NWB Nr. 18 vom Seite 1290

Zur steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften

Zugleich Anmerkungen zum BFH-Urteil IV R 19/14

Dr. Martin Strahl *

[i]BFH-Urteil v. 9.11.2017 - IV R 19/14 NWB IAAAG-72050 Die intendiert gewinnneutrale Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen Schwesterpersonengesellschaften stellt für die steuerliche Gestaltungspraxis nach wie vor eine Herausforderung dar, weil die Finanzverwaltung nicht von der Meinung ablässt, sie falle nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Als Gestaltungsoption kann sich – nach den Tatbestandsvoraussetzungen der Norm – die im Ergebnis gewinnneutrale Übertragung im Wege einer Veräußerung aufgedeckter stiller Reserven nach Maßgabe des § 6b EStG darstellen. Das NWB IAAAG-72050 hat Rechtssicherheit im Hinblick darauf herbeigeführt, dass dieser Weg auch zwischen Schwesterpersonengesellschaften gangbar ist, indem begünstigtes Veräußerungs- und Reinvestitionsobjekt ein und dasselbe Objekt sind. Im nachfolgenden Beitrag wird die Entscheidung analysiert, es werden aber auch verbleibende Probleme und insofern bestehende Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

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I. Grundsachverhalt: § 6b EStG als Gestaltungsoption

1. Ausgangsproblematik

[i]Ausgliederungsmodell: Steuerneutrale Übertragung eines mit stillen Reserven behafteten WG vor zweitem RechtsaktIn der Praxis kann sich vielfach der Gestaltungswunsch eröffnen, ein mit stillen Reserven behaftetes Wirtschaftsgut steuerlich neutral aus einem Mitunternehmeranteil auszugliedern. Zu denken ist insbesondere an die Ausgliederung des Betriebsgrundstücks vor einer anstehenden Umwandlung, vorweggenommenen Erbfolge oder Veräußerung, von der jeweils das Grundstück ausgenommen werden soll. Dabei ist stets im Blick zu behalten, dass der Mitunternehmeranteil die Beteiligung am Gesamthandsvermögen sowie am Sonderbetriebsvermögen des jeweiligen Mitunternehmers umschließt (vgl. NWB TAAAE-19330, Rz. 14). S. 1291

a) Wirtschaftsgut im Sonderbetriebsvermögen

Neben der [i]Hänsch, NWB 26/2015 S. 1914Problematik der von Seiten der Finanzverwaltung noch allfällig anzuwendenden Gesamtplanannahme (die indes nach der Rechtsprechung nur Bedeutung für den Fall der intendierten Erlangung der Tarifermäßigung für einen Veräußerungs- oder Aufgabevorgang hat, und dies nur der Rechtsfolge nach; der eigentliche aus § 42 AO abgeleitete Gesamtplangedanke ist aufgegeben worden, vgl. , BStBl 2015 II S. 536), stellt sich die Frage, auf welchem Weg die steuerneutrale Ausgliederung des mit stillen Reserven behafteten Wirtschaftsguts erfolgen kann. Gehört es [i]Bode, NWB 19/2015 S. 1374zum Sonderbetriebsvermögen, ist die Norm des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG anwendbar – die Ausgliederung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, an welcher vermögensmäßig allein der Ausgliedernde beteiligt ist, vollzieht sich zwingend zu Buchwerten, so sie ausschließlich gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und/oder unentgeltlich vollzogen wird. Ein Schuldnerwechsel mit Bezug auf ein Darlehen, das im Finanzierungszusammenhang mit dem auszugliedernden Wirtschaftsgut steht, darf in Anbetracht der dräuenden Anwendung der strengen Trennungstheorie nicht erfolgen. Die Verbindlichkeit wird indes zu negativem Sonderbetriebsvermögen bei der übernehmenden gewerblich geprägten Personengesellschaft. [i]Steger/Raible, NWB 7/2018 S. 426Die Fremdfinanzierungsentgelte sind in vollem Umfang Sonderbetriebsausgaben des Schuldners, selbst dann, wenn er vermögensmäßig nicht allein an der gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt sein sollte (vgl. NWB LAAAG-48566).

