Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes des Kindes bei jährlich neunmonatigem Drittlandsaufenthalt in Begleitung der Mutter zum Schulbesuch
Leitsatz
1. Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Ausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt.
2. Für das Innehaben einer Wohnung im Inland ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für fehlende Inlandsaufenthalte abzustellen. Entsprechend kommt es für die Frage der Wohnsitzbeibehaltung auch nicht auf die große Entfernung zwischen Schul- bzw. Studienort und der im Inland genutzten Wohnung und die damit verbundene lange Reisedauer an.
3. Hält sich ein Kind in Begleitung der Mutter mehrere Jahre im Ausland (hier: Pakistan) auf, um dort die Schule zu besuchen, und verbringen beide jeweils die dreimonatigen Sommerferien gemeinsam mit der Familie in der inländischen Familienwohnung, behält das Kind seinen inländischen Wohnsitz bei und die Kindergeldberechtigung bleibt erhalten.
Gesetze: EStG § 62 Abs. 2, AO § 8
Instanzenzug: Verfahren Urteil Urteil
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kindergeldberechtigung bei längerem ausländischem Schulbesuch der Kinder unter dem Gesichtspunkt, ob diese noch ihren Wohnsitz in Deutschland hatten oder es sich nur noch um Besuchsaufenthalte handelte, mit der Besonderheit, dass die Mutter mit den Kindern zusammen im Ausland war und die Mutter und die drei jüngeren Kinder in den dreimonatigen Sommerferien regelmäßig zusammen nach Deutschland kamen, wo sich der Vater und der ältere Bruder aufhielten.
I.
Die. geborene Klägerin und ihr. geborener Ehemann sind pakistanische Staatsangehörige. Ihre vier in E. geborenen und aufgewachsenen Kinder sind deutsche Staatsangehörige: F. (Sohn, geboren …), B. (Tochter, geboren …), C. (Sohn, geboren …) und D. (Sohn, geboren …). Die drei älteren Kinder besuchten zunächst in E. die Schule.
Der Ehemann der Klägerin erwarb im Dezember 2003 eine Eigentumswohnung in der G.-straße (4 Zimmer, ca. 87 m², FG-A Bl. 115), die später zu einer Wohnung mit drei großen Zimmern umgebaut wurde. Die Klägerin und ihre Ehemann erwarben ferner im März 2007 ein zu errichtendes Einfamilienhaus von einem Bauträger im späteren H.straße (6 Zimmer, ca. 200 m², FG-A Bl. 113, 117 ff.). Der Ehemann verfügt ferne infolge Erbschaft über ein Haus in I. (Pakistan) mit sechs Schlafzimmern, Wohnzimmer und Fernsehzimmer.
In der Familie war schon früher im Gespräch gewesen, ob die Kinder nicht eine englischsprachige Schule besuchen sollten, nachdem schon der ältere Sohn J. des Ehemannes der Klägerin aus dessen erster Ehe in England die Schule besuchte, wo auch dessen Mutter lebt. Eine Aufnahme in die britische Schule in E. konnte nicht erreicht werden. Letztlich entschied die Familie zum Sommer 2010, dass die Kinder die britische Schule in I. besuchen sollten, zumal die Familie dort über ein Haus und in der Umgegend über Verwandte verfügte und die dortige britische Schule einen guten Ruf genoss. Der. geborene ältere Sohn war jedoch zu diesem Zeitpunkt in seiner deutschen Schullaufbahn schon so weit vorgerückt, dass ein Wechsel auf die britische Schule in I. nicht mehr sinnvoll erschien, so dass dieser in E. blieb und nur die drei jüngeren Kinder die dortige Schule besuchen sollten. Da den Kindern die dortige Schule gefiel, blieben sie letztlich dann für sechs bzw. sieben Jahre dort. C. kam im Sommer 2016 endgültig zurück nach E., B. und D. und die Klägerin im Sommer 2017.
Die Klägerin, die Mutter der Kinder, lebte mit diesen zusammen in I.. Der Ehemann der Klägerin kam mindestens einmal jährlich, gelegentlich auch zweimal, dorthin für ca. einen Monat. Er war in E. selbständig tätig, die Besuche in I. hingen daher von seiner Arbeit ab und waren dementsprechend unregelmäßig. Der ältere Sohn kam nur selten, in der ganzen Zeit vielleicht zweimal, nach I..
