Abnahme von Ortskundeprüfungen von angehenden Taxifahrern gegen Gebühr ist umsatzsteuerpflichtig
Leitsatz
1. Die Abnahme von für die Zulassung als Taxifahrer erforderlichen Ortskundeprüfungen durch einen privatrechtlich organisierten Verein gegen eine staatlich festgelegte Gebühr erfolgt im Rahmen eines Leistungsaustauschs.
2. Die Leistung ist weder nach nationalem Umsatzsteuerrecht noch nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie umsatzsteuerfrei.
Gesetze: UStG § 4 Nr. 21 Buchst. aUStG § 4 Nr. 21 Buchst. bUStG § 4 Nr. 22 Buchst. aUStG § 1 Abs. 1 Nr. 1EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i FeV § 48 Abs. 2 Nr. 7
Instanzenzug: ,
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung von Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer, die von dem Kläger durchgeführt wurden. Dabei übernahm der Kläger lediglich die Ortskundeprüfungen, nicht aber die dieser Prüfung vorangehende Ausbildung.
Bei dem Kläger, der zwar den Begriff „Innung” im Namen führt, handelt es sich nicht um eine Persönlichkeit des öffentlichen Rechts, sondern um einen Berufsverband in der privatrechtlichen Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Als Berufsverband, der den Interessen seiner Mitglieder (Personen, die im Besitz einer Genehmigung zum Betreiben einer Taxe in Berlin sind, so § 2 der Satzung) dient, ist der Kläger zwar von der Körperschaftsteuer befreit. Eine Anerkennung als gemeinnützig ist nicht gegeben.
Die Zulassung von Taxifahrern zur Personenbeförderung ist nach § 48 Abs. 2 Nr. 7 der bundesrechtlichen Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV –) von einer Ortskundeprüfung abhängig. Vormals wurde diese in Berlin vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten selbst abgenommen. Vor und im Streitjahr 2012 war nach den Ausführungsvorschriften zu § 48 FeV zur Durchführung der Ortskundeprüfung vom (Amtsblatt Berlin Nr. 20 vom , Seite 762 ff.) sowie deren Vorgängervorschriften geregelt, dass ein Prüfungsausschuss bestehend aus Vertretern des Klägers, des B… e.V. und des D… e.V. für die Prüfungen verantwortlich war. Weiter war in den Ausführungsvorschriften geregelt, dass dem Bewerber für die Zulassung als Taxifahrer über das Ergebnis der Ortskundeprüfung eine Bestätigung zu erteilen war. Die Bestätigung hatte der Bewerber dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin – Fahrerlaubnisbehörde – vorzulegen, um von diesem die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung erteilt bekommen zu können. Für den Fall des Nichtbestehens von Ortskundeprüfungen war in den Ausführungsvorschriften unter I.6. geregelt, dass dem Bewerber die Gründe mitzuteilen seien und dieser daraufhin einen Schlichtungsausschuss anrufen könne. Für die Durchführung der Ortskundeprüfungen war nach Abschnitt I.3 der Ausführungsvorschriften geregelt, dass Gebühren nach Gebühren-Nrn. 203 und 399 des öffentlich-rechtlichen Gebührentarifes zur Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr an die mit der Ortskundeprüfung betrauten Organisationen zu entrichten waren.
Soweit der Kläger für von ihm durchgeführte Ortskundeprüfungen von den Bewerbern Gebühren vereinnahmte, erteilte er dem jeweiligen Bewerber hierüber eine Quittung auf dem Formular über den Antrag zur Ortskundeprüfung. In der Quittung war keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Der Kläger schloss mit den anderen nach den Ausführungsvorschriften zur FeV für Ortskundeprüfungen zuständigen Organisationen eine Vereinbarung über die Aufteilung der empfangenen Gebühren, nach der jede Organisation einen in der Vereinbarung bestimmten Teil der vereinnahmten Gebühren zum Verbleib erhielt. Im Übrigen entrichtete er Aufwandsentschädigungen an seine bei den Ortskundeprüfungen anwesenden Vertreter. Hierüber wurden Abrechnungen – ebenfalls ohne Umsatzsteuer – erteilt.