b) Wirtschaftsgut im Gesamthandsvermögen

Schwieriger [i]Ausgliederung aus dem Gesamthandsvermögenwird die Gestaltung indes, wenn das auszugliedernde Wirtschaftsgut zu einem Gesamthandsvermögen zählt. Hier ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Weg verschlossen, eine unmittelbare Übertragung in das Gesamthandsvermögen einer – selbst beteiligungsidentischen – Schwesterpersonengesellschaft durchzuführen (vgl. BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 18).

Ob eine [i]Cropp, NWB 22/2014 S. 1656; Rennar, NWB 5/2017 S. 343derart einengende Auslegung mit der Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit vereinbar ist, hat der I. Senat des (BStBl 2013 II S. 1004) dem BVerfG vorgelegt. Dort ist das Verfahren seit nunmehr fünf Jahren anhängig (Az. beim BVerfG: 2 BvL 8/13). Der Weg, das auszugliedernde Wirtschaftsgut gegen Minderung der Gesellschaftsrechte – und damit in Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG – zunächst aus dem Gesamthandsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen der Schwesterpersonengesellschaft und sodann aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der Schwesterpersonengesellschaft zu übertragen, wird von der Finanzverwaltung als schädliche Kettenübertragung abgetan (vgl. BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 19).

[i]Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStGHier mag sich bei Anlagegütern, welche nach § 6b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 10 Satz 1 EStG begünstigt sind, der Weg eröffnen, diese an die Schwesterpersonengesellschaft zu veräußern und die in diesem Zuge aufgedeckten stillen Reserven in gesellschafterbezogener Betrachtungsweise nach Maßgabe des § 6b EStG auf die Schwesterpersonengesellschaft zu übertragen. Nach anfänglich kontroverser Diskussion (vgl. Brandenberg , JbFfSt 2003/2004 S. 370, 374, „Veräußert der Gesellschafter ein Wirtschaftsgut an seine Personengesellschaft, kann die Rücklage nach § 6b EStG nur auf einem anderen Rechtsweg und damit ein anderes Wirtschaftsgut übertragen werden“), hat die Finanzverwaltung schon früh die Rechtsauffassung vertreten, begünstigtes Veräußerungsobjekt (bei der übertragenden Personengesellschaft) und begünstigtes Reinvestitionsobjekt (bei der erwerbenden Personengesellschaft) könnten ein und dasselbe Objekt sein (vgl. NWB IAAAB-91100, Abschnitt 4.3). S. 1292

2. Gewinnübertragung gem. § 6b EStG nach dem BFH-Urteil IV R 19/14

[i]BFH, Urteil v. 9.11.2017 - IV R 19/14 NWB IAAAG-72050 Diese Beurteilung hat eine eindrucksvolle Bestätigung durch das NWB IAAAG-72050 erfahren. Ihm lag der Sachverhalt zugrunde, dass zum Gesamthandsvermögen einer KG, an welcher vermögensmäßig der Kommanditist R zu 99 % beteiligt war, seit dem Jahr 1997 eine Beteiligung von 100 % an einer GmbH zählte. Im Jahr 2006 wurde eine Schwesterpersonengesellschaft – die E-KG – gegründet, an der R als Kommanditist allein vermögensmäßig beteiligt war.

Mit Vertrag vom veräußerte die KG ihre Beteiligung an der GmbH an die Schwesterpersonengesellschaft. Grundlage des vereinbarten Kaufpreises war ein Wertgutachten. Der ermittelte Veräußerungsgewinn wurde zu 99 % dem R zugerechnet. Dieser für eine gewinnneutrale Übertragung nach § 6b EStG zur Verfügung stehende Gewinn wurde über entsprechende Ergänzungsbilanzen des R auf die Anschaffungskosten der E-KG transferiert.

