, ist nicht verständlich, denn Fahrschüler melden sich sogar sehr häufig deutlich vor Vollendung des 18. Lebensjahres an und absolvieren die erforderlichen Fahrstunden, um dann sogleich mit dem 18. Geburtstag fahren zu dürfen.
Auch der Sicherheitszuschlag von 10 % ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gedeckt. Durch diesen werden zum Beispiel Einnahmen von Schülern abgedeckt, die ihre Ausbildung in der GmbH nicht mit Erteilung eines Führerscheins beendeten. Der Senat sieht daher bei einer wertenden Gesamtschau keinen Anlass, im Ergebnis von der Schätzung des Beklagten abzuweichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Er hat keinen Antrag gestellt. Für eine Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass.
Fundstelle(n):
PAAAE-70506