Zuschätzung nicht geklärter Einlagen
Leitsatz
Auch wenn die Betriebsprüfung laut Betriebsprüfungsbericht die Buchführung der Klägerin in formeller Hinsicht nicht beanstandet hat, durften die Betriebseinnahmen im Jahr 2007 um 15.000 EUR, im 2008 um 50.000 EUR und im Jahr 2009 um 15.000 EUR im Schätzungswege erhöht werden, da die Klägerin keine ausreichende Aufklärung hinsichtlich der Herkunft der Einlagen gegeben und ihrer Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen ist (§ 162 Abs. 2 S. 1 AO).
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Gründe
I.
Streitig ist, ob das Finanzamt die Betriebseinnahmen im Schätzungswege erhöhen durfte.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am ins Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen. Am Stammkapital der Klägerin sind J zu 49 % und Y zu 51 % beteiligt. Mit Handelsregistereintrag vom wurde X zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt, J schied als Geschäftsführer aus. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Import und Export von Waren aller Art und der Handel mit Baumaschinen und Nutzfahrzeugen, überwiegend mit Jordanien.
Im Jahr 2009 ermittelte das Landeskriminalamt wegen des Verdachts auf Geldwäsche gegen die Klägerin sowie gegen X und Y aufgrund einer Anzeige der Bank. Am war bei der Bank ein Konto sowie ein Depot lautend auf M eröffnet worden, Y und X war jeweils ebenfalls am eine Vollmacht für das Konto erteilt worden. Der Kontostand belief sich per 28. November 2008 auf 167.611,88 EUR. Die angegebene Adresse des Kontoinhabers war mit Amman in Jordanien angegeben. Die auf dem Konto eingegangenen Gutschriften erfolgten über Geldtransferunternehmen in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien, unter anderem über ABC Exchange aus Jordanien. Dieser Firma war keine Erlaubnis für das Betreiben von Bartransaktionen in Deutschland erteilt worden. Y verfügte per Barauszahlungen über das Bankguthaben. Im Einzelnen wurden von dem Konto Barauszahlungen von 100.000 EUR am , von 40.000 EUR am , von 50.000 EUR am , von 30.000 EUR am 3. September 2008, von 20.000 EUR am , von 50.000 EUR am , von 50.000 EUR am und von 50.000 EUR am vorgenommen.
Y sagte am im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung des Landeskriminalamtes aus, dass das auf dem Konto eingegangene Geld für ihren Schwager M bestimmt sei. Dieser wohne in Jordanien und habe eine Firma für Lkw- und Baumaschinenhandel in Jordanien. Jährlich komme er ungefähr drei bis vier Mal für etwa zwei bis drei Wochen nach Deutschland und kaufe – auch in anderen europäischen Ländern – gebrauchte Baumaschinen, die er anschließend in die Freihandelszone nach Jordanien exportiere. Da er nicht so viel Bargeld bei sich führen wolle, überweise er dieses auf das genannte Konto. Y hebe das Geld ab und übergebe es ihm hier. Mit der Firma ihres Schwagers habe sie ansonsten nichts zu tun, seine Firma habe in Deutschland auch keine Niederlassung.
Im Rahmen einer Außenprüfung des Finanzamts für die Jahre 2007 bis 2009 (vgl. Bericht vom ) konnte die Herkunft von vier Einlagen über insgesamt 80.000 EUR auf dem Kassenkonto (vom über 15.000 EUR „Einlage Y”, vom 2. April 2008 über 20.000 EUR „Einlage”, vom über 30.000 EUR „Einlage Y” und vom über 15.000 EUR), die als privates Darlehen bezeichnet worden waren, nach Ansicht des Prüfers nicht nachgewiesen werden, da in den vorgelegten handschriftlichen Darlehensverträgen vom über 15.000 EUR, vom über 20.000 EUR, vom über 30.000 EUR sowie über 15.000 EUR Angaben des Darlehensgebers mit Anschrift sowie Vereinbarungen über Zinsen oder Rückzahlung fehlten (vgl. e-mail des steuerlichen Vertreters der Klägerin vom und Bl. 111 ff RB-Akte). Die – unleserlich – unterzeichneten Vereinbarungen lauten wie folgt: „Ich, N übergebe Frau Y die Summe Euro … zur freien Verfügung (Darlehen)”. Die Betriebsprüfung nahm daher eine Erhöhung der Betriebseinnahmen entsprechend der Einlagen im Schätzungswege vor (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom ). Entsprechend dieser Feststellungen änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung jeweils mit Änderungsbescheid vom . Dabei wurde die Körperschaftsteuer für das Jahr 2007 mit 0 EUR festgesetzt, eine Änderung des Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2007 erfolgte nicht.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass die Darlehensbeträge aus Gründen der Währungssicherheit in Jordanien auf ein deutsches Bankkonto bei der Bank eingezahlt worden seien, über das Y verfügungsberechtigt sei. Aufgrund der Vollmacht und der Darlehensabsprache habe sie Gelder von diesem Konto abheben und verwenden können.
