Körperschaften
Gesellschafterforderung, Rangrücktritt, Passivierungsverbot, Tilgung auch aus freiem Vermögen
Leitsatz
1) Die von einem Alleingesellschafter für Gesellschafterforderungen gegenüber einer GmbH abgegebene Rangrücktrittserklärung führt bei dieser nicht zu einem Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 2a EStG, wenn die Tilgung aus entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen erfolgen soll.
2) Dies gilt auch, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage sein wird, freies Vermögen zu schaffen und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens nicht eintritt, da nach dem Rangrücktritt sukzessive Forderungsverzichte erklärt werden.
Gesetze: KStG § 8 Abs 1 , EStG § 5 Abs 2a
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Alleingesellschafterin im Jahr 2008 erfolgswirksam in Höhe von 2.081.312,85 € oder lediglich in Höhe eines Forderungsverzichts von 859.470,04 € auszubuchen sind, und ob bzw. ggf. mit welchem Wert eine verdeckte Einlage zu erfassen ist.
Die Klägerin ist eine Konzerngesellschaft der T-GmbH (M-Stadt). Alleingesellschafterin der Klägerin ist die Firma U-GmbH. Über diese und somit über den Teilkonzern T gehört die Klägerin zum S-Konzern.
Ihren Gewinn ermittelt die Klägerin im Wege des Bestandsvergleichs nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Verbindung mit §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Streitzeitraum hatte die Klägerin ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis zum 30.09. des Jahres.
Die Klägerin übte – mit Ausnahme der Anmietung und Weitervermietung des Betriebsgeländes – seit mindestens 2006 keine operative Geschäftstätigkeit aus. Seit dem Jahr 2017 ist sie nach ihren Angaben wieder operativ tätig.
Am verzichtete die Alleingesellschafterin der Klägerin gegenüber der Klägerin auf Forderungen in Höhe von 843.631,61 €.
Da die Klägerin – unter Berücksichtigung des Forderungsverzichts – zum eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von 3.047.386,95 € aufwies, gab ihre Alleingesellschafterin am zugleich die folgende Rangrücktrittserklärung ab:
„Zur Abwendung der Überschuldung bei Ihrer Gesellschaft werden wir mit unseren Forderungen aus gewährten Tagesgeldern und laufenden Kontokorrent bis zu einer Höhe von maximal 3.047.386,95 € hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, die eine solche Rangrücktrittserklärung nicht abgegeben haben, in der Weise zurücktreten, dass die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Diese Erklärung erlischt automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem der Tatbestand der Überschuldung aufgehoben ist, oder eine andere Gesellschaft die Forderungen übernimmt und darauf ihrerseits einen entsprechenden Rangrücktritt erklärt.”
Am verzichtete die Alleingesellschafterin der Klägerin zudem auf Forderungen in Höhe von 859.470,04 €.
Auf die Rangrücktrittserklärung vom und den Forderungsverzicht vom wird Bezug genommen.
Das Eigenkapital der Klägerin entwickelte sich – ausweislich der Jahresabschlüsse auf den , , und – laut Handelsbilanz wie folgt:
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Gezeichnetes Kapital | 30.677,51 € | 31.000,00 € | 31.000,00 € | 31.000,00 € |
Kapitalrücklagen | 4.866.773,05 € | 4.866.773,05 € | 4.866.773,05 € | 4.866.773,05 € |
Gewinnnrücklagen | 165.039,42 € | 165.039,42 € | 165.039,42 € | 165.039,42 € |
Verlustvortrag | 8.036.031,99 € | 7.176.162,28 € | 6.212.608,08 € | 6.121.610,28 € |
Jahresüberschuss | 859.869,71 € | 963.554,20 € | ./. 2,20 € | 968.927,93 € |
Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag | 2.113.672,30 € | 1.149.795,61 € | 1.149.797,81 € | 180.869,88 € |
Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wies die Klägerin in ihren Bilanzen die folgenden Werte aus:
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Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit | 879,21 € | 1.337,56 € | 117,68 € | ./. 3.949,72 € |
Die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber verbundenen Unternehmen – hier konkret ihrer Alleingesellschafterin – entwickelten sich – ausweislich der Handelsbilanzen auf den , , , und – wie folgt:
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Stand | 3.085.244,15 € |
Verzicht | ./. 859.470,04 € |
Sonstiges | ./. 24.461,26 € |
Stand | 2.201.312,85 € |
Verzicht | ./. 962.696,16 € |
Stand | 1.238.616,69 € |
Stand | 1.238.616,69 € |
Verzicht | ./. 973.357,19 € |
Stand | 265.259,50 € |
Die ihr gegenüber ausgesprochenen Forderungsverzichte verbuchte die Klägerin jeweils gewinnerhöhend.
