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StuB Nr. 2 vom Seite 68

Umwandlungssteuerrecht: Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns ll nach einer Aufwärtsverschmelzung

Anmerkungen zum

WP/StB Dr. Oliver Middendorf und Cathrin Zink *

Mit dem Urteil vom [1] hat sich erstmalig ein FG mit der Frage beschäftigt, ob eine nach einer Einbringung erfolgte Aufwärtsverschmelzung eine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns II auslöst. Nach Auffassung des FG Hamburg erfasst der Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 2 UmwStG grundsätzlich auch Umwandlungen als tauschähnliche Vorgänge. Der Begriff der Veräußerung im § 22 Abs. 2 UmwStG sei jedoch unter Berücksichtigung des Regelungszwecks (typisierende Missbrauchsvorschrift) einschränkend auszulegen. Folgeumwandlungen wie eine Aufwärtsverschmelzung fallen nach Auffassung des Gerichts dann nicht unter die Tatbestandsvoraussetzungen, wenn es dabei nicht zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der Statusverbesserung kommen kann. Der nachfolgende Beitrag setzt sich kritisch mit dieser Entscheidung auseinander und stellt ihre Bedeutung für die Praxis heraus.

Kernaussagen
  • Nach Ansicht des FG Hamburg ist der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG normspezifisch auszulegen. Neben den Voraussetzungen des allgemeinen Veräußerungsbegriffs muss auch eine missbräuchliche Ausnutzung der erlangten Statusverbesserung vorliegen.

  • Da diese beiden Tatbestandsmerkmale bei der einer Einbringung folgenden Aufwärtsverschmelzung nicht erfüllt sind, stellt eine solche keine Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG dar.

  • Obwohl die Entscheidung den Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG betraf, ist der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 1 UmwStG entsprechend auszulegen.

l. Sachverhalt

[i]Ott, Ersatzrealisationstatbestände des § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG, StuB 18/2011 S. 697 NWB MAAAD-91700 Ott, Der neue Umwandlungssteuer-Erlass vom 11. 11. 2011, StuB 4/2012 S. 131 NWB DAAAE-02489 Gehrmann, Verschmelzung, infoCenter NWB SAAAB-26813 Gehrmann, Umwandlungssteuerrecht, infoCenter NWB MAAAB-26815 Zwei natürliche Personen – der Kläger und A – haben im Jahr 2011 jeweils die Hälfte der Anteile an der B-GmbH erworben. Daneben sind sie zu jeweils 50 % an der C-GmbH beteiligt. Bei der C-GmbH wurde im Jahr 2011 eine Kapitalerhöhung durch die Bildung von zwei neuen Geschäftsanteilen durchgeführt. Die beiden Gesellschafter leisteten ihre Einlage, indem sie ihre Anteile an der B-GmbH in die C-GmbH einbrachten. Folglich war die C-GmbH ab diesem Zeitpunkt die einzige Gesellschafterin der B-GmbH. Der Ansatz der eingebrachten Anteile bei der C-GmbH erfolgte mit Zustimmung des FA zu Buchwerten.

Im darauffolgenden Jahr 2012 wurde rückwirkend zum die B-GmbH auf ihre nunmehr alleinige Gesellschafterin, die C-GmbH, verschmolzen. Die Umwandlung wurde ebenso zu Buchwerten durchgeführt. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2011 setzte das FA beim Kläger einen Einbringungsgewinn ll i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG fest.

ll. Entscheidung des FG

Das FG Hamburg hat der Klage stattgegeben und dies wie folgt begründet: Umwandlungen werden als tauschähnliche Vorgänge grundsätzlich von dem Begriff der Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG erfasst.

Im speziellen Fall der Aufwärtsverschmelzung liegen allerdings nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen einer Veräußerung vor. Insbesondere fehlt es an einer durch den übernehmenden Rechtsträger gewährten Gegenleistung. Die Auslegung, wonach bei einer Aufwärtsverschmelzung die Tatbestandsmerkmale einer Veräußerung nicht erfüllt sind, S. 69ist auch mit dem Zweck der typisierenden Missbrauchsvorschrift des § 22 UmwStG vereinbar. Die Regelung soll eine missbräuchliche Ausnutzung einer durch die Einbringung erlangten Statusverbesserung verhindern, zu der es bei der Aufwärtsverschmelzung jedoch nicht kommt.

lll. Urteilskritik

1. Vorbemerkungen

Die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns ll gem. § 22 Abs. 2 UmwStG wird ausgelöst, wenn

  • die im Rahmen einer Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) oder eines Anteilstauschs (§ 21 Abs. 1 UmwStG) unter dem gemeinen Wert eingebrachten Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar veräußert werden und

  • der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile im Einbringungszeitpunkt beim Einbringenden nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre.

In dem vorliegenden Sachverhalt bringen zwei natürliche Personen ihre Anteile an der B-GmbH zu Buchwerten in die C-GmbH ein. Da natürliche Personen nicht in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 KStG gelangen können, ist die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 22 Abs. 2 UmwStG erfüllt, wie das FG zutreffend feststellt. Zu klären ist, ob bei der anschließend erfolgten Aufwärtsverschmelzung der B-GmbH auf ihre alleinige Gesellschafterin, die C-GmbH, auch die Voraussetzungen einer Veräußerung vorliegen.

2. Können Umwandlungen grundsätzlich Veräußerungen i. S. des § 22 UmwStG darstellen?

Das FG befasst sich zunächst mit der Frage, ob Umwandlungen grundsätzlich überhaupt als Veräußerungen betrachtet werden können. Erst im Anschluss geht es auf den speziellen Fall der Aufwärtsverschmelzung ein.

Als Veräußerung bezeichnet das FG „die entgeltliche Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums von einer Person auf einen anderen Rechtsträger“. Ausgangspunkt für die Überlegungen des FG ist dabei mangels einer eigenständigen Definition des Begriffs „Veräußerung“ für Zwecke des UmwStG das Begriffsverständnis in Anlehnung an die allgemeine Definition des Veräußerungsbegriffs nach den §§ 16, 17 UmwStG.

Der Begriff der Veräußerung umfasst demnach grundsätzlich auch Umwandlungen als tauschähnliche Vorgänge, wie das FG feststellt. Dabei beruft es sich auf die BFH-Rechtsprechung. Nach Ansicht des BFH sind Einbringungen sowie Verschmelzungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten als tauschähnliche Vorgänge zu qualifizieren und stellen somit Veräußerungen dar. [2] Diese Ansicht teilt auch der Gesetzgeber, der in der Gesetzesbegründung zu § 22 UmwStG ausführt, die Übertragung von erhaltenen Anteilen im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs sei mit einer Veräußerung gleichzusetzen. [3] Dabei wird in der Gesetzesbegründung jedoch nicht differenziert, ob im Rahmen der Umwandlung Gesellschaftsrechte gewährt werden oder nicht. Dem folgend vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, jede Umwandlung oder Einbringung sei als Veräußerung zu werten. [4]

Unter Berücksichtigung der genannten Merkmale können nach zutreffender Ansicht des FG Umwandlungen grundsätzlich Veräußerungen i. S. des § 22 UmwStG darstellen, wenn diese als tauschähnlicher Vorgang einzuordnen sind.

3. Erfüllt eine Aufwärtsverschmelzung die Tatbestandsmerkmale einer Veräußerung?

Bei der anschließenden Prüfung, ob die vorliegende Aufwärtsverschmelzung der B-GmbH auf die C-GmbH eine Veräußerung darstellt, prüft das FG zunächst die beiden Tatbestandsmerkmale. Demnach sind die Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten sowie eine dafür erhaltene Gegenleistung erforderlich, damit eine Veräußerung vorliegt. Dabei ist es unschädlich, dass die Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten nicht dem übertragenden Rechtsträger, sondern dessen Anteilseignern gewährt wird. [5]

Zutreffend liegen nach Ansicht des FG bei einer Aufwärtsverschmelzung die beiden Voraussetzungen nicht vor. An der Übertragung auf einen Dritten fehlt es, weil die Anteile bei einer Aufwärtsverschmelzung untergehen. Anstelle des Anteils bilanziert die C-GmbH nach der Verschmelzung die Wirtschaftsgüter der B-GmbH. Letztere geht ohne Abwicklung unter, und die Anteile der C-GmbH an der B-GmbH erlöschen. Folglich kann es nicht zu einer Übertragung der Anteile auf einen Dritten kommen [6].

Darüber hinaus fehlt es bei einer Aufwärtsverschmelzung an der erforderlichen Gegenleistung. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG und § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwG gilt für die C-GmbH ein Verbot zur Anteilsgewährung, da sie an der übertragenden B-GmbH zu 100 % beteiligt ist. Eine Gegenleistung könnte lediglich darin bestehen, dass die C-GmbH auf ihre Anteile an der B-GmbH verzichtet. Hierbei handelt es sich allerdings um eine zwangsläufige Folge der S. 70Aufwärtsverschmelzung, womit nicht von einer Gegenleistung gesprochen werden kann. [7]

Nach Ansicht des FG erfüllt die Aufwärtsverschmelzung grundsätzlich nicht die Voraussetzungen einer Veräußerung nach der allgemeinen Definition, da es sowohl an einer Gegenleistung als auch an der notwendigen Übertragung der Anteile auf einen Dritten fehlt. Wäre der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 UmwStG nach der allgemeinen Definition des Veräußerungsbegriffs zu verstehen, könnte die Aufwärtsverschmelzung keine schädliche Veräußerung i. S. des § 22 UmwStG darstellen. Eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II käme dann nur noch in Betracht, wenn die Ersatzrealisationstatbestände des § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG durch die Aufwärtsverschmelzung verwirklicht würden.

4. Normspezifischer Veräußerungsbegriff des § 22 UmwStG?

Aufgrund der Feststellung, eine Veräußerung sei nach dem allgemeinen Begriffsverständnis nicht gegeben, prüft das FG anschließend, ob der Veräußerungsbegriff für Zwecke des § 22 UmwStG normspezifisch, d. h. unter Beachtung des Normzwecks, zu verstehen ist. Das FG stellt – u. E. zutreffend – fest, dass der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 UmwStG normspezifisch auszulegen ist, da § 22 Abs. 2 UmwStG als typisierende Missbrauchsvorschrift ausgestaltet ist. Das führt dazu, dass der Begriff der Veräußerung unter Berücksichtigung des Regelungszwecks einschränkend dahingehend auszulegen ist, „.., dass eine Folgeumwandlung wie die Aufwärtsverschmelzung, bei denen eine Gegenleistung für die übertragenen Wirtschaftsgüter nicht gewährt wird, es nicht zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der Statusverbesserung kommen kann und die übertragenen stillen Reserven nicht der Besteuerung entzogen werden, nicht unter die Tatbestandsvoraussetzung fällt.“ [8]

Bei der zu beurteilenden Aufwärtsverschmelzung fehlt es an der Ausnutzung einer Statusverbesserung. Durch die Aufwärtsverschmelzung zu Buchwerten werden die in den Anteilen der C-GmbH an der B-GmbH enthaltenen stillen Reserven nicht aufgedeckt. Es kommt folglich nicht zur Besteuerung und Ausnutzung der Statusverbesserung. Die stillen Reserven liegen nach der Verschmelzung zwar nicht mehr in den untergegangenen Anteilen an der B-GmbH, stattdessen aber in den bei der C-GmbH zu bilanzierenden Wirtschaftsgütern der B-GmbH. Damit sind sie auch über die Beteiligung des Klägers und A an der C-GmbH voll der Besteuerung zugänglich. Eine Besteuerung ist also nach wie vor sichergestellt.

Darüber hinaus führt die Aufwärtsverschmelzung im vorliegenden Fall zu einer der Ausgangssituation sehr ähnlichen Besteuerungssituation. [9] Durch die Einbringung wurde eine zusätzliche Ebene geschaffen, da ab dem Zeitpunkt nicht mehr der Kläger und A die Anteile an der B-GmbH gehalten haben, sondern die C-GmbH. Mit der Verschmelzung entfällt diese Ebene wieder. Zwar ist die B-GmbH untergegangen, so dass der Kläger und A – im Unterschied zur Ausgangssituation – jetzt nur noch Anteile an der C-GmbH halten. In Bezug auf die in den Anteilen an der B-GmbH enthaltenen stillen Reserven ergibt sich jedoch kein Unterschied, weil diese bereits mit der Einbringung auf die dem Kläger und A neu zu gewährenden Anteile an der C-GmbH übergegangen sind. Folglich liegt im Vergleich zur Ausgangssituation auch keine Statusverbesserung mehr vor. Im Fall einer Veräußerung der Anteile würden die darin enthaltenen stillen Reserven – wie im Ausgangsfall – wieder nach dem Teileinkünfteverfahren bei dem Kläger und A besteuert. Die mit der Einbringung erlangte, aber nach der Verschmelzung nicht mehr vorliegende Statusverbesserung wurde nicht missbräuchlich genutzt. Somit ist kein Grund ersichtlich, warum es in dem vorliegenden Fall zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns ll kommen sollte.

Den Ausführungen des FG ist demnach Folgendes zu entnehmen:

  1. Der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG ist normspezifisch auszulegen. Demzufolge können von der Missbrauchsvorschrift auch Vorgänge erfasst werden, bei denen die Tatbestandsmerkmale des allgemeinen Veräußerungsbegriffs nicht erfüllt sind. Ansonsten hätte es für die im Urteilsfall vorliegende Aufwärtsverschmelzung keiner weiteren Prüfung dahingehend bedurft, ob eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Steuervergünstigung vorliegt. U. E. hätte das FG die Aufwärtsverschmelzung als Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG eingeordnet, wenn es zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der erlangten Statusverbesserung gekommen wäre. Dieses Verständnis ist u. E. der Gesetzesbegründung zu entnehmen, [10] weil das FG zuvor unzweifelhaft festgestellt hat, dass bei der Aufwärtsverschmelzung keine Veräußerung i. S. des allgemeinen Veräußerungsbegriffs vorliegt.

  2. Der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG umfasst nicht Umwandlungen, bei denen es nicht zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der Statusverbesserung kommen kann und die übertragenen stillen Reserven nicht der Besteuerung entzogen werden. Demnach fallen u. E. Umwandlungen, bei denen eine Gegenleistung gewährt wird und die damit die Voraussetzungen des allgemeinen Veräußerungsbegriffs erfüllen, nicht zwingend unter den Tatbestand der Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG. Als Beispiel kann die Seitwärtsverschmelzung der übernehmenden Gesellschaft zum Buchwert auf eine beteiligungsidentische Schwesterkapitalgesellschaft unter Gewährung von Gesellschaftsrechten im Anschluss an die Einbringung dienen.

Das FG hatte allerdings nicht über den Fall einer Umwandlung mit einer Gegenleistung zu entscheiden. Das unter b) S. 71dargelegte Verständnis ist u. E. aber nur konsequent. Denn wenn das FG den Begriff der Veräußerung i. S. des § 22 UmwStG normspezifisch auslegt und unter dem Begriff u. E. auch Umwandlungen erfasst, die nach dem allgemeinen Begriffsverständnis keine Veräußerungen darstellen, müssen auch Umwandlungen, die grundsätzlich die Tatbestandsmerkmale einer Veräußerung erfüllen, unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke des § 22 Abs. 2 UmwStG davon ausgenommen werden.

Diese Auslegung kann allerdings nur auf die einem Einbringungsvorgang nachfolgende Umwandlung zu Buchwerten anzuwenden sein. Werden im Rahmen der Umwandlung vom Buchwert abweichende Werte angesetzt, dürfte es regelmäßig zu einer missbräuchlichen Ausnutzung der erlangten Statusverbesserung kommen.

lV. Bedeutung für die Praxis

Soweit ersichtlich, hat sich erstmals ein FG mit der Frage befasst, ob eine Umwandlung, die innerhalb von sieben Jahren nach einer Einbringung erfolgt, einen Einbringungsgewinn ll auslösen kann. Nach Ansicht des FG Hamburg stellt die einer Einbringung folgende Aufwärtsverschmelzung keine Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG dar. Obwohl die Entscheidung den Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG betraf, ist der Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 Abs. 1 UmwStG entsprechend auszulegen.

Diese Entscheidung ist zutreffend, widerspricht aber der Auffassung der Finanzverwaltung. Sie behandelt jede Umwandlung als Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 UmwStG und nennt dabei auch explizit den Fall der Aufwärtsverschmelzung. [11] Lediglich aus Billigkeitsgründen will die Finanzverwaltung im Einzelfall bei nachfolgenden Umwandlungen von der Besteuerung des Einbringungsgewinns I bzw. II absehen. [12] So müssen als Voraussetzung für den Verzicht auf die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns sämtliche Personen, bei denen es infolge der Umwandlung zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns I oder II kommen würde, einen übereinstimmenden Antrag stellen. Zudem muss Folgendes sichergestellt sein:

  • es darf keine steuerliche Statusverbesserung eintreten,

  • keine stillen Reserven dürfen von den sperrfristbehafteten Anteilen auf Anteile eines Dritten übergehen,

  • das deutsche Besteuerungsrecht darf nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt sein und die Antragsteller müssen damit einverstanden sein, dass auf alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG entsprechend anzuwenden ist.

Die Billigkeitsregelung ist somit durch die Finanzverwaltung sehr restriktiv ausgestaltet. [13]

Aus der Auffassung der Finanzverwaltung ergeben sich für die betroffenen Unternehmen erhebliche Unsicherheiten. So besteht das Risiko, dass sämtliche Umwandlungen mit Ausnahme der in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG geregelten Einbringungen, die innerhalb von sieben Jahren nach einer Einbringung erfolgen, die Besteuerung eines Einbringungsgewinns auslösen. Zu dieser Konsequenz könnte es unabhängig davon kommen, ob überhaupt eine missbräuchliche Ausnutzung der Statusverbesserung vorliegt. Die Auffassung der Finanzverwaltung führt somit faktisch in vielen Fällen zu einer Umwandlungssperre für sieben Jahre im Anschluss an eine Einbringung. Innerhalb dieser Frist scheiden dann vielfach betriebswirtschaftlich sinnvolle und notwendige Umstrukturierungen aus steuerlichen Gründen aus.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des FG aus Sicht der Praxis als äußerst positiv zu beurteilen. Eine pauschale Aussage, wie sie die Finanzverwaltung in Bezug auf den Veräußerungsbegriff vornimmt, ist bei der Anwendung der Missbrauchsvorschrift des § 22 UmwStG nicht angemessen. Nicht jede Umwandlung muss die Voraussetzungen des normspezifisch auszulegenden Veräußerungsbegriffs i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG erfüllen und ist somit schädlich. Vielmehr sollte jeweils eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden. Für die betroffenen Unternehmen hätte das zur Folge, dass sie nicht auf die unsichere Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung angewiesen wären, weil die Missbrauchsvorschrift u. U. schon aufgrund der nicht erfüllten Voraussetzungen einer Veräußerung keine Anwendung findet.

Da gegen das Urteil Revision eingelegt wurde (Aktenzeichen I R 48/15), steht eine abschließende Entscheidung noch aus. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch der BFH der Ansicht des FG anschließen und die weite Auslegung des Veräußerungsbegriffs durch die Finanzverwaltung einschränken wird. Wünschenswerterweise sollte die Finanzverwaltung ihre Auffassung zum Veräußerungsbegriff i. S. des § 22 UmwStG bereits zum jetzigen Zeitpunkt kritisch überdenken und sich der Auffassung des FG Hamburg anschließen.

Autoren

WP/StB Dr. Oliver Middendorf
ist Partner der HLB Dr. Stückmann und Partner mbB, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Bielefeld, und verantwortet den Bereich Umwandlungen und Umstrukturierungen. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die steuerliche Gestaltungsberatung für große Familienunternehmen. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Paderborn und der Fachhochschule Bielefeld.

Cathrin Zink
ist Mitarbeiterin der HLB Dr. Stückmann und Partner mbB, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Bielefeld. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Umwandlungssteuerrecht.

Fundstelle(n):
StuB 2/2016 Seite 68
MAAAF-42319

1Vgl. FG Hamburg, nrkr. Urteil vom - 2 K 12/13 NWB HAAAE-98728, BFH-Az.: I R 48/15.

2Vgl. NWB YAAAC-93987, BStBl 2009 II S. 13; NWB CAAAB-13883, BStBl 2004 II S. 686 = Kurzinfo StuB 2004 S. 92 NWB IAAAB-63826; NWB VAAAA-96106, BStBl 1998 II S. 168; NWB AAAAA-92536, BStBl 1988 II S. 374.

3Vgl. BT-Drucks. 16/2710, S. 47.

4Vgl. NWB FAAAD-97991, BStBl 2011 I S. 1314, Rz. 00.02, 00.03, 22.07, 22.23.

5Vgl. Frotscher/Maas, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg, § 22 UmwStG Rz. 107.

6Vgl. NWB MAAAB-02978, BStBl 1985 II S. 64; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz (Hrsg.), Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz: UmwG, UmwStG, 7. Aufl., München 2016, § 22 UmwStG Rz. 42, und Frotscher/Maas, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg, § 22 UmwStG Rz. 118. Sie sind der Ansicht, dass bei einer Verschmelzung einer Gesellschaft, an der erhaltene Anteile bestehen, generell keine Veräußerung vorliegen kann, weil die Anteile im Rahmen der Verschmelzung untergehen. Die Veräußerungsfiktion des § 13 UmwStG für die entsprechenden Anteile sei nicht auf den § 22 UmwStG übertragbar.

7Vgl. NWB JAAAB-50406, BStBl 1969 II S. 598.

8FG Hamburg, nrkr. Urteil vom - 2 K 12/13 NWB HAAAE-98728, unter II.1.d.cc.

9Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Kortendick/Peters, DStR 2014 S. 1581.

10Vgl. FG Hamburg, nrkr. Urteil vom - 2 K 12/13 NWB HAAAE-98728, unter II.1.d.

11Vgl. NWB FAAAD-97991, BStBl 2011 I S. 1314, Rz. 00.03, 22.23.

12Vgl. NWB FAAAD-97991, BStBl 2011 I S. 1314, Rz. 22.23.

13Vgl. auch Benz/Rosenberg, DB 2011 S. 1359, und Bilitewski, in: Haritz/Menner (Hrsg.), Umwandlungssteuergesetz: UmwStG, 4. Aufl., München 2015, § 22 Rz. 57, m. w. N.