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StuB Nr. 15 vom Seite 590

Die Schranken- und Sperrwirkung des Fremdvergleichsgrundsatzes der Doppelbesteuerungsabkommen

Analyse zweier aktueller BFH-Entscheidungen

RA StB Wolfram Vogel, M.I.Tax *

Der BFH hat mit zwei Entscheidungen vom [1] und [2] Grundsätze für die sog. Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen (nachfolgend OECD-MA) entsprechenden DBA-Artikel aufgestellt. Der Aufsatz analysiert diese Grundsätze, erläutert die dogmatischen Voraussetzungen der sog. Schranken- und Sperrwirkung und zeigt ihre Folgen auf.

Kernfragen
  • Wie definiert der BFH den DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz?

  • Was bedeutet die Schranken- und Sperrwirkung der DBA-Artikel, die Art. 9 OECD-MA entsprechen?

  • Welche Folgen ergeben sich hieraus für die Anwendbarkeit der nationalen Normen?

I. Einführung

[i]Rasch/Chwalek, Sperrwirkung von DBA gegenüber nationalen Einkünftekorrekturen, IWB 10/2015 S. 377 NWB BAAAE-90305 Hoffmann, Substance over form bei der Bilanzierung, StuB 5/2015 S. 161 NWB BAAAE-85815 Engel/Hilbert, Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA bei verdeckten Gewinnausschüttungen, IWB 4/2013 S. 123 NWB LAAAE-30346 Intemann, Verdeckte Gewinnausschüttungen über die Grenze, KSR 2/2013 S. 5 NWB AAAAE-28015 Jehl-Magnus, BFH: Erneute Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides von DBA, NWB 1/2015 S. 24 NWB JAAAE-81855 Die Globalisierung hat zu einem stetigen Zuwachs des internationalen Leistungsaustauschs geführt; dies gilt in besonderem Maße für aus Deutschland agierende Unternehmen. Ein großer Anteil des internationalen Leistungsaustauschs entfällt auf Leistungen unter „verbundenen Unternehmen“. Der Gewinn der beteiligten Unternehmen ist unter Berücksichtigung dieser Geschäfte zu ermitteln. Damit durch derartige Geschäfte der Gewinn nicht in „niedrig besteuernde“ Länder verlagert werden kann, hat sich als maßgebliches Kriterium für die zutreffende steuerliche Gewinnermittlung bislang der sog. Fremdvergleichsgrundsatz durchgesetzt [3].

Die deutschen nationalen Vorschriften sehen Regelungen vor, die einen Fremdvergleichsgrundsatz anordnen. Die inhaltlichen bzw. materiellen Anforderungen an diesen Fremdvergleichsgrundsatz werden in einigen Normen teilweise detailliert geregelt. Verstößt der Stpfl. zu seinen Gunsten gegen den nationalen Fremdvergleichsgrundsatz, sieht das Gesetz eine Gewinnerhöhung vor.

Die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wollen insbesondere in den sog. Verteilungsartikeln (Art. 6 bis 21 OECD-MA) das Besteuerungsrecht sachgerecht zwischen den beteiligten Staaten aufteilen. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA sieht für Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen ebenfalls die Anwendung eines Fremdvergleichsgrundsatzes vor. Nahezu alle deutschen DBA enthalten eine Regelung, die der des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entspricht [4].

Nach zwei aktuellen BFH-Entscheidungen ist der Fremdvergleichsgrundsatz nach DBA-Recht autonom, d. h. unabhängig von dem im nationalen Recht definierten Fremdvergleichsgrundsatz, zu bestimmen. Ferner hat der BFH entschieden: Die DBA-Regelung habe eine die Anwendbarkeit der nationalen Norm verhindernde Wirkung, soweit die nationale Norm eine weitergehende Gewinnerhöhung anordnet, als dies nach dem DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz zulässig sei [5]. S. 591

In seiner letzten Entscheidung vom [6] hat der BFH die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfragen verneint und die Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung abgewiesen. Die diesbezüglichen Rechtsfragen sieht der BFH somit als geklärt an.

Diese von der Rechtsprechung nunmehr geklärten Rechtsfragen werden nachfolgend analysiert und zusammengefasst (vgl. hierzu unter Kap. II). Es folgen Ausführungen zum Inhalt und zum persönlichen Anwendungsbereich des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. unter Kap. III).

Die vom BFH festgestellte Schranken- und Sperrwirkung wird unter Kap. IV hinsichtlich ihrer dogmatischen Grundlagen untersucht. Die Begriffe der Schranken- und Sperrwirkung werden vom BFH und in der steuerlichen Literatur nicht einheitlich verwendet. Nachfolgend wird von einer Schrankenwirkung des DBA gesprochen, wenn der DBA-Artikel einen weitergehenden Besteuerungsanspruch Deutschlands ausschließen möchte. Eine Sperrwirkung liegt dagegen erst vor, wenn sich der DBA-Artikel auch tatsächlich gegenüber der nationalen Norm durchsetzt und dessen Anwendbarkeit sperrt. Es geht somit um die Frage der Normenhierarchie und der Normenkonkurrenz. Dies ist insb. bei einem sog. Treaty Override problematisch, also einer nationalen Norm, mit der sich der Gesetzgeber bewusst über die Regelungen in einem DBA hinwegsetzt, die Regelungen des DBA somit überschrieben hat.

