Ausfall einer Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Leitsatz
Der steuerlich anzuerkennende Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen durch den endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung wird bereits im Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren des Schuldners realisiert.
Gesetze: EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, EStG § 20 Abs. 2 Satz 2, EStG § 20 Abs. 4, InsO § 53, InsO 208
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtszug.
Die Kläger sind zur Einkommensteuer im Streitjahr 2012 zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger gewährte einem Dritten mit Vertrag vom ab dem ein mit 5 % zu verzinsendes Darlehen in Höhe von insgesamt 24.274,34 &€ o;. Seit dem erfolgten die vereinbarten Rückzahlungen nicht mehr. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde am das Insolvenzverfahren (AG ) eröffnet. Der Kläger meldete die noch offene Darlehensforderung in Höhe von 19.338,66 € zur Insolvenztabelle an. Mit Bericht vom gab die Insolvenzverwalterin an, der Überschuss der freien Masse von 10.898,66 € über die Summe der Verfahrenskosten (8.000 €) und der Masseverbindlichkeiten (1.000 €) betrage 1.898,66 €. Dem stünden Insolvenzforderungen von 87.004,76 € gegenüber, so dass auf die Gläubiger eine Quote von 2,1822 % entfallen würde. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag teilte die Insolvenzverwalterin eine Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO mit. Auf die Nachfrage durch das Insolvenzgericht, ob es sich bei der Quote um ein Versehen handeln würde, erklärte die Insolvenzverwalterin in einem Schreiben vom November 2012 auf die Gläubiger würde keine Quote entfallen. Nach den Halbjahresberichten der Insolvenzverwalterin dauerte die Masseunzulänglichkeit fort und ergab sich keine an die Insolvengläubiger zu verteilende Masse. Das Insolvenzverfahren wurde am mangels Masse gem. § 207 InsO eingestellt.
Mit der Einkommensteuererklärung für 2012 machte der Kläger den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer durch den Beklagten (Finanzamt --FA--) ohne Berücksichtigung dieses Verlusts festgesetzt.
Der hiergegen erhobene Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos. Das FG stützte sich in seinem Urteil vom 7 K 3661/14 E darauf, dass Aufwendungen, die das Kapital eines Darlehens betreffen, nicht von § 20 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) erfasst würden. Das Urteil wurde durch den Bundesfinanzhof mit Entscheidung vom in dem Verfahren VIII R 13/15 aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen. Nach Auffassung des BFH führt auch der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungssteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Das FG habe jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, ob und in welcher Höhe der Verlust im Streitjahr entstanden ist. Diese Feststellungen seien nachzuholen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils vom Bezug genommen (Bl.4 GA).
Die Kläger tragen vor, ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liege dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reiche hierfür in der Regel nicht aus. Etwas anderes gelte, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden sei, oder wenn aus anderen Gründen feststehe, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist. Vorliegend habe die Insolvenzverwalterin bereits am gegenüber dem Amtsgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt. Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit stehe unwiderruflich fest, dass es keine Verteilung von Vermögen mehr an die Insolvenzgläubiger geben könne. Aus der Insolvenzmasse seien vorweg die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseschulden zu befriedigen (§ 53 Ins0). Erst nach Deckung dieser Masseschulden würden die Insolvenzgläubiger befriedigt. Nachdem Masseunzulänglichkeit angezeigt worden sei, diene das Insolvenzverfahren nur noch der Befriedigung der Massegläubiger. Die Insolvenzgläubiger schieden mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit aus dem Verfahren aus. Wenn schon die Insolvenzmasse nicht mehr genüge, um die Masseverbindlichkeiten vollständig zu bedienen und die Insolvenzgläubiger aus dem Insolvenzverfahren ausgeschieden seien, sei es denknotwendig ausgeschlossen, dass Insolvenzforderungen auch nur quotal bedient würden. Der Bundesfinanzhof werte in seinem Urteil vom IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385 Anzeige der Masseunzulänglichkeit als Nachweis der endgültigen Bewertung des Schuldnervermögens.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom den Einkommensteuerbescheid 2012 vom dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ein Verlust in Höhe von 19.339 € berücksichtigt wird, hilfsweise: Revisionszulassung
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise: Revisionszulassung
Er ist der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vorn VIII R 63/98, BStBl ll 2000, 343) im Konkursverfahren ein Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert werde. Dem folgend, sei die Darlehensforderung nicht schon im Streitjahr ausgefallen. Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom durch den Insolvenzverwalter sei das Insolvenzverfahren nicht abgeschlossen und ein Forderungsverlust damit nicht realisiert. Anders als bei der Nichteröffnung des lnsolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit stehe bei der sonstigen Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht fest, dass tatsächlich die Insolvenzmasse nicht für eine zumindest teilweise Deckung der Forderungen ausreichen werde. Die Insolvenzverwaltung stellt mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit lediglich fest, dass die Masse voraussichtlich nicht ausreichen werde, um bestehende Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Bei Fortgang des lnsolvenzverfahrens könnten sich noch weitere Ansprüche der Masse herausstellen bzw. sich die Einschätzung der Nichteinbringbarkeit von Ansprüchen widerlegen. Das gelte insbesondere für von den Insolvenzverwaltern geltend zu machenden Insolvenzanfechtungen. Auch Forderungen gegen die Masse könnten noch entfallen, insbesondere durch Verhandlungen mit den Gläubigern. Sollte - wie die Kläger behaupten - schon bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden haben, dass die Masse nicht zur Befriedigung der Masseverbindlichkeiten ausreicht, stelle sich die Frage, warum nicht in diesem Moment das lnsolvenzverfahren eingestellt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch in 7 K 3661/14 E und BFH VIII R 13/15 - und der Steuerakten; das Gericht hat die Insolvenzakten des Schuldners (AG) beigezogen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO). Der Ausfall der privaten Darlehensforderung ist bereits im Streitjahr 2012 als Verlust einer Kapitalforderung zu berücksichtigen.