Das Aktivvermögen der Klägerin bestand aus einer Forderung gegenüber einem fremden Dritten in Höhe von ca. 87.000 € bis 88.000 €, die durch eine Grundschuld besichert war, sowie aus dem Kassen- und Bankbestand. Es stellte sich wie folgt dar:
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Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände | 86.950,45 € | 87.647,52 € | 87.545,80 € | 88.554,98 € |
Kasse, Bank | 7.101,87 € | 4.373,70 € | 2.756,11 € | 126.248,17 € |
Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. führte für die Jahre 2008 bis 2010 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch, die mit Prüfungsbericht vom , auf den Bezug genommen wird, abschloss.
Die Prüfer stellten fest, die Klägerin habe seit mindestens 2006 und insbesondere im Prüfungszeitraum keine operative Geschäftstätigkeit ausgeübt. Hiervon ausgenommen sei die Anmietung des Betriebsgeländes und dessen Weitervermietung.
Die Alleingesellschafterin der Klägerin habe Forderungen gegenüber der Klägerin, die sie bereits lange vor dem letzten und dem aktuellen Prüfungszeitraum auf einen Teilwert von 0 € abgeschrieben habe. Zinsen seien für die bestehenden Forderungen von der Alleingesellschafterin weder abgerechnet noch von der Klägerin als Aufwand verbucht worden.
Die Alleingesellschafterin habe seit Jahren laufend auf Teilbeträge verzichtet und es sei nicht feststellbar, dass sie Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Forderungen ergriffen habe.
Die Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin resultierten aus im Jahr 2000 und früher gewährten unbefristeten Darlehen und „Tagegeldern” in Höhe von insgesamt mindestens 3 Mio. € sowie aufgelaufenen Zinsen (soweit gebucht). Zudem aus der Weiterberechnung von Personalkosten und unechten Umlagen in Höhe von insgesamt mindestens 550.000 €. Ferner aus kurzfristig zur Verfügung gestellten liquiden Mitteln, die „stehen gelassen” worden seien.
Das Aktivvermögen der Klägerin habe sich aus einer besicherten Forderung gegenüber einem fremden Dritten sowie aus einem Bankbestand zusammengesetzt. Im Jahr 2008 sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die gegenüber dem Dritten bestehende Forderung in Höhe von 87.640,41 € werthaltig gewesen sei. Im Kalenderjahr 2011 sei die Forderung vollständig beglichen und – nach Bedienung von Ansprüchen der Warenkreditversicherung – in Höhe von 87.298,70 € zum Ausgleich von Forderungen der Alleingesellschafterin verwandt worden. Der Bankbestand resultiere aus Gutschriften aus dem Cash Pool, wobei dem Guthaben entsprechende Verbindlichkeiten gegenüber stünden.
Die Prüfer vertraten die Auffassung, aufgrund der fehlenden operativen Geschäftstätigkeit sowie der nahezu vorhandenen Vermögenslosigkeit der Klägerin sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – mit Ausnahme der gegenüber dem Dritten bestehenden besicherten Forderung in Höhe von ca. 88.000 € – nicht mit der Rückzahlung der gegenüber der Alleingesellschafterin bestehenden Verbindlichkeiten zu rechnen gewesen.
Die Form der Darlehen, insbesondere die ungesicherte und unbefristete Darlehenshingabe sowie die Gewährung von Tagesgeldern, lasse bei der Ertrags- und Vermögenslosigkeit der Klägerin keine ernste Rückzahlungsabsicht bei der Klägerin und auch keine ernste Rückforderungsabsicht bei der Alleingesellschafterin erkennen. Die Klägerin sei durch die Verbindlichkeiten wirtschaftlich nicht belastet, so dass die Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin – mit Ausnahme des vorhandenen freien Aktivvermögens in Form der gegenüber dem Dritten bestehenden besicherten Forderung von ca. 88.000 € – aufzulösen seien. Der frühestmögliche Berichtigungszeitpunkt sei der Beginn des Wirtschaftsjahres, welches im Jahr 2008 (am ) ende.
Die Ausbuchung der Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin führe zu einem annähernd korrespondierenden Bilanzansatz bei der Klägerin und ihrer Alleingesellschafterin.
Die zeitlich gestreckte Auflösung der Verbindlichkeiten, die durch die jährlichen Verzichtserklärungen von knapp 1 Mio. € initiiert worden seien, seien der Mindestbesteuerung geschuldet, die bei einem Einkommen von über 1 Mio. € eingreife.
Dementsprechend lösten die Prüfer die Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin zum bis auf einen Betrag in Höhe des freien Vermögens, den sie mit 120.000 € bemaßen, auf. Den Auflösungsbetrag bezifferten die Prüfer mit 2.081.312,85 € (Verbindlichkeiten Stand in Höhe von 2.201.312,85 € abzüglich des freien Vermögens in Form der Forderung gegenüber dem fremden Dritten in Höhe von geschätzt 120.000 €).
Eine – aus Sicht der Prüfer jedenfalls denkbare – verdeckte Einlage der Alleingesellschafterin in die Klägerin bewerteten die Prüfer mit 0 €.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom verwiesen.