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärte der Kläger, wie auch für Jahre davor die Gelder, die an ihn von den Bewerbern für Ortskundeprüfungen entrichtet worden waren, als umsatzsteuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a Umsatzsteuergesetz –UStG–. Die Festsetzung erfolgte zunächst erklärungsgemäß, nachdem unter anderem eine Außenprüfung für das Jahr 2005 insoweit zu keinen Beanstandungen geführt hatte. Nach einer dann im Jahr 2014 für das Jahr 2012 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte jedoch die Steuerbefreiung für das Streitjahr. Er behandelte die vom Kläger für die Ortskundeprüfungen vereinnahmten Gebühren nach Abzug der auf die anderen Organisationen anfallenden Anteile sowie der Aufwandsentschädigungen als steuerpflichtige Entgelte (unter Herausrechnung entsprechender Nettoumsätze), erhöhte andererseits durch Berücksichtigung der somit steuerpflichtig gewordenen Umsätze den Anteil der abziehbaren Vorsteuern. Dabei stellte der Beklagte darauf ab, dass nur eine der Prüfung vorhergehende Schulung nach den einschlägigen Vorschriften über die Steuerbefreiung von Bildungs- und Ausbildungsleistungen umsatzsteuerfrei sein könnte, jedoch nicht die Prüfungsleistungen als solche. Der Einspruch hiergegen blieb ohne Erfolg.
Der Kläger trägt vor, dass bereits fraglich sei, ob überhaupt eine Entgeltlichkeit vorläge. Denn das Entgelt werde als Gebühr vereinnahmt und damit aufgrund hoheitlicher Anordnung erbracht. Es bestehe keine Leistungsbeziehung zwischen ihm und dem jeweiligen Bewerber. Die Berlin Ausführungsvorschriften zu § 48 FeV zur Durchführung der Ortskundeprüfung für Taxifahrer vom sähen keine direkte Leistungsbeziehung zwischen ihm und dem jeweiligen Prüfling vor. Nach Abschnitt I.3 dieser Vorschrift werde für die Durchführung der Ortskundeprüfung in Abstimmung mit der Senatsverwaltung eine Gebühr erhoben. Diese sei von dem Bewerber vor der Prüfung in seiner Geschäftsstelle zu entrichten. Eine Leistungsbeziehung zwischen ihm und dem jeweiligen Prüfling lasse sich daraus aber nicht ableiten. Übersehen werde bei dieser Betrachtung insbesondere der rechtliche Charakter von Gebühren. Gebühren seien Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung von demjenigen erhoben würden, auf deren Veranlassung oder in deren Interessen die Inanspruchnahme erfolge. Beiträge seien Geldleistungen, die zur vollen oder teilweisen Deckung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung von denjenigen erhoben würden, denen die Herstellung oder der Bestand der Einrichtung besondere Vorteile gewähre. Aus dem ergebe sich, dass zwar Beiträge unter Umständen als Entgelte angesehen werden könnten, nicht jedoch Gebühren. Die vom Beklagten vorgenommene Gleichsetzung einer Gebühr mit einem Entgelt für umsatzsteuerbare Leistungen würde für alle Prüfungen eine Umsatzsteuerbarkeit auslösen, die unter staatlicher Aufsicht stünden. Es müsse ferner darauf hingewiesen werden, dass die Annahme einer Leistungsbeziehung auch daran scheitere, dass ein Prüfungsbewerber nicht die Möglichkeit habe, Leistungsstörungen bei ihm – dem Kläger – vorzubringen.
