FG Münster Beschluss v. - 8 V 1791/20 AO EFG 2020 S. 1194 Nr. 17

Vollstreckung

Darlegung eines Anordnungsgrundes bei einstweiligem Rechtsschutz bezüglich der Vollstreckung in das Konto eines Architekten, auf das die sog. Corona-Soforthilfe eingezahlt wurde

Leitsatz

Die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO ist auch in den Fällen notwendig, bei denen es um die Abwendung einer Vollstreckung in ein Konto geht – hier eines Architekten -, auf das die sog. Corona-Soforthilfe eingezahlt wurde.

Gesetze: FGO § 114

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Beschränkung der von dem Antragsgegner ausgebrachten Pfändungen.

Der Antragsteller ist mit einem Einzelunternehmen als freiberuflicher Architekt tätig. Er unterhält ein Konto bei der Sparkasse X (im Folgenden: Sparkasse) mit der IBAN xxx. Das Konto wird als sog. P-Konto (Pfändungsschutzkonto nach § 850k der ZivilprozessordnungZPO–) geführt. Der monatliche Pfändungsfreibetrag des Antragstellers beträgt 1.178,59 EUR. Bezüglich des Kontos erließ der Antragsgegner folgende vier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen:


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Datum
Höhe der Forderung
Steuer/Nebenleistung
, mit Einschränkung vom
Ursprüngliche Höhe unbekannt, eingeschränkt auf 37,61 EUR
Unbekannt
1.137,61 EUR
Insb. Umsatzsteuer 2015
, mit Einschränkung vom
1.048,50 EUR, eingeschränkt auf 48,50 EUR
Insb. Zwangsgeld, Säumniszuschlag und Kosten
3.665,63 EUR
Insb. Umsatzsteuer 2016

Zudem liegt eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Stadt N-Stadt in unbekannter Höhe vor. Welche Forderung zugrunde liegt, ist ebenfalls nicht bekannt.

Am beantragte der Antragsteller bei der Bezirksregierung N-Stadt Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbständiger aus dem Sofortprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des Bundesprogramms „Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Soloselbständige” „NRW-Soforthilfe 2020”). In dem Antrag, auf welchen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, versicherte der Antragsteller unter anderem, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt sei und dass ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem bestanden habe.

Mit Bescheid (Billigkeitszuschuss) der Bezirksregierung N-Stadt vom wurde dem Antragsteller gemäß § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige” eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,– EUR als einmalige Pauschale bewilligt. Auf den Bewilligungsbescheid wird – insbesondere im Hinblick auf die Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sowie die zum Bescheid erlassenden Nebenbestimmungen – wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Der Betrag in Höhe von 9.000,– EUR wurde mit Wertstellung am auf dem Konto des Antragstellers bei der Sparkasse mit der IBAN xxx gutgeschrieben.

Ab Anfang April 2020 entwickelte sich ein Schriftverkehr zwischen dem Antragsteller und der Sparkasse über die Pfändung und die mögliche Freigabe der Corona-Soforthilfe. Hierin teilte die Sparkasse dem Antragsteller mit, dass der monatliche Pfändungsfreibetrag des Antragstellers 1.178,59 EUR betrage und dass eine weitergehende Auszahlung der Corona-Soforthilfe nur mit einem gesonderten Freigabebeschluss des zuständigen Vollstreckungsgerichts möglich sei.

Mit Schreiben vom beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Vollstreckungsschutz für die Corona-Soforthilfe. Zur Begründung verwies er auf einen ) und einen Beschluss des Finanzgerichts (FG) Münster vom 13.05.20020 (1 V 1286/20 AO).

Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf vollständige Freigabe des sich auf dem Konto derzeit und zukünftig befindlichen Guthabens mit Verfügung vom ab. Es bleibe dem Antragsteller unbenommen, unter Erbringung der erforderlichen Nachweise (Kontoauszüge, Kostenaufstellungen, etc.) einen Antrag auf Pfändungsschutz nach § 319 AO i.V.m. §§ 850 ff. ZPO für bestimmte Beträge zu stellen.