Der streitbefangene Forderungsausfall führt nach dem in dem Verfahren VIII R 13/15, an dessen Rechtsauffassung das Gericht gebunden ist, grundsätzlich zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 2 und Abs. 4 EStG.
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der Verlust im Jahr 2012 zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind für die Beantwortung der Frage, in welchem Streitjahr ein Forderungsausfall zu berücksichtigen ist, die Grundsätze anzuwenden, die für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes im Rahmen des § 17 EStG entscheidend sind. Dementsprechend läge ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reiche hierfür in der Regel nicht aus. Etwas anderes gelte, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist (vgl. m.w.N.). Die Frage sei aus der Sicht ex ante zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens seien nicht zu berücksichtigen (vgl. , BFH/NV 2015, 666). Ausnahmsweise sei auf einen Zeitpunkt vor Abschluss des Insolvenzverfahrens abzustellen, wenn ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen einer Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (, BFH/NV 2001, 757).
Der Senat hat Zweifel, ob die Grundsätze, wie sie für den Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes entwickelt worden sind, uneingeschränkt auch auf die Berücksichtigung von Verlusten privater Darlehensforderungen Anwendung finden können (kritisch auch z.B. Hahne in BB 2018, 99-101; Vortmann, WuB 2018, 206-209; Moritz/Strohm, BB 2018, 542-546).
Indes braucht dies nicht weiter vertieft zu werden. Nach Auffassung des Senats sind im vorliegenden Fall besondere Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegeben, die eine Berücksichtigung des Forderungsverlustes bereits im Jahre 2012 rechtfertigen. Diese Gründe ergeben sich aus dem Umstand, dass die Insolvenzverwalterin bereits in diesem Jahre eine Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs.1 Satz 1 InsO angezeigt hat. Nach dieser Vorschrift hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, wenn zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, jedoch die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die bereits fälligen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Hieraus ergibt sich, dass nach der Einschätzung der Insolvenzverwalterin die Insolvenzgläubiger und damit auch der Kläger keine Rückzahlungen erhalten werden. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Insolvenzbericht vom noch eine geringfügige Quote auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger entfallen sollte. Auf Nachfrage durch das Insolvenzgericht hat die Insolvenzverwalterin diese Prognose bereits mit Schreiben von November 2012 korrigiert und erklärt, dass auf die Gläubiger keine Quote entfallen werde. Zu diesem Zeitpunkt stand daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass auf die Forderung des Klägers keine Zahlungen mehr erfolgen werden. Auf den möglichen weiteren Fortgang des Verfahrens und eventuelle Änderungen der Vermögenslage bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens kommt es bei der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof geforderten ex ante Betrachtung nicht an. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Masseunzulänglichkeitsanzeige nach § 208 Abs.1 Satz 1 InsO auch keine prognostische Entscheidung. Eine solche ungewisse vorausschauende Wertung ist nur bei der Unzulänglichkeitsanzeige nach § 208 Abs.1 Satz 2 InsO im Hinblick auf zukünftig fällig werdende Masseverbindlichkeiten geboten.
Da die Höhe des Verlustes mit 19.339 € zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, war wie erfolgt zu erkennen.
Die Übertragung der Steuerberechnung beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs.2 Nr.1 FGO zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2018 S. 19 Nr. 37
DStR 2019 S. 6 Nr. 3
DStRE 2019 S. 82 Nr. 2
EFG 2018 S. 1645 Nr. 19
ErbStB 2018 S. 354 Nr. 12
GStB 2018 S. 434 Nr. 12
KSR direkt 2018 S. 12 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2018 S. 2755
ZIP 2018 S. 1897 Nr. 39
MAAAG-95709