FG München Urteil v. - 1 K 311/16 EFG 2019 S. 615 Nr. 8

Verschiedene Tätigkeitsbereiche als Teilbetriebe einer Arztpraxis

Leitsatz

1. Im Hinblick auf die Eigenart der selbstständigen Arbeit, insbesondere das Abstellen auf die persönliche Betätigung, kann bei Teilen einer freiberuflichen Praxis die erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten in den Teilpraxen mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden-(Patienten-)kreisen erstreckt (1. Fallgruppe), oder bei gleichartiger Tätigkeit in den Teilpraxen in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).

2. Ob die wesensmäßig verschiedenen ärztlichen Tätigkeitsbereiche „Praxis für Allgemeinmedizin” und „Prüf-arzttätigkeit für Medikamentenstudien” eine hinreichende organisatorische Selbstständigkeit aufweisen, so dass die Veräußerung der Praxis für Allgemeinmedizin eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung darstellt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.

3. Im Streitfall wurde die Selbstständigkeit verneint, weil für die beiden Tätigkeitsbereiche weder getrennte Gewinnermittlungen erstellt worden sind noch sonstige Umstände wie z.B. eine räumliche Trennung oder der Einsatz besonderen Personals die organisatorische Selbstständigkeit hinreichend verdeutlicht haben.

Gesetze: EStG § 18 Abs. 3, EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Instanzenzug: Verfahren

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Gründe

I.

Streitig ist, ob der von der Klägerin im Streitjahr 2009 erzielte Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung ihrer Arztpraxis als (Teil-)Praxisveräußerung nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 bis 4 sowie § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung (EStG) ermäßigt zu besteuern ist.

Die steuerlich vertretenen Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie waren mit jeweils eigener Arztpraxis im Rahmen einer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit jeweils hälftiger Beteiligung betriebenen Praxisgemeinschaft (GbR 2007) selbstständig tätig, der Kläger als Facharzt für … bis zum Jahr 2008 und die Klägerin als Fachärztin für Allgemeinmedizin (Allgemeinarzttätigkeit) bis zum Streitjahr 2009; die Klägerin war zusätzlich als Prüfärztin für Medikamentenstudien (Testung von noch nicht zugelassenen Medikamenten) selbstständig tätig (Prüfarzttätigkeit). Über die GbR 2007 erfolgte der wirtschaftliche Betrieb der beiden Arztpraxen der Kläger, insbesondere die Anmietung und Einrichtung der Praxisräume sowie die Einstellung des Personals.

Der Kläger hat seine Arztpraxis für … und seinen Hälfteanteil an der GbR 2007 zum … 2008 an … (M) verkauft. Ab diesem Zeitpunkt erzielte der Kläger nur noch geringe Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus ärztlicher Vertretungstätigkeit und führte die Klägerin eine entsprechende Praxisgemeinschaft mit M (GbR 2008) fort. Mit Vertrag vom … 2008 (Veräußerungsvertrag 2008) veräußerte die Klägerin ihre Praxis für Allgemeinmedizin (Praxis Klägerin) und ihren Hälfteanteil an der GbR 2008 für einen Kaufpreis i.H.v. … EUR zum … 2009 (Veräußerung 2009) an … (E), …. E hatte bereits zuvor, zunächst im Rahmen ihrer Ausbildung zur Fachärztin, seit dem … als angestellte Sicherstellungsassistentin, nahezu drei Jahre in der Praxis Klägerin gearbeitet und führte die fragliche Gemeinschaftspraxis mit M fort (GbR 2009; in der Folge erweitert durch Eintritt eines dritten Arztes). Die Prüfarzttätigkeit der Klägerin war von den Regelungen des Veräußerungsvertrags 2008 ausdrücklich ausgenommen. Ab dem … 2009 erzielte die Klägerin

  • • Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als in der von E (weiter-)geführten Praxis für Allgemeinmedizin teilzeitbeschäftigt angestellte Ärztin sowie

  • • Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus ihrer weiterhin in den Räumlichkeiten der GbR 2009 ausgeübten Prüfarzttätigkeit (ab dem Jahr 2010 nur noch eingeschränkt als freie Mitarbeiterin für die Arztpraxis von E).

In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 vom … erklärten die Kläger u.a. jeweils mit Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Einkünfte der Klägerin aus

  • • selbstständiger Arbeit aus ihrer bis zum … 2009 im Rahmen ihrer Praxis Klägerin selbstständig ausgeübten Allgemeinarzttätigkeit i.H.v. … EUR unter Berücksichtigung eines

    • ○ (unstreitigen) laufenden Verlustes i.H.v. … EUR sowie eines

    • ○ sich aus der Veräußerung ihrer Praxis Klägerin ergebenden Veräußerungsgewinns (Veräußerungsgewinn 2009) i.H.v. insgesamt … EUR, welcher hiernach gemäß § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern sei und bei dessen Ermittlung sie

      • ▪ einen (der Höhe nach unstreitigen) Gewinn aus der Entnahme eines Arbeitszimmers i.H.v. … EUR,

      • ▪ einen Gewinn aus der Entnahme eines PKW i.H.v. … EUR (Entnahmegewinn Pkw) sowie

      • ▪ einen (der Höhe nach unstreitigen) Gewinn aus der Veräußerung ihrer Praxis Klägerin sowie der hälftigen Praxisgemeinschaft 2008 i.H.v. … EUR

      angesetzt hatten; in den Erläuterungen zu dieser Einnahmeüberschussrechnung führte die Klägerin u.a. aus, dass der überwiegende Teil der Praxiskosten bei der Praxisgemeinschaft 2008 erfasst worden sei und in der Einnahmeüberschussrechnung nur die Kosten berücksichtigt worden seien, die in ihrer Praxis Klägerin angefallen und von ihr allein getragen worden seien; sowie aus

  • • selbstständiger Arbeit aus ihrer im Streitjahr 2009 weiterhin selbstständig ausgeübten Prüfarzttätigkeit in (unstreitiger) Höhe von … EUR; als Betriebsausgaben berücksichtigte die Klägerin hierbei Aufwendungen i.H.v. … EUR, wovon der weitaus überwiegende Teil i.H.v. …EUR auf Aufwendungen für

    • ○ Patientenentschädigungen i.H.v. … EUR,

    • ○ freie Mitarbeit durch E i.H.v. … EUR

    • ○ Beratungskosten i.H.v. …EUR sowie für

    • ○ Umsatzsteuer i.H.v. … EUR

    entfiel.