Die Ferien in Pakistan dauern im Sommer drei Monate von Anfang Juni bis Ende August und im Winter von Weihnachten bis Mitte Januar. Die Klägerin und die drei jüngeren Kinder flogen regelmäßig zusammen Anfang Juni nach E. und Anfang September zurück nach I.. Während der (kurzen) Winterferien blieb man in I..
Ausnahmsweise blieb B. im Sommer 2016 in I., weil sie dort zwei Praktika absolvierte (Krebskrankenhaus und Waisenhaus), sich außerdem für abschließende Prüfungen vorbereiten musste. Die Praktika wurden von der dortigen Schule vermittelt, was für sie mit weit weniger Aufwand verbunden war als wenn sie sich aus der Ferne in E. Praktikumsstellen gesucht hätte, außerdem war es absehbar ihr letztes Jahr in I..
Im Einfamilienhaus in der H.-straße hatten bzw. haben alle Kinder ihr eigenes Zimmer, ebenso im Haus in I. die Kinder, die dort zur Schule gingen. In der Wohnung in der G.-straße schlief der jüngste, damals noch kleine Sohn im Zimmer der Eltern, die älteren drei mussten sich ein großes Zimmer teilen, in dem jedoch jeder ein eigenes Bett, einen Teil eines großen Schrankes und einen eigenen Bereich hatte. Die Familie hat einen engen Zusammenhalt, so dass das dort enge Zusammenleben nicht zu Problemen führte.
Die Familie wohnte von 2003 bis September 2008 in der G.-straße und zog dann, nach Fertigstellung, in das Einfamilienhaus in der H.-straße um. Da die Klägerin und drei der vier Kinder ab Sommer 2010 für neun Monate jedes Jahr in Pakistan waren, wäre das Haus in dieser Zeit nur vom Ehemann und dem ältesten Sohn bewohnt worden. Allein für diese beiden erschien das Haus dann zu groß, so dass im Dezember 2009 der Rückumzug in die Wohnung in der G.-straße erfolgte und das Haus vermietet wurde, was auch finanziell günstiger war als umgekehrt. Die Wohnung war zwar räumlich knapp, wenn alle da waren, für die jeweils drei Monate im Sommer erschien dies der Familie jedoch in Ordnung. Im Jahr 2012 musste die Wohnung in der G.-straße verkauft werden. Da das Haus noch vermietet war, bezog die Familie von März 2012 bis November 2014 übergangsweise eine Mietwohnung im K.-weg (2 ½ Zimmer, 68 m²). Nachdem die Mieter das Einfamilienhaus in der H.-straße verlassen hatten, zog die Familie im November 2014 erneut in dieses, wo sie heute noch lebt.
Die Kinder hatten einige Sachen dauerhaft in Pakistan, einige dauerhaft in E. und einige nahmen sie jeweils dahin mit, wo sie sich gerade aufhielten, so insbesondere Bücher und Laptop, die Tochter ihre Gitarre. In E. blieben ein Teil der Kleidung, z. B. die Sachen für den deutschen Winter, die aufgrund des Klimas in Pakistan nicht gebraucht werden, überhaupt ein Teil der Kleidung, wie z. B. Jeans, da in den Schulen in Pakistan Schuluniformen zu tragen sind, so dass die Kinder dort weniger Kleidung benötigten, die Tochter außerdem traditionelle Kleidung tragen musste, also ohnehin andere Kleidung benötigte, und ein Teil der Bücher, außerdem blieben Fahrrad bzw. Roller in E. und einige Kuscheltiere sowie ein Teil des Spielzeugs.
Der Ehemann der Klägerin beantragte jeweils bei der Außenstelle bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, für die drei jüngeren Kinder eine Befreiung von der Schulbesuchspflicht, die jeweils für ein Schuljahr erteilt wurde und deren Verlängerung jährlich unter Vorlage der Bescheinigung der ausländischen Schule zu beantragen war. Der Schulbehörde war der ausländische Schulbesuch daher im Einzelnen bekannt.
II.
