FG Köln Urteil v. - 9 K 3518/14 EFG 2018 S. 638 Nr. 8

Widerruf einer Pensionszusage als Arbeitslohn

Gestaltungsmissbrauch, Gesamtplan

Leitsatz

1) Vereinbart eine GmbH mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen Widerrufsvorbehalt zu einer Pensionszusage und wird der Widerruf im Folgejahr ausgeübt, kann kein fiktiver Zufluss von Arbeitslohn im Veranlagungszeitraum des Widerrufs angenommen werden.

2) Selbst für den Fall, dass der Widerruf einer Pensionszusage eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO darstellen sollte, hätte dies zur Folge, dass ein fiktiver Zufluss von Arbeitslohn in dem Veranlagungszeitraum anzunehmen wäre, in dem der Widerrufsvorbehalt vereinbart wurde.

3) Neben § 42 AO besteht kein Raum für ein Rechtsinstitut eines steuerschädlichen „Gesamtplans”.

Gesetze: EStG § 11 Abs 1 Satz 1, EStG § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1, AO § 42, EStG § 8 Abs 1

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Widerruf einer Pensionszusage vom beim Kläger zu einem Zufluss von steuerpflichtigem Arbeitslohn i.H.v. … € führt.

Der am … Januar 1945 geborene Kläger war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der … A GmbH – im Folgenden GmbH –.

Zu Gunsten des Klägers bestand seit den 1980er-Jahren eine Pensionszusage. Aufgrund negativer wirtschaftlicher Entwicklungen bei der GmbH wurde die Pensionszusage am neu gefasst und dabei folgende für den Rechtsstreit relevante Regelung aufgenommen:

Wir behalten uns vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn (Zitat)

„a) unsere wirtschaftliche Lage sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass uns eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, oder…”

Wegen der Einzelheiten wird auf die geänderte Pensionszusage vom verwiesen (Bl. 69 ff. der Prozessakte).

Die wirtschaftliche Entwicklung der GmbH stellte sich in den Jahren 2004 bis 2009 wie folgt dar:


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Gewinn/Verlust (-)
Kapital
Pensionsrückstellung
Bilanzielle Überschuldung
2004
2005
2007
2008
2009
€(unter Berücksichtigung der Auflösung der Pensionsrückstellung i.H.v. … €)

Zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung traf die GmbH folgende Maßnahmen:

  • • Senkung der Personalkosten 2009 in Höhe von ca. 28 % gegenüber 2008,

  • • Zuführung von … € aufgrund eines Forderungsverzichts in die Kapitalrücklage zum ,

  • • Verpfändung eines Wertpapierdepots in Höhe von ca. … € an die B-Bank gemäß Erklärung vom ,

  • • Entschluss zum Verkauf von Wertpapieren mit nachfolgender Gutschrift auf dem betrieblichen Kontokorrentkredit der B-Bank zur Senkung teurer Kontokorrentzinsen,

  • • Laufzeitverlängerung des Kontokorrentkredits bei der B-Bank.

Da die vorgenannten Maßnahmen alleine nicht ausreichten, um die bilanzielle Überschuldung der GmbH abzuwenden und eine drohende insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, widerrief die GmbH am die Pensionszusage mit Wirkung zum . Wegen der Einzelheiten wird auf die Widerrufsvereinbarung vom verwiesen (Bl. 85 der Prozessakte). Die Pensionsrückstellung i.H.v. … € löste die GmbH ertragswirksam auf. Hieraus resultiert der Gewinn des Jahres 2009 i.H.v. … €. Ohne die Auflösung der Pensionsrückstellung hätte sich für den Veranlagungszeitraum 2009 statt des Gewinns i.H.v. … € ein Verlust i.H.v. … € ergeben.

In ihrer am beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 fehlten die Angaben zu dem von der GmbH erklärten Widerruf der Pensionszusage. Entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung veranlagte der Beklagte die Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß zur Einkommensteuer. Der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den wurde für den Kläger auf … € und für die Klägerin auf … € festgestellt. Mit Einkommensteuerbescheid vom änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung und die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aus nicht streitbefangenen Gründen.

