Finanzgericht Nürnberg Urteil v. - 6 K 1733/18

Leistungen aus Berufsunfähigkeitsrente aus Vertreterversorgungswerk als nachträgliche gewerbliche Einkünfte

Leitsatz

1. Die Leistungen aus der Rente - hier Berufsunfähigkeitsrente - aus einem Vertreterversorgungswerk sind als nachträgliche gewerbliche Einkünfte zu behandeln.

2. Maßgeblich hierfür ist ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit als Versicherungsvertreter.

Dieser ergibt sich aus der Versorgungszusage des Versicherungsunternehmens, der Vollfinanzierung der Rente durch dieses ohne eigene Beitragsleistung, der Bemessung der Rente nach Bestand - unter Einbeziehung verschiedener Bewertungs- und Umrechnungsfaktoren - und Tätigkeitsdauer sowie aus dem Umstand, dass in Höhe des Barwerts der Rente ein Ausgleichsanspruch nicht entsteht.

Gesetze: EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 ; EStG § 24 Nr. 2 ; EStG § 22 Nr. 1

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob die dem Kläger von der A AG aus dem Vertreterversorgungswerk als (Berufsunfähigkeits-)Rente geleisteten Zahlungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als sonstige Einkünfte zu versteuern sind.

Der Kläger war bis als selbstständiger Ausschließlichkeitsvertreter für die A AG tätig und erzielte hieraus gewerbliche Einkünfte. Zur Sicherung seiner Alters-, Berufsunfähigkeits-, und Hinterbliebenenversorgung war er Mitglied im Vertreterversorgungswerk (VVW) der A AG.

Auf die von Klägerseite vorgelegten Bestimmungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die A Gesellschaften tätig sind (VVW-Bestimmungen), wird verwiesen.

Nach 1 Festbetragszusage erhalten hauptberufliche Vertreter, die ausschließlich für die A Gesellschaften tätig sind, nach dem ersten anrechnungsfähigen Tätigkeitsjahr eine Festbetragszusage über folgende Versorgungsleistungen:

  • ein Altersruhegeld bei Vertragsbeendigung nach Vollendung des 63. Lebensjahr (...)

  • eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (...).

In Höhe des Barwertes einer vom Vertreter zu beanspruchenden Rente entsteht kein Ausgleichsanspruch (vgl. 10.1.1 der VVW-Bestimmungen ).

Der Kläger gab seine Tätigkeit für die Versicherungsgesellschaft aufgrund seiner Berufsunfähigkeit zum auf und bezog ab dem Berufsunfähigkeitsrente gemäß VVW-Bestimmungen.

Im Jahr 2003 war die Berufsunfähigkeitsrente als Leibrente erklärt und versteuert worden; im seinerzeitigen Einspruchsverfahren war lediglich die Höhe des Ertragsanteils streitig gewesen. Auch in den Einkommensteuererklärungen 2004 und 2006 war - soweit ersichtlich - die Berufsunfähigkeitsrente als Leibrente erklärt und entsprechend versteuert worden. Dem Kläger war für 2007 bis 2009 eine Nichtveranlagungsbescheinigung ausgestellt worden.

In den Streitjahren erzielte der Kläger neben anderen Rentenleistungen folgende Einnahmen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente des Vertreterversorgungswerks:


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2011
2012
2013
2014
2015
2016
17.428 €
17.602 €
18.236 €
18.418 €
18.602 €
18.788 €

Der Kläger gab nach Aufforderung durch das Finanzamt im Juni 2018 Einkommensteuererklärungen für 2011 bis 2016 ab, in denen er die (Berufsunfähigkeits-)Rente des Vertreterversorgungswerks als Leibrente erklärte.

In den Einkommensteuerbescheiden für 2011 bis 2016, die am erlassen wurden, behandelte das Finanzamt die fraglichen Leistungen jeweils als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Einsprüche des Klägers blieben erfolglos und wurden mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen.

Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, die Einnahmen aus der Berufsunfähigkeitsrente seien als sonstige Einkünfte zu qualifizieren und mit dem Ertragsanteil zu versteuern; die Zahlungen seien als Zahlungen aus einem eigenständigen Rechtsgrund einzustufen. Der VVW sei als Rentenversicherung konzipiert. Daher sei der Anspruch des Klägers steuerlich als solche zu behandeln. Er könne nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet werden, weil er im Wesentlichen an die Stelle des Ausgleichsanspruchs getreten sei. Die durch die Versicherungsgesellschaft geleistete Zusage der Altersversorgung, die als Rentenversicherung ausgestaltet gewesen sei, sei als eine Gegenleistung für die Tätigkeit des Klägers als Versicherungsvertreter gedacht. Die Ausgestaltung des VVW sei mit einer Lebensversicherung vergleichbar. Der BFH habe mit Urteil vom III R 41/14 entschieden, dass eine ausschließlich gesellschaftsfinanzierte Lebensversicherung als Form der Altersversorgung, die auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters anzurechnen gewesen sei, nicht der vollen Besteuerung als nachgelagerte gewerbliche Einkünfte zu unterziehen sei. Im Streitfall sei eine analoge Behandlung sachgerecht. Der Kläger sei aus privater Veranlassung dem Vertreterversorgungswerk beigetreten, um seine Altersversorgung abzusichern. Betriebliche Veranlassung habe allenfalls seitens der Versicherungsgesellschaft bestanden. Die spätere Rente sei damit nicht ausschließlich gesellschaftsfinanziert. Zwar habe der Kläger keine Beiträge an das VVW geleistet, aber zur Ausfinanzierung dieser Altersversorgung auf seinen Ausgleichsanspruch verzichtet. Die Natur des versicherten Risikos spreche ebenfalls für die Zuordnung als Rente.

Die Finanzbehörde habe die Tätigkeit des Klägers als selbständiger Versicherungsvertreter gekannt und seit 2005 Kenntnis von der Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsrente aus dem VVW gehabt. Zudem unterliege sie dem Amtsermittlungsgrundsatz. Der Kläger genieße Bestandsschutz, da das Finanzamt 2005 die Besteuerung der Rente mit dem Ertragsanteil anerkannt habe.

Die (aus Sicht des Finanzamts) fehlerhafte Behandlung habe sich dem Finanzamt aufdrängen müssen; dieses habe keinerlei Nachforschungen angestellt.

Für die Jahre 2011 bis 2013 sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

Der Kläger beantragt, die Leistungen aus dem Vertreterversorgungswerk von 17.428 € (2011), 17.602 € (2012), 18.236 € (2013), 18.418 € (2014), 18.602 € (2015) und 18.788 € (2016) als Leibrente im Sinne von § 22 Nr. 1 S. 3 EStG mit einem Ertragsanteil von 19 % zu besteuern und die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom und die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016, zuletzt vom , entsprechend zu ändern.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt weiter vor, Rentenbezüge von einem Vertretervertragswerk an einen vormaligen Versicherungsvertreter seien nach ständiger Rechtsprechung, nach Auffassung der Verwaltung und nach der Beurteilung in der Fachliteratur als nachträglich gewerbliche Einkünfte zu behandeln. Dies gelte auch im Fall von Berufsunfähigkeitsrenten.

In den Steuererklärungen 2003 bis 2006 und 2011 bis 2016 habe der Kläger die Zahlungen des Vertreterversorgungswerkes als sonstige Einkünfte (mit einem Ertragsanteil von 23 %) erklärt, obwohl das Versorgungswerk jährlich für das vorangegangene Jahr darauf hingewiesen hätte, dass es sich bei Rentenbezügen vom Vertreterversorgungswerk um erklärungspflichtige Einkünfte aus früherem Gewerbebetrieb handele. Insofern habe der Kläger grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich, falsche Angaben gemacht.

Das Finanzamt sei gehalten, den Angaben in einer Steuererklärung grundsätzlich Glauben zu schenken. Eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht liege nur vor, wenn der Steuerpflichtige zu bestimmten Sachverhalten entweder keine Angaben mache oder sich am Erklärten ernstliche Zweifel aufdrängten. Dies sei für die Jahre 2003 bis 2006 nicht gegeben gewesen, zumal der Kläger steuerlich beraten gewesen sei und die Rente glaubhaft den sonstigen Einkünften zugeordnet habe. Aufgrund der dem Finanzamt für diese Jahre vorliegenden Unterlagen, die die oben genannten Schreiben des Vertreterversorgungswerkes nicht enthalten hätten, habe das Finanzamt dieses Erklärungsverschulden nicht erkennen können, so dass es auch nicht gehalten gewesen sei, misstrauisch zu sein und weitere Überprüfungen vorzunehmen.

Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung sei das Finanzamt in den Streitjahren nicht an die falsche Behandlung der Vorjahre gebunden.

Für die Streitjahre sei Festsetzungsverjährung nicht eingetreten.

Am wurden wegen hier nicht streitiger Gründe geänderte Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 erlassen, die Gegenstand des Klageverfahrens werden.

Auf die Schriftsätze der Beteiligten wird verwiesen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO).

