SchlHOLG Beschluss v. - 2 Ss 63/15 (71/15)

Keine strafbefreiende Wirkung steuerlicher Selbstanzeige bei einschlägiger Medienberichterstattung

Leitsatz

Die Kenntnis der einschlägigen Medienberichterstattung über den Ankauf einer „Steuer-CD“ schließt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige jedenfalls dann aus, wenn auf der CD Daten einer vom Steuerpflichtigen eingeschalteten Bank vorhanden sind und hierüber in den Medien berichtet worden ist. Liegt es so, musste der Steuerpflichtige mit der Entdeckung seiner Straftat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO rechnen.

Gesetze: AO § 371 Abs. 1 AO

Instanzenzug:

Tatbestand

Der Angeklagte ist durch das am verkündete Urteil des Amtsgerichts Kiel wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; im Übrigen ist der Angeklagte vom Amtsgericht freigesprochen worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat die 11. kleine Strafkammer des Landgerichts Kiel mit dem Urteil vom als unbegründet verworfen.

Nach den Feststellungen der Strafkammer eröffnete der Angeklagte im Verlauf der 1990er Jahre bei den schweizerischen Banken Credit Lyonnais (heute Credit Agricole), Baumann & Cie. und Julius Bär in der Schweiz Konten und Depots, um einen Teil seines Vermögens vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Aus diesen Kapitalanlagen in der Schweiz erzielte der Angeklagte teilweise Einkünfte wie auch Verluste, die er für die Veranlagungsjahre 2001 – 2011 in seinen Einkommensteuererklärungen nicht angab. Dabei nahm der Anklage jedenfalls billigend in Kauf, dass durch die nicht vollständigen Einkommensteuererklärungen die Steuern zu niedrig festgesetzt werden könnten. Durch die unvollständigen Einkommensteuererklärungen wurde die Einkommensteuer in den Jahren 2007 bis 2010 um Beträge zwischen 4.229,58 € und 35.014,71 € verkürzt und unter Einbezug eines zu hoch festgestellten Verlustvortrags um 110.057,11 € zu gering festgesetzt.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 entschloss sich der Angeklagte, seine Vermögenswerte aus der Schweiz nach Deutschland zurück zu transferieren und dem Finanzamt gegenüber offenzulegen. Anfang August 2012 offenbarte er gegenüber seinem Steuerberater, dem Zeugen M., die Konten und Geldanlagen bei den drei Schweizer Bankhäusern. Der Zeuge M. ging nach dem Ankauf einer ersten CD mit Datensätzen von deutschen Kunden durch Finanzbehörden in Deutschland davon aus, dass weitere Ankäufe derartiger Datensätze folgen würden. Er schätzte deshalb das Entdeckungsrisiko für den Angeklagten als „enorm“ ein, teilte dies dem Angeklagten auch mit und riet ihm, so schnell wie möglich die bisher noch nicht vollständigen Steuererklärungen beim Finanzamt zu berichtigen. Nach umfangreichen Arbeiten des Zeugen M. und seiner Mitarbeiter gab der Angeklagte am beim Finanzamt N. eine Selbstanzeige ab, mit der alle bisher verheimlichten Einkünfte aus den Jahren 2001 bis 2011 offen gelegt wurden. Die vom Finanzamt darauf geforderte Nachzahlung einschließlich der Zuschläge wurde fristgerecht von dem Angeklagten beglichen.

Bereits zuvor hatten die nordrhein-westfälischen Finanzbehörden zum Jahreswechsel 2011/2012 eine CD mit Daten von 2.500 bis 3.000 Kunden des Bankhauses Julius Bär erworben, unter denen sich auch die Daten zur Kontoverbindung des Angeklagten befanden. Nachdem das für die Auswertung zuständige Finanzamt M. die den Angeklagten betreffenden Daten mit den Steuerdaten des Finanzamts N. abgeglichen hatte, fertigte ein Mitarbeiter des Finanzamts M. am einen Verdachtsprüfungsvermerk und am wurde gegen den Angeklagten ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 eingeleitet.