Die genannten Patientenentschädigungen seien als jeweiliger Aufwandsersatz an die Personen gezahlt worden, welche jeweils als Probanden an den Studien teilgenommen hätten (Probanden), welche die Klägerin im Rahmen ihrer Prüfarzttätigkeit durchgeführt habe.

Bis zum Jahr 2008 seien diese Entschädigungszahlungen jeweils von den Firmen erstattet worden, welche die jeweiligen Studien in Auftrag gegeben hätten (Studienauftraggeber).

Hinsichtlich ihrer hälftigen Beteiligung an der GbR 2008 wurde für die Klägerin mit gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 vom …2011 ein Verlust i.H.v. … EUR festgestellt.

Der Beklagte (das Finanzamt) veranlagte diese Einkommensteuererklärung der Kläger für 2009 erklärungsgemäß bzw. unter nicht streiterheblichen Abweichungen mit dem nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid für 2009 über Einkommensteuer vom … 2011, mit dem eine Einkommensteuer i.H.v. … EUR festgesetzt wurde.

Im Jahr 2012 führte das Finanzamt … bei den Klägern eine Außenprüfung betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 durch; auf den über diese Prüfung verfassten Bericht vom … 2012 (Bericht) wird verwiesen. Der Bericht gelangte u.a. zu dem Ergebnis, dass der Veräußerungsgewinn 2009 der Klägerin (ermittelt in nunmehr unstreitiger Höhe von … EUR) nicht lediglich ermäßigt gemäß § 34 Abs. 3 EStG, sondern als laufender Gewinn zu besteuern sei; auch wenn die Klägerin mit ihren jeweils selbständig ausgeübten Tätigkeiten als Allgemeinärztin sowie als Prüfärztin zwei verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt habe, läge im Hinblick auf die Praxis Klägerin kein eigener und entsprechend steuerlich begünstigt veräußerbarer Teilbetrieb vor.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Berichts und erließ am … 2013 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009, der eine Einkommensteuer i.H.v. … EUR festsetzte; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Gegen diesen geänderten Bescheid für 2009 legten die Kläger mit Faxschreiben vom … 2013 fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen die Kläger u.a. auf folgende Punkte:

Hinsichtlich des Veräußerungsgewinns 2009 sei erklärungsgemäß der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, da es sich bei der veräußerten Praxis Klägerin um einen selbstständigen Betrieb gehandelt habe. Mit dem Veräußerungsvertrag 2008 habe die Klägerin alle wesentlichen Betriebsgrundlagen – insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter wie Patientenstamm (Patientenstamm Klägerin) und Praxiswert – in einem einheitlichen Vorgang auf E entgeltlich übertragen und damit ihre freiberufliche Tätigkeit als Allgemeinärztin insgesamt und vollständig beendet.

Zumindest sei die vorliegende Veräußerung der Praxis Klägerin als tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung zu beurteilen. Die von der Klägerin fortgeführte Prüfarzttätigkeit stehe dem nicht entgegen, da mit der Allgemeinarzt- bzw. der Prüfarzttätigkeit der Klägerin zwei wesensverschiedene und organisatorisch getrennt voneinander ausgeübte Tätigkeiten der Klägerin vorgelegen hätten.

Den Probanden seien ihre jeweiligen Termine jeweils ausschließlich und ohne Einbindung des von der jeweiligen GbR beschäftigten Personals unmittelbar von der Klägerin bzw. der von ihr unterbeauftragten E (als „Co-Investigator”) mitgeteilt worden. Die Probanden hätten ausschließlich den ebenfalls ausschließlich für die Prüfarzttätigkeit genutzten Raum (Prüfarztzimmer) in der Praxis Klägerin genutzt und seien „teilweise” nicht auch Patienten in der Praxis Klägerin gewesen. Im Zusammenhang mit der Prüfarzttätigkeit seien die Versichertenkarten der Probanden nicht eingelesen worden.

Ihre Prüfarzttätigkeit habe die Klägerin „häufig außerhalb der Sprechzeiten der allgemeinen Praxis” ausgeübt.

In den Jahren vor 2009 seien lediglich im Zusammenhang mit einer im Jahr 2007 durchgeführten Studie von der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Prüfarzttätigkeit zwei Mitarbeiterinnen (Mitarbeiterinnen 2007) nichtselbstständig beschäftigt worden; diese seien jeweils im Zeitraum zwischen 18:00 und 24:00 Uhr tätig gewesen.

Überdies habe die Klägerin in den Jahren vor 2009 jeweils getrennte Gewinnermittlungen für ihre beiden ärztlichen Tätigkeiten durchgeführt.

Die für die Annahme von zwei Teilbetrieben der Klägerin – aufgrund ihrer beiden unstreitig wesensfremden Tätigkeiten – lediglich erforderliche organisatorische Selbstständigkeit beider Bereiche sei gegeben, da insoweit

  • • eine eindeutige räumliche Trennung und eine eindeutige Trennung der jeweils verwendeten (Untersuchung-)Geräte sowie

  • • darüber hinaus (jedenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 2007 und damit zum Zeitpunkt der Veräußerung der Praxis Klägerin) sogar getrennte Gewinnermittlungen

gegeben seien. Bei den Probanden und dem Patientenstamm Klägerin handele es sich um wesensverschiedene und ohne weiteres voneinander zu trennende Personengruppen.