In grafischer Hinsicht stellt sich der verwirklichte Sachverhalt mithin wie folgt dar:

Abb. 1: Grundsachverhalt: Veräußerung an Schwesterpersonengesellschaft

[i]Übertragung des Veräußerungsgewinns dem Grunde nach zulässigDem Grunde nach bejaht der BFH die Zulässigkeit der Übertragung des Veräußerungsgewinns, indem unter Rz. 27 der Entscheidungsgründe ausgeführt wird:

„Wegen der (bis und ab wieder geltenden [...]) gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise dieser Steuervergünstigung erlaubt § 6b EStG die Übertragung eines dem Gesellschafter zuzurechnenden Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen, sondern auch auf Wirtschaftsgüter eines Einzel- oder Sonderbetriebsvermögens des Gesellschafters sowie in Höhe des auf den Gesellschafter entfallenden ideellen Anteils auf Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens einer anderen Personengesellschaft, an der der Gesellschafter ebenfalls als Mitunternehmer beteiligt ist [...]. Das gilt selbst dann, wenn das Wirtschaftsgut an eine Schwesterpersonengesellschaft veräußert wird, so dass der Gewinn auf die Anschaffungskosten des nämlichen Wirtschaftsguts übertragen werden kann, soweit an dieser derselbe Mitunternehmer beteiligt ist.“ S. 1293

Das Placet für die Gewinnübertragung nach § 6b EStG liegt somit von höchstrichterlicher Seite vor, doch dies enthebt nicht der mit ihr verbundenen Probleme:

3. Verbleibende Probleme und Lösungsansätze

a) Übertragung zum Verkehrswert

[i]Nachweis des Verkehrswerts von BedeutungDer BFH stellt in der Wiedergabe der Sachverhalte darauf ab, Grundlage des vereinbarten Kaufpreises für die Anteile sei ein Wertgutachten gewesen (Rz. 9). Dies ist nicht bedeutungslos, denn nach § 6b Abs. 2 EStG ist nur die Aufdeckung stiller Reserven im Wege der Veräußerung, nicht hingegen aufgrund eines anderen Realisationstatbestands begünstigt. Vollzöge sich die Übertragung teilentgeltlich – unterhalb des Verkehrswerts –, wäre partiell auch eine Realisation aufgrund einer Entnahme gegeben, die nicht durch die Bildung einer Rücklage gem. § 6b Abs. 3 EStG neutralisiert werden könnte. [i]Wertgutachten vor Veräußerung ratsamEs ist deswegen zu empfehlen, vor der Veräußerung ein Wertgutachten einzuholen (vgl. entsprechend zur verlustrealisierenden Veräußerung einer Beteiligung zwischen einander nahe stehenden Personen NWB JAAAF-89554, Rz. 15).

b) Ausweitung der Gewinnübertragung nach § 6b EStG auf die Kapitalkonten

[i]Auswirkungen der gewinnneutralen Übertragung auf das EigenkapitalIm Zuge der Gestaltung darf nicht verkannt werden, dass durch die gewinnneutrale Übertragung stiller Reserven gem. § 6b EStG ein negatives Kapitalkonto gem. § 15a EStG bei der übernehmenden Schwestermitunternehmerschaft entstehen kann, weil für das Kapitalkonto i. S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht das handelsrechtliche Kapitalkonto, sondern nur das Kapitalkonto in der Steuerbilanz der KG (Gesamthandsvermögen) zuzüglich dem Mehr- oder Minderkapitalkonto aus einer für den Gesellschafter geführten Ergänzungsbilanz heranzuziehen ist (vgl. z. B. Wacker in L. Schmidt, EStG, 37. Aufl. 2018, § 15a Rz. 83). Dies sei am folgenden Beispiel illustriert:

Beispiel:

Ein Grundstück soll einen Buchwert von 100.000 € und einen Teilwert von 200.000 € haben. Es soll mit Verbindlichkeiten in Höhe von 100.000 € belastet sein. Gestaltungsziel ist es, es steuerlich neutral von einer GmbH & Co. KG I auf eine GmbH & Co. KG II zu übertragen, an der jeweils vermögensmäßig nur der Kommanditist A beteiligt ist. Dieses Gestaltungsziel kann nach Maßgabe des Besprechungsurteils erreicht werden, indem das Grundstück vollentgeltlich übertragen wird. Die GmbH & Co. KG II könnte dazu die Bankverbindlichkeit der GmbH & Co. KG I übernehmen und schuldete darüber hinaus einen Kaufpreis von 100.000 € (§ 6b EStG begünstigt nicht einen durch Entnahme realisierten Ertrag).