Der Einspruch hatte jedoch keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 17. Septem- ber 2013 wurden die Einsprüche gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 und den Gewerbesteuermessbescheid 2007 als unzulässig verworfen und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen gerichteten Klage trägt die Klägerin weiterhin vor, dass das Finanzamt die Betriebseinnahmen zu Unrecht um die Einlagen erhöht habe. Der Nachweis der Herkunft der Einzahlungen sei geführt worden, da es sich insoweit um Darlehen des Schwagers von Y, N, handle. Dieser verfüge in Deutschland nicht über ein Bankkonto, daher sei das Darlehen über das Konto seines Bruders M abgewickelt worden. N habe am bestätigt, dass er seiner Schwägerin in den Jahren 2007 bis 2009 Darlehen in Höhe von insgesamt 80.000 EUR gewährt habe, wie sich auch aus dem Darlehensvertrag vom ergebe, auf den Bezug genommen werde. Die Gelder seien nicht der Klägerin, sondern der Privatperson Y zur Verfügung gestellt worden. Dabei spiele es keine Rolle, wie der Darlehensvertrag im Einzelnen geregelt sei, da sich die Darlehensgewährung unter nahen Verwandten außerhalb des Steuerrechts im Privatbereich abspiele. Die Beträge seien teilweise am selben Tag von M´s Konto bei der Bank eG mit der Kontonummer 88900 abgehoben und Y darlehensweise gewährt worden. Diese habe die Mittel teilweise am gleichen Tag richtig im Kassenbuch als Einlage gebucht. Diese Vorgehensweise lasse sich aus den vorgelegten Kontoauszügen der Bank vom , , , und nachvollziehen.
Im Einzelnen habe sich der Sachverhalt wie folgt abgespielt: Am sei ein Betrag von 100.000 EUR vom Konto des M bei der Bank abgehoben und bar in einem Tresor verwahrt worden, um sicherzustellen, dass diesem genügend Bargeld zur Verfügung stehe, falls er nach Deutschland reisen würde, um Gerätschaften für den Familienbetrieb einzukaufen. Die Abwicklung der Geschäfte in bar sei branchenüblich. Aus diesem Tresor seien am von Y 20.000 EUR entnommen und bar in die Gesellschaft eingelegt worden, so dass noch 80.000 EUR im Tresor verblieben seien. Von diesem Barguthaben habe M ebenfalls am einen Betrag von 50.000 EUR entnommen, so dass im Tresor noch ein Betrag von 30.000 EUR verblieben sei. Am sei ein Betrag von 50.000 EUR vom Konto des M abgehoben und in den Tresor gelegt worden (Inhalt des Tresors nunmehr 80.000 EUR). Y habe aus dem Tresor am einen Betrag von 30.000 EUR entnommen und diesen Betrag bar als Einlage eingezahlt. Im Tresor verblieb noch ein Betrag von 50.000 EUR, von dem jedoch Y erneut 15.000 EUR als Darlehen entnommen und in bar als Einlage in die Gesellschaft eingezahlt habe. Somit sei ein Betrag von 35.000 EUR als Reserve für den Schwager verblieben. Insgesamt habe Y 80.000 EUR als Darlehen aus dem Privatvermögen ihres Schwagers erhalten und in die Gesellschaft eingelegt. Auch die Einlage vom über 15.000 EUR habe aus privaten Mitteln des Schwagers gestammt und sei Y bar übergeben worden. Von versteckten Gewinneinnahmen der Klägerin könne daher nicht die Rede sein. Bereits in den Besteuerungszeiträumen, die dem Prüfungszeitraum vorangegangen seien, habe Y immer wieder Einlagen aus privaten Darlehen ihres Schwagers getätigt. Das Finanzamt habe diese Vorgehensweise nie beanstandet.