In der Kindergeldakte findet sich eine ausländische Schulbescheinigung erstmals im Zusammenhang mit einem Antrag anlässlich einer Vorsprache am , was dann zu Nachfragen und letztlich mit Bescheid vom zur Aufhebung und Rückforderung des lange zuvor gewährten Kindergeldes für die drei jüngeren Kinder ab August bzw. Oktober 2010 führte. Die zunächst auch für noch frühere Zeiträume für B. und C. ausgesprochenen Aufhebungen wurden durch spätere Änderungsbescheide wieder zurückgenommen, nachdem deren damaliger Schulbesuch in E. dargetan war. Die verbleibende Rückforderung beläuft sich auf insgesamt 39.810 EUR.
Gegen die auf fehlenden Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gestützten Rückforderungsbescheide vom legte die Klägerin am Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Familienkasse nicht bekannt, dass auch die Mutter in Pakistan lebte, wenn die Kinder dort waren, und die Reisepässe mit den Stempeln von den pakistanischen Grenzkontrollen waren noch nicht vorgelegt worden. Zur Begründung wurde in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, die Kinder hätten keinen Wohnsitz in Deutschland mehr gehabt. Dafür hätten die Kinder sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend in Deutschland aufhalten müssen, was nicht nachgewiesen worden sei. Nur kurze Aufenthalte von wenigen Wochen reichten als bloße Besuchsaufenthalte nicht aus.
III.
Am erhob die Klägerin Klage.
Sie ist der Auffassung, ihre Kinder, die in Pakistan zur Schule gingen, hätten weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland gehabt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß (FG-A Bl. 1-2),
die Aufhebungsbescheide, alle vom und in Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung vom , bezüglich Kindergeld für die Kinder B. (insoweit auch geändert mit Bescheid vom ), C. (insoweit auch geändert mit Bescheid vom ) und D. aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Familienkasse ist weiterhin der Auffassung, ein inländischer Wohnsitz der Kinder habe nicht vorgelegen. Sie bestreitet zwar nicht mehr, dass die Kinder regelmäßig die gesamten Sommerferien über (mit Ausnahme von B. im Sommer 2016) in E. waren. Sie verweist aber auf die insgesamt lange Dauer (sechs bzw. sieben Jahre) und insbesondere auf den Umstand, dass die Familie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch in Pakistan ihre deutsche Wohnverhältnisse bewusst verkleinert habe, was Zweifel wecke, ob die jüngeren Kinder noch ihren Wohnsitz in E. gehabt hätten. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – betreffe im Übrigen nur den Fall, dass allein das Kind im Ausland (zwecks Schulbesuch oder Studium) aufhältlich sei, nicht jedoch den hier gegebenen Fall, dass auch ein Elternteil mit ins Ausland komme und damit quasi zwei Familienwohnsitze, einer im Inland und einer im Ausland, entstünden, weswegen die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts angeregt werde. Die Meldung des ausländischen Schulbesuchs an die Familienkasse sei zumindest leichtfertig unterlassen worden, so dass auch für die Jahre 2010 bis 2012 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
IV.1.
Der Berichterstatter hat im Erörterungstermin am die Klägerin persönlich gehört und den Ehemann der Klägerin sowie die Kinder F. und B. gemäß § 79 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – als Zeugen vernommen. Auf das Protokoll (FG-A Bl. 207 ff) wird Bezug genommen. Die Originale der Reisepässe der Kinder mit den pakistanischen Sichtvermerken wurden eingesehen und ebenfalls erörtert.
2.
Im Anschluss an die Erörterung haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (FG-A Bl. 216).
3.
Die Kindergeldakte (drei Bände) lag vor.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
I.
Denn die drei Kinder, die in Pakistan zur Schule gingen, hatten im Rückforderungszeitraum auch in Deutschland einen Wohnsitz (§ 8 Abgabenordnung – AO –), die Klägerin war daher für sie kindergeldberechtigt.
1.
Die Kinder hatten auch in den jeweils neun Monaten des Jahres, in denen sie in Pakistan waren, die jederzeitige Möglichkeit, in der jeweiligen Wohnung bzw. dem Haus in E., wo ganzjährig ihr Vater und ihr älterer Bruder waren, zu übernachten, dort war für sie stets ein eigenes Bett bereit, und sie hatten die Absicht, von dieser Möglichkeit regelmäßig, nämlich während der drei Monate der Sommerferien, Gebrauch zu machen.