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GmbH & Co. KG I
Grundstück
100.000 €
Kapital
500.000 €
übrige Aktiva
500.000 €
Verbindlichkeiten
100.000 €
600.000 €
600.000 €

(1) Veräußerung des Grundstücks zum Verkehrswert an die GmbH & Co. KG II

Buchmäßige Erfassung bei der GmbH & Co. KG I:


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Verbindlichkeiten
100.000 €
Forderung an GmbH & Co. KG II
100.000 €
an
Grundstück
100.000 €
sonstiger betrieblicher Ertrag
100.000 €

S. 1294Buchung des Anschaffungsvorgangs bei der GmbH & Co. KG II:


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Grundstück
200.000 €
an
Verbindlichkeiten Bank
100.000 €
Verbindlichkeiten gegen GmbH & Co. KG I

100.000 €

(2) Neutralisation des Veräußerungsgewinns bei der GmbH & Co. KG I durch Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG


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sonstiger betrieblicher Aufwand
100.000 €
an
Rücklage gem. § 6b EStG
100.000 €

Die Bildung der Rücklage gem. § 6b EStG ist nach der Aufhebung des Prinzips der umgekehrten Maßgeblichkeit vorzunehmen, ohne dass ein korrespondierender Sonderposten mit Rücklageanteil in der Handelsbilanz angesetzt wird. Da die Rücklage noch nicht auf ein Wirtschaftsgut übertragen wurde, entfällt auch ihre Aufnahme in das gesondert zu führende Verzeichnis gem. § 5 Abs. 1 Satz 2, 3 EStG.

(3) Übertragung der 6b-Rücklage auf die GmbH & Co. KG II

Buchung bei der GmbH & Co. KG I:


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Rücklage gem. § 6b EStG
100.000 €
an
Kapital
100.000 €

Buchung bei der GmbH & Co. KG II:


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Kapital
100.000 €
an
Grundstück
100.000 €

Im Ergebnis erhöht sich das Kapital bei der (übertragenden) GmbH & Co. KG I erfolgsneutral um 100.000 €. Bei der (erwerbenden) GmbH & Co. KG II mindert sich hingegen das Kapital um 100.000 €. Diese Buchung wird im Rahmen einer negativen steuerlichen Ergänzungsbilanz vorgenommen. Das Grundstück ist nach Übertragung der Rücklage in das gesondert zu führende Verzeichnis gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG mit den in § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG geforderten Angaben aufzunehmen (hier: Tag des Grundstückserwerbs; Anschaffungskosten: 200.000 €; Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG; vorgenommene Übertragung stiller Reserven: 100.000 €).

Bei der veräußernden Mitunternehmerschaft wird der Veräußerungserlös im handelsrechtlichen Jahresabschluss ungeschmälert ausgewiesen. Im Ergebnis liegt damit auch ein Instrumentarium zur steuerneutralen Hebung stiller Reserven vor.