Zusätzlich müsste bei der Unterstellung einer Steuerbarkeit beachtet werden, dass Leistungen, die den Zugang zu einem Beruf eröffneten, nach den Vorschriften des UStG von der Umsatzsteuer befreit seien. Er berufe sich auch unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem –MwStSystRL–. Nach dieser Vorschrift seien unter anderem Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbunden Dienstleistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut seien, und andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Umsatzsteuer befreit. Er erbringe – sofern ein Leistungsaustausch unterstellt werde – eine Dienstleistung, die mit einer beruflichen Umschulung eng verbunden sei. Dazu gehöre zwangsläufig die Abnahme einer Prüfung, deren Ablauf staatlich reglementiert und die Zugangsvoraussetzung für einen Beruf sei. Es könne nicht sein, dass der Unterricht zu einer Umschulung steuerbefreit sei, nicht aber die entsprechende Prüfung. Das Gemeinschaftsrecht sei insoweit weiter gefasst als das nationale Umsatzsteuergesetz. Soweit sich der Beklagte auf eine Entscheidung des Hessischen berufe, sei darauf hinzuweisen, dass der Fall die Prüfungsgebühren eines Sportvereines betroffen habe, wobei die Prüfung lediglich nach internen Regelungen vorgenommen worden sei. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer sei insbesondere Teil einer Berufsausbildungs- oder Umschulungsmaßnahme, weil sie eine mit der eigentlichen Ausbildung eng verbundene Dienstleistung sei. Soweit der Beklagte auf eine Verfügung der OFD E… vom – S 7180 A – 17 – St 2.30 – hinweise, könne sich dies nur auf eine freiwillige private Leistungskontrolle, nicht aber auf eine staatlich reglementierte Prüfung beziehen. Sofern der Beklagte die Eigenschaft des Klägers als Bildungseinrichtung anzweifle, sei dies vor dem Hintergrund unverständlich, dass der Kläger gerade von der zuständigen öffentlichen Verwaltung mit der Abnahme der Prüfung beauftragt worden sei.
Auch das Vorliegen von Vertrauensschutz aufgrund der Akzeptanz der Steuerbefreiung in den teilweise schon früher geprüften Vorjahren sei nicht beachtet worden.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom in der Form der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsätze aus der Ortskunderüfung i.H.v. 81.495,80 EUR als nicht steuerbar bzw. steuerfrei behandelt werden unter gleichzeitiger Minderung des Vorsteuerabzugs entsprechend Tz. 15 des USt-Sonderprüfungsberichts vom um 10.508,31 EUR; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich seine Einspruchsentscheidung. Dort hatte er dargelegt, dass ein Leistungsaustausch gegeben sei. Die Prüfungsgebühren dienten dem Kläger zur Erzielung von Einnahmen. Eine Verpflichtung zur Abführung an die Senatsverwaltung bestehe nicht. Zwar sei die Tätigkeit behördlich auf den Kläger übertragen worden. Dies ändere jedoch an der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Leistungen nichts. Leistung und Gegenleistung seien innerlich verknüpft und stünden in einem Austauschverhältnis. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG entfalle die Steuerbarkeit nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt werde. Entscheidend sei allein, dass es sich um eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen handele, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehle. Aus diesem Grund sei es auch unerheblich, dass der Kläger für diese Leistung keinen eigenen Preis habe bestimmen können, sondern die Gebühren nach einer Gebührenordnung habe erheben müssen. Auch eine Ausnahme nach § 2 Abs. 3 UStG greife nicht ein. Nach dieser Bestimmung seien juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art gewerblich oder beruflich tätig. Der Kläger sei aber schon keine juristische Person des öffentlichen Rechts.
Steuerbefreiungsvorschriften griffen vorliegend nicht ein. Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG seien zwar bestimmte Ausbildungsleistungen steuerbefreit, die vom bestimmten Institutionen im Sinne dieser Norm erbracht würden. Der Kläger sei aber schon keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG. Gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG seien von der Umsatzsteuer befreit die Vorträge und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Person des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von den Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt würden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet würden. Die Prüfungsabnahmen durch die Prüfer des Klägers stellten aber keinen Unterricht dar und würden auch nicht mit dieser Intention durchgeführt.