Der Beklagte schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ am einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2008 und einen ebenfalls nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den . Mit Bescheid vom korrigierte der Beklagte den Bescheid auf den über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Den Gewerbesteuermessbescheid änderte der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 AO am . Die bestehenden Nachprüfungsvorbehalte hob der Beklagte insgesamt auf.
Bereits im April 2010 war der Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 2007 sowie im Gewerbesteuermessbescheid 2007 aufgehoben worden. Zugleich war die Entscheidung getroffen worden, für die Jahre 2005 bis 2007 keine Außenprüfung bei der Klägerin durchzuführen.
Der gegen die vorgenannten Änderungsbescheide vom , und erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die vom Beklagten zum vorgenommene ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeiten in Höhe von 2.081.312,85 € sei zu Unrecht erfolgt.
Die vom Beklagten vorgetragene Begründung, die sich auf Verbindlichkeiten beziehe, die generell nicht aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden freien Vermögen getilgt werden können, sei auf den vorliegenden Streitfall nicht anwendbar.
Entscheidungserheblich sei vorliegend, dass die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Alleingesellschafterin nicht nur aus künftigen Jahresüberschüssen und einem etwaigen Liquidationserlös beglichen werden könnten, sondern insbesondere auch durch das sonstige freie Vermögen zu bedienen seien.
In seiner Argumentation behaupte der Beklagte, dass Passivierungsverbot gelte auch für Verbindlichkeiten, die durch das sonstige freie Vermögen zu bedienen seien. Diese Behauptung widerspräche der Auffassung der Finanzverwaltung im BStBl I 2006, 497 sowie der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs in seinen Urteilen vom VIII R 29/91, BStBl II 1993, 747 und vom IV R 29/10, BStBl II 2013, 505).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liege ein Passivierungsverbot für Verbindlichkeiten lediglich dann vor, wenn die Verbindlichkeiten für den Schuldner keine wirtschaftliche Last mehr darstellten, oder wenn der Gläubiger auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichte. Eine fehlende wirtschaftliche Belastung liege vor, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit der Inanspruchnahme des Schuldners zu rechnen sei. In den mit Urteilen vom VIII R 62/85, BStBl II 1989, 359, vom I R 3/95, BStBl II 1996, 470 und vom IV R 219/81 entschiedenen Fällen habe es den Gläubigern in fast allen Fällen ausschließlich an dem Bewusstsein über ihre Forderungen gemangelt. Dies treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Alleingesellschafterin sei sich ihrer Forderungen bewusst gewesen, stehe im regelmäßigen Kontakt mit der Klägerin und habe im Jahr 2011 eine Teilrückzahlung in Höhe von ca. 88.000 € aus dem sonstigen freien Vermögen der Klägerin erhalten.
Ferner sei zu bemerken, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Verbindlichkeiten zu passivieren seien, soweit keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Gläubiger auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichte und der Schuldner dem Anspruch keine Einrede entgegen setzen werde. Eine Rangrücktrittserklärung sei unerheblich.
Da die Alleingesellschafterin im Jahr 2008 lediglich auf einen Teilbetrag in Höhe von 859.470,04 € verzichtet habe, sei die Klägerin zur Finanzierung der restlichen Verbindlichkeiten weiterhin verpflichtet. Auch für vermögenslose Gesellschaften gebe es insoweit keine Ausnahme. Der Bundesfinanzhof habe sogar ausdrücklich entschieden, dass nur der Forderungsverzicht zu einem Ertrag bei der vermögenslosen Gesellschaft führe.
Gemäß § 5 Abs. 2a EStG bestehe ebenfalls kein Passivierungsverbot für die Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz. Der Beklagte übersehe insoweit, dass der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom I R 100/10, BStBl II 2012, 332 ausdrücklich auf die Unterscheidung, ob Verbindlichkeiten nur aus zukünftigen Gewinnen und Liquidationserlösen oder aus dem sonstigen freien Vermögen zu bedienen sind, Bezug nehme, und dass für den Bundesfinanzhof eine Tilgungsverpflichtung aus dem sonstigen freien Vermögen eine andere Rechtsfolge als das Passivierungsverbot auslöse. Eine Aufteilung der Verbindlichkeiten in einen Teil, der durch sonstiges freies Vermögen beglichen werden kann, und in einen Teil, der nur durch künftige Einnahmen oder Liquidationsgewinne beglichen werden kann, sei nicht vorzunehmen. Dies ergebe sich bereits dadurch, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2a EStG das Wort „nur” verwandt und nicht die Formulierung „insoweit” gewählt habe.
Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass die Verbindlichkeiten bereits im Jahr 2007 nicht mehr existent gewesen wären, soweit bereits im Zeitpunkt des Rangrücktritts nicht mehr mit einer Rückzahlung der Darlehen hätte gerechnet werden können und die Klägerin bereits im Zeitpunkt des Rangrücktritts wirtschaftlich nicht mehr belastet gewesen wäre. Die erfolgswirksame Ausbuchung hätte daher im Jahr 2007 erfolgen müssen, so dass der Klage bereits aus diesem Grunde stattzugeben sei.