Der deutsche Steuergesetzgeber hat gerade in den letzten Jahren zahlreiche Normen erlassen, die nicht im Einklang mit dem DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz stehen, sowie weitere, bei denen dies sehr fraglich ist. Unter Kap. V werden daher beispielhaft deutsche Normen dahingehend überprüft, ob sie von der Schranken- und Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Artikels erfasst sind, die sog. Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG, die sog. Hellseherklausel des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG und die Schätzung zuungunsten des Stpfl. an den äußeren Rand der Bandbreite gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO (vgl. unter Kap. V).

II. Die BFH-Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Artikel

1.

Bereits mit Urteil vom [7] hat der BFH entschieden, die DBA-Artikel, die Art. 9 Abs. 1 des OECD-MA entsprechen, verhindern eine Erhöhung der Einkünfte nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wegen einer sog. nur formellen verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).

Eine solche sog. nur formelle vGA kann nach ständiger Rechtsprechung nach nationalem Recht dann anzunehmen sein, wenn zwischen einem beherrschenden Gesellschafter und seiner Tochtergesellschaft z. B. eine klare, im Vorhinein getroffene Vereinbarung fehlt [8]. Der BFH begründet die Nichtanwendbarkeit der nationalen Norm (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) damit, der Fremdvergleichsgrundsatz nach DBA knüpfe nur an kaufmännische oder finanzielle Beziehungen an, die voneinander unabhängige Unternehmen vereinbart hätten. Hierunter fallen nach Ansicht des BFH nur Sachverhaltsumstände, die sich auf die Angemessenheit, also auf die Höhe des Vereinbarten, auswirken. Nationale Vorschriften, die eine Gewinnerhöhung für Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen auch dann anordnen, wenn die Leistung angemessen vergütet wird, lediglich die Art und Weise der Vereinbarung unüblich ist, seien durch die DBA-Regelung daher gesperrt.

2.

In der Entscheidung des [9] hatte eine deutsche Muttergesellschaft ihrer ausländischen US-Tochtergesellschaft mehrere ungesicherte Darlehen gewährt. Für diese Darlehen nahm die Muttergesellschaft zum 31. 12. des jeweiligen Jahres jeweils eine steuerwirksame Teilwertabschreibung vor.

Das FA erhöhte den Gewinn der deutschen Muttergesellschaft durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung der vorgenommenen Teilwertabschreibung gem. § 1 AStG. Das zuständige FG wies die Klage der deutschen Muttergesellschaft ab. Im Rahmen des Revisionsverfahrens ist das BMF dem Verfahren beigetreten.

Der BFH ließ die Streitfrage offen, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG im konkreten Fall erfüllt seien, da eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 Abs. 1 AStG jedenfalls aufgrund der Regelung des Art. 9 Abs. 1 des DBA USA 1989 gesperrt sei. Der dort verankerte abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz orientiere sich ausschließlich an der Angemessenheit, also nur an der Höhe des Verrechnungspreises. Was angemessen in diesem Sinne sei, bestimme sich ausschließlich nach DBA-Recht (autonomer abkommensrechtlicher Fremdvergleichsgrundsatz).

Art. 9 Abs. 1 des DBA lege den Rahmen für die innerstaatlich angeordneten Korrekturen fest. Aufgrund der Schrankenwirkung des Abkommens kommt der Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 eine begrenzende Wirkung zu. Sie „sperre“ in ihrem Anwendungsbereich weitergehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten. Denn nur durch einen einheitlichen und verbindlichen Beurteilungsmaßstab (den Fremdvergleichsgrundsatz nach DBA) für beide Vertragsstaaten würden Gewinne in den betroffenen Staaten nicht jeweils und somit doppelt erfasst. S. 592

Der BFH verweist auch auf sein Urteil vom . Danach entfalte der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz bei verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den Sonderbedingungen bei beherrschenden Unternehmen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und verhindere somit in diesen Fällen eine Korrektur wegen lediglich formeller vGA. Tragende Erwägung dieser Entscheidung aus Oktober 2012 sei laut BFH, dass in dem maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Art 9 Abs. 1 DBA nur diejenigen Umstände einbezogen seien, welche sich auf wirtschaftliche oder finanzielle Bedingungen auswirken, also die Angemessenheit des Preises und somit die Höhe des Vereinbarten berührten. Eine Gewinnkorrektur, die auf Bedingungen beruhe, die sich nicht auf die Angemessenheit des Vereinbarten auswirke, sondern lediglich unüblich sei oder die Ernsthaftigkeit infrage stelle, sei dem DBA-Fremdvergleichsgrundsatz fremd.