Der Antragsteller hat am (per unmittelbar in den Hausbriefkasten des Finanzgerichts eingeworfenen Brief) den vorliegenden Antrag gestellt. Zur Begründung trägt er vor: Ausweislich des im Bescheid vom mitgeteilten Leistungszwecks sei die Corona-Soforthilfe zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz gewährt worden. Die Einbehaltung von Mitteln zur Befriedigung von Forderungen aus der Zeit vor der Corona Pandemie sei vom Gesetzgeber nicht gestattet, was sich auch aus der aktuellen Rechtsprechung des ) und des ) ergebe.

In seiner Tätigkeit als freiberuflicher Architekt und Einzelunternehmer kooperiere er mit regionalen und überregionalen Partnern in den Sparten Architektur, Innovation und regionaler Kreislaufwirtschaft in urbanen Kontexten. Seine Arbeit sei stark wissensbasiert. Mit der Corona-Soforthilfe habe er die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz seines Unternehmens abwenden wollen. Die Beantragung der Mittel sei wegen Umsatzausfalls bedingt durch die COVID19-Krise in laufender Projekttätigkeit erfolgt. Wichtige Projekte regionaler und überregionaler Art, die mit dem komplett weggebrochen seien, könnten überwiegend nur über digitale Kommunikation weiter verfolgt und entwickelt werden. Im Sommer bzw. September 2020 stehe die Wiederaufnahme einer Innovationskooperation mit dem Ziegelkonto L-Stadt an. Ferner stehe eine wichtige Präsentation zwecks Akquisition von Investorenmitteln, Finanzierungsrunden und Etablierung einer Netzwerkzusammenarbeit in der OBR P-Stadt Businessregion an. Hierzu fänden vorbereitend über „Zoom” digitale Crowd Casts statt, zu denen er eingeladen werde und aktiv teilnehme. Die dort behandelten Themen P-Stadt Innovation District beträfen unmittelbar seine Aktivitäten auf regionaler Ebene im Rahmen der Wissenschaftsstadt N-Stadt. An den veranstalteten Zukunftsforen der Stadt N-Stadt habe er bis zum „Lockdown” regelmäßig teilgenommen. Die eventuelle Sperrung sogenannter digitaler Kommunikationsplattformen wegen nicht bedienter Verbindlichkeiten stelle für ihn, den Antragsteller, zunehmend eine akute Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz dar. Der dreimonatige Bewilligungszeitraum für die Corona-Soforthilfe laufe am aus. Der nahe Ablauf des Bewilligungszeitraums und die aufgelaufenen Verbindlichkeiten der Betriebskosten aus Miete, Nebenkosten und Kommunikationskosten, Internet und Webpräsenz mache eine Entscheidung in der Sache dringend erforderlich. Die Summe der nicht ausgezahlten Soforthilfe belaufe sich auf 6.642,82 EUR (9.000 EUR abzüglich 2 × 1.178,59 EUR).

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, im Rahmen der Pfändung seines Kontos bei der Sparkasse Münsterland Ost, IBAN: xxx bis zum Ablauf des dreimonatigen Bewilligungszeitraums die Corona-Soforthilfe in Höhe von noch 6.642,82 EUR freizugeben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.

Der Erlass einer einstweilen Anordnung setze voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund schlüssig und detailliert darlege und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür glaubhaft mache. Dies sei nicht geschehen.

Der Antragsteller habe im Antrag auf die Corona-Soforthilfe versichert, dass die für die Gewährung der Soforthilfe erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Insbesondere habe er, der Antragsteller, versichert, dass nicht bereits vor dem ein Liquiditätsengpass bestanden habe. Ausweislich der bei der Sparkasse angebrachten Pfändung- und Einziehungsverfügungen habe beim Antragsteller aber schon vor dem ein nicht unerheblicher Liquiditätsengpass vorgelegen. Ein Anspruch auf die Corona-Soforthilfe habe daher wohl nicht bestanden. Demnach sei auch kein Anordnungsanspruch im Sinne von § 114 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 258 Abgabenordnung (AO) gegeben. Die derzeit offenen Forderungen gegen den Antragsteller beliefen sich auf 7.193,95 EUR zuzüglich Auslagen und Vollstreckungskosten.