Im Veranlagungszeitraum 2012 führte der Beklagte bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Im Zuge dieser Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, der Widerruf der Pensionszusage durch die GmbH sei wegen eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 der AbgabenordnungAO – wie ein Verzicht des Klägers auf die Pensionszusage zu behandeln. Folglich liege in Höhe des werthaltigen Teils der Pensionszusage ein Zufluss von Arbeitslohn beim Kläger vor. Der auf Ebene der GmbH ausgewiesene steuerliche Ertrag sei durch die Berücksichtigung einer Einlage außerbilanziell wieder zu korrigieren.

Gegen den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den sowie den aufgrund des zuletzt genannten Bescheids geänderten Einkommensteuerbescheid 2010 legten die Kläger fristgerecht am Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom hinsichtlich der Versteuerung des Widerrufs der Pensionszusage als unbegründet zurückwies (Steuer 2009: … €; 2010:… €).

Zur Begründung führte er aus, in dem Widerruf der Pensionszusage sei eine steuerlich unangemessene Gestaltung im Sinne des § 42 AO zu sehen. Eine solche liege vor, wenn eine Gestaltung gewählt werde, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Diese Voraussetzungen lägen vor, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Zwecke nicht gebrauche, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wähle, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein solle. Eine solche Unangemessenheit der Gestaltung trete insbesondere dann zu Tage, wenn diese keinem sonstigen wirtschaftlichen Zweck diene.

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der die von ihm beherrschte Gesellschaft von einer Pensionszusage ohne Widerrufsvorbehalt befreien wolle, um hierdurch eine drohende insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, wähle als das angemessene Mittel den (gegebenenfalls teilweisen) Verzicht auf die Pensionszusage. Steuerlich werde der Verzicht in Höhe des werthaltigen Teils dann als Arbeitslohn bei dem Gesellschafter und als verdeckte Einlage bei der Gesellschaft angesetzt.

Der am vereinbarte Widerrufsvorbehalt führe zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn die Zustimmung des Gesellschafter-Geschäftsführers zum Widerrufsvorbehalt und der tatsächliche Widerruf in einem so engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, dass die Zustimmung zur Aufnahme des Vorbehalts einem Verzicht auf den Pensionsanspruch gleichkomme. Zwar diene die Aufnahme des Widerrufsvorbehalts an sich auch wirtschaftlichen Zwecken, weil hierdurch die Pensionszusage in einer wirtschaftlichen Notlage ähnlich einem mit Rangrücktritt versehenen Darlehen in einer Überschuldungsbilanz nicht erfasst werden müsse. Ein solcher wirtschaftlicher Zweck würde jedoch durch einen zeitnah ausgesprochenen Widerruf und dem damit einhergehenden vollständigen Wegfall der Pensionsverpflichtung ebenfalls erreicht. Der Kläger habe am Kenntnis über die bilanzielle Überschuldung der GmbH gehabt. Er habe die Zeitspanne zwischen der Vereinbarung des Vorbehalts und dem Ausspruch des tatsächlichen Widerrufs steuern können.