Im Hinblick auf die öffentliche Berichterstattung über den Ankauf von Datenträgern mit Datensätzen von ausländischen Kunden Schweizer Bankhäuser hat das Landgericht folgende Feststellung getroffen:

„Im August 2012 wurde in der regionalen und überregionalen Presse immer wieder und ausführlich über den Ankauf von „Steuer-CD’s“ berichtet. Einige dieser Berichte betrafen die CD mit Daten von der Bank Julius Bär, die zum Jahreswechsel 2011/2012 von den nordrhein-westfälischen Finanzbehörden erworben worden war. Die Bank Julius Bär wurde dabei in verschiedenen Berichten namentlich genannt.

Der Angeklagte informierte sich insbesondere über die Internetseite „Börse.de“ über Wirtschaftsnachrichten. Auf dieser Seite wurden am zwei Nachrichten der Deutschen Presseagentur verlinkt, in denen von einer von deutschen Behörden angekauften CD mit Kundendaten der Bank Julius Bär berichtet wurde.

Der Angeklagte hatte im Jahre 2012 zur Kenntnis genommen, dass „Steuer-CD’s“ mit Daten schweizerischer Banken durch deutsche Finanzbehörden angekauft wurden. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige war ihm bekannt, dass deutsche Finanzbehörden auch eine CD mit Kundendaten der Bank Julius Bär erworben hatten.“

Das Landgericht hat eine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige des Angeklagten nach § 371 Abs. 1 AOO verneint, da die Voraussetzungen des Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vorlägen. Zum Zeitpunkt der Selbstanzeige seien die Taten bereits entdeckt gewesen und der Angeklagte habe aufgrund der ihm bekannten Berichte über den Ankauf einer CD mit Datensätzen von Kunden des Bankhauses Julius Bär auch mit der Entdeckung der Taten rechnen müssen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und sich insbesondere dagegen wendet, dass das Landgericht ein Eingreifen des Sperrtatbestands nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO angenommen und damit eine strafbefreiende Wirkung seiner Selbstanzeige verneint hat.

Gründe

Die Revision des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg und war deshalb nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO eingreift und damit die Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung nach § 371 Abs. 1 AO entfaltet.

Auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellung des Landgerichts lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem der Selbstanzeige vom , die Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vor. Nach dieser Vorschrift tritt Straffreiheit durch eine Selbstanzeige nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

a) Die von dem Angeklagten begangenen Hinterziehungstaten waren bei Abgabe der Selbstanzeige am bereits entdeckt. Bereits zuvor war aufgrund des Datenabgleichs vom festgestellt worden, dass der Angeklagte die Bankverbindung zu dem Bankhaus Julius Bär in der Schweiz nicht in seinen Einkommenssteuererklärungen angegeben hatte, woraufhin am ein Steuerstrafverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet wurde.

b) Das Landgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei Abgabe der Selbstanzeige am im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO unter verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, dass die Hinterziehungstaten bereits entdeckt waren.

aa) Bei dem Begriff des „Rechnenmüssens“ mit einer Tatentdeckung handelt es sich um eine Beweisregel zu Ungunsten des Täters, die auf die dem Täter bekannten Umstände fußt. Es kommt darauf an, ob der Täter aufgrund der ihm nachweislich bekannten Umstände mit der Entdeckung seiner Tat rechnen musste. Dabei ist auf die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Täters abzustellen; maßgeblich ist, inwieweit der Täter nach seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit eine Tatentdeckung annehmen musste (vgl. zum Vorstehenden: Kohler in Münchner Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 371 AO Rn. 278 f.).

In der Literatur wird der Begriff des „Rechnenmüssens“ ganz überwiegend dahin gehend verstanden, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Tatsachen davon ausgehen muss, dass die Tat entdeckt ist: „Rechnenmüssen“ mit der Tatentdeckung sei anzunehmen, wenn der Täter nach den ihm bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Tat entdeckt ist. Aufgrund der dem Täter bekannten Umständen hätte sich ihm die Tatentdeckung aufdrängen müssen (so Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 198; Kohler, aaO., § 371 AO Rn. 279; Jäger in Klein, Abgabenordnung, 12. Aufl., § 371 Rn. 70; Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Ergänzungslieferung, Oktober 2014, § 371 AO, Rn. 40; ähnlich auch Schöler, DStR 2015, 503, 506). Das Landgericht ist demgegenüber mit Recht davon ausgegangen, dass der Begriff des „Rechnenmüssens“ weiter auszulegen ist und ein „Rechnenmüssen“ auch vorliegt, wenn ein Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Tatentdeckung für durchaus möglich oder wahrscheinlich hält, auch wenn eine gewisse Unsicherheit verbleibt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut der Vorschrift, steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und widerspricht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen.