Die jeweils getrennte Ermittlung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für die beiden ärztlichen Tätigkeiten der Klägerin ergäben sich auch aus ihren Umsatzsteuererklärungen, nachdem lediglich für ihre umsatzsteuerpflichtige Prüfarzttätigkeit entsprechende Vorsteuerbeträge ermittelt und geltend gemacht worden seien, nicht jedoch für ihre umsatzsteuerfreie Allgemeinarzttätigkeit.

Die jeweiligen Betriebseinnahmen der Klägerin aus ihrer Allgemeinarzt- bzw. ihrer Prüfarzttätigkeit seien auf zwei verschiedene Bankkonten geflossen.

Im Gegensatz zu den Betriebseinnahmen sei es hinsichtlich der Betriebsausgaben nunmehr nicht mehr möglich, „eine nachvollziehbare Zuordnung zu der Allgemeinarztpraxis einerseits und der Prüfarzttätigkeit andererseits zu dokumentieren”; dies gelte auch im Hinblick auf die Zahlung der durch die Prüfarzttätigkeit verursachten – geringen – Betriebsausgaben. Trotz dieser „Nachweisprobleme auf der Betriebsausgabenseite” lägen für beide Tätigkeiten der Klägerin separat erstellte Gewinnermittlungen vor. Die Personalkosten für die im Jahr 2007 im Zusammenhang mit der Prüfarzttätigkeit nichtselbstständig beschäftigten Mitarbeiterinnen 2007 seien offensichtlich bei der Praxis Klägerin verbucht worden.

Im Zeitpunkt der Veräußerung der Praxis Klägerin sei lediglich der in einem vorgelegten Grundriss der Arztpraxis der Klägerin als Prüfarztzimmer markierte Raum unmittelbar gegenüber der Eingangstür für ihre Prüfarzttätigkeit genutzt worden; im Jahr 2010 habe eine Umstrukturierung und ein Umbau der Räumlichkeiten der GbR 2009 zu einer Verlegung des für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin genutzten Raumes geführt.

Das Prüfarztzimmer sei bis zur Veräußerung der Praxis Klägerin „von dem Mietverhältnis der Praxisgemeinschaft umfasst” worden; seit diesem Zeitpunkt sei die Klägerin „Kostenträgerin der anteiligen Miete” für den von ihr für ihre Prüfarzttätigkeit genutzten Raum. Aus einer exemplarisch vorgelegten Prüfvereinbarung vom … ergebe sich die organisatorische Trennung der Prüfarzttätigkeit der Klägerin gegenüber ihrer Allgemeinarzttätigkeit.

Hinsichtlich der ausschließlichen Nutzung des Prüfarztzimmers für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin habe eine mündliche Vereinbarung zwischen ihr und der jeweiligen Praxisgemeinschaft bestanden.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom … 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung verwies das Finanzamt im Wesentlichen darauf, dass die Veräußerung der Praxis Klägerin nicht die Voraussetzungen einer lediglich nach dem ermäßigten Steuersatz zu besteuernden Teilbetriebsveräußerung erfüllen würde. Zwar handele es sich bei der Allgemeinarzttätigkeit der Klägerin bzw. ihrer Prüfarzttätigkeit um wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten. Es lägen jedoch weder unterschiedliche Kunden-(Patienten)kreise noch organisatorisch selbstständige Teilpraxen vor. Getrennte Gewinnermittlungen für ihre Prüfarzttätigkeit habe die Klägerin

  • • bis zum Veranlagungszeitraum 2006 nicht und

  • • für die Jahre 2007 bis 2009 lediglich unvollständig im Hinblick auf die jeweiligen Betriebsausgaben

vorgenommen; so seien etwa die auf das für ihre Prüfarzttätigkeit genutzte Zimmer in den von der GbR 2008 angemieteten Räumlichkeiten entfallenden Aufwendungen für Miete, Reinigung und Unterhalt als wesentlicher Kostenfaktor nicht als Betriebsausgaben erfasst worden, ebenso wenig die für die Mitarbeiterinnen 2007 angefallenen Lohnkosten. Die Betriebseinnahmen der Klägerin aus ihrer Prüfarzttätigkeit hätten bereits wegen deren Umsatzsteuerpflicht getrennt aufgezeichnet werden müssen. Im Übrigen seien auch die genannten getrennten Gewinnermittlungen für die Jahre 2007 und 2008 erst nach Abschluss des Veräußerungsvertrages 2008 erstellt und beim Finanzamt eingereicht worden.

Hiergegen richtet sich die von den Klägern mit Faxschreiben vom … 2016 fristgerecht erhobene Klage, mit der sie weiterhin die Besteuerung des Veräußerungsgewinnes 2009 lediglich mit dem ermäßigten Steuersatz begehren. Zur Begründung verweisen die Kläger im Wesentlichen und z.T. sinngemäß auf ihr bisheriges Vorbringen sowie auf folgende Punkte:

Das Prüfarztzimmer sei lediglich für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin und somit nicht gemischt genutzt worden.

Ihre Praxis Klägerin bzw. ihre Allgemeinarzttätigkeit stelle einen Teilbetrieb dar, den sie mit dem Veräußerungsvertrag 2008 an E veräußert habe. Ihre beiden freiberuflichen Tätigkeiten seien wesensfremd und organisatorisch selbstständig ausgeübt worden. Ihre Prüfarzttätigkeit habe sie ausschließlich im Prüfarztzimmer unter allenfalls vernachlässigbarer Nutzung des Personals und der Logistik der Praxis Klägerin ausgeübt.