Die Klägerin hebt hervor, ihre Alleingesellschafterin habe sie vor der drohenden Insolvenz bewahren wollen. Daher habe sie die Darlehen unentgeltlich gewährt und keine Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Forderungen unternommen. Ein Rückschluss auf eine fehlende Rückzahlungsabsicht bei ihr, der Klägerin, und eine fehlende Rückforderungsabsicht bei ihrer Alleingesellschafterin lasse sich hieraus nicht ziehen.
Aus Sicht der Klägerin komme es, soweit ein Ertrag aus der Ausbuchung von Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin entstehe, zu einer Vermögensmehrung, die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhe und demnach eine verdeckte Einlage in Höhe des Nennwerts der Verbindlichkeit darstelle.
Eine verdeckte Einlage sei nach dem , BStBl II 1998, 307 mit dem Teilwert der Forderung zu bewerten. Nach zahlreichen Gesetzesänderungen seien die rechtlichen Grundlagen, die zu der Entscheidung des Großen Senats des geführt hätten, jedoch nicht mehr gegeben. Die Umstellung auf das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren sei vollzogen und § 8b Abs. 3 KStG sei neu eingeführt worden. Die Einführung des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 3 Satz 4 und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG habe verhindern sollen, dass Einlagen und erhaltene Gewinnausschüttungen steuerfrei blieben und zugleich beim Gesellschafter steuerlich abzugsfähig seien. Wenn aber eine Doppelbegünstigung habe vermieden werden sollen, müsse dies auch für eine doppelte Benachteiligung gelten. Demnach griffen die tragenden Überlegungen des Großen Senats nicht mehr.
Für sie, die Klägerin, dürfe sich selbst dann kein steuerlicher Ertrag ergeben, wenn die gesamten Verbindlichkeiten auszubuchen wären. Denn in Höhe der Ausbuchung sei eine verdeckte Einlage zu erfassen.
Zu bemerken sei ferner, dass wegen der Mindestbesteuerung in ihrem Fall trotz ausreichender Verlustvorträge ein steuerlicher Ertrag entstehe. Sie, die Klägerin, sei der Auffassung, dass die Mindestbesteuerung verfassungswidrig sei und verweist insoweit auf den , BStBl II 2014, 1016 (BVerfG 2 BvL 19/14 – anhängiges Verfahren).
Zum Sachverhalt trägt die Klägerin ergänzend vor, ihre Alleingesellschafterin habe die ihr, der Klägerin, gegenüber bestehenden Forderungen in den Veranlagungszeiträumen 1998 bis 2001 in voller Höhe wertberichtigt.
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 2008 auf 0 € festgesetzt wird,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer auf den auf 6.949.078 € festgestellt wird,
den Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag 2008 auf 0 € festgesetzt wird,
den Bescheid auf den über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den auf 6.368.087 € festgestellt wird,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er vor, die Klägerin sei bereits im Zeitpunkt der Erklärung des Rangrücktritts am – mit Ausnahme einer besicherten Forderung in Höhe von 87.641 € – vermögenslos gewesen. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr operativ geschäftstätig gewesen sei, habe ihre Alleingesellschafterin nicht mehr mit der Darlehensrückzahlung rechnen können. Dass die Alleingesellschafterin der Klägerin Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Forderungen ergriffen hätte, habe im Rahmen der Außenprüfung nicht festgestellt werden können. Darüber hinaus seien die vereinbarten Zinszahlungen weder von der Alleingesellschafterin eingefordert noch von der Klägerin gewinnmindernd geltend gemacht worden. Eine wirtschaftliche Belastung der Klägerin durch die Darlehensverbindlichkeiten sei unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten nicht erkennbar.
Die noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten müssten durch den ausgesprochenen Rangrücktritt lediglich aus künftigen Überschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus freiem Vermögen zurückgezahlt werden.
Ferner sei hervorzuheben, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin wiederholt auf Teilbeträge verzichtet und sich dabei hinsichtlich der jeweiligen Höhe an der Mindestbesteuerung orientiert habe.
Mit Ausnahme einer Forderung, hinsichtlich derer die gegenüberstehenden Verbindlichkeiten nicht aufgelöst worden seien, habe die Klägerin nach Einstellung ihres Geschäftsbetriebes über keinerlei Einnahmequellen mehr verfügt, die eine Rückführung der Verbindlichkeiten gegenüber ihrer Alleingesellschafterin ermöglicht hätten. Die Tilgung der Verbindlichkeiten wäre nur durch Zuführung neuen Eigenkapitals möglich geworden.