(1.) Dem allgemeinen Sprachverständnis nach ist unter der Formulierung „mit etwas zu rechnen“ zu verstehen, dass jemand aufgrund bestimmter Umstände bzw. Überlegungen den Eintritt eines bestimmten Ereignisses als möglich bzw. wahrscheinlich annimmt (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/rechnen). Im Unterschied zum Begriff des „Kennens“, der auf die positive Kenntnis, also das Wissen von bestimmten Umständen hindeutet, beinhaltet „mit etwas zu rechnen“, also eine noch verbleibende Unsicherheit.

(2.) Allein eine solche Auslegung steht auch mit der der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einklang. Dieser hat mit dem Beschluss vom ausgeführt, der Tatbestand der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO sei im Hinblick auf den staatlichen Strafanspruch restriktiv auszulegen ( -, bei Juris Rn. 17). Dies spricht dafür, die Voraussetzungen des Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO - wie auch der anderen Sperrgründe, die gerade einen Wegfall der Strafbefreiung nach § 371 Abs. 1 AO zur Folge haben, - nicht gemäß der Auffassung der Literatur eng, sondern dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend dahingehend auszulegen, dass ein „Rechnenmüssen“ mit der Tatentdeckung bereits dann vorliegt, wenn der Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Entdeckung für naheliegend hält, ohne hiervon aber bereits sicher auszugehen. Eine solche Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf verbesserte Ermittlungsmöglichkeiten bei Steuerstraftaten keine hohen Anforderungen an die Annahme eines „Kennenmüssens“ der Tatentdeckung zu stellen sind. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO werde deshalb - so der Bundesgerichtshof weiter - maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt (BGH, aaO., bei Juris Rn. 33).

(3.) Eine solche Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum erkennbaren gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber hat zwar entgegen dem damaligen Vorschlag des Bundesrats (vgl. BT-Drucksache 17/2823, S. 28 f.) auf das subjektive Element des Wissens von bzw. „Rechnenmüssens“ mit einer Tatentdeckung nicht verzichtet, sondern auch in der ab dem geltenden Fassung wie auch in der derzeit seit dem geltenden Fassung die subjektive Komponente beibehalten. Das lässt aber nicht auf den gesetzgeberischen Willen schließen, das subjektive Element müsse bei Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO in besonderem Maße Beachtung finden. Die schlichte Beibehaltung der subjektiven Komponente spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber - auch in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – keine Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung sah. Ein gesetzgeberischer Wille zur Stärkung des subjektiven Elements in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO über die zu damaligen Zeitpunkt bereits bekannte Auslegung durch den Bundesgerichtshof hinaus ließe sich aber nur annehmen, wenn es auch zu einer entsprechenden Gesetzesänderung gekommen wäre. Dies ist aber nicht der Fall gewesen.

bb) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Auslegung des Begriffs „Rechnenmüssens“ im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO hat das Landgericht ohne Rechtsfehler aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen angenommen, dass der Angeklagte bei der Selbstanzeige mit der Entdeckung seiner Taten rechnen musste. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte bei der Selbstanzeige Kenntnis, dass eine CD mit Datensätzen von Kunden des Bankhauses Julius Bär zum Jahreswechsel 2011/2012 von den Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen erworben worden war. Zudem war er im Zuge der Offenbarung seiner Konten in der Schweiz gegenüber seinem Steuerberater von diesem auf ein großes Entdeckungsrisiko hingewiesen worden.

Ob der Angeklagte angesichts dieser ihm bekannten Umstände – wie vom Landgericht angenommen – mit einer Entdeckung der Steuerhinterziehung in Bezug auf alle drei schweizerische Banken, bei denen er Kapital angelegt hatte, rechnen musste, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls im Hinblick auf die beim Bankhaus Julius Bär erzielten Kapitaleinkünfte musste der Angeklagte bei der Selbstanzeige mit einer Tatentdeckung rechnen.