Ihre jeweiligen Rechtsverhältnisse

  • • zu den Probanden, welche sie jeweils im Rahmen ihrer Prüfarzttätigkeit aufgrund ihres jeweiligen Vertragsverhältnisses mit dem Studienauftraggeber betreut habe, bzw.

  • • zu den Patienten, welche sie jeweils im Rahmen ihrer Allgemeinarzttätigkeit aufgrund ihres jeweiligen Behandlungsvertrages mit diesen behandelt habe,

seien nicht miteinander vergleichbar. Zudem seien „auch Probanden von den Sponsoren … rekrutiert” worden.

Es habe nur ein Patientenstamm existiert, nämlich derjenige der Praxis Klägerin, und dieser sei mit dem Veräußerungsvertrag 2008 vollständig auf E übertragen worden.

An jeder der von der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2008 durchgeführten Studien hätten sowohl Patienten ihrer Allgemeinarztpraxis als auch praxisfremde Probanden teilgenommen. Zum Beweis hierfür benennen die Kläger zwei ehemalige Probanden, … (Zeuginnen NW) als Zeugen, welche nicht auch Patienten der Allgemeinarztpraxis der Klägerin gewesen seien.

Die jeweiligen Probanden der von ihr in den Jahren 2005 bis 2010 durchgeführten Studien habe die Klägerin jeweils u.a. durch Durchsicht der Patientenkartei der Praxis Klägerin (Patientenkartei Klägerin) ermittelt; im Jahr 2009 habe E an sämtlichen Medikamentenstudien mitgewirkt. Daneben seien Probanden durch Zeitungsanzeigen, Aushänge in einer Apotheke, Mund-zu-Mund-Propaganda und aus dem Bekanntenkreis geworben worden.

Wie viele der an den in den Jahren 2005 bis 2010 von der Klägerin durchgeführten Studien teilnehmenden Probanden auch Patienten ihrer Allgemeinarztpraxis gewesen seien, sei nicht mehr bestimmbar; der Anteil habe immer zwischen 50 % und 80 % gelegen.

Die von der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2008 im Rahmen ihrer Prüfarzttätigkeit abgeschlossenen Prüfvereinbarungen hätten standardmäßig jeweils eine Regelung beinhaltet, wonach die Kranken- und Patientenakten der jeweiligen Probanden auch vom jeweiligen Monitor eingesehen werden mussten. Dies sei nur in den Fällen relevant geworden, in denen Vorerkrankungen der Probanden existiert und diese einen Hausarzt gehabt hätten. Ggf. vorhandene Patientenakten praxisfremder Probanden seien beim jeweiligen Hausarzt angefordert worden. Zum Beweis hierfür benennen die Kläger jeweils E als Zeugin.

In den Jahren 2006 bis 2008 seien im Hinblick auf die Prüfarzttätigkeit der Klägerin jeweils

  • • lediglich die Betriebseinnahmen gesondert ermittelt worden (was bereits durchgehend im Hinblick auf die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen erforderlich gewesen sei),

  • • nicht jedoch auch jeweils sämtliche auf diese Tätigkeit entfallenden Betriebsausgaben.

Hinsichtlich der der Klägerin in diesen Jahren jeweils insgesamt entstandenen Betriebsausgaben sei eine ordnungsgemäße Zuordnung/Aufteilung zu

weder vorgenommen worden noch nachträglich möglich.

Ab Ende des Jahres 2007 bis zum Jahr 2010 sei E im Rahmen der Prüfarzttätigkeit der Klägerin jeweils als von dieser unterbeauftragter Subinvestigator tätig gewesen; dementsprechend sei eine Einsichtnahme in die Patientenkartei der von E fortgeführten Praxis Klägerin auch nach dem … 2009 ohne weiteres möglich gewesen. Außerdem habe die Klägerin E vom … 2008 bis zum … 2008 halbtags als Sicherstellungsassistentin im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses in ihrer Praxis Klägerin nichtselbständig beschäftigt.

Die Mitarbeiterinnen 2007 seien vom … 2007 bis … 2008 an zahlreichen Tagen jeweils von 18 bis 24 Uhr im Prüfarztzimmer tätig gewesen.

In den Jahren 2007 bis 2009 sei das Prüfarztzimmer ausschließlich für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin genutzt worden. Zum Beweis hierfür benennen die Kläger E als Zeugin.

Der auf die Prüfarzttätigkeit entfallende Anteil der gesamten Betriebseinnahmen der Klägerin habe im Jahr 2006 … % betragen und im Jahr 2007 … %. Für das Jahr 2008 ergibt sich aus den von den Klägern vorgelegten Einnahmeüberschussrechnungen ein entsprechender rechnerischer Anteil i.H.v. … %.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2009 vom … 2013 und der Einspruchsentscheidung vom … 2016 die Einkünfte der Klägerin aus selbstständiger Arbeit aus Veräußerungsgewinnen i.H.v. … EUR lediglich mit dem ermäßigten Steuersatz von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 18 Abs. 3 EStG zu versteuern und die Einkommensteuer für 2009 entsprechend auf … EUR herabzusetzen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das Finanzamt im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Auf die gerichtliche Anordnung vom … 2017 und die Stellungnahme der Kläger hierzu vom … 2017 wird verwiesen.

Das Gericht erhob Beweis durch die Vernehmung von …, als Zeugin

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Bezug genommen.

Gründe

II.

1. Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den der Höhe nach im vorliegenden Klageverfahren zutreffend unstreitigen Veräußerungsgewinn der Klägerin aus der Veräußerung der Praxis Klägerin zutreffend weder als Betriebs- noch als Teilbetriebsveräußerung lediglich dem ermäßigten Steuersatz unterworfen.

a) Veräußerungsgewinne bei den betrieblichen Einkunftsarten werden als außerordentliche Einkünfte nur dann begünstigt versteuert, wenn es sich um Veräußerungsgegenstände i.S. der §§ 14, 14a Abs. 1, 16, 17 und 18 Abs. 3 EStG handelt (§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG). Als solche kommen – abgesehen von dem Sonderfall der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (§ 17 EStG) – nach der Grundregelung des § 16 Abs. 1 EStG, der die Vorschrift über die Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (§§ 14, 14a Abs. 1 EStG) sowie die Veräußerung des der selbständigen Arbeit dienenden Vermögens (§ 18 Abs. 3 EStG) nachgebildet worden sind, bei Einkünften aus selbständiger Arbeit nur in Betracht: der ganze Betrieb, ein Teilbetrieb und der Anteil eines Mitunternehmers. Die Anwendung der Tarifbegünstigung setzt danach voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden; denn eine Zusammenballung liegt nicht vor, wenn dem Veräußerer noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum aufgedeckt werden (vgl. Bundesfinanzhof – , juris).

b) Die im vorliegenden Streitfall zu beurteilende Veräußerung 2009 erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Veräußerung eines Vermögens, das der selbstständigen Arbeit dient i.S. des § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 bis 4 sowie § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG, in Gestalt eines ganzen Betriebes.

aa) Veräußerung freiberuflichen Vermögens ist dessen entgeltliche Übertragung auf einen anderen Rechtsträger, wobei die wesentlichen Grundlagen der selbständigen Tätigkeit auf den Erwerber übergehen müssen, damit eine begünstigungsfähige Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG angenommen werden kann. Die wesentlichen Grundlagen insbesondere der freien Berufstätigkeit bestehen oft nicht in körperlichen Wirtschaftsgütern, sondern in immateriellen Wirtschaftsgütern (Mandantenstamm, Praxiswert). Nur wenn diese immateriellen Wirtschaftsgüter mit übertragen werden, liegt eine Veräußerung des gesamten der Tätigkeit dienenden Vermögens vor (vgl. , BFH/NV 2003, 773). Der Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG besteht allein darin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven von der progressiven Einkommensbesteuerung auszunehmen (vgl. , BFH/NV 2001, 333, m.w.N.).

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung steht die teilweise Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis im unmittelbaren Anschluss an die Betriebsveräußerung einer begünstigten Praxis- oder Teilpraxisveräußerung nur dann nicht entgegen, wenn dies nur in einem geringen Umfang von 10 % der früher jährlich erzielten Einnahmen geschieht (vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 18 EStG, Rz. 321, m.w.N.). Entsprechend ist eine Tätigkeit von geringem Umfang nur anzunehmen, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten (vgl. etwa , BFH/NV 2009, 756, m.w.N.) oder der Wert der nicht übertragenen Betriebsgrundlagen weniger als 10 % der durchschnittlichen Jahreseinnahmen aus den drei Veranlagungszeiträumen vor der Betriebsveräußerung ausmacht (vgl. , BFH/NV 2001, 1561).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfüllt die Veräußerung 2008 nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer lediglich ermäßigt zu besteuernden Veräußerung eines ganzen Betriebes.

aaa) Dies ist vorliegend jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin zum … 2009 nicht ihre gesamte – bis zu diesem Zeitpunkt in Gestalt sowohl der Allgemeinarzttätigkeit als auch der Prüfarzttätigkeit ausgeübte – freiberufliche Tätigkeit in vollem Umfang aufgegeben hat. Vielmehr hatte sie die von ihr auch ausgeübte Prüfarzttätigkeit im Veräußerungsvertrag 2008 ausdrücklich ausgenommen und sich somit deren weitere Ausübung ausweislich auch des tatsächlichen weiteren Ablaufes vorbehalten.

Zwar hätte sie ihre im Rahmen der Praxis Klägerin ausgeübte (und unstreitig zum … 2009 beendete) Allgemeinarzttätigkeit auch ohne die fragliche Prüfarzttätigkeit betreiben können, es kommt jedoch nicht darauf an, wie die Klägerin ihr – gesamtes – Unternehmen hätte betreiben können, sondern darauf, wie es betrieben worden ist (vgl. hierzu auch , BFH/NV 2005, 879, wonach der Beitrag, den ein Eigenlabor zum Geschäftswert einer Zahnarztpraxis leistet, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis gehört).

bbb) Die von der Klägerin nicht aufgegebene Prüfarzttätigkeit ist auch – soweit ersichtlich unstreitig – nicht unwesentlich i.S. der dargelegten Rechtsprechung des BFH. Aus der von ihr über den … 2009 hinaus fortgeführten Prüfarzttätigkeit erzielte sie in den Jahren 2006 bis 2008 jeweils (z.T. deutlich) mehr als 10 % ihrer jeweiligen Jahreseinnahmen.

c) Die Veräußerung und Übertragung der Praxis Klägerin zum … 2009 erfüllt auch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für eine lediglich ermäßigt zu besteuernde Veräußerung eines Teilbetriebes.

aa) Gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 bis 4 und § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG kann ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn entstehen, wenn ein freiberuflich Tätiger einen der selbständigen Arbeit dienenden Anteil am Vermögen, das seiner selbständigen Arbeit dient, veräußert oder in einem entsprechenden selbständigen Teilbereich seine Tätigkeit aufgibt.

aaa) Eine derartige Teilpraxisveräußerung bzw. -aufgabe setzt in Anlehnung an den Begriff des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisatorisch in sich geschlossenen und für sich lebensfähigen Teil der Gesamtpraxis voraus. Dabei kann im Hinblick auf die Eigenart der selbstständigen Arbeit, insbesondere das Abstellen auf die persönliche Betätigung bei Teilen einer freiberuflichen Praxis, die erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit (vgl. , BFHE 208, 173, BStBl II 2005, 208; Beschluss vom VIII B 172/07, juris)

  • • entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten in den Teilpraxen mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden-(Patienten-)kreisen erstreckt (1. Fallgruppe),

  • • oder bei gleichartiger Tätigkeit in den Teilpraxen in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).