[i]Finanzierung des Kaufpreises durch die übernehmende MitunternehmerschaftAls Knackpunkt des „6b-Modells“ kann sich die Finanzierung des vereinbarten Kaufpreises erweisen. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Veräußerung i. S. des § 6b EStG, die die Einstellung des bei der Veräußerung entstehenden Gewinns in eine § 6b-Rücklage erst ermöglicht, nur dann vor, wenn der vereinbarte Kaufpreis auch bei wirtschaftlicher Betrachtung vom Erwerber getragen wird (vgl. NWB LAAAC-83998). In dem dem vorzitierten BFH-Urteil zugrunde liegenden Streitfall veräußerte der Ehemann an seine Ehefrau ein Grundstück zu einem Kaufpreis in S. 1295Höhe von 160.000 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Ehefrau ein Darlehen bei einer Bank auf. Die Darlehensvaluta wurde auf ein Konto des Ehemanns überwiesen, der sogleich diesen Betrag in einen Sparvertrag bei der finanzierenden Bank einzahlte, dessen Laufzeit mit der Laufzeit des Darlehens identisch war und später zur Tilgung des Darlehens diente. [i]Erwerberin trug Anschaffungskosten nicht selbstZudem wurde das Sparkonto zur Sicherung des Darlehens an die kreditgebende Bank abgetreten. Die Darlehenszinsen, die von der Ehefrau zu leisten waren, wurden vom Ehemann getragen. Der BFH gelangte zu dem Ergebnis, dass trotz des zivilrechtlich vereinbarten Kaufvertrags aus steuerrechtlicher Sicht eine Schenkung des Grundstücks vorlag, weil die Ehefrau als Erwerberin die Anschaffungskosten nicht selbst getragen hatte, da der Ehemann („Verkäufer“) den vereinnahmten Kaufpreis nicht dauerhaft seinem Vermögen zugeführt hat.

Der BFH hat in einer Vielzahl anderer Entscheidungen im Bereich der Abgrenzung von Kaufgeschäften zu unentgeltlichen Geschäften zwischen nahen Angehörigen Kriterien entwickelt, wonach die steuerliche Anerkennung des Veräußerungsgeschäfts stets dann infrage steht, wenn der Veräußerer „aus privaten Gründen auf die Entrichtung des Entgelts verzichtet“ (vgl. NWB MAAAB-32073; v.  - XI R 6/84 NWB EAAAB-32738; v.  - X R 86/89, BStBl 1994 II S. 451) oder „die Geldzahlungen wieder an den Aufwendenden zurückfließen“ (vgl. , BStBl 1994 II S. 451) oder „der Betrag des Kaufpreises zuvor schenkweise dem Erwerber zugewendet wird“ (vgl. , BStBl 1992 II S. 239; Beschluss v.  - X B 164/04 NWB ZAAAB-52307) oder „der Veräußerer den Kaufpreis auf unabsehbare Zeit ohne Sicherheitsleistungen stundet“ (vgl. , BStBl 1992 II S. 239). Wird in derartigen Fällen der zivilrechtlich vereinbarte Kaufvertrag steuerrechtlich in ein unentgeltliches Rechtsgeschäft umgedeutet, scheitert die § 6b-Gestaltung. Es fehlt an der erforderlichen Veräußerung; verwirklicht wird ein Entnahmetatbestand, der nicht zur Bildung einer § 6b-Rücklage berechtigt. Die stillen Reserven sind steuerpflichtig aufzudecken.

Hinweis:

Mithin ist [i]Wirtschaftliche Belastung mit Kaufpreisbei der Finanzierung eines Kaufpreises dringend darauf zu achten, dass die erwerbende Schwesterpersonengesellschaft tatsächlich mit dem Kaufpreis wirtschaftlich belastet ist. Eine derartige wirtschaftliche Belastung könnte insbesondere dann infrage gestellt werden, wenn die Kaufpreisforderungen zu fremdunüblichen Bedingungen (insbesondere ohne Sicherheiten) gestundet werden oder in einem zeitlichen Zusammenhang der Restkaufpreis aus der veräußernden Mitunternehmerschaft entnommen, in die erwerbende Mitunternehmerschaft eingelegt wird, und sodann wieder an den Veräußerer als vermeintliche Kaufpreistilgung zurückfließt. Vorzugswürdig ist es, die Erwerberin mit einer starken Eigenkapitaldecke auszustatten, so dass sie den Kaufpreis entweder mit Eigenkapital oder mit einem Bankkredit finanzieren kann, wobei die Darlehenstilgung aus von der Erwerberin generierten Mitteln erfolgen sollte.

c) Reichweite der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise

Der BFH betont, die seit dem wieder geltende gesellschafterbezogene Betrachtungsweise gestatte auch die Übertragung des Veräußerungsgewinns auf den ideellen Anteil von Wirtschaftsgütern im Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft, „an der der Gesellschafter ebenfalls als Mitunternehmer“ beteiligt ist (BFH IV R 19/14, Rz. 27).