In Ergänzung zu seiner Einspruchsentscheidung bringt der Beklagte ferner vor, dass sich der Beklagte auch nicht auf die MwStSystRL berufen könne. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL seien die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferung von Gegenständen durch Einrichtung des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut seien, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung steuerbefreit. Zweck des Klägers sei gemäß § 2 seiner Satzung die Förderung der Berufsinteressen seiner Mitglieder. Als Berufsverband sei er damit keine Einrichtung im Sinne der MwSt.-Systemrichtlinie.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Denn der angegriffene Steuerbescheid ist nicht rechtswidrig und der Kläger ist durch die nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–.
Die Abnahme der Ortskundeprüfung gegen eine Gebühr stellt vorliegend einen Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts dar. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , Bundessteuerblatt –BStBl– II 2004, 798; vom XI R 11/11, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFHE– 238, 560, Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs –BFH/NV– 2013, 326; s. auch Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Apple and Pear Development Council vom C-102/86, EU:C:1988:120, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1989, 452, Rz 11; Mohr vom C-215/94, EU:C:1996:72, HFR 1996, 294; Landboden-Agrardienste vom C-384/95, EU:C:1997:627, HFR 1998, 315).
In Fällen, in denen ein anderer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung (oftmals als „Zuschuss”) verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, in erster Linie auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden (vgl. , BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169 m.w.N.), gegebenenfalls auch auf weitere das Leistungsverhältnis regelnde Grundlagen wie etwa einen Bewilligungsbescheid (vgl. , BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 unter II.2.e) oder Satzungen (, BFHE 223, 493, BFH/NV 2009, 324) abzustellen (vgl. , BStBl II 2015, 862).
Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist es dabei ohne Bedeutung, ob der Unternehmer damit auch eigene Satzungszwecke oder weitere mittelbare Zwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch z.B. eine gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798; vom V R 54/13, BFH/NV 2015, 364 Rz 31). Unerheblich ist auch, in welcher Rechtsform der Unternehmer Leistungen gegen Entgelt erbringt (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417; vom XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428).
Vorliegend sind die Leistung des Klägers (Prüfungsabnahme) und das Entgelt innerlich verknüpft. Der Kläger erhält das Entgelt in Höhe einer vom Staat festgelegten Gebühr vom jeweiligen Bewerber für die Prüfungsabnahme. Der Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts verlangt insoweit weder einen schriftlich formulierten noch sonst wie dokumentierten zivilrechtlichen synallagmatischen Vertrag. Es ist insoweit ausreichend, dass der Charakter des Entgelts als Gegenleistung für die Leistungserbringung aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem die Leistung erbracht wird, hervortritt. Ohne die Gebühr wäre der Kläger nicht tätig geworden, was nicht nur durch die entsprechenden Regelungen unter I.3. der Ausführungsvorschriften zur FeV, sondern im Verhältnis des Klägers zum Bewerber daraus hervorgeht, dass die Gelder in Höhe der vorgesehenen Gebühren jeweils vor der Prüfung geleistet werden mussten.
Bezüge zum öffentlichen Recht stehen der Steuerbarkeit nicht entgegen. Der Kläger unterliegt als privatrechtlich organisierter Verein nicht den für juristische Personen des öffentlichen Rechts geltenden Sonderregelungen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG in der für 2012 geltenden Fassung. Auch der Bezug der von ihm bei Abnahme der Ortskundeprüfungen erbrachten Tätigkeiten zu den in der FeV und den Ausführungsvorschriften dazu öffentlich-rechtlich ausgestalteten Voraussetzungen über die Erlangung der Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung steht der Steuerbarkeit nicht entgegen. Insbesondere aus den Tätigkeitszuweisungen in den Ausführungsvorschriften geht eindeutig hervor, dass dem Kläger bzw. den anderen für die Vornahme von Ortskundeprüfungen in Berlin vorgesehenen Vereinigungen lediglich der hierauf beschränkte Tätigkeitsbereich und die Ausstellung entsprechender Bestätigungen zum Nachweis unter Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde zugewiesen worden war. Eigene Hoheitsgewalt – etwa als beliehener Unternehmer – hatte der Kläger im Rahmen dieser Zuweisung nicht auszuüben. Die Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis, für die die Bestätigung über die Ortskundeprüfungen lediglich als Voraussetzung diente, hatte die Fahrerlaubnisbehörde selbst zu entscheiden.