Im Übrigen habe Y bereits seit dem Vollmacht für das Konto ihres Schwagers bei der Bank gehabt. Es sei ihr gestattet gewesen, nach Absprache mit ihrem Schwager sowie einem weiteren Bruder vereinbarte Privatdarlehen in Anspruch zu nehmen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide zur Körperschaftsteuer 2007 bis 2009, zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum , zum und zum , zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 und 38 KStG zum , zum und zum , zum Gewerbesteuermessbetrag 2008 und 2009 sowie zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den , . und jeweils vom 25. Juni 2012 und die Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass im Jahr 2007 keine Betriebseinnahmen in Höhe von 15.000 EUR, im Jahr 2008 keine Betriebseinnahmen in Höhe von 50.000 EUR und im Jahr 2009 keine Betriebseinnahmen in Höhe von 15.000 EUR berücksichtigt werden und den der Besteuerung zugrunde gelegten Gewinn entsprechend herabzusetzen bzw. die festgestellten Besteuerungsgrundlagen entsprechend anzupassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt es vor, dass die Vereinbarungen zwischen Y und ihrem Schwager unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten nicht anerkannt werden könnten, da sie insbesondere einem Fremdvergleich nicht standhielten. Durch die Einlage befänden sich die streitigen Zahlungen im Betriebsvermögen. Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestünden für einen Steuerpflichtigen erhöhte Mitwirkungspflichten bei außergewöhnlichen Gestaltungen, beispielsweise der Einzahlung hoher Barbeträge auf betriebliche Konten. Diesen Pflichten komme die Klägerin jedoch nicht nach.
Den im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszügen der Bank könne lediglich entnommen werden, dass nach Abzug von 100 EUR Entgelt ein Betrag von 99.900 EUR dem Konto 0000192400 BLZ 50040000 gutgeschrieben worden sei. Die Bankleitzahl sei der Commerzbank zuzuordnen. Die Kombination aus der Bankleitzahl und der Kontonummer sei jedoch nach Kontonummernüberprüfung ungültig. Im Übrigen könne mit den vorgelegten Kontoauszügen keine Verbindung zu den von Y vorgenommenen Einlagen hergestellt werden. Die bloße Vorlage von fünf Kontoauszügen und die dazu abgegebene Schilderung seien nicht geeignet, die erhöhte Mitwirkungspflicht und eine erhöhte Beweisvorsorge als erfüllt anzusehen. Hinzu komme, dass das Konto bei der Bank auf M laute, die vereinbarten Darlehen jedoch nach den handschriftlichen Verträgen von N zur Verfügung gestellt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst der vom Kläger vorgelegten Anlagen, insbesondere den Darlehensvertrag vom sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
II.
1. Die Klage gegen den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2007 vom ist mangels Beschwer der Klägerin i.S. des § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig, da die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag darin jeweils mit „0” festgesetzt worden sind und die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags am 29. Dezember 2008 abgegeben wurde (vgl. , BFH/NV 2005, 1739 und vom X R 87/92, BFH/NV 1996, 545, jeweils m.w.N). Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Streitfall ausnahmsweise unzutreffend zugrunde gelegte Besteuerungsgrundlagen eine Rechtsverletzung auslösen könnten (vgl. dazu Seer in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz. 56 ff).
2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Das Finanzamt durfte die Betriebseinnahmen im Jahr 2007 um 15.000 EUR, im Jahr 2008 um 50.000 EUR und im Jahr 2009 um 15.000 EUR im Schätzungswege erhöhen und die Steuerfestsetzung entsprechend ändern.
Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat grundsätzlich die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. , BFH/NV 2012, 1921 m.w.N.).