Dass sie in der Zeit von Dezember 2009 bis November 2014 in E. dabei ein Zimmer teilen mussten, ist unschädlich. Eine Mindestgröße ist nicht vorgeschrieben, solange die Eignung zum Wohnen nicht beeinträchtigt ist. In Deutschland war es in den 1960er Jahren noch verbreitet, dass Kinder sich ein Zimmer teilen mussten, und selbst in den 1970er Jahren war dies nicht ungewöhnlich.
2.
Für Kinder, die auswärts studieren oder zur Schule gehen und in der elterlichen Wohnung noch ein Zimmer behalten, hat der BFH wiederholt darauf hingewiesen, dass diese nicht zwingend ihren Wohnsitz in der elterlichen Wohnung behalten, sondern es sich dabei auch nur um das Vorhalten eines Zimmers für bloße Besuchszwecke handeln kann.
a)
Speziell für im Ausland studierende oder zur Schule gehende Kinder, die in der Wohnung ihrer Eltern in Deutschland ein Zimmer behalten, hat der BFH in seinen Urteilen vom III R 10/14 und vom III R 38/14 Kriterien aufgestellt. Danach gilt zusammenfassend Folgendes:
Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Ausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt. Für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes im Hause der Eltern bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten reichen nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche regelmäßig nicht aus. Dies ist bei lediglich kurzzeitigen Aufenthalten –zwei bis drei Wochen pro Jahr– nach der Lebenserfahrung der Fall. Für die Beibehaltung eines Wohnsitzes sind die tatsächlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf subjektive Momente oder Absichten entscheidend.
In die Zusammenschau der tatsächlichen Umstände für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes sind die Unterbringung am Ausbildungsort und in der elterlichen Wohnung, die persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits einzubeziehen. Ein Abstellen auf die Herkunft der Eltern und das Heimatland des Kindes hat hingegen zu unterbleiben.
Für das Innehaben einer Wohnung im Inland ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die fehlenden Inlandsaufenthalte abzustellen. Entsprechend kommt es für die Frage der Wohnsitzbeibehaltung auch nicht auf die große Entfernung zwischen Studienort und der im Inland genutzten Wohnung und die damit verbundene lange Reisedauer an.
Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung schließen lassen, obliegt im Wesentlichen dem FG; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist nur begrenzt überprüfbar.
b)
Bei Anwendung dieser Kriterien kommt der Senat unter Würdigung aller Umstände zu dem Schluss, dass die drei jüngeren Kinder (wie übrigens auch die Klägerin selbst) durchgehend einen Wohnsitz in E. hatten. Insbesondere haben sie die dreimonatigen Sommerferien regelmäßig zur Gänze für einen Aufenthalt in E. genutzt. Sie waren nicht nur für zwei oder drei Wochen hier. Hinzu kommt ergänzend, dass der Aufenthalt in Pakistan von vornherein nur für die Zeit des Schulbesuchs gedacht und eine dauerhafte Auswanderung zu keiner Zeit beabsichtigt war. Alle drei setzen ihre Ausbildung derzeit in E. fort, bzw. hofft die Tochter auf Zuteilung eines Studienplatzes. Die Kinder haben ihre sozialen Beziehungen in E. auch nie aufgegeben, vielmehr, nicht zuletzt mithilfe sog. „sozialer Medien”, wenn auch naturgemäß in geringerem Umfang als wenn sie das ganze Jahr über in E. gelebt hätten, fortgeführt.