Dass die Höhe der dem Kläger zustehenden Entgelte nach Gebührentatbeständen geregelt war, diente ersichtlich der Sicherung unparteilicher Prüfungsleistungen, führte aber nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Bewerbern für die Ortskundeprüfungen. Auch die Verwendung des Begriffes „Gebühr” steht als solche der Annahme eines Entgelts für steuerbare Leistungen im Verhältnis der Bewerber zum privatrechtlich organisierten Kläger nicht entgegen.
Auch keine Rolle für das Vorliegen eines Leistungsaustauschverhältnisses spielt, inwieweit die Bewerber rechtlich in der Lage waren, Leistungsstörungen gegenüber dem Kläger selbst geltend zu machen. Nach den Ausführungsvorschriften war hierfür durchaus Vorgehen über einen Schlichtungsausschuss vorgesehen.
Die Leistungen des Klägers sind auch weder nach nationalem Recht noch nach der MwStSystRL steuerfrei.
Eine Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a bzw. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG greift nicht ein.
§ 4 Nr. 21 Buchst. a UStG befreit die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. § 4 Nr. 21 Buchst. b bb UStG befreit die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen, von der Umsatzsteuer. Der Kläger verfügte schon nicht über eine in der Vorschrift vorausgesetzte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Vor allem erbrachte er aber inhaltlich weder in den Vorschriften vorausgesetzten Unterrichts- bzw. Schulungsmaßnahmen noch waren die Ortskundeprüfungen als Nebenleistungen mit solchen von ihm erbrachten Schulungsmaßnahmen verbunden. Vielmehr wurde in den Prüfungen lediglich festgestellt, ob das Ziel einer – möglichen – anderweitigen Ausbildung bzw. Schulungsmaßnahmen oder ein durch eigenes Lernen erworbener Kenntnisstand erreicht worden sei.
Nach der Rechtsprechung des , BStBl II 2004, 252) sind unter berufsbildenden Schulen oder Einrichtungen solche Einrichtungen zu verstehen, die Leistungen erbringen, die ihrer Art nach den Zielen einer Berufsaus- oder Berufsfortbildung unmittelbar dienen. Es müssen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind. Das Tatbestandsmerkmal „unmittelbar” beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- oder Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden, d.h. es dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken. Derartige Leistungen können sich über allgemeinbildende Inhalte hinaus auch auf die Vermittlung spezifischer beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten richten (vgl. etwa , BStBl II 1989, 815).
Die unmittelbare Vermittlung von Kenntnissen und Bildungsinhalten lediglich begleitende oder sie mittelbar fördernde Leistungen, wie etwa Lieferungen von Lehr- und Lernmaterialien, Unterbringung und Verpflegung von Schülern dienen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck und fallen daher nicht unter die Befreiungsvorschrift (vgl. , BStBl II 1986, 499; vom VIII R 149/76, BStBl II 1981, 746). Dies gilt gleichermaßen für die vorliegend vom Kläger erbrachten, dem Erwerb von Kenntnissen lediglich nachgelagerten Ortskundeprüfungen.