Es fehle auch an einem Anordnungsgrund.

Es sei nicht ersichtlich, in welcher Weise bei Verzicht auf die ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen die Zwangsvollstreckung durch weniger belastende Vollstreckungsmaßnahmen wirksam betrieben werden könne.

Ein Anordnungsgrund im Sinne des § 114 Abs. 1 S. 2 FGO sei im Allgemeinen nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht sei. Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen dabei über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckungsmaßnahmen zu erwarten seien.

Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrechts vom mit Wirkung zum seien eine Reihe von Erleichterungen für Schuldner ins Werk gesetzt worden, wie z.B. eine Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen wegen pandemiebedingter Mietrückstände. Insofern wäre der Antragsteller gegebenenfalls in der Lage, die ihm entstandenen bzw. entstehenden Nachteile abzuwenden. Der Antragsteller habe es, so der Antragsgegner, auch nach gezielter Aufforderung durch den Antragsgegner unterlassen, seine Ansprüche zur Behebung der existenziellen Gefährdungslage zu präzisieren. Die wirtschaftliche Notlage des Antragstellers sei damit nicht unstreitig. Der Antragsteller hätte seine laufenden Kosten und den pandemiebedingten Umsatzrückgang substantiiert darlegen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Die hilfsweise beantragte Zulassung der Beschwerde beruhe auf der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die Frage einer rechtmäßigen Pfändung trotz unrechtmäßiger Beantragung der Corona-Soforthilfe stelle sich in einer Vielzahl von Fällen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Gründe

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 S. 2 FGO ist, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren Voraussetzungen gemäß (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft macht (vgl. , BFHE 216, 38, BStBl II 2009, 839, m. w. N.).

Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine einstweilige Regelung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre (, a.a.O., m.w.N.). Es müssen daher die durch etwaige Vollstreckungsmaßnahmen ausgelösten Folgen über das hinausgehen, was typischerweise mit der Pflicht zur Steuerzahlung und deren Vollziehung verbunden ist (vgl. Gosch in Gosch, AO/FGO, § 114 FGO Rz. 49 f. m.w.N., s. auch BFH-Beschlüsse vom V S 17/02, BFH/NV 2003, 738, vom VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460 und vom VII B 226/88, BFH/NV 1990, 687; s. auch , juris).

Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Denn ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. , BFH/NV 2016, 1586; siehe zum Vorstehenden auch , zur Veröffentlichung vorgesehen).

Eine Regelungsanordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 S. 2 FGO kann überdies erlassen werden, wenn zwar nicht die Existenz des Antragstellers von der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abhängt, aber die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist. In diesem Fall steht auch der Gesichtspunkt einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen (, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716)

Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Pfändung der Corona-Soforthilfe in Höhe der noch nicht verbrauchten 6.642,82 EUR existenzgefährdende Folgen für ihn hat. Der Antragsteller hat insbesondere nicht substantiiert dargelegt, für welche aufgelaufenen oder anstehenden Betriebsausgaben aus dem Bewilligungszeitraum er die Corona-Soforthilfe benötigt. Er hat lediglich angegeben, dass er befürchte, dass digitale Kommunikationsplattformen seinen Zugang wegen nicht bedienter Verbindlichkeiten sperren könnten. Offen bleibt bei diesem Vortrag, um welche Kommunikationsplattformen es sich handelt und welche Beträge zur Verhinderung der Sperrung notwendig wären. Die diesbezüglichen Ausführungen des Antragstellers, dass im Sommer bzw. September 2020 die Wiederaufnahme einer Innovationskooperation mit dem Zielkontor L-Stadt und eine wichtige Präsentation zwecks Akquisition von Investorenmitteln, Finanzierungsrunden und Etablierung einer Netzwerk-Zusammenarbeit mit der OBR P-Stadt Businessregion anstünden, sind zu allgemein gehalten, um eine Existenzgefährdung zu erkennen. Auch der Hinweis auf vorbereitende „Crowd Casts” über „Zoom” genügt insoweit nicht zur erforderlichen Substantiierung. Insbesondere ist für den Senat nicht ersichtlich, ob und welche konkreten Kosten für den Antragsteller hieraus entstehen.