[i]BP: Ausschluss bei nur mittelbarer BeteiligungIn der Praxis der steuerlichen Außenprüfung wird teilweise postuliert, dass dies nur insoweit gelte, als der Veräußernde unmittelbar an der investierenden Personengesellschaft beteiligt sei. Die Übertragung auf Investitionen einer nachgeordneten PersonengesellschaftS. 1296 – an welcher der Gesellschafter nur mittelbar beteiligt ist – soll demgegenüber ausgeschlossen sein:

Abb. 2: Unmittelbare Beteiligung als Voraussetzung

Diese Sichtweise wird auf den Wortlaut von R 6b.2 Abs. 7 EStR gestützt, der vorgeblich nur Reinvestitionen im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gestatte, an denen der Beteiligte der veräußernden Gesellschaft unmittelbar beteiligt sei. Zum einen ergibt sich diese Einschränkung mitnichten aus dem Wortlaut dieser Verwaltungsvorschrift. Zum anderen verstößt diese Auslegung gegen das die Besteuerung von Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern regelnde Transparenzprinzip, wonach den Beteiligten die ideellen Anteile der Wirtschaftsgüter auch der nachgeordneten Personengesellschaft zuzuordnen sind (vgl. dazu z. B. Wacker in L. Schmidt, EStG, 37. Aufl. 2018, § 15a Rz. 69).

Dem Vernehmen nach ist diese Thematik auf der Sitzung der Einkommensteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vom bis zum behandelt worden, wobei die Übertragbarkeit der aufgedeckten stillen Reserven bei nur mittelbarer Beteiligung bejaht wurde.

II. Sondersachverhalt: Fiktive Wertaufholung

[i]Micker, KSR 3/2018 S. 3Der eigentliche Grund, warum sich der BFH mit dem Fall zu befassen hatte, lag darin, dass die veräußernde Gesellschaft vom Veräußerungsgewinn den Buchwert zum Abzug gebracht und dergestalt einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 232.589 € ermittelt hatte. Im Jahr 1996 war indes eine Teilwertabschreibung der Anteile an der veräußerten GmbH im Umfang von 204.286 € vorgenommen worden, die in voller Höhe steuerwirksam gewesen war. Das Finanzamt erhöhte deswegen den Buchwert der GmbH-Anteile gegenüber dem Ansatz in den Bilanzen der veräußernden Gesellschaft und gelangte dergestalt zu einem weit geminderten begünstigten Veräußerungspreis.

[i]KG: Kapitalerhöhung ließ neuen Geschäftsanteil entstehenDem widersprach die kaufende KG mit dem Hinweis, eine Wertaufholung komme nicht in Betracht, weil die Teilwertabschreibung durch eine Kapitalherabsetzung bedingt gewesen sei. Die nachfolgende Kapitalerhöhung habe einen neuen Geschäftsanteil entstehen lassen, der als neue Beteiligung eigenständig zu beurteilen sei. S. 1297

[i]„Fiktiver Buchwert“ nach „fiktiver Wertaufholung“Diesem Vorbringen schloss sich der BFH nicht an: Bei der Ermittlung des „fiktiven Buchwerts“ auf den Zeitpunkt der Veräußerung seien alle Bewertungsregeln des § 6 EStG zu beachten, auch jene in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG zur Wertaufholung (BFH IV R 19/14, Rz. 28). Da die Anteile zu einem Veräußerungspreis nach Wertgutachten übertragen wurden, der den Buchwertansatz zuzüglich der ehedem vorgenommenen Teilwertabschreibung übertraf, war die Wertaufholung gegeben und der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ein entsprechend erhöhter „fiktiver Buchwert“ zugrunde zu legen.