Die Zeitspanne zwischen Aufnahme des Widerrufsvorbehalts und der Erklärung des Widerrufs betrage im Streitfall nahezu ein Jahr. Das spreche zunächst gegen einen steuerschädlichen Gesamtplan. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits unmittelbar nach Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts in 2008 den Widerruf hätte aussprechen müssen. Denn die wirtschaftliche Notlage sei zu diesem Zeitpunkt zweifelsohne bereits eingetreten gewesen. Neben der bilanziellen Überschuldung sprächen hierfür die zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung getroffenen Maßnahmen. Auch wenn ein Geschäftsführer aus steuerlicher Sicht grundsätzlich darin frei sei, den Zeitpunkt des Widerrufs ab Eintritt der wirtschaftlichen Notlage und Überschuldung selbst zu bestimmen, ende der Spielraum nach der vom , BStBl 2005 II, 653, vertretenen Auffassung dann, wenn abzusehen sei, dass die zugesagte Versorgung aus den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr finanziert werden könne. Dieser Zeitpunkt habe nach Aktenlage bereits bei Aufnahme des Widerrufsvorbehalts in die Pensionszusage am vorgelegen, so dass aus steuerlicher Sicht der Widerruf bereits in 2008 und nicht erst im Dezember 2009 hätte erfolgen müssen. Das spreche insgesamt für eine unangemessene Gestaltung. Angesichts der bilanziellen Überschuldung zum und der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Finanz- und Wirtschaftskrise sei die Argumentation der Kläger, Ende 2008 sei man nicht davon ausgegangen, dass zukünftig weiterhin Verluste erwirtschaftet würden, unrealistisch. Die unangemessene Gestaltung sei mit dem Widerruf im Dezember 2009 abgeschlossen gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom verwiesen.

Hiergegen haben die Kläger am Klage erhoben, mit der sie ihr Einspruchsbegehren weiter verfolgen. Zur Begründung führen sie wie bereits im Einspruchsverfahren aus, für den Zufluss von Arbeitslohn fehle es im Streitfall bereits an einer Entlastung der GmbH durch eine Verfügung des Klägers. Dieser habe weder einseitig auf eine Pensionszusage verzichtet, noch habe eine vergleichbare vertragliche Entlastung vorgelegen. Es liege ein einseitiger Widerruf der Pensionsverpflichtung durch die GmbH vor, die zu keiner Einkommensverwendung des Klägers geführt habe. Folgerichtig fehle es an einer Einlage des Klägers in die GmbH und damit einhergehend an einer Bereicherung des Klägers, so dass ein Lohnzufluss ausscheide. Die steuerlichen Konsequenzen ergäben sich bei der GmbH, die in Höhe der Auflösung der Pensionsrückstellung i.H.v. … € zutreffend einen Gewinn ausgewiesen habe.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liege kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 Abs. 2 S. 1 AO vor. Es fehle bereits an einer ungewöhnlichen und unangemessenen rechtlichen Gestaltung, weil der Steuerpflichtige von den sich anbietenden Gestaltungsmöglichkeiten diejenige wählen dürfe, bei der die geringste Steuer anfalle. Widerrufsvorbehalte, die eine Anpassung der Pensionszusage von einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängig machten, erkenne auch die Finanzverwaltung als unschädlich an (R. 6a Abs. 4 S. 3 EStR 2012). Ein solches Vorgehen stelle keine unangemessene rechtliche Gestaltung dar. Im Vergleich zu einem Verzicht seien beide Wege unter Berücksichtigung der jeweiligen steuerlichen Auswirkungen für sich gesehen sachgerecht. Auf beiden Wegen komme es zu einer einmaligen Besteuerung der aufzulösenden Pensionsrückstellung, entweder beim Gesellschafter (Verzicht) oder der Gesellschaft (Widerruf). Vor diesem Hintergrund fehle es bereits an einer unangemessenen Gestaltung.

Darüber hinaus hätten für die Aufnahme des Widerrufsvorbehalts auch außersteuerliche Gründe vorgelegen. Die wirtschaftliche Situation der GmbH habe sich bereits seit 2007 als äußerst schwierig dargestellt. Durch die weitere negative Entwicklung 2008 sei es zu der Aufnahme des Widerrufsvorbehalts in die Pensionsvereinbarung gekommen. Ein Verzicht sei nicht ausgesprochen worden, da zunächst sämtliche Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der GmbH ausgeschöpft werden sollten. Diese wirtschaftliche Entscheidung müsse einer Gesellschaft offenstehen. Erst als auch im Folgejahr 2009 keine Besserung eingetreten sei, habe man aus wirtschaftlichen Gründen von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht.