Entgegen der Ansicht der Familienkasse führt die zielgerichtete Verkleinerung der Wohnverhältnisse in E. anlässlich des Beginns der ausländischen Ausbildung nicht zu einer anderen Beurteilung. Es kann einer Familie schließlich nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sparsam wirtschaftet und für die drei Monate im Jahr zusammenrückt, um durch Vermietung des Hauses eine höhere Miete zu erzielen als es durch Vermietung der Wohnung möglich gewesen wäre. Der Senat sieht, dass die Wohnverhältnisse in I. damit in den ersten Jahren (2010 bis 2014) großzügiger waren als die in E.. Unter Beachtung der Lebensumstände der Familie, die enges Zusammenleben gewohnt war, kommt dem jedoch keine nennenswerte Bedeutung zu. Schließlich wollte die Familie ab 2014 dann doch lieber auch in E. in ihrem Einfamilienhaus wohnen, nachdem die Kinder auch alle älter geworden waren und die Wohnung daher auch für nur drei Monate im Jahr doch zu klein.
c)
Der Senat sieht nicht, warum sich an der Würdigung und Einordnung etwas ändern sollte, weil ein Elternteil mit im Ausland aufhältlich ist. Der Vater und der ältere Bruder waren weiterhin in E., die Familie hatte hier ein Familienheim. Anderes mag gelten, wenn die gesamte Familie im Ausland lebt, so dass sich dann mehr noch die Frage stellt, ob es sich nur noch um gemeinsame Besuchsaufenthalte in Deutschland handelt. Bei nur einem Elternteil, der mit im Ausland lebt, besteht für eine abweichende Würdigung hingegen kein Anlass.
d)
Der Senat merkt an, dass wohl auch kein deutsches Finanzamt in der gegebenen Konstellation Bedenken gegen die unbeschränkte Steuerpflicht der Klägerin und der drei jüngeren Kinder entwickelt hätte. Hätten die Klägerin oder eines der Kinder in Deutschland beispielsweise ein Sparkonto gehabt und dort Zinsen in den Sparer-Pauschbetrag überschreitender Höhe erzielt, wären sie mit dem Wunsch, solche Einkünfte aus Kapitalvermögen als in Deutschland nicht steuerbar zu behandeln, weil sie ja nur drei Monate im Jahr und damit nur besuchsweise in der allein dem Vater und dem älteren Bruder gehörenden Wohnung aufhältlich seien und deswegen auch keine Abgeltungssteuer zahlen müssten, vermutlich erfolglos geblieben.
II.
Die Frage, ob die Klägerin es leichtfertig unterlassen hat, die Familienkasse von der ausländischen Ausbildung dreier Kinder zu unterrichten, stellt sich damit nicht mehr. Sie wäre aber – mit der Folge der Stattgabe der Klage für die Jahre 2010 bis 2012 schon wegen Festsetzungsverjährung – zu verneinen, falls der Anspruch auf Kindergeld nicht bestanden hätte.
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten den ausländischen Schulbesuch jedenfalls der Schulbehörde offenbart. Sie hatten keine Tendenz, diesen zu verheimlichen. Sie hatten auch zuletzt der Familienkasse – offensichtlich nicht problembewusst und unbefangen – eine ausländische Schulbescheinigung für ein Kind vorgelegt. Vorsatz scheidet daher aus.
Für eine leichtfertige, also nach den persönlichen Fähigkeiten grob fahrlässige Unterlassung einer Mitteilung wäre jedoch die Erkenntnis der Entscheidungsrelevanz des nicht mitgeteilten Umstandes für die Fortdauer des Kindergeldanspruchs erforderlich. Es kann, in Anbetracht der Komplexität der Rechtsprechung zur Beibehaltung des Wohnsitzes mit Einzelfallwürdigung, jedenfalls nicht als grob fahrlässig gesehen werden, von einer Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes auszugehen und nicht auf die Idee zu kommen, dass trotz dreimonatigem Aufenthalt in jedem Sommer der inländische Wohnsitz vielleicht als aufgegeben angesehen werden und deswegen der ausländische Schulbesuch mitteilungsbedürftig sein könnte. Ist aber die Nichterkenntnis der Relevanz nicht leichtfertig, ist es die Unterlassung der Mitteilung auch nicht.
III.1.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2. Alt. 1 FGO, zugelassen. Der BFH soll Gelegenheit erhalten, zur Frage Stellung zu nehmen, ob sich an den bereits entwickelten Kriterien für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes etwas ändert, wenn ein Elternteil mit dem Kind im Ausland lebt.
2.a)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
b)
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
3.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten, § 90 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GStB 2019 S. 81 Nr. 3
NAAAG-97492