Soweit die Befriedigung der Verbindlichkeit auf künftige Überschüsse beschränkt sei, könne für das Fehlen einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung auf den Rechtsgedanken des § 5 Abs. 2a EStG zurückgegriffen werden. Bereits vor Einführung des § 5 Abs. 2a EStG sei die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass bestimmte gewinnabhängige Verpflichtungen vor Erzielung des Gewinns, aus dem sie zu bedienen sind, noch keine wirtschaftliche Last darstellten und daher nicht zu passivieren seien, da sie nicht aus dem zum Stichtag vorhandenen Vermögen bedient werden müssten. Nach der früheren Rechtsprechung habe der Grundsatz, dass gewinn- oder erfolgsabhängige Verbindlichkeiten nicht zu passivieren sind, nur gegriffen, wenn die Pflicht zu Erfüllung der Verbindlichkeiten von der Gesamtsituation des Unternehmens abhänge; nicht dagegen, wenn die Abhängigkeit nur von einzelnen Geschäften bestehe. Mit Einführung des § 5 Abs. 2a EStG seien nun auch diese Verbindlichkeiten erfasst.
Gemäß § 5 Abs. 2a EStG sei eine Verbindlichkeit, für die ein Rangrücktritt erklärt worden sei, so dass die Forderung des Gläubigers hinter die Forderung aller übrigen Gläubiger zurücktrete und nur aus Jahresüberschüssen zu erfüllen sei, nicht auszuweisen.
Soweit in der Literatur vertreten werde, § 5 Abs. 2a EStG sei im Falle des Rangrücktritts nicht einschlägig, weil bei einem Rangrücktritt die Forderung rechtlich bereits entstanden sei, sei dem nicht zu folgen. Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich diese Einschränkung nicht entnehmen. Darüber hinaus wäre ein Ausweis der Verbindlichkeiten nicht gerechtfertigt. Denn der Schuldner sei, solange die Gewinne noch nicht erzielt sind, in seinem gegenwärtigen Vermögen zum Bilanzstichtag noch nicht belastet. Seine Situation gleiche wirtschaftlich der eines Schuldners, dem eine Verbindlichkeit gegen Besserungsschein erlassen worden sei. Beide Verbindlichkeiten seien nur aus künftigen Gewinnen zu erfüllen.
Die Darlehen seien im Streitfall auch nicht deshalb zu passivieren, weil sie nicht nur aus künftigen Gewinnen, sondern auch aus einem möglichen Liquidationsüberschuss zu bedienen sind. Denn auch insoweit fehle es an einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung.
Im vorliegenden Fall habe im Streitjahr zwar nur der vereinbarte Rangrücktritt bestanden (ein Erlass der gewährten Darlehen sei durch die Alleingesellschafterin der Klägerin erst in den Folgejahren ausgesprochen worden). Die Rangrücktrittsvereinbarung belaste den Schuldner aber nicht stärker, als ein Erlass der Verbindlichkeit gegen eine Besserungsabrede. Es sei daher gerechtfertigt, die Verbindlichkeit wie einen Erlass mit Besserungsschein zu behandeln und die Verbindlichkeit folglich nicht auszuweisen. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestehe – trotz abweichender zivilrechtlicher Gestaltung – kein Unterschied zwischen einem Erlass mit Besserungsabrede und der Vereinbarung, dass eine Verbindlichkeit nur aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss bedient werden müsse.
Unter welchen Voraussetzungen eine Verpflichtung, die nur im Liquidationsfall zu erfüllen ist, in der Steuerbilanz auszuweisen sei, bedürfe im Streitfall keiner Entscheidung. Zum streitigen Bilanzstichtag sei nicht von der Liquidation der Klägerin auszugehen gewesen. Die Klägerin bestehe weiter fort. Solange eine Liquidation nach den am Bilanzstichtag objektiv erkennbaren Umständen nicht unmittelbar drohe, komme eine Passivierung nicht in Betracht.
Eine Passivierung der Darlehen dürfe auch deshalb nicht erfolgen, weil der vereinbarte Rangrücktritt vorsehe, dass die Verbindlichkeiten aus dem sonstigen freien Vermögen zu tilgen sind. Sonstiges freies Vermögen sei bei der Klägerin im Zeitpunkt der Rangrücktrittserklärung – mit Ausnahme der einzig besicherten Forderung – nicht vorhanden gewesen und habe mangels operativer Geschäftstätigkeit durch die Klägerin auch nicht erwirtschaftet werden können.
Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, der am ausgesprochene Forderungsverzicht in Höhe von 859.470,04 € sei von der Klägerin selbst zutreffend ertragsteuerlich berücksichtigt worden und er sei nicht in dem hier streitigen Betrag in Höhe von 2.081.312,85 € enthalten.
Ferner sei nochmals hervorzuheben, dass die Klägerin nur noch über eine ausgenommene Forderung gegenüber einem Dritten verfügt und sonst kein verwertbares freies Vermögen mehr gehabt habe. Die ausgenommene Forderung gegenüber dem Dritten sei im Jahr 2011 durch Zahlung getilgt worden.