Es liege entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten auch kein schädlicher Gesamtplan im Sinne der BFH-Rechtsprechung vor. So sei bereits fraglich, ob die Rechtsfigur des Gesamtplans auf Sachverhalte wie den vorliegenden überhaupt Anwendung finde.

Die Gesamtplanrechtsprechung sei vom BFH im Rahmen von Vergünstigungen nach den §§ 16 und 34 EStG entwickelt worden. Im Streitfall gehe es jedoch nicht um die Inanspruchnahme einer speziellen Begünstigungsvorschrift durch mehrere Einzelakte. Darüber hinaus läge auch kein schädlicher Gesamtplan vor. Um einen solchen könne es sich nur handeln, wenn ein einheitlicher wirtschaftlicher Sachverhalt aufgrund eines vorherigen zielgerichteten Plans künstlich aufgespalten werde, um eine steuerliche Vergünstigung zu erhalten. Diese Voraussetzung liege nicht vor, weil die Abwehr einer drohenden Insolvenz der GmbH für die Beteiligten im Vordergrund gestanden habe. Nach jüngster Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei ein sogenannter „Plan in Einzelakten” zulässig und regelmäßig nicht als rechtsmissbräuchliche Gestaltung anzusehen (, BStBl II 2014, 158).

Selbst wenn man den später ausgeübten Widerrufsvorbehalt – zu Unrecht – über das Vehikel des § 42 AO als Erklärung eines Verzichts beurteilen müsse, läge kein Zufluss von Arbeitslohn vor. Denn der Verzicht auf eine Pensionszusage führe dann nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn, wenn er betrieblich veranlasst sei. Von einer solchen Situation sei auszugehen, wenn der Verzicht der Vermeidung einer drohenden insolvenzrechtlichen Überschuldung der Gesellschaft diene (Heeg, DStR 2009, 567, 571; Killat, DStZ 2011, 892, 899). Diese Situation habe im Streitfall vorgelegen. Mangels Einlage in das Gesellschaftsvermögen liege in einem solchen Fall keine Bereicherung des Gesellschafters vor.

Nach Rücknahme der Klage wegen Einkommensteuer 2010 im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragen die Kläger,

den Einkommensteuerbescheid 2009 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom mit der Maßgabe zu ändern, dass der Widerruf der Pensionszusage im Veranlagungszeitraum 2009 beim Kläger nicht zum Zufluss steuerpflichtigen Arbeitslohns i.H.v. … € führt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Zustimmung zur Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts kurz vor Eintritt des Pensionsfalles sei einem Verzicht auf den Zeitpunkt der Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts gleichzusetzen. Ein Fremdgeschäftsführer hätte einer solchen Vorgehensweise nicht zugestimmt. Der Verzicht sei durch eine unangemessene steuerliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO auf ungewöhnlichem Wege umgangen worden.

Das Hilfsargument der Kläger, es liege eine betriebliche Veranlassung vor, treffe nicht zu. Von einer betrieblichen Veranlassung hätte allenfalls dann ausgegangen werden können, wenn der Anspruch des Klägers zum Zeitpunkt des Verzichts wertlos gewesen sei und auch ein fremder Geschäftsführer einem solchen Verzicht zugestimmt hätte. Der Verzicht habe demgegenüber ausschließlich gesellschaftsrechtlichen Erwägungen gedient, so dass eine betriebliche Veranlassung zu verneinen sei.

Hinsichtlich der Gesamtplan-Rechtsprechung sei darauf hinzuweisen, dass der , entschieden habe, dass diese Grundsätze auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 AO anzuwenden seien. Umfasse ein „Plan zum Verzicht auf die Pensionszusage” mehrere Teilakte, bei dem für jeden einzelnen zwar wirtschaftliche Gründe vorlägen, seien diese zur Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 S. 3 des KörperschaftsteuergesetzesKStG – entsprechend dem vorgenannten Urteil zusammenzufassen, wenn durch die einzelnen Teilakte nur ein Plan, nämlich der Verzicht auf die Pensionsanwartschaft erreicht werden solle.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind nach § 100 Abs. 1 S. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO – aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind und hierdurch die Kläger in ihren Rechten verletzen.