Der pauschale Hinweis auf aufgelaufene Betriebskosten aus Miete, Nebenkosten, Kommunikationskosten, Internet und Webpräsenz bleibt ebenfalls ohne weitere Erläuterungen im Hinblick auf die Existenzgefährdung und Bezifferung.

Für den Senat ist zudem nicht erkennbar, dass die Tätigkeit des Antragstellers als Architekt durch die Corona-Pandemie eingebrochen ist. Der Antragsteller hat insoweit dargelegt, dass er als freiberuflicher Architekt mit regionalen und überregionalen Partnern in der Sparte Architektur, Innovation und regionaler Kreislaufwirtschaft in urbanen Kontexten kooperiere. Seine Arbeit sei stark wissensbasiert. Zukunftsfähige urbane Lösungen benötigten neue Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit in sogenannten urbanen Innovationsdistrikten mit dem Schwerpunkt Klima, Energie, hybride Formen des Arbeitens und Wohnens bzw. intelligenter urbaner Mobilität. Ob und wie konkret die Corona-Pandemie die Einnahmen aus dieser wissensbasierten Tätigkeit im Förderzeitraum beeinträchtigt hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht erkennen, dass der Antragsteller bei Nichtauszahlung der Corona-Soforthilfe in seiner Existenz gefährdet ist. Es kommt hinzu, dass der Antragsteller nichts dazu mitteilt, ob der Versuch, eine Stundung auch der Miet- und Stromrechnungen zu erreichen, unternommen worden ist. Ferner berücksichtigt der Antragsteller in seinem Vorbringen nicht, dass mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom (BGBl I 2020, 569) mit Wirkung zum eine Reihe von Erleichterungen für Schuldner ins Werk gesetzt worden sind, wie z.B. eine Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen wegen pandemie-bedingter Mietrückstände (Art. 240 § 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen GesetzbucheEGBGB –) sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbindlichkeiten aus (sonstigen) Dauerschuldverhältnissen für Kleinstunternehmen (Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB). Hierauf hat der Antragsgegner zurecht hingewiesen (vgl. auch , zur Veröffentlichung vorgesehen).

Ferner hat der Antragsteller nicht dargelegt, inwiefern sein Umsatz durch die Corona-Pandemie eingebrochen ist. Der Senat hat angesichts dessen keinerlei Vorstellung davon, welche konkreten Umsätze der Antragsteller vor und nach Beginn der Pandemie erzielt hat, wie sich die betriebliche Situation entwickelt hat und zum derzeitigen Zeitpunkt konkret darstellt. Die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind zwischenzeitlich in weiten Teilen zurückgefahren worden. Ein öffentliches Leben findet wieder statt. Hinzu kommt, dass nach dem Kenntnisstand des Senats die Tätigkeit von Architekten (jedenfalls betreffend Bauplanung und Bauaufsicht) durch die Corona-Pandemie nicht nachhaltig unterbrochen wurde. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, dass der Antragsteller seine stark wissensbasierte Tätigkeit nicht unterbrochen, jedenfalls wieder aufgenommen hat. Eine Glaubhaftmachung der konkreten Beeinträchtigungen ist daher nicht entbehrlich.

Im Streitfall ist eine Vorwegnahme der Hauptsache auch nicht ausnahmsweise deshalb zulässig, weil ein Misserfolg des Antragstellers in der Hauptsache zweifelsfrei ausgeschlossen werden könnte. Die zugrunde liegende Rechtslage ist für den Senat noch nicht hinreichend geklärt. Dies wird für den Senat auch daran deutlich, dass der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in seiner Entscheidung vom (11 V 1541/20 AO, juris) und der 4. Senat in seiner Entscheidung vom (4 V 1584/20 AO, zur Veröffentlichung vorgesehen) jeweils die Beschwerde zum BFH zugelassen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde lässt der Senat nach § 128 Abs. 3 FGO, § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Anmerkung

ECLI:DE:FGMS:2020:0629.8V1791.20AO.00

Fundstelle(n):
EFG 2020 S. 1194 Nr. 17
OAAAH-54799