Nach dem letzten Forderungsverzicht im Jahr 2011 seien die Verbindlichkeiten vollständig erloschen. Welche Entwicklungen für die Klägerin in den Folgejahren geplant gewesen seien, sei für das Streitjahr nicht relevant.
Die Korrektur sei durch die Außenprüfung im ersten noch offenen Jahr erfolgt.
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass eine verdeckte Einlage der Alleingesellschafterin der Klägerin mit einem Teilwert in Höhe von 0 € anzusetzen gewesen wäre. Eine doppelte Benachteiligung der Klägerin sowie ihrer Alleingesellschafterin sei daher nicht erkennbar.
Soweit die Klägerin auf den , BStBl II 2014, 1016 (BVerfG 2 BvL 19/14 – anhängiges Verfahren) zur Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung verweise, liege vorliegend kein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, da eine Liquidation der Klägerin nicht in Aussicht gestanden habe. Allein, wenn bei entsprechender Anwendung des § 10a Satz 2 GewStG ein Verlustabzug zukünftig gänzlich auszuschließen sei und damit eine leistungswidrige Substanzbesteuerung ausgelöst werde, sehe der Bundesfinanzhof einen möglichen Verstoß gegen Verfassungsrecht.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom , der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den vom , der Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom und der Bescheid auf den über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Beklagte hat die gegenüber der Alleingesellschafterin der Klägerin bestehenden Verbindlichkeiten im Streitjahr 2008 zu Unrecht in Höhe von 2.081.312,85 € aufgelöst.
1. Für die gegenüber der Alleingesellschafterin der Klägerin zum bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 2.201.312,85 € bestand nicht nur – wie vom Beklagten angenommen – in Höhe der gegenüber dem Dritten bestehenden Forderung, die die Klägerin zum auf 86.950,45 € bezifferte, sondern in voller Höhe, d. h. in Höhe von 2.201.312,85 €, eine Passivierungspflicht.
Gemäß § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die buchführende Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist. Hiernach hat der Kaufmann gemäß § 240 Abs. 1 und 2, § 242 Abs. 1 sowie § 246 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu Beginn seines Handelsgewerbes und in der Bilanz für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres unter anderem seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen. Eine Verbindlichkeit ist gemäß § 247 Abs. 1 HGB zu bilanzieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt (, BFH/NV 2007, 2252; vom I R 100/10, BStBl II 2012, 332 und vom I R 44/14, BStBl II 2015, 769).
Betrieblich begründete Verbindlichkeiten sind in der Handelsbilanz und der Steuerbilanz daher auszuweisen, solange der Gläubiger dem Schuldner die Schulden nicht gemäß § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus betrieblichen Gründen erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeiten aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden brauchen (, BStBl II 1993,502; vom I LR 11/03, BStBl II 2005, 581 und vom I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252).
a) Im Wirtschaftsjahr 2008 hat die Alleingesellschafterin der Klägerin dieser gegenüber lediglich auf Forderungen in Höhe von 859.470,04 € verzichtet. Da insoweit zum Bilanzstichtag keine wirtschaftliche Belastung mehr gegeben war, hat die Klägerin diesen Teil der Verbindlichkeiten zutreffend aufgelöst, so dass er nicht in den im Jahresabschluss ausgewiesenen Verbindlichkeiten in Höhe von 2.201.312,85 € enthalten ist.
b) In Höhe der zum bilanzierten Verbindlichkeiten bestand – trotz des am erklärten Rangrücktritts – eine wirtschaftliche Belastung der Klägerin fort. Die Klägerin konnte aufgrund der Rangrücktrittserklärung vom nicht davon ausgehen, die dem Rangrücktritt zugrunde liegenden Forderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllen zu müssen. Die Rangrücktrittserklärung begründet kein Passivierungsverbot.
aa) Die dem fremden Dritten gegenüber bestehende Forderung, die der Beklagte – abweichend vom bilanzierten Wert von 86.950,45 € – mit 120.000 € bemessen hat, zählt zum freien Vermögen der Klägerin. Insoweit war die Klägerin am Bilanzstichtag gegenwärtig wirtschaftlich belastet, da die Forderung, sobald sie eingezogen wird, nach der Rangrücktrittserklärung zur Tilgung der gegenüber der Alleingesellschafterin der Klägerin bestehenden Verbindlichkeiten verwandt werden muss.
bb) Darüber hinaus haben die übrigen der Alleingesellschafterin gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten die Klägerin zum ebenfalls wirtschaftlich belastet. Der erklärte Rangrücktritt vom lässt die wirtschaftliche Belastung der Klägerin – entgegen der Auffassung des Beklagten – insoweit nicht entfallen, so dass die Passivierungspflicht für die streitigen Verbindlichkeiten in Höhe von 2.081.312,85 € fortbestand. Dies liegt darin begründet, dass die Forderungen der Alleingesellschafterin nach der Rangrücktrittsvereinbarung vom nicht nur aus künftigen Jahresüberschüssen und einem Liquidationsüberschuss, sondern auch aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin übersteigenden freien Vermögen zu bedienen waren.