Zu schätzen ist jedoch auch dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Dabei ist der Steuerpflichtige nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei ungeklärten Bareinzahlungen auf betriebliche Konten bzw. in die Kasse wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die Mittel herkommen, verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Gelingt ihm dies nicht, so darf dies dahin gewürdigt werden, dass die ungeklärten Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen, und zwar auch dann, wenn hinsichtlich der Quelle der fraglichen Mittel keine Aufzeichnungspflichten bestehen (vgl. , BFH/NV 2013, 1065 m.w.N). Da der Steuerpflichtige selbst durch die Einlagebuchung seine privaten Vermögensverhältnisse mit der betrieblichen Sphäre verknüpft hat, besteht insoweit eine weitreichende Dokumentationsobliegenheit über die Quellen des privaten Vermögens (, BFH/NV 2013, 1065). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH darf die Einlagebuchung als Teil der betrieblichen Buchführung wie jeder andere Buchungsvorgang auf seine Richtigkeit überprüft werden. Das bedeutet, dass das Finanzamt und das Finanzgericht sich vergewissern dürfen, ob die als Einlage gebuchten Beträge tatsächlich aus dem Privatvermögen stammen oder in Wahrheit betriebliche Einnahmen vorliegen, die als solche, verbunden mit einer Privatentnahme, hätten verbucht werden müssen.
Im Rahmen dieser Überprüfung hat der Steuerpflichtige nach § 90 Abs. 1 Satz 1 AO mitzuwirken. Außerdem trifft den Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO für Vorgänge, die sich im Ausland ereignet haben, eine besondere Mitwirkungspflicht. Er hat solche Vorgänge aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen und hierbei alle für ihn bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Er darf solche Möglichkeiten nicht nur nicht vereiteln, sondern muss bei der Gestaltung seiner (insbesondere rechtlichen) Verhältnisse Beweisvorsorge treffen und sich insoweit erforderliche Nachweismöglichkeiten vertraglich sichern (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 90 AO Tz 26, m.w.N.). Er kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. § 90 Abs. 2 AO gilt im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend (§ 76 Abs. 1 S. 4 FGO). Die Verletzung der gesteigerten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO ist vom Gericht frei zu würdigen (vgl. , BStBl II 1988, 438).
Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, so kann das Finanzamt – und ihm folgend das Gericht – zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Insbesondere dann, wenn sich die Mitwirkungspflicht auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht, kann das Finanzamt aus der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen für ihn nachteilige Schlussfolgerungen ziehen. Es ist der Sinn des § 90 Abs. 2 AO, dass der Steuerpflichtige den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das Finanzgericht allein nicht aufklärbaren Sachverhaltes tragen soll (vgl. , BStBl II 2011, 884 und vom X R 16/86, BStBl II 1989, 462).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze bestehen gegen die Schätzungsbefugnis des Finanzamts keine Bedenken. Auch wenn die Betriebsprüfung laut Betriebsprüfungsbericht vom die Buchführung der Klägerin in formeller Hinsicht nicht beanstandet hat, durften die Betriebseinnahmen im Jahr 2007 um 15.000 EUR, im 2008 um 50.000 EUR und im Jahr 2009 um 15.000 EUR im Schätzungswege erhöht werden, da die Klägerin keine ausreichende Aufklärung hinsichtlich der Herkunft der Einlagen gegeben und ihrer Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen ist (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Da die Klägerin vorgetragen hat, dass die als Einlage gebuchten Beträge aus Darlehen von Schwägern der Gesellschafterin Y aus Jordanien stammen, bezieht sie sich auf einen Sachverhalt, der außerhalb der deutschen Besteuerungshoheit verwirklicht wurde. Ihr obliegt daher eine besondere Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO. Während des Ermittlungsverfahrens des Bayerischen Landeskriminalamts, des Einspruchsverfahrens und im finanzgerichtlichen Verfahren wurden jeweils unterschiedliche Schilderungen dargelegt, so dass der Vortrag der Klägerin insgesamt nicht nachvollziehbar und glaubwürdig ist.
So hat die Gesellschafterin der Klägerin, Y, im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landeskriminalamt am ausgesagt, dass die auf das Konto bei der Bank eingezahlten Gelder für ihren Schwager M für dessen Wareneinkäufe in Deutschland bestimmt seien und sie die Gelder abhebe und an diesen weiterreiche. Es war jedoch keine Rede davon, dass es sich dabei um Geldmittel handelt, die ihr zur eigenen Verfügung gestellt worden sind. Außerdem hat Y in diesem Zusammenhang nicht erklärt, dass sie insoweit auch über Geldbeträge verfügen kann, die ihr darlehensweise von N überlassen worden seien.
Abweichend von den Aussagen vor dem Landeskriminalamt am wurde im Rahmen der Außenprüfung und nachfolgend im Einspruchsverfahren erstmals N als Geldgeber genannt, der laut der nunmehr vorgelegten handschriftlichen Darlehensvereinbarungen die Geldbeträge an Y „in bar” übergeben habe. In Widerspruch dazu steht der ebenfalls im Einspruchsverfahren erbrachte Vortrag im Schreiben vom , wonach die Gelder aus dem Ausland auf das Konto bei der Bank eingezahlt worden seien und Y die Beträge wegen ihrer Bankvollmacht abheben konnte. Die – laut Darlehensvereinbarung – erfolgte Übergabe der Gelder „in bar” vom Darlehensgeber auf den Darlehensnehmer und die Abhebung von Geldbeträgen durch den Darlehensnehmer vom Konto des Darlehensgebers – laut Erklärung im Einspruchsverfahren – stellen nochmals vollkommen unterschiedliche Darstellungen des streitigen Sachverhalts dar.
Auch der im Klageverfahren erfolgte Vortrag anhand der Vorlage des Darlehensvertrages vom , dass am ein Betrag von 100.000 EUR vom Konto bei der Bank abgehoben und bar in einem Tresor verwahrt worden war und Y selbst, also ohne Beisein von N, aus diesem Tresor jeweils Beträge in Höhe der Einlagen geholt habe, trägt nichts zur Aufklärung der Herkunft der Einlagen bei, sondern erschüttert als weitere Variante des angeblichen Hergangs die Glaubwürdigkeit des Vortrags der Klägerin. Den im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszügen der Bank kann außerdem lediglich entnommen werden, dass diesem Konto nach Abzug von 100 EUR Entgelt ein Betrag von 99.900 EUR gutgeschrieben worden sei. Eine Verbindung der Kontoauszüge zu den Einlagen kann nicht hergestellt werden, zumal das Konto bei der Bank auf M lautet, die vereinbarten Darlehen jedoch nach den handschriftlichen Verträgen von N zur Verfügung gestellt worden sein sollen.
Insgesamt kann die tatsächliche Herkunft der Mittel nicht nachvollzogen werden. Die vorgetragenen Erklärungen sind nicht einmal ansatzweise geeignet, die im Kassenbuch verbuchten Einlagen zu belegen. Die Klägerin hat den behaupteten Zusammenhang zwischen der Einlage und der darlehensweisen erfolgten Überlassung der Beträge nicht klar und eindeutig nachgewiesen und die nach § 90 Abs. 2 AO bestehenden Pflichten daher verletzt. Da der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar ist, konnte das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht zum Nachteil der Klägerin von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe der Klägerin und ihrer Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Es entspricht dem Sinn des § 90 Abs. 2 AO, dass der Steuerpflichtige den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das Finanzgericht allein nicht aufklärbaren Sachverhaltes tragen soll. Es bestehen daher keine Bedenken dahingehend, die Einlagen in Höhe von 15.000 EUR (2007), 50.000 EUR (in 2008) und 15.000 EUR (in 2009) im Rahmen der Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO als nicht erklärte Betriebseinnahmen zu werten. Dies ist im Hinblick auf die täglichen Bargeschäfte, wie sie bei dem Handel mit gebrauchten Fahrzeugen stattfinden, auch eine Annahme, die nicht der Lebenserfahrung widerspricht.
3. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass auch in den Jahren, die den streitigen Besteuerungszeiträumen vorangegangen sind, von Y Einlagen getätigt und entsprechend gebucht, jedoch vom Finanzamt nicht beanstandet worden seien. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muss das Finanzamt vielmehr in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine irrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat (, BFH/NV 1994, 698).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 10/2016 S. 467
OAAAF-71280