Dies verbindet der entscheidende IV. Senat mit folgenden Maßgaben:

1. Einheitlichkeit der Beteiligung

Eine Wertaufholung kommt nur insoweit in Betracht, als sich das Wirtschaftsgut noch im gleichen Umfang wie zum Zeitpunkt der Teilwertabschreibung im Betriebsvermögen befindet (BFH IV R 19/14, Rz. 30). Wäre die veräußernde KG infolgedessen mit ihrem Vortrag durchgedrungen, aufgrund von Kapitalherabsetzung und nachfolgender Kapitalerhöhung sei eine neue Beteiligung entstanden, wäre die Erfassung der Wertaufholung nicht zulässig gewesen.

[i]Kapitalherabsetzung mindert Buchwert des Anteils des Gesellschafters nichtDies wäre aber – so der BFH – nur der Fall gewesen, wenn die Kapitalherabsetzung mit einer Auskehrung des Herabsetzungsbetrags an die Anteilseigner verbunden gewesen wäre. Sofern dies nicht erfolgt ist – oder nicht erfolgen darf (§ 58b Abs. 1 GmbHG) – mindert sich infolge der Kapitalherabsetzung auch der Buchwert des Anteils des Gesellschafters an der GmbH nicht.

Praxishinweis:

Erforderlich ist deswegen, vor einer intendierten Veräußerung die Entwicklung der Beteiligung auch über weit zurückliegende Zeiträume hinweg zu eruieren. Das Wertaufholungsgebot erstreckt sich auch auf Teilwertabschreibungen, die vor Inkrafttreten des Wertaufholungsgebots am vorgenommen worden sind (BFH IV R 19/14, Rz. 29). Ebenso führt die Zusammenlegung eines im Betriebsvermögen befindlichen GmbH-Anteils mit einem hinzuerworbenen Anteil an derselben GmbH nicht dazu, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten beseitigt oder gemindert werden. Sie setzen sich vielmehr in dem neu entstandenen Anteil fort (BFH IV R 19/14, Rz. 38).

2. Keine Begünstigung des Wertaufholungsgewinns

[i]Übertragung eines TeilbetriebsIm Streitfall ist die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft veräußert worden, die das gesamte Nennkapital umfasste. Damit lag die Übertragung eines Teilbetriebs i. S. von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG vor. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs ist ein potenziell begünstigter Veräußerungsgewinn (für dessen Ermittlung die Erstellung einer Schlussbilanz nicht erforderlich ist; vielmehr kann der Wert des Betriebsvermögens nach den Grundsätzen von § 4 Abs. 1, § 5 EStG auf den Zeitpunkt der Veräußerung geschätzt werden [BFH IV R 19/14, Rz. 50]).

[i]Schmidt/Leyh, Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs bzw. eines Mitunternehmeranteils gemäß § 16 EStG, Grundlagen NWB SAAAE-58871 Bei der Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens ist die „fiktive Wertaufholung“ zu berücksichtigen, so dass sich der begünstigte Veräußerungsgewinn und der nach § 6b EStG begünstigte Gewinn decken, soweit er auf den jeweiligen Gesellschafter entfällt. Hinsichtlich der Wertaufholung verbleibt es bei der Erfassung als laufender Gesamthandsgewinn.

Beraterhinweis:

Im Streitfall kam für die Wertaufholung auch nicht der Ansatz des Teileinkünfteverfahrens in Betracht, weil der Ansatz des niedrigeren Teilwerts in vollem Umfang zu einer Gewinnminderung geführt hatte (§ 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG). Diese Ausnahme gelte auch für den Fall, dass der Anteil nach Ansatz des niedrigeren Teilwerts veräußert wurde (BFH IV R 19/14, Rz. 53).S. 1298

Fazit

In Anbetracht der Verwaltungsauffassung, die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zwischen Schwesterpersonengesellschaften sei – auch bei Beteiligungsidentität – zu