(1) Soweit die Befriedigung von Verbindlichkeiten – entgegen dem hier zu beurteilenden Fall – aufgrund einer Rangrücktrittsvereinbarung auf künftig entstehende Jahresüberschüsse und einen Liquidationsüberschuss beschränkt ist, dürfen die dem Rangrücktritt zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht passiviert werden, da es an einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung des Schuldners fehlt.
(a) Hinsichtlich der Befriedigung von Verbindlichkeiten aus künftig anfallenden Gewinnen stützt der Bundesfinanzhof das Passivierungsverbot auf § 5 Abs. 2a EStG.
Gemäß § 5 Abs. 2a EStG sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftige Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Der Gewinnbegriff im Sinne von § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht nur auf den Steuerbilanzgewinn ab, sondern erfasst auch Sachverhalte, in denen die betroffenen Verpflichtungen nur aus künftigen (handelsrechtlichen) Jahresüberschüssen zu erfüllen sind (, BStBl II2015, 769). § 5 Abs. 2a EStG gilt nach der Rechtsprechung des , BStBl II 2012, 332) unterschiedslos – also auch im Falle von Rangrücktrittserklärungen – für alle Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Gewinne anfallen. Denn der Schuldner ist, solange die Gewinne noch nicht erzielt sind, in seinem gegenwärtigen Vermögen zum Bilanzstichtag (noch) nicht belastet. Seine Situation gleicht wirtschaftlich der eines Schuldners, dem eine Verbindlichkeit gegen Besserungsschein erlassen wurde. Beide müssen die Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen erfüllen (, BStBl II 2012, 332).
(b) Gleiches nimmt der Bundesfinanzhof für Verbindlichkeiten an, die auf der Grundlage einer Rangrücktrittserklärung aus einem Liquidationsüberschuss zu tilgen sind.
Ein Liquidationsüberschuss ist das Vermögen, das im Falle der Liquidation nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Begleichung aller (übrigen) Verbindlichkeiten verbleibt. Demgemäß betreffen die Zahlungspflichten aus einem Liquidationsüberschuss bereits das gegenwärtige Vermögen, sie belasten dieses aber (noch) nicht, da nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) der Liquidationsfall noch nicht berücksichtigt zu werden braucht und die Rücklagen bis zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Umfang zur Verlustdeckung und zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehen (, BStBl II 2012, 332 und vom I R 44/14, BStBl II 2015, 769). Eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach der Verbindlichkeiten aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen sind, belastet demnach den Schuldner ebenfalls nicht stärker, als wären die Verbindlichkeiten gegen eine Besserungsabrede erlassen worden.
(2) Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Verbindlichkeiten der Alleingesellschafterin der Klägerin neben künftigen Jahresüberschüssen und einem Liquidationsüberschuss auch aus dem freien Vermögen zu bedienen waren. Die Einbeziehung des die Verbindlichkeiten übersteigenden sonstigen freien Vermögens in die Rangrücktrittserklärung führt dazu, dass eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung des Schuldners – hier der Klägerin – gegeben ist. Die Rangrücktrittserklärung ist aufgrund der Einbindung des sonstigen freien Vermögens nicht mit einem Erlass gegen Besserungsabrede vergleichbar. Daher waren die Verbindlichkeiten in Höhe von 2.201.312,85 € zum in vollem Umfang zu bilanzieren und die vom Beklagten vorgenommene Auflösung der Verbindlichkeiten in Höhe von 2.081.312,85 € war rückgängig zu machen.
Der Bundesfinanzhof hatte bislang zwar nur über Rangrücktrittsvereinbarungen zu befinden, bei denen die betroffenen Verbindlichkeiten aus künftig anfallenden Gewinnen und einem Liquidationsüberschuss zu befriedigen waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs führt – mit Rücksicht auf das Gebot des vollständigen Vermögensausweises (§ 246 Abs. 1 HGB) – jedoch allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners – hier der Klägerin – nicht dazu, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus der Handelsbilanz oder der Steuerbilanz auszubuchen (, BStBl II 2017, 670). Gleiches gilt nach der vorgenannten Rechtsprechung für den Fall, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung vorsieht, die Gesellschafterforderungen seien aus dem nach Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden, so genannten freien Vermögen zu tilgen (, BStBl II 2012, 332; vom I R 44/14, BStBl II 2015, 769 und vom I R 25/5, BStBl II 2017, 670).
Der erkennende Senat ist unter Berücksichtigung der Entscheidungen des , BStBl II 2012, 332), vom (I R 44/14, BStBl II 2015, 769) und vom (I R 25/15,BStBl II 2017, 670) der Auffassung, dass bei Rangrücktrittsvereinbarungen, nach denen die Schulden auch aus dem sonstigen freien Vermögen zu bedienen sind, eine aktuelle wirtschaftliche Belastung des Schuldners am Bilanzstichtag gegeben ist. Dies begründet im Streitfall eine Passivierungspflicht. Insoweit ist hervorzuheben, dass sich die Passivierungspflicht nicht am wirtschaftlichen Unvermögen des Schuldners, sondern am rechtlichen Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre orientiert.
Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Klägerin mindestens seit dem Jahr 2006 keine operative Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt hat, und dass die Klägerin aus der Sicht des Bilanzstichtages ohne operative Geschäftstätigkeit zukünftig nicht in der Lage sein würde, über die dem Dritten gegenüber bestehende Forderung hinaus sonstiges freies Vermögen zu generieren. Dies begründet nach der Ansicht des erkennenden Gerichts jedoch kein Passivierungsverbot. Die Klägerin mag mit Blick auf den Bilanzstichtag wirtschaftlich zwar nicht in der Lage gewesen sein, freies Vermögen zu schaffen und die Verbindlichkeiten ihrer Alleingesellschafterin zu tilgen. Dies ändert aber nichts daran, dass sie rechtlich weiterhin verpflichtet war und blieb, die Verbindlichkeiten zu befriedigen, sobald sie freies Vermögen erhalten hat. Daher war ihr Vermögen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich zum bereits belastet, obwohl sie nahezu vermögenslos war.
Die aufgrund der Einbeziehung des sonstigen freien Vermögens in die Rangrücktrittserklärung bestehende gegenwärtige wirtschaftliche Belastung der Klägerin zeigt sich ferner daran, dass freies Vermögen – trotz der fehlenden operativen Geschäftstätigkeit – jederzeit durch Einlagen entstehen konnte. Die Einlagen wären in diesem Fall unmittelbar zur Begleichung der bestehenden Verbindlichkeiten einzusetzen gewesen.
Unbeachtlich ist, dass die Alleingesellschafterin der Klägerin bis zum Jahr 2011 weiter kontinuierlich auf Teilforderungen verzichtete, so dass die vom streitgegenständlichen Rangrücktritt umfassten Verbindlichkeiten zum vollständig erloschen sind, ohne dass die Klägerin – mit Ausnahme der dem Dritten gegenüber bestehenden Forderung – Zahlungen auf die zum bilanzierten Verbindlichkeiten geleistet hat. Die gewinnerhöhende Auflösung der Verbindlichkeiten erfolgte daher sukzessive und nicht – wie vom Beklagten durchgeführt – in einem Vorgang zum . Steuerlich vorteilhaft war insoweit, dass die Mindestbesteuerung nicht eingriff. Der nur teilweise Verzicht auf Forderungen durch die Alleingesellschafterin der Klägerin ist steuerlich nicht zu beanstanden und ein zulässige Gestaltungselement.
2. Da der Senat eine Passivierungspflicht in Höhe der aufgelösten Verbindlichkeiten von 2.081.312,85 € annimmt, kann dahinstehen, ob der Beklagte die Auflösung der Verbindlichkeiten im zutreffenden Jahr vorgenommen hat, ob den aufgelösten Verbindlichkeiten eine Einlage gegenzurechnen ist, mit welchem Wert die Einlage zu bemessen ist und ob die Mindestbesteuerung verfassungswidrig ist.
3. Dem Beklagten war gemäß § 100 Abs. 2 FGO die Neuberechnung der festzusetzenden Körperschaftsteuer 2008, des gesondert festzustellenden verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den , des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrages 2008 sowie des gesondert festzustellenden vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den aufzugeben.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
6. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Bislang ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, welche Auswirkungen ein Rangrücktritt auf die Passivierung von Verbindlichkeiten hat, der unter der Maßgabe erklärt wird, dass die Forderungen aus entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Bisher hatte der Bundesfinanzhof lediglich über Fälle zu entscheiden, in denen ein Rangrücktritt unter der Maßgabe erklärt wurde, dass die Forderungen aus künftigen Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss zu erfüllen sind. Klärungsbedürftig ist daher, wie sich die Einbindung des sonstigen freien Vermögens in die Rangrücktrittserklärung auswirkt und zwar insbesondere für die vorliegend gegebene Konstellation, dass der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage sein wird, freies Vermögen zu schaffen und dass eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens nicht eintritt, da nach dem Rangrücktritt sukzessive Forderungsverzichte erklärt werden.
ECLI:DE:FGMS:2018:0913.10K504.15K.G.F.00
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Fundstelle(n):
BB 2019 S. 112 Nr. 3
BBK-Kurznachricht Nr. 2/2019 S. 56
DB 2018 S. 14 Nr. 47
DStZ 2018 S. 903 Nr. 24
EFG 2018 S. 2010 Nr. 24
EStB 2019 S. 142 Nr. 4
GmbH-StB 2019 S. 110 Nr. 4
KSR direkt 2018 S. 12 Nr. 12
KoR 2019 S. 52 Nr. 1
KÖSDI 2018 S. 21020 Nr. 12
KÖSDI 2019 S. 21061 Nr. 1
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2019 S. 45
MAAAH-00575