Übt ein Freiberufler zwei wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten aus, setzt die Annahme zweier Teilpraxen gleichwohl das Vorliegen einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile voraus. Die Ausübung wesensmäßig unterschiedlicher Tätigkeiten indiziert nicht das Vorliegen organisatorisch selbständiger Praxisteile. Auch insoweit bedarf es jedenfalls einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile. Ob ein Betriebs- bzw. Praxisteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse – beim Veräußerer/Aufgebenden – zu entscheiden (vgl. , BFH/NV 2005, 31).

bbb) Ob die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer sich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebenden Betätigung dienen und als Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden, und zwar nach den Verhältnissen beim Veräußerer und nicht beim Empfänger. Bei dieser Gesamtwürdigung sind die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Abgrenzungsmerkmale – z.B. räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eigener Wirkungskreis, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation – zu beachten. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb (vgl. , BFH/NV 2016, 209, zu Gewerbebetrieb).

ccc) Eine Teilbetriebsveräußerung setzt begrifflich voraus, dass der Gesamtbetrieb vor der Veräußerung zumindest noch über einen weiteren Teilbetrieb verfügt. Anderenfalls kommt keine Teilbetriebs-, sondern eine Betriebsveräußerung in Betracht. Liegen trotz gemeinsamer Nutzung einer wesentlichen Betriebsgrundlage Teilbetriebe vor – z.B. ein Gebäudeteil wird als Gaststätte, der andere als Lebensmittelhandel genutzt –, ist eine Teilbetriebsveräußerung nur dann gegeben, wenn das Grundstück – zumindest anteilig – mitveräußert wird. Eine Teilbetriebsveräußerung liegt auch dann vor, wenn die gemeinsam genutzte wesentliche Betriebsgrundlage insgesamt mit übertragen wird. Die Teilbetriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG setzt zwar voraus, dass vor der Veräußerung ein weiterer Teilbetrieb vorhanden war, nicht aber, dass auch das zurückbehaltene Vermögen ein Teilbetrieb sein muss. Das Erfordernis der anteiligen Mitveräußerung gilt auch, wenn die zurückbehaltene wesentliche Betriebsgrundlage weitaus überwiegend vom Restbetrieb genutzt wird (vgl. Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG, Rzn. 150, 154, m.w.N.).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfolgte mit Abschluss und Durchführung des Veräußerungsvertrages 2008 entgegen dem Klagevorbringen auch keine Teilbetriebsveräußerung der Klägerin, was grundsätzlich auch bei der Veräußerung von Arztpraxen möglich ist (vgl. etwa , BFHE 208, 173, BStBl 2005, 208, zur Veräußerung der allgemeinmedizinischen Praxis durch einen Allgemeinmediziner, der zugleich Betriebsarzt ist; , juris). Die von der Klägerin bis zum … 2009 in der Praxis Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Allgemeinärztin erfüllt nicht die dargelegten Voraussetzungen für einen entsprechenden Teilbetrieb im Rahmen ihrer gesamten, ihre beiden Tätigkeiten als Allgemeinärztin und als Prüfärztin umfassenden freiberuflichen Tätigkeit; zum Zeitpunkt des Abschlusses des Veräußerungsvertrages 2008 bzw. am … 2009 bestanden nicht zwei von der Klägerin im Rahmen ihrer gesamten selbständigen Arbeit betriebene Teilpraxen Praxis Klägerin bzw. Prüfarzttätigkeit.

aaa) Zwar handelt es sich bei diesen beiden Tätigkeiten der Klägerin um zwei (insoweit unstreitig) wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten. Diese beiden Tätigkeiten betrafen auch jeweils unterschiedliche Kunden-(Patienten-)Kreise, zum einen die Patienten der Praxis Klägerin und zum anderen die Studienauftraggeber. Die somit im Streitfall vorliegenden wesensmäßig unterschiedlichen Tätigkeiten indizieren jedoch nicht das Vorliegen organisatorisch selbständiger Praxisteile. Auch insoweit bedarf es jedenfalls einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile, welche im Streitfall nach dem insoweit maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse bei der Klägerin – und damit für den Zeitraum bis zum … 2009 – nicht gegeben ist.

bbb) An einer nach den dargelegten Grundsätzen erforderlichen, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse bei der Klägerin hinreichenden organisatorischen Verselbstständigung der beiden fraglichen, von der Klägerin im Rahmen ihrer gesamten freiberuflichen Tätigkeit bis zum … 2009 unterhaltenen Praxisteile mangelt es vorliegend deshalb, weil insoweit

  • • weder getrennte Gewinnermittlungen durchgeführt worden sind,

  • • noch sonstige Umstände die organisatorische Selbstständigkeit der beiden Teilbereiche hinreichend deutlich machen.

(1) Im Streitfall liegen keine getrennten Gewinnermittlungen der Klägerin für ihre beiden selbständig ausgeübten Tätigkeiten vor. Unstreitig hat die Klägerin zwar jedenfalls in den Jahren 2006 bis 2009 ihre jeweiligen Betriebseinnahmen jeweils getrennt aufgezeichnet. Hinsichtlich ihrer jeweiligen Betriebsausgaben erfolgt jedoch ebenfalls unstreitig keine entsprechend ordnungsgemäße Aufteilung bzw. vollständig getrennte Aufzeichnung; insbesondere fehlt etwa im Rahmen der Prüfarzttätigkeit der Klägerin jeweils jedwede Berücksichtigung der Raumkosten (etwa Miet-, Neben-, Reinigungs- und Wartungskosten) sowie ein vollständiges Anlageverzeichnis mit Abschreibung der beweglichen Wirtschaftsgüter und im Veranlagungszeitraum 2007 wurden überdies die Personalkosten für die Mitarbeiterinnen 2007 bei der Praxis Klägerin verbucht. Zudem wurde – nach den von den Klägern nicht bestrittenen Feststellungen des Finanzamts – jedenfalls verschiedentlich im Zusammenhang mit der Prüfarzttätigkeit der Klägerin angefallene Betriebsausgaben über das Bankkonto beglichen, auf welches ihre Betriebseinnahmen aus ihrer Allgemeinarzttätigkeit geflossen sind.