Zu Unrecht hat der Beklagte den Widerruf der Pensionszusage in den angefochtenen Bescheiden als Arbeitslohn des Klägers versteuert.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (u.a.) Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Hierzu kann entsprechend der Rechtsauffassung beider Beteiligten im Rahmen der Zugangsfiktion nach § 11 EStG auch der fiktive Zufluss von Arbeitslohn infolge des Verzichts auf eine Pensionszusage gehören.

Entgegen der Rechtauffassung des Beklagten kann ein solcher im Streitjahr 2009 jedoch nicht festgestellt werden. Insbesondere führen die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts am und der tatsächliche Ausspruch des Widerrufs durch die GmbH am zumindest im Streitjahr nicht zu einem Zufluss vom Arbeitslohn beim Kläger. Dabei kann es dahinstehen, ob in der zwischen dem Kläger und der GmbH gewählten Vorgehensweise ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO zu sehen ist. Ein solcher liegt vor, wenn der Steuerpflichtige eine rechtliche Gestaltung wählt, die der Steuerminderung dienen soll und die durch wirtschaftliche oder sonstige beträchtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Davon ist auszugehen, wenn die Gestaltung gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist. Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Beteiligte die Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzungen nicht gewählt hätten (; BFH/NV 2000, 601, mit weiteren Nachweisen; ). Als Rechtsfolge sieht § 42 AO in der mit Wirkung vom geltenden Fassung vor, dass sich die Besteuerung nach dem Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz richtet, wenn eine solche der Verhinderung der Steuerumgehung dient. Ansonsten entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre.

Da es im Streitfall an einem Einzelsteuergesetz fehlt, das den Missbrauch der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes mit anschließender Ausübung des Widerrufs spezialgesetzlich regelt, würde sich die Besteuerung bei Bejahung einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung nach der angemessenen rechtlichen Gestaltung richten. Das wäre – worauf der Beklagte in seiner Begründung zu Recht hinweist – der sofortige Verzicht auf die Pension im Jahr 2008 gewesen. In einem solchen Falle wäre der fiktive Zufluss des Arbeitslohns allerdings im Streitjahr 2008 erfolgt. Im Ergebnis befindet sich der Beklagte daher selbst unter der Prämisse, dass der von ihm angenommene Gestaltungsmissbrauch zu bejahen wäre, im falschen Veranlagungszeitraum.

Ein Lohnzufluss im Streitjahr 2009 kann auch nicht aufgrund eines etwaigen schädlichen Gesamtplans angenommen werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts gibt, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter einen Steuertatbestand zu subsumieren ist. Vielmehr kann – wie im Streitfall – im konkreten Einzelfall lediglich Anlass zu der Prüfung bestehen, ob die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO vorliegen oder ob eine Norm des materiellen Steuerrechts teleologisch dahingehend auszulegen ist, dass sie auf einen bestimmten Lebenssachverhalt nicht angewendet wird, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach verwirklicht ist. Grundlage der Steuerrechtsanwendung ist dabei jeweils die zivilrechtliche Gestaltung. Erfüllt diese die Voraussetzungen des § 42 AO, richtet sich der Steueranspruch nach der bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung. Anderenfalls ist das Steuergesetz auf das zivilrechtlich verwirklichte Rechtsgeschäft anzuwenden. Ein daneben bestehendes oder darüber hinausgehendes Rechtsinstitut eines „Gesamtplans” gibt es nicht (, BFH/NV 2016, 646). Da der Besteuerungstatbestand – wie oben dargelegt – im Streitjahr 2009 nicht auf § 42 AO gestützt werden kann, befände sich der Beklagte auch bei Bejahung eines schädlichen Gesamtplans im falschen Veranlagungszeitraum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 638 Nr. 8
GmbH-StB 2018 S. 227 Nr. 7
KÖSDI 2018 S. 20774 Nr. 6
OAAAG-79368