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom und die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016, zuletzt vom , sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Das Finanzamt hat die dem Kläger von der A AG aus dem Vertreterversorgungswerk als (Berufsunfähigkeits-)Rente geleisteten Zahlungen zu Recht als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung unterworfen.

1. Für die Streitjahre war bei Erlass der Einkommensteuerbescheide am keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vier Jahre.

Die Festsetzungsfrist beginnt - beispielhaft für das Jahr 2011 - gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des , da der Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, und endet mit Ablauf des . Entsprechendes gilt für die Jahre 2012 (Fristbeginn / Fristende regulär ), 2013 (/) und 2014 (/). Für die Jahre 2015 und 2016 beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres der Abgabe der Einkommensteuererklärung am und endet regulär mit Ablauf des .

2. Die Leistungen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk sind als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.

  1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Absatz 1 EStG gehören gemäß § 24 Nr. 2 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 EStG.

  2. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG liegen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stehen.

  3. Nach der rechtskräftigen Rechtsprechung der Finanzgerichte stellen Einnahmen aus dem Vertreterversorgungswerk nachträgliche gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG dar, da die Zahlungen mit der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit als Versicherungsvertreter in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. In Höhe des Barwertes einer vom Vertreter zu beanspruchenden Rente entsteht kein Ausgleichsanspruch (vgl. 10.1.1 der VVW-Bestimmungen); somit besteht ein Zusammenhang mit der Tätigkeit des Hauptvertreters weiter, so dass die Einnahmen nach § 24 Nr. 2 EStG zu den nachträglichen gewerblichen Einkünften zu rechnen sind (, juris unter Verweis auf , BStBl III 1963, 592; vom IV R 174/73, BStBl II 1976, 487; , EFG 1998, 363; so auch ).

  4. Das , juris, dies auch für den Fall einer Berufsunfähigkeitsrente bejaht und führt aus, Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 24 Nr. 2 EStG lägen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stünden. Diesen Zusammenhang entnimmt das FG Münster aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers und der Vollfinanzierung der Rente durch den Arbeitgeber. Nach den im dortigen Streitfall anzuwendenden VVW-Bestimmungen waren für die Bemessung der Rentenbeträge der Bestand des Vertreters und die Tätigkeitsdauer maßgebend, so dass die Einräumung der Rente damit durch die berufliche Leistung veranlasst gewesen sei. Der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers ergebe sich auch daraus, dass mit den Rentenzahlungen ein Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters abgegolten werden solle (Ziff. 10 der VVW-Bestimmungen). Das Finanzgericht Münster bezieht sich ferner auf die den VVW zugrundeliegende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; auf diese Ausführungen des FG Münster wird verwiesen.

    Da von dem VVW Rentenzahlungen geleistet würden, könne insoweit ein Ausgleichsanspruch nicht geltend gemacht werden. Die Versorgung erfolge anstelle des Ausgleichsanspruchs. Da der Ausgleichsanspruch als Forderung zur Abgeltung einer bereits geleisteten Tätigkeit dem laufenden gewerblichen Gewinn zuzurechnen sei (vgl. , BFH/NV 1990, 188), sei auch die voll von dem Unternehmer finanzierte Rente, die an die Stelle des Ausgleichsanspruchs trete und sich ebenfalls an der beruflichen Leistung des Klägers bemesse, für den Kläger nachträglicher gewerblicher Gewinn.

  5. Die unter c) und d) dargestellte Einschätzung ist aus Sicht des Senats auch auf den Streitfall anzuwenden.

    Der Zusammenhang der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk mit der ehemals gewerblichen Tätigkeit des Klägers besteht im Streitfall in der Versorgungszusage der Versicherungsgesellschaft und der Vollfinanzierung durch diese. Die (Berufsunfähigkeits-)Rente beruht nicht auf eigener Beitragsleistung des Klägers.

    Auch aus der Bemessung der Rentenbeträge nach Bestand des Vertreters und Tätigkeitsdauer ergibt sich der Zusammenhang mit der früheren gewerblichen Tätigkeit, ebenso wie aus dem Umstand, dass in Höhe des Barwerts der Rente ein Ausgleichsanspruch nicht entsteht.

    Der vom Kläger übersandten "Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft" kann unter 4. entnommen werden, dass grundsätzlich die VVW-Aufnahme Voraussetzung dafür ist, als Vertreter für die A tätig zu werden. Daher vermag der Senat den Ausführungen des Klägers, er sei aus privater Veranlassung dem Vertreterversorgungswerk beigetreten, um seine Altersversorgung abzusichern, nicht zu folgen.

    Aus dem kann der Kläger keine für ihn günstigen Folgen ableiten.