(1.) Der Angeklagte wusste, dass die Daten von Kunden dieser Bank an die deutschen Finanzbehörden gelangt waren. Das Risiko einer Entdeckung seiner bei dem Bankhaus Julius Bär erzielten Kapitaleinkünfte hatte sich über das allgemeine Entdeckungsrisiko und das gesteigerte Entdeckungsrisiko bei Ankauf eines Datensatzes eines nicht näher bekannten Bankhauses hinaus ganz erheblich verdichtet. Der Gewissheit einer Entdeckung seiner Hinterziehungstaten standen in dieser Situation allein zwei Umstände entgegen: Dass sich die Daten des Angeklagten nicht auf dem an die deutschen Finanzbehörden verkauften Datensatz befanden oder aber – sofern dies der Fall sein sollte -, dass die Taten mangels bisherigem Datenabgleich noch nicht entdeckt worden waren. Beides war in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Selbstanzeige unwahrscheinlich und eine bereits erfolgte Entdeckung damit wahrscheinlich.

In zeitlicher Hinsicht war nach dem Kenntnisstand des Angeklagten davon auszugehen, dass der Datensatz auf der CD bereits ausgewertet war. Der Angeklagte wusste, dass die Finanzbehörden zum Jahreswechsel 2011/2012 die Daten-CD erworben hatten. Da der Ankauf derartiger Daten durch deutsche Finanzbehörden gerade dem Ziel diente, geheim gehaltene Steuerquellen zu erschließen, war bei einem Zeitablauf von mehr als 6 Monaten mit einer zwischenzeitlichen Auswertung der auf der CD enthaltenen Daten auszugehen.

Der Angeklagte konnte danach bei Abgabe der Selbstanzeige allenfalls hoffen, dass der Datensatz auf der CD nicht die Daten zu seiner Kontoverbindung enthalten würde. Diese noch verbleibende Ungewissheit steht der Annahme eines „Rechnenmüssens“ mit der Tatentdeckung indessen nicht entgegen. Der Angeklagte hatte zwar nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen keine Kenntnis von dem Umfang des Datensatzes, der sich auf der angekauften CD befand. Schon aus dem Umstand, dass die deutschen Finanzbehörden den Datenträger angekauft hatten, ergab sich bei verständiger Würdigung, dass sich auf der CD ein umfangreicher Datensatz befinden würde. Anderenfalls hätten die deutschen Behörden einen solchen Datenträger nicht erworben. Dies war für den Angeklagten, der nach den Feststellungen des Landgerichts auf möglichst weitgehende Kontrolle seiner Angelegenheiten bedacht war, auch zu erkennen, zumal er von seinem Steuerberater bereits aufgrund des erstmaligen Ankaufs von Datensätzen schweizerischer Banken auf ein hohes „Entdeckungsrisiko“ hingewiesen worden war. Denn ein solches bestand nur, wenn sich auf derartigen „Steuer-CD´s“ umfangreiche Datensätze befinden. Bei verständiger Würdigung musste der Angeklagte somit von einem umfangreichen Datensatz auf der CD ausgehen, so dass die erhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, dass sich die Daten seiner Kontoverbindung beim Bankhaus Julius Bär hierunter befanden.

Angesichts dieser dem Angeklagten bekannten Umstände musste er – wie zutreffend vom Landgericht angenommen - mit einer Tatentdeckung rechnen.

(2.) In der Literatur wird demgegenüber angenommen, ein „Rechnenmüssen“ mit der Tatentdeckung könne auch bei medialer Berichterstattung von dem Ankauf derartiger Datensätze erst angenommen werden, wenn der Täter von dem Umfang der Datensätze auf einem angekauften Datenträger und der Anzahl der aus Deutschland stammenden Kunden, die unter Umgehung des deutschen Fiskus bei dem betreffenden Bankhaus Gelder angelegt haben, Kenntnis hat. Nur dann könne sich der Täter eine Vorstellung davon machen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der den deutschen Behörden zugängliche Datensatz auch die Daten zu seiner Geschäftsverbindung bei dem betreffenden Bankhaus enthält (so Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 52. Lfg., Stand Aug. 2015, § 371 AO Rn. 741; Kohler, aaO., § 371 AO Rn. 281; Schöler, DStR 2015, 503, 507; Mückenberger/Iannone, NJW 2012, 3481, 3482 f.).