Der BFH hatte sich im Urteilsfall zudem noch mit einer Besonderheit des DBA Deutschland – USA 1989 [10] auseinandergesetzt. Das DBA regelte im Protokoll zum DBA unter Nr. 7, dass Art. 9 des DBA nicht so auszulegen sei, als beschränke dieser DBA-Artikel einen Vertragsstaat bei der Aufteilung von Einkünften zwischen Personen, die auf andere Weise als durch mittelbare oder unmittelbare Beteiligung miteinander verbunden sind. Die Aufteilung müsse aber sonst den allgemeinen Grundsätzen des Art. 9 Abs. 1 des DBA entsprechen.

Der BFH wertet die Regelung im Protokoll entsprechend dem Wortlaut daher als Möglichkeit, den persönlichen Anwendungsbereich der DBA-Regelung durch nationales Recht zu erweitern. Auch im Falle einer solchen Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 9 bleibe es aber bei dem DBA-rechtlichen Fremdvergleichsmaßstab. Die nach nationalem Recht zulässige Erweiterung beschränkt sich somit nur auf die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 9, ermöglicht aber nicht, auch den Fremdvergleichsgrundsatz nach nationalem Recht zu bestimmen [11].

3.

Die Entscheidung vom [12] behandelt eine dem Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Regelung des DBA Russland. Auch dieser Entscheidung liegt der Streit über eine nach nationalem Recht vorgenommene Gewinnerhöhung wegen Nichtanerkennung einer Teilwertabschreibung auf ein Darlehen zugrunde, welches eine deutsche Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährte.

In dem hat der BFH die Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung mangels Klärungsbedürftigkeit zurückgewiesen und auf sein Urteil vom [13] verwiesen, da Art. 9 DBA Russland mit Art. 9 DBA USA identisch sei. Die in dem Urteil vom relevanten Rechtsfragen sieht der BFH somit generell als geklärt an.

4. Zusammenfassung: Die Kernaussagen des BFH

Die Kernaussagen des BFH sind folgende:

  • Eine Gewinnkorrektur ist nach nationalen Vorschriften durch das DBA gesperrt, wenn eine Korrektur angeordnet wird, obwohl die Verrechnungspreise der Höhe nach angemessen sind,

  • wobei die Ermittlung der maßgeblichen angemessenen Verrechnungspreise nicht nach dem nationalen Recht, sondern autonom nach dem DBA zu bestimmen ist, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden (DBA-rechtlicher Fremdvergleichsgrundsatz).

In Fällen der grundsätzlichen Anwendbarkeit des DBA USA gilt ein erweiterter persönlicher Anwendungsbereich des DBA-Artikels für verbundene Unternehmen. Der persönliche Anwendungsbereich ist laut Protokollerklärung Nr. 7 nach nationalem Recht zu bestimmen (aus deutscher Sicht nach § 1 Abs. 2 AStG). Auch für diesen erweiterten persönlichen Anwendungsbereich gilt der DBA-rechtliche Fremdvergleichsgrundsatz und die hieraus sich ergebende Sperrwirkung gegenüber weitergehender Korrekturen nach nationalem Recht.

Von der Schranken- und Sperrwirkung sind nicht nur nationale Korrekturen hinsichtlich des unmittelbaren Preises für den Leistungsaustausch erfasst. Sie kann auch mittelbare bzw. Folgewirkungen haben, z. B. eine Gewinnerhöhung wegen einer vorgenommenen Teilwertabschreibung auf ein Gesellschafterdarlehen verhindern.

III. Inhalt und persönlicher Anwendungsbereich des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes

1. Vorbemerkungen

Wie sich der DBA-rechtliche Fremdvergleichsgrundsatz im Einzelnen bestimmt, ist weder im DBA ausdrücklich gesetzlich geregelt noch durch die Rechtsprechung abschließend geklärt. Er ist im Einzelfall durch Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Im Folgenden sind daher zunächst die Auslegungsgrundsätze zu bestimmen.

Gegenstand dieser Auslegung ist die DBA-Regelung selbst, nicht das deutsche Zustimmungsgesetz, welches die Gültigkeit der völkerrechtlichen Vereinbarung für das nationale Recht anordnet [14]. Dieses Ergebnis ergibt sich, wenn man das deutsche Zustimmungsgesetz lediglich als einen sog. S. 593Anwendungsbefehl, also die Anordnung der Anwendung des DBA versteht (auch Vollzugstheorie genannt). Folgt man dagegen der sog. Transformationstheorie, würde das DBA in das nationale Recht transformiert werden. Dann wäre auch eine Auslegung nach den Regeln für nationale Gesetze folgerichtig. Für die Vollzugstheorie spricht zunächst der Wortlaut der Zustimmungsgesetze. Denn nach dem Wortlaut der Zustimmungsgesetze wird dem Abkommen zugestimmt, d. h. es wird auf die Regelung im DBA verwiesen, keine eigenständige, vom DBA unabhängige Regelung in das deutsche Steuerrecht implementiert. Für die Vollzugstheorie spricht auch, dass die Zustimmungsgesetze häufig vor der völkerrechtlichen Wirksamkeit erlassen werden, der Gesetzgeber die DBA-Regelung aber nicht unabhängig von der völkerrechtlichen Wirksamkeit anwenden will. Die Theorie des Anwendungsbefehls setzt diesen gesetzgeberischen Willen um, indem das DBA – sofern es wirksam ist – angewendet wird.

In der Folge gelten die für völkerrechtliche Verträge maßgeblichen Auslegungsregeln [15]. Die Auslegung erfolgt daher insbesondere unter

  • besonderer Berücksichtigung des Wortlauts (seines gewöhnlichen Sinns),

  • des Zwecks der Vorschrift und

  • des systematischen Zusammenhangs.

Der Wortlaut der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA [16] entsprechenden DBA-Artikel spricht dafür, eine Korrektur durch die beteiligten Staaten des Abkommens nur zuzulassen, wenn keine fremdübliche Bedingungen vereinbart oder auferlegt wurden. Die Korrektur darf nur in der Höhe vorgenommen werden, in der der Gewinn höher ausgefallen wäre, wenn fremdübliche Bedingungen vereinbart oder auferlegt worden wären.

Auch der Zweck und der systematische Zusammenhang der Vorschrift sprechen dafür, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden und die Besteuerungsrechte auf die jeweiligen Länder zu verteilen. Denn Art. 9 steht systematisch in den sog. Verteilungsartikeln des DBA (Art. 6 bis Art. 21 OECD-MA), deren Zweck eine Verteilung der Besteuerungsrechte zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist. Die hierdurch entstehende Begrenzung eines nach nationalem Recht weitergehenden Besteuerungsrechts wird Schrankenwirkung genannt. Dem Regelungszweck, die Gewinne zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung auf die beteiligten Staaten aufzuteilen, würde es widersprechen, wenn die einzelnen Staaten den Fremdvergleichsgrundsatz des DBA durch nationale Regelungen unterschiedlich ausfüllen oder abändern dürften.

2. Angemessenheit = Bandbreite von fremdüblichen Verrechnungspreisen

Es stellt sich die Frage, ob der sich nach dem DBA-Fremdvergleichsgrundsatz ermittelte angemessene Verrechnungspreis ein Betrag in einer bestimmten Höhe ist oder ob es eine Bandbreite von angemessenen Preisen gibt. Im letzteren Fall würde die Schrankenwirkung der DBA-Regelung bereits dann eingreifen, wenn der Verrechnungspreis im Rahmen dieser Bandbreite von angemessenen Verrechnungspreisen läge.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist eine Gewinnkorrektur nur dann zulässig, wenn bzw. soweit die tatsächlich erzielten Gewinne unter den Gewinnen liegen, die fremde Dritte erzielt hätten. Die Preise und Gewinne, die fremde Dritte durch ihre kaufmännisch und finanziell vereinbarten oder auferlegten Bedingungen erzielen, sind jedoch – abgesehen von sog. festen Marktpreisen – nicht einheitlich. Die Auslegung der Vorschrift ergibt daher: Verrechnungspreise sind regelmäßig bereits dann angemessen, wenn sie in der Bandbreite von fremdüblichen Verrechnungspreisen liegen. Liegt der vereinbarte Verrechnungspreis innerhalb dieser Bandbreite, verhindert die Schrankenwirkung der DBA-Regelung weitergehende Korrekturen nach nationalem Recht [17].

3. Persönlicher Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelungen – Begrenzung der Schrankenwirkung?

Für welche Fallgruppen die Schrankenwirkung, also die nach DBA gewollte Begrenzung der Besteuerungsbefugnisse, gilt, ist ebenfalls durch Auslegung des jeweiligen DBA zu ermitteln. Nach dem Wortlaut der DBA-Regelung wird ein persönlicher Anwendungsbereich definiert [18] und für diese Fälle die Rechtsfolgen, also die Aufteilung der Besteuerungsrechte, angeordnet. Eine Rechtsfolgenanordnung für den Fall, dass die persönlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, enthält der DBA-Artikel nicht. Insbesondere enthält die Regelung keine Aussage, eine Korrektur sei „nur“ in diesen Fällen zulässig. Danach hat die Regelung nur einen eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereich. Wenn die Vorschrift aber nicht anwendbar ist, kann sich aus ihr auch keine Schrankenwirkung für dort nicht erfasste Sachverhalte ergeben. Soweit somit die nationalen Vorschriften für nicht von Art. 9 Abs. 1 DBA erfasste Sachverhalte Korrekturen vorschreiben, werden diese Rechtsfolgen nicht von der S. 594Schranken- und Sperrwirkung dieser DBA-Regelung verhindert.

Eine Ausnahme gilt jedoch beispielsweise für das DBA USA. Denn in diesem Protokoll wird unter Nr. 7 ausdrücklich der persönliche Anwendungsbereich des Art. 9 DBA erweitert. Gem. Nr. 7 des Protokolls bestimmt sich der persönliche Anwendungsbereich der DBA Regelung so, wie verbundene Unternehmen nach dem jeweiligen nationalen Recht definiert werden. Aufgrund dieser ausdrücklichen Anordnung des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes für diesen erweiterten persönlichen Anwendungsbereich greift die Schrankenwirkung des DBA aber auch für diese Sachverhalte ein.

IV. Die Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelungen

Die beschriebene Schrankenwirkung der DBA-Regelung muss nicht zwangsläufig die Folge haben, dass sie sich gegenüber entgegenstehenden nationalen Normen durchsetzt und somit deren Anwendung sperrt. Bei den nationalen Korrekturnormen handelt es sich regelmäßig jeweils um ein sog. Parlamentsgesetz. Sie haben den Rang eines Bundesgesetzes. Ein DBA wird durch das Zustimmungsgesetz für anwendbar erklärt. Bei dem Zustimmungsgesetz handelt es sich ebenfalls um ein solches Parlamentsgesetz.

Auch § 2 AO, der nach seinem Wortlaut einen Vorrang von völkerrechtlichen Verträgen vor nationalen Normen bestimmt, kann diese Normenkonkurrenz nicht umfassend auflösen, da auch § 2 AO nur ein einfaches Bundesgesetz ist. Es stellt sich daher die Frage, welche Norm sich durchsetzt. Diese Normenkonkurrenz ist regelmäßig im Rahmen der Spezialität (das speziellere Gesetz verdrängt das allgemeinere) aufzulösen.

Die DBA-rechtliche Regelung kann sich hierbei aber nicht im Rahmen der Spezialität gegenüber der nationalen Norm durchsetzen, wenn die nationale Vorschrift ausdrücklich „unbeachtlich einer Regelung in Doppelbesteuerungsabkommen“ anzuwenden ist. In diesen Fällen liegt ein sog. Treaty Override vor, soweit die nationale Regelung weitergehende Steuerfolgen für einen Stpfl. anordnet.

Fraglich ist, welche Norm sich durchsetzt, wenn beispielsweise ein neu eingeführtes nationales Gesetz seine vorrangige Geltung vor den Regelungen in den DBA nicht ausdrücklich anordnet und der Grundsatz der Spezialität keine eindeutige Zuordnung erlaubt. Dann müsste der Grundsatz, „das jüngere Gesetz verdrängt das ältere“, zu einer Durchsetzung der nationalen Norm führen.

Für derartige Fälle kommt § 2 AO aber m. E. eine Bedeutung zu. Da § 2 AO einen Vorrang der DBA-rechtlichen Norm zwar nicht anordnen kann, einen solchen aber bezweckt, ist die Vorschrift m. E. als eine Auslegungsregel zu beachten. Soweit der Gesetzgeber den Vorrang der nationalen Norm gegenüber der DBA-Regelung nicht ausdrücklich regelt, ist im Rahmen der Auslegungsregel im Zweifel davon auszugehen, dass die DBA-rechtliche Vorschrift Vorrang haben soll [19].

Soweit danach kein Treaty Override vorliegt, setzt sich die DBA-Vorschrift durch. Sie sperrt dann für ihren Anwendungsbereich eine weitergehende Korrektur, die sich aus nationaler Norm ergeben würde.

Soweit dagegen ein Treaty Override vorliegt, kann sich die Schrankenwirkung der DBA-Regelung nur durchsetzen, wenn der Treaty Override für verfassungswidrig erklärt wird [20] oder aber aufgrund des Anwendungsvorrangs von EU-Recht die nationale Norm nicht angewendet werden darf [21]. Beides ist m. E. grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls der jeweiligen Norm.

V. Von der Schranken- und Sperrwirkung erfasste nationale Normen

1. Vorbemerkungen

Es würde den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten, an dieser Stelle alle deutschen Vorschriften einer Prüfung zu unterziehen, die von der Schranken- und Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelungen erfasst sind oder von ihr erfasst sein könnten. Nachfolgend werden daher nur einige wenige praxisrelevante Vorschriften einer Prüfung unterzogen.

2. Die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG

Die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG kommt in Fällen zur Anwendung, in denen keine „eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte“ i. S. von § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG vorliegen. Der Gesetzgeber versagt in den Fällen einer „weiten Bandbreite“ angemessener Verrechnungspreise dem vereinbarten Verrechnungspreis die Anerkennung, wenn sich die tatsächlichen Gewinne in den folgenden zehn Jahren tatsächlich wesentlich abweichend von den Annahmen entwickeln. Hierzu werden die Verrechnungspreise einer Kontrolle der erzielten Gewinne im Rahmen einer ex-post-Betrachtung unterzogen. Ergibt sich im Rahmen dieser ex-post-Betrachtung eine wesentliche Abweichung, erfolgt eine Anpassung der Verrechnungspreise unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Gewinne.

Rechtlich ausgestaltet hat der Gesetzgeber diese Anpassung über eine widerlegbare Vermutung i. V. mit einer Fiktion. Aus S. 595der Tatsache der tatsächlich abweichenden Gewinne wird widerlegbar vermutet, Unsicherheiten bestünden im Hinblick auf die Preisvereinbarungen. Wird diese Vermutung nicht widerlegt, erfolgt eine Korrektur, bei der der Verrechnungspreis so ermittelt wird, als ob ein unabhängiger Dritter eine Anpassungsregelung durch Berücksichtigung der zukünftig tatsächlichen Gewinne vereinbart hätte. Das Gesetz erlaubt eine Korrektur jedoch nur nach oben (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Die gesetzliche Fiktion ist daher insoweit „unehrlich“, als fremde Dritte bei Unsicherheiten hinsichtlich der Preisvereinbarung regelmäßig eine Anpassung in beide Richtungen vereinbaren würden.

Praxishinweis

Eine Anpassung nur in eine Richtung ist regelmäßig fremdunüblich und lediglich unter bestimmten Umständen, abhängig von der Preisfindung und den Interessen, sachgerecht.

Darüber hinaus besteht häufig unter fremden Dritten ein Bedürfnis nach Planungssicherheit. Eine Preisanpassung bei Abweichen der Ist- von den Planzahlen ist dann nicht erwünscht und unüblich. Eine Anpassung des Verrechnungspreises nach Maßgabe der tatsächlichen späteren Gewinne würde zudem eine Abhängigkeit des Preises von der Wirtschaftsführung des Vertragspartners bedeuten. Auch dies ist regelmäßig nicht erwünscht und daher unüblich. Insgesamt ist die Preisanpassungsklausel daher im Regelfall unter fremden Dritten nicht üblich. Es müssten vielmehr konkrete besondere Umstände vorliegen, die dafür sprechen, fremde Dritte hätten ausnahmsweise eine solche Preisanpassung vereinbart.

Liegen diese besonderen Umstände nicht vor, verstößt die deutsche Regelung des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG gegen den DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz der Art. 9 Abs. 1 OECD MA entsprechenden DBA-Regelungen [22]. Soweit der persönliche Anwendungsbereich des Art. 9 des jeweiligen DBA eröffnet ist, greift daher die Schrankenwirkung der DBA-Regelung ein.

Es stellt sich die Frage, ob die durch Zustimmungsgesetz angeordnete Anwendung dieser DBA-Regelung der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG vorgeht, deren Anwendung somit sperrt. Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG ist zwar erst seit dem Jahr 2008 anzuwenden und daher jüngeres Recht. Die Regelung gilt aber für alle Verrechnungspreise mit sämtlichen Ländern, unabhängig davon, ob ein DBA besteht oder nicht. Insoweit ist die DBA-Regelung spezieller. Hinsichtlich des konkreten sachlichen Bezugs (Funktionsverlagerung mit nur eingeschränkt vergleichbaren Verrechnungspreisen) wäre dagegen die Regelung des Art. 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG spezieller.

Die Preisanpassungsregelung des § 1 Abs. 3 AStG enthält keine Aussage, sie solle einer Regelung in einem DBA vorgehen. Es kommt daher die Auslegungsregel des § 2 AO zur Anwendung, wonach im Zweifel die DBA-Regelung vorgehen soll.

Danach wird die Regelung der Preisanpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG regelmäßig von einer Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelung gesperrt. Eine Gewinnkorrektur ist dann aufgrund dieser Sperrwirkung unzulässig.

3. Die „Hellseherklausel“ des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG

Gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG ist für die Ermittlung des Verrechnungspreises davon auszugehen, voneinander unabhängige Dritte würden alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen. Diese Regelung enthält somit u. a. bei der Anwendung der Ermittlung des fremdüblichen Verrechnungspreises die Fiktion, den beteiligten Vertragsparteien seien alle Umstände, auch die für die andere Vertragspartei relevanten, bekannt (sog. Hellseherklausel).

Dies ist bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen zwischen fremden Dritten regelmäßig nicht der Fall. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gilt dies auch dann, wenn der im Ausland ansässige Vertragspartner diese Rahmenbedingung selber nicht kennt. Die Hellseherklausel betrifft

  • auch Faktoren, die das Geschäftsgeheimnis betreffen, oder

  • andere typische Faktoren, die dem Vertragspartner regelmäßig unbekannt sind.

Sie erfasst danach auch unübliche Umstände, die nach dem Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden DBA-Artikel nicht zu berücksichtigen sind.

In diesen Fällen sind Gewinnerhöhungen in Deutschland von der Schrankenwirkung der DBA-Regelung erfasst, soweit der persönliche Anwendungsbereich der DBA-Regelung eröffnet ist (verbundene Unternehmen i. S. des DBA). Da die Hellseherklausel des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG keinen sog. Treaty Override anordnet, greift auch die Sperrwirkung ein. Die DBA-Regelung, genauer das die Anwendung anordnende Zustimmungsgesetz, geht aufgrund der Auslegungsregel des § 2 AO der nationalen Regelung vor.

4. Die Schätzung zuungunsten des Stpfl. an den äußeren Rand der Bandbreite des angemessenen Verrechnungspreises gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO

§ 162 Abs. 3 Satz 2 AO erlaubt den Finanzbehörden bei Vorliegen einer Bandbreite von angemessenen Verrechnungspreisen eine Schätzung zulasten des Stpfl. an den äußeren Rand der Bandbreite. Voraussetzung ist, dass der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO ( Verrechnungspreisdokumentation) verletzt hat.