    Im dortigen Streitfall wurden "gesonderte" Lebensversicherungen abgeschlossen. Der dortige Kläger erfasste und versteuerte die von den Versicherungsunternehmen geleisteten Beiträge für diese Lebensversicherungen als Betriebseinnahmen.

    Der BFH stellte im dortigen Fall für die Frage der Zuordnung der Lebensversicherung grundsätzlich auf die Natur des versicherten Risikos ab; der Abschluss einer Lebensversicherung sei in der Regel privat veranlasst, so dass Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag grundsätzlich zum Privatvermögen gehörten. Die Zahlung von Beiträgen durch die beiden Versicherungsunternehmen ändere nichts am "privaten" Charakter der Alters- und Hinterbliebenenversorgung.

    Im vorliegenden Streitfall liegt jedoch eine andere Ausgangssituation vor: Ein gesonderter Lebensversicherungsvertrag wurde nicht geschlossen; weder erfolgte eine Beitragsleistung durch den Kläger noch versteuerte er zu seinen Gunsten geleistete Beiträge (eines Versicherungsunternehmens) als gewerbliche Einkünfte.

    Zudem spricht die Bemessung der (Berufsunfähigkeits-)Rente entscheidend für eine Zuordnung zur ehemals betrieblichen Sphäre: Diese ist unter 2 der VVW-Bestimmungen geregelt; die Ermittlung der Rentenbeiträge wird in der "Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft" unter 7. erläutert. Maßgeblich sind verschiedene Faktoren, wie der Tätigkeitsjahrfaktor und der Bestand des Vertreters, von dem jedoch je nach Art der Versicherung bestimmte Arten von Verträgen ausgenommen sind. Die Versicherungen werden zudem in 10 Gruppen eingeteilt, die mit unterschiedlichen Bewertungsfaktoren angesetzt werden. Zudem kommen noch Umrechnungsfaktoren zur Anwendung.

    Der Bestand multipliziert mit den Bewertungsfaktoren ergibt den bewerteten Bestand; dieser multipliziert mit den Umrechnungsfaktoren und dem Tätigkeitsjahrfaktor ergibt den Rentenbetrag (im Einzelnen vergleiche 7.2.4 der "Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft").

    Aus dieser Bemessung der Beiträge ergibt sich die Ausrichtung der Rente an den vom Vertreter im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit erworbenen Zeiten, Beständen und deren Werten. Ein enger Zusammenhang mit der früheren gewerblichen Tätigkeit prägt daher die Rente.

3. Die Leistungen aus der (Berufsunfähigkeits-)Rente aus dem Vertreterversorgungswerk sind nicht als Leibrente im Sinne von § 22 Nr. 1 S. 3 EStG mit einem Ertragsanteil zu besteuern.

Gemäß § 22 Nr. 1 1. HS EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören.

§ 22 EStG hat subsidiären Charakter. Die fraglichen Zahlungen gehören zu den - nachträglichen - Einkünften aus Gewerbebetrieb.

4. Dem Erlass der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom stehen keine weiteren Hinderungsgründe entgegen.

  1. Bei den ursprünglich angegriffenen Einkommensteuerbescheiden vom handelt es um erstmals aufgrund der Einkommensteuererklärungen ergangene Bescheide. Das Finanzamt hat zu Recht auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hingewiesen, wonach jeder Veranlagungszeitraum getrennt zu beurteilen ist und das Finanzamt nicht an eine ggf. falsche Beurteilung in früheren Veranlagungszeiträumen gebunden ist.

    Überlegungen, wie sie etwa im Rahmen der Anwendung von Änderungsvorschriften (§§ 172 ff AO) aufgrund deren besonderer Voraussetzungen notwendig sind, wie etwa zum nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder zu Ermittlungsfehlern seitens der Behörde, sind im Rahmen des Erlasses von Erstbescheiden nicht anzustellen.

  2. Die Behandlung der (Berufsunfähigkeits-)Rente als Einkünfte aus Gewerbebetrieb verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben.

    Ein durch das Finanzamt geschaffener Vertrauenstatbestand durch vorangegangenes nachhaltiges Verhalten oder eine nachdrückliche Willensäußerung des Finanzamts ist über die durchgeführten Veranlagungen 2003, 2004 und 2006 bzw. über den Erlass der Nichtveranlagungsbescheinigung 2007 bis 2009 hinaus nicht ersichtlich. Die bloße falsche Behandlung in den Vorjahren reicht für die Schaffung eines Vertrauenstatbestands nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Fundstelle(n):
ErbStB 2020 S. 10 Nr. 1
LAAAH-32949