Dem folgt der Senat nicht. Damit würden die Anforderungen an ein Rechnenmüssen mit der Tatentdeckung zu hoch gesetzt werden. Denn der medialen Berichterstattung werden derartige Details kaum jemals zu entnehmen sein. Bei einem Täter, der allein im Hinblick auf die Hoffnung, dass sich unter den regelmäßig umfangreichen Datensätzen seine Daten nicht befinden, ein „Rechnenmüssen“ mit der Tatentdeckung im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu verneinen, wäre aber mit dem Wortlaut der Vorschrift gemäß obiger Auslegung nicht zu vereinbaren. Es entspräche auch nicht der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der an die Annahme eines „Rechnenmüssens“ von der Tatentdeckung keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, aaO., bei juris Rn. 33).

(3.) Auch mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 371 AO ist die Gewährung des Privilegs der Straffreiheit in einer solche Konstellation nicht geboten. § 371 AO dient zum einen fiskalischen Zwecken, nämlich der Erschließung verborgener Steuerquellen; zum anderen soll eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit honoriert werden (BGH, aaO., bei juris Rn. 6 f.). Sofern es nach einer Tatentdeckung um das Eingreifen des Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO geht, tritt der fiskalische Zweck aber in den Hintergrund, da mit der Entdeckung eine bis dahin verborgene Steuerquellen für den Fiskus bereits erschlossen ist. Der dann im Vordergrund stehende Zweck, eine Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit, greift aber bei einem Täter, der infolge öffentlicher Berichterstattung von seiner – wahrscheinlichen - Entdeckung ausgehen muss, nicht ein.

In der Literatur wird demgegenüber zum Teil die Auffassung vertreten, die Bejahung eines „Rechnenmüssens“ mit der Tatentdeckung aufgrund medialer Berichterstattung und ein dadurch bedingter Wegfall des Privilegs der Strafbefreiung hätten zur Folge, dass für Täter keinen Anreiz zu einer Offenbarung besteht und damit der von § 371 AO verfolgte fiskalische Zweck verfehlt wird (in diesem Sinne: Schauf in Kohlmann, aaO., § 371 Rn. 744ff.). Dabei wird übersehen, dass der fiskalische Zweck aus den zuvor genannten Gründen nach Tatentdeckung weitgehend nicht eingreift. Fiskalische Gründe können lediglich in den Fällen einer nur teilweisen Tatentdeckung noch eine Rolle spielen, wenn – wie auch hier – ein Täter neben einer bereits entdeckten Geschäftsverbindung noch weitere verborgene Steuerquellen im Ausland unterhält. Dass in solchen Fällen trotz fortbestehendem fiskalischem Aspekt eine Strafbefreiung nicht mehr in Frage kommt, ergibt sich aber schon dass der gesetzgeberischen Entscheidung, dass der Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bereits dann eingreift, wenn eine der Taten auch nur zum Teil entdeckt war. Abgesehen davon besteht für eine Selbstanzeige selbst dann, wenn sie wegen Eingreifen eines Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 AO keine strafbefreiende Wirkung entfaltet, ein erheblicher Anreiz, da sie einen gewichtigen Strafmilderungsgrund darstellt.

c) Aus den eben genannten Gründen ist das Landgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Selbstanzeige in Bezug auf die weiteren Kapitaleinkünfte des Angeklagten bei den Bankhäusern Credit Agricole sowie Baumann & Cie. ebenfalls keine strafbefreiende Wirkung entfaltet. Denn nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO tritt Strafbefreiung bereits dann nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten auch nur zum Teil bereits entdeckt war und der Täter von dieser Entdeckung Kenntnis hatte bzw. hiermit rechnen musste.

2. Auch andere Rechtsfehler lässt das angefochtene Urteil im Hinblick auf die nicht ausgeführte Sachrüge nicht erkennen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Fundstelle(n):
MAAAF-68538