Wie unter Abschn. 2 aufgeführt, greift die Schrankenwirkung des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes bereits dann ein, wenn der vereinbarte Verrechnungspreis innerhalb der Bandbreite von angemessenen Verrechnungspreisen liegt. Eine Korrektur an den für den Stpfl. ungünstigen Rand der Bandbreite ist nach dem DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz nicht zulässig. Da es für die AngemessenheitS. 596 nur auf die Höhe des Verrechnungspreises ankommt, ist eine etwaige Verletzung von Dokumentationspflichten irrelevant.

§ 162 Abs. 3 Satz 2 AO stellt keinen sog. Treaty Override dar, da die Vorschrift keinen Vorrang gegenüber den Regelungen des DBA anordnet. Es greift daher die Auslegungsregel des § 2 AO ein, wonach die DBA-Regelung dieser Vorschrift vorgeht.

Eine über den angemessenen Verrechnungspreis hinausgehende Korrektur durch Anwendung des § 162 Abs. 3 Satz 2 AO ist daher durch den DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz gesperrt.

VI. Zusammenfassung und Auswirkungen

In Betriebsprüfungen werden Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen zunehmend stringenter hinterfragt und die vereinbarten Verrechnungspreise angezweifelt. Oftmals stehen dann Korrekturen zulasten des deutschen Unternehmens im Raum, die gigantische Beträge erreichen und entsprechende Steuernachzahlungen zur Folge haben können. Die Betriebsprüfer wenden hierbei bislang regelmäßig die nationalen Vorschriften an, ohne ihre Begrenzung durch die Regelung für die Gewinnabgrenzung von verbundenen Unternehmen nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten.

Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist der DBA-rechtliche Fremdvergleichsgrundsatz autonom auszulegen. Die DBA-Regelungen entfalten für Verrechnungspreise von verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber weitergehenden Korrekturen nach nationalen Normen. Daher ist in diesen Fällen eine Anwendung z. B. der Hellseherklausel des Art. 1 Abs. 1 Satz 3 AStG und der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG regelmäßig unzulässig.

Die Finanzverwaltung hat wohl noch nicht entschieden, ob das aktuelle im Bundesteuerblatt veröffentlicht wird und daher allgemein von der Finanzverwaltung anzuwenden ist. Vertreter der Finanzverwaltung haben bei öffentlichen Tagungen angegeben, die weiteren anhängigen Verfahren sollen abgewartet werden. Derzeit anhängig ist m. E. nur ein potenziell relevantes Revisionsverfahren [23]. Die mündliche Verhandlung war laut der Internetseite des BFH für den terminiert. In diesem Revisionsverfahren geht es um die Frage, ob eine Teilwertabschreibung auf ein ungesichertes eigenkapitalersetzendes Darlehen nach § 1 AStG zu korrigieren ist. Das FG Düsseldorf hat erstinstanzlich die steuermindernde Berücksichtigung der Teilwertabschreibung bejaht [24], da eigenkapitalersetzende Darlehen keine Geschäftsbeziehung i. S. des § 1 Abs. 4 AStG a. F. darstellen. § 1 AStG sei daher bereits nicht anwendbar. Auf die Frage der Sperrwirkung nach dem einschlägigen DBA Großbritannien brauchte das FG Düsseldorf daher nicht einzugehen.

Anders als die Finanzverwaltung scheint der BFH jedoch die Rechtsfrage der Sperrwirkung als geklärt anzusehen [25]. Es ist auch nicht zu erwarten, dass der BFH von seinen bisherigen Grundsätzen abweichen wird.

Sofern die Finanzverwaltung die Grenzen des DBA-Fremdvergleichsgrundsatzes nicht beachtet, sollte daher hiergegen vorgegangen werden, ggf. im Klagewege. Dort bestehen auf der Grundlage der gefestigten BFH-Rechtsprechung sehr gute Erfolgsaussichten.

Kernaussagen
  • Der DBA-rechtliche Fremdvergleichsgrundsatz ist autonom, d. h. unabhängig von den nationalen deutschen Vorschriften zu ermitteln. Der maßgebliche Verrechnungspreis ist eine Frage des Einzelfalls.

  • Jedenfalls soweit kein sog. Treaty Override vorliegt, verhindern die DBA-Regelungen für Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen nach nationalem Recht angeordnete weitergehende Korrekturen.

  • Zahlreiche nationale Korrekturvorschriften sind ganz oder in Teilen von der Schranken- und Sperrwirkung des DBA-rechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes erfasst, u. a. die sog. Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG, die Hellseherklausel des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG und die Schätzung zulasten des Stpfl. gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO.

Autor

RA StB Wolfram Vogel, M.I.Tax
ist tätig bei HLB Dr. Stückmann und Partner mbB, Bielefeld. Seine Spezialgebiete sind Internationales Steuerrecht, Erbschaftsteuerrecht, Immobiliensteuerrecht und Umsatzsteuerrecht.

Fundstelle(n):
StuB 15/2015 Seite 590
MAAAE-97964

1Vgl. NWB XAAAE-85274, DB 2015 S. 465 = Kurzinfo StuB 2015 S. 233 NWB YAAAE-86733.

2Vgl. NWB VAAAE-90680.

3Zur Frage, ob im Rahmen der aktuellen PEPS-Diskussion der Fremdvergleichsgrundsatz noch das politisch gewollte Abgrenzungskriterium ist, vgl. Schmidtke, IStR 2015 S. 120 ff.

4Vgl. Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., München 2015, Art. 9 Rz. 145.

5Vgl. NWB XAAAE-85274, DB 2015 S. 465 = Kurzinfo StuB 2015 S. 233 NWB YAAAE-86733; NWB VAAAE-90680.

6Vgl. NWB VAAAE-90680.

7Vgl. NWB GAAAE-25888, BStBl 2013 II S. 1046 = Kurzinfo StuB 2013 S. 116 NWB QAAAE-28293.

8Die fehlende vorherige Vereinbarung ist hierbei jedoch lediglich als Indiz zu berücksichtigen.

9Vgl. NWB XAAAE-85274, DB 2015 S. 465 = Kurzinfo StuB 2015 S. 233 NWB YAAAE-86733.

10Das Protokoll Nr. 7 zum DBA USA vom enthält eine gleichlautende Regelung.

11Hintergrund der Protokollregelung ist: Der persönliche Anwendungsbereich des § 1 AStG ist in der Form der Definition der nahestehenden Person weiter, als der Begriff der verbundenen Unternehmen i. S. des Art. 9 DBA USA.

12Vgl. NWB VAAAE-90680.

13Vgl. NWB XAAAE-85274, DB 2015 S. 465 = Kurzinfo StuB 2015 S. 233 NWB YAAAE-86733.

14H. M.; vgl. für das Steuerrecht FG Köln, rkr. Urteil vom - 4 V 3366/07 NWB CAAAC-73827; NWB RAAAA-96424, BStBl 1999 II S. 207.

15Diese Auslegungsregeln sind in Art. 31-33 der Wiener Übereinkunft über das Recht der Verträge vom kodifiziert worden, die auf gewohnheitsrechtlich geltenden Regeln des Völkerrechts zurückgehen, vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., München 2015, Rz. 340.

16Nach dem Wortlaut gilt für verbundene Unternehmen i. S. des Art. 9 Folgendes: Wenn zwischen verbundenen Unternehmen hinsichtlich ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbart oder auferlegt werden, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinn dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.

17Abgesehen von der schematischen Anwendung der Ober- und Untergrenze, so auch NWB BAAAD-99812, BStBl 1983 I S. 218, in seiner aktuellen Fassung (Verwaltungsgrundsätze, Tz. 2.1.9).

18Art. 9 Abs. 1 OECD-MA unterscheidet zwischen zwei Gruppen von verbundenen Unternehmen. Die Verbindung kann einerseits durch eine wesentliche Beteiligung eines Unternehmens an einem anderen Unternehmen entstehen, wobei es keine Rolle spielt, ob die Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital besteht und ob diese Beteiligung mittelbar oder unmittelbar ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. A OECD-MA). Ferner gelten Gesellschaften, bei denen dieselben Personen an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, ebenfalls als verbundene Unternehmen (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. B OECD-MA).

19Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man mit der wohl h. M. eine Verpflichtung zur sog. „Völkervertragsfreundlichen Auslegung“ annimmt. Auch insoweit wäre m. E. § 2 AO die für eine solche Auslegung anführbare Vorschrift.

20Da die nationale Norm, der Treaty Override, ein Parlamentsgesetz ist, kann die Vorschrift nur durch das BVerfG für verfassungswidrig erklärt werden. Vgl. zur Problematik, ob ein Treaty Override einen Verstoß gegen die Verfassung bedeuten kann, die Vorlagebeschlüsse des BFH zu § 50d Abs. 9 und Abs. 10 EStG: NWB SAAAE-75265, DStR 2014 S. 2065 = Kurzinfo StuB 2014 S. 825 NWB CAAAE-78594, zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG; NWB JAAAE-55050, DB 2014 S. 398 = Kurzinfo StuB 2014 S. 155 NWB WAAAE-55640, zu § 50d Abs. 10 EStG.

21Ein solcher Verstoß kann insbesondere bei einer diskriminierenden Behandlung von Auslandssachverhalten bestehen. Der vom EuGH als Rechtfertigungsgrund anerkannte Grundsatz der Aufteilung der Besteuerungsrechte greift bei einem solchen Treaty Override m. E. gerade nicht ein.

22So im Ergebnis auch Schmidtke, IStR 2015 S. 120 ff., m. w. N.

23BFH-Az.: I R 29/14.

24Vgl. FG Düsseldorf, nrkr. Urteil vom - 6 K 4087/11 F NWB RAAAE-66189 (BFH-Az.: I R 29/14).

25Vgl. NWB VAAAE-90680.