Die Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG hat unter Berücksichtigung der Richtlinienvorschrift des Art. 132 Abs. 1 i MwStSystRL (früher Art. 13 Teil A Abs. 1 i der der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG – Sechste EG-Richtlinie –) zu erfolgen. Nach der Richtlinienvorschrift befreien die Mitgliedstaaten Umsätze im Bereich der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Steuer. Der in der Norm verwendete Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts beschränkt sich nicht auf den Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Vielmehr umfasst er auch andere Tätigkeiten, bei denen eine Unterweisung in Schulen oder Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (Gerichtshof der Europäischen Union –EuGH–, Entscheidung vom Haderer C-445/05, Sammlung –Slg.– 2007, I-4841). Der BFH hat hieran anknüpfend etwa mit Urteil vom V R 75/03 (BStBl II 2008, 323) klargestellt, dass die Steuerbefreiung jegliche Unterweisungen erfasst, die eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittele sowie Kenntnisse und Fähigkeiten der Unterwiesenen entwickele, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten. Dabei können allerdings in Abgrenzung zu – nicht steuerbefreiten – Beratungsleistungen nur Unterweisungen zu allgemeinbildenden oder berufsbezogenen Aspekten in Betracht kommen, die vergleichbar der Wissensvermittlung an Hochschulen oder Schulen den Unterwiesenen Fertigkeiten oder Kenntnisse vermitteln, die sie bei sich erst später in ihrer Lebensführung oder bei einer geplanten beruflichen Tätigkeit stellenden Fragen oder Problemen verwerten können. Die vorliegenden nachgelagerten Tätigkeiten des Klägers erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
Aus diesem Grund unterfallen die Leistungen des Klägers auch nicht § 4 Nr. 22 UStG, denn die Prüfungen sind keine Vorträge, Kurse oder andere Veranstaltungen belehrendender Art.
Auch die Berufung des Klägers auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL greift nicht durch. Nach der Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung und die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen. Begünstigt werden derartige Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Steuerfrei ist zudem nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Wie schon ausgeführt, beschränkt sich nach der EuGH-Rechtsprechung der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts nicht auf Unterricht …, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung vergleichbar auch in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. , Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 26). Immer muss es sich aber um die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit handeln (vgl. Eulitz, Slg. 2010, I-907 Rdnr. 33).
Weder erbringt der Kläger aber irgendwelche Unterrichts- bzw. Schulungsmaßnahmen noch ist die Prüfung eng mit solchen Schulungsmaßnahmen verbunden. Vielmehr wird in einer Prüfung lediglich festgestellt, ob das Ziel der Ausbildung bzw. Schulungsmaßnahmen erreicht worden ist. Gerade die nicht unübliche Aufteilung von Ausbildung oder Selbsterwerb von Kenntnissen einerseits und Prüfung durch eine andere Institution zeigt, dass eine enge Verbindung der Prüfung mit der eigentlichen Ausbildung gerade eben nicht besteht. Wie im Übrigen aus dem Eulitz (Slg 2010, I-907 Rdnr. 38 und 41) hervorgeht, können Leistungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL nur dann eng mit den dort genannten Unterrichtungsleistungen verbunden sein, wenn sie tatsächlich als eine Nebenleistung zu Unterricht, der die Hauptleistung ist, erbracht werden und insoweit keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erhalten (auch Horizon College, Slg 2007, I-4793; Tehler in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 22 Rn. 184). Vorliegend waren die Prüfleistungen des Klägers jedoch eigenständig und erfüllten im Verhältnis zu den Bewerbern den eigenen Zweck der Erlangung des Ortskundenachweises. Im Übrigen würde auch im Rahmen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anerkennung des Klägers als in der Vorschrift aufgeführte Einrichtung mit vom Mitgliedsstaat anerkannter vergleichbarer Zielrichtung voraussetzen, dass der Kläger über die in § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG benannte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügt hätte (, BStBl II 2013, 879 unter II.2.a bb).
Auch ein Vertrauensschutz kommt nicht in Betracht. Insbesondere ist die Außenprüfung für das Jahr 2005 nicht für das vorliegende Streitjahr durchgeführt worden, so dass die dortige Behandlung der streitigen Leistungen des Klägers für das vorliegende Verfahren, das ein Streitjahr mehrere Jahre nach 2005 betrifft, nicht von Bedeutung ist. Die Finanzbehörde ist grundsätzlich an ihre rechtliche Würdigung für frühere Besteuerungszeiträume nicht gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn das Finanzamt über eine längere Zeitspanne eine fehlerhafte, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat und der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert haben sollte (ständige Rechtsprechung, zuletzt , BFHE 255, 190 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die hier vorgenommene Auslegung des UStG und der MwStSystRL unter Beachtung der zitierten ständigen BFH – und EuGH – Rechtsprechung erfolgt ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 582 Nr. 7
MAAAG-58533