(2) Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. , BFH/NV 2005, 31) eine getrennte Gewinnermittlung dann nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Teilbetriebs (Teilpraxis), wenn andere Umstände, wie die räumliche Trennung oder der Einsatz besonderen Personals, die organisatorische Selbständigkeit hinreichend deutlich werden lassen. Auch daran fehlt es jedoch im Streitfall.

(a) Auch wenn der Klagevortrag, wonach das Prüfarztzimmer in den Jahren 2007 bis 2009 (bis zum … 2009) jeweils ausschließlich für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin genutzt wurde, von E im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bestätigt wurde, kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass dieser Raum lediglich Teil der Praxisräumlichkeiten war, welche jeweils von der (zuletzt) GbR 2008 angemietet worden waren. Dementsprechend kann von einer eindeutigen räumlichen Trennung der beiden selbstständig ausgeübten Tätigkeiten der Klägerin bereits im Hinblick darauf nicht die Rede sein, als das Prüfarztzimmer nur über den gemeinsamen Eingangsbereich der fraglichen Praxisräumlichkeiten erreichbar war. Zudem war dieser Raum auch mangels einer eigenständigen Versorgung und eigener Sanitäreinrichtungen bereits nicht selbstständig für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin nutzbar; ein entsprechender Bedarf (insbesondere an Sanitäreinrichtungen) bestand ersichtlich von Seiten der Klägerin, der in den Jahren 2007 und 2008 häufig über einen jeweils längeren Zeitraum im Prüfarztzimmer tätigen Mitarbeiterinnen 2007, E (soweit sie insoweit von der Klägerin beauftragt worden war), den ebenfalls jeweils über einen nicht unerheblichen Zeitraum anwesenden Monitoren sowie – nach der allgemeinen Lebenserfahrung – jedenfalls gelegentlich den Probanden. Hierbei kann ohne weiteres von dem Klagevortrag ausgegangen werden, dass die Mitarbeiterinnen 2007 ihre beruflichen Tätigkeiten ausschließlich im Prüfarztzimmer ausgeübt haben; die von den Klägern insoweit beantragte Einvernahme einer der beiden Mitarbeiterinnen 2007 als Zeuginnen konnte deshalb unterbleiben.

(b) Entsprechend besteht jedenfalls im Hinblick auf E eine Überschneidung hinsichtlich des von der Klägerin für ihre Allgemeinarzt- bzw. ihre Prüfarzttätigkeit jeweils eingesetzten Personals. E war ab Mai 2007 nicht nur als Angestellte in der Praxis Klägerin beschäftigt, sondern – jedenfalls für einen Teil der ab diesem Zeitpunkt von der Klägerin durchgeführten Studien – auch als von der Klägerin (freiberuflich) unterbeauftragte Co-Investigatorin.

(c) Darüber hinaus steht der Annahme einer organisatorischen Verselbstständigung der beiden dargelegten, von der Klägerin jedenfalls von 2006 bis zum ausgeübten Tätigkeiten bzw. der entsprechenden Praxisteile entgegen, dass die Patientenkartei Klägerin

  • • nicht nur wesentliche Betriebsgrundlage ihrer Allgemeinarzttätigkeit war, sondern

  • • ersichtlich auch eine vergleichbar maßgebliche Bedeutung für ihre Prüfarzttätigkeit hatte.

(aa) Ob ein Wirtschaftsgut als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, richtet sich nach der sog. funktional-quantitativen Betrachtungsweise. Unter Zugrundelegung der quantitativen Betrachtung zählt ein Wirtschaftsgut zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn in ihm erhebliche stille Reserven ruhen. Unabhängig vom Vorhandensein stiller Reserven zählen zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs aber auch diejenigen Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen; maßgebend ist die Art des Betriebs und die Funktion der einzelnen Wirtschaftsgüter im Betriebsablauf (vgl. , BFH/NV 2005, 879).

(bb) Die maßgebliche Bedeutung der Patientenkartei Klägerin (auch) für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass sogar nach dem – von E im Rahmen ihrer Zeugenaussage bestätigten – Klagevorbringen mit einem Anteil von jeweils 50 % bis 80 % der jedenfalls überwiegende Teil der Probanden der von der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2010 durchgeführten Medikamentenstudien aktuelle oder ehemalige Patienten in der Praxis Klägerin waren und folglich aufgrund dieses jeweils bereits vor Beginn der jeweiligen Medikamentenstudien bestehenden Kontakts bzw. durch Auswertung der Patientenkartei Klägerin ermittelt und als Probanden geworben werden konnten.

(aaa) Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang – im Ergebnis zu Lasten der Kläger – wesentlich zu berücksichtigen, dass sie hinsichtlich dieses Anteils der Patienten der Praxis Klägerin trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht mit der Anordnung vom … 2017 lediglich den genannten groben Näherungswert mitgeteilt und ihren Vortrag hierzu auch nicht nachgewiesen oder zumindest hinreichend glaubhaft gemacht haben. Nach den Erläuterungen der Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung wäre es ihr durchaus möglich gewesen, die Probanden der von ihr in den fraglichen Jahren durchgeführten Medikamentenstudien anhand der von ihr archivierten Unterlagen namentlich festzustellen und somit entsprechend genauere Angaben zu machen. Dies stellt insbesondere unter Berücksichtigung des Gedankens der Beweisnähe eine erhebliche Verletzung ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht dar.

(1) Die richterliche Ermittlungspflicht steht mit der prozessualen Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) in einer Wechselwirkung. Die Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflicht eines Beteiligten, z.B. – wie vorliegend – das (teilweise) Übergehen oder die Nichtbeachtung einer gerichtlichen Aufklärungsverfügung,

  • • führt nicht nur zu einer Verringerung der dem Gericht zumutbaren Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (vgl. hierzu etwa Stalbold in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 76 FGO, Rz. 54, m.w.N.),

  • • sondern überdies – für den Fall, dass infolgedessen der fragliche streiterhebliche Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden kann – zu einer Minderung des Überzeugungsgrades des Gerichts (mit dem Ergebnis, dass von dem Sachverhalt ausgegangen werden kann, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht; vgl. hierzu etwa Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO, Rzn. 63 ff., 84 ff.) und

  • • ist ggf. darüber hinaus auch im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten des betreffenden Beteiligten zu berücksichtigen: Verletzt der Steuerpflichtige schuldhaft seine Mitwirkungspflichten, ist das Beweismaß reduziert; die Regeln der Beweislast finden für diesen Fall keine Anwendung (vgl. Schmidt-Troje in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 96 FGO, Rz. 67, m.w.N.).

(2) Dementsprechend ist im vorliegenden Streitfall jedenfalls unter weiterer Berücksichtigung der dargelegten Mitwirkungspflichtverletzung von Seiten der Kläger zur Überzeugung des Gerichts zu deren Lasten davon auszugehen, dass zumindest im Hinblick auf diejenigen von der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2010 durchgeführten Medikamentenstudien, welche (wie nach den Angaben der Kläger mit Schreiben vom … 2013 überwiegend) schwerwiegendere Erkrankungen, wie etwa Hypertonie, Diabetes, oder Asthma betrafen, die Patientenkartei Klägerin und damit der Patientenstamm Klägerin auch für die Prüfarzttätigkeit der Klägerin eine wesentliche Betriebsgrundlage war.

(bbb) Ohne die durch den langjährigen Betrieb der Praxis Klägerin aufgebaute und ihr zur unmittelbaren Durchsicht und Prüfung zur Verfügung stehende Patientenkartei Klägerin hätte die Klägerin folglich ihre Prüfarzttätigkeit mangels unmittelbaren Zugriffs auf die notwendigen medizinischen Daten potentieller Probanden weitgehend nicht ausüben können. Die Prüf-arzttätigkeit war somit insoweit im Ergebnis unselbstständiger und untrennbarer Ausfluss ihrer Allgemeinarzttätigkeit in Gestalt einer weitergehenden Nutzung der hierbei geführten Patientenkartei Klägerin bzw. der entsprechend gewonnenen Patientendaten.

Hierbei kann auch ohne weiteres (und unstreitig) von einer Teilnahme auch solcher Probanden an von der Klägerin durchgeführten Medikamentenstudien ausgegangen werden, welche nicht auch Patienten in der Praxis Klägerin waren. Dieser auch von E im Rahmen ihrer Zeugenaussage glaubhaft bestätigte Umstand führt zu keinem anderen Ergebnis. Die in diesem Zusammenhang von den Klägern beantragte Vernehmung der Zeuginnen NW konnte somit unterbleiben.

(ccc) Zusammenfassend ist damit der Patientenstamm Klägerin bzw. die Patientenkartei Klägerin als eine für beide Tätigkeitsbereiche der Klägerin wesentliche oder zumindest (hinsichtlich der Prüfarzttätigkeit beginnend mit der Ermittlung geeigneter Probanden) maßgebliche Betriebsgrundlage ein ihre beiden Teilpraxen auch organisatorisch verbindendes Element. Folglich war auch die Prüfarzttätigkeit der Klägerin aufgrund der hierbei ständig und umfassend erfolgten Nutzung der gesamten Patientenkartei Klägerin – im Unterschied etwa zur jeweils teilweisen ausschließlichen Nutzung eines einheitlichen Gebäudes im Rahmen von zwei unterschiedlichen Tätigkeiten – mittelbar bedingt durch ihre Allgemeinarzttätigkeit und damit auch organisatorisch untrennbar hiermit verknüpft.

(cc) Zwar hat die Klägerin die Patientenkartei Klägerin im Rahmen der vollständigen Veräußerung ihrer Praxis Klägerin auf E übertragen, jedoch stellt die dargelegte Nutzung der Patientenkartei Klägerin auch für die Prüfarzttätigkeit weitergehend eine (mittelbare und dennoch unverzichtbare) Nutzung weiterer Räumlichkeiten (über das Prüfarztzimmer hinaus) und Einrichtungen sowie insbesondere des sonstigen Personals der Praxis Klägerin dar, da dieses Personal auch für die jeweilige Erstellung und Pflege dieser Patientenkartei Klägerin in der Praxis Klägerin eingesetzt worden war bzw. wurde.

ccc) Zusammenfassend steht der Qualifizierung der Praxis Klägerin als Teilpraxis i.S. der dargelegten Grundsätze nach dem dargestellten Gesamtbild der Verhältnisse bei der Klägerin entgegen, dass die beiden Tätigkeitsbereiche der Klägerin räumlich, personell und organisatorisch nicht hinreichend klar und eindeutig voneinander getrennt waren. Es bestanden vielmehr wesentliche Überschneidungen, welche es ausschließen, die Veräußerung der Praxis Klägerin antragsgemäß lediglich dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Fundstelle(n):
EFG 2019 S. 615 Nr. 8
KÖSDI 2019 S. 21261 Nr. 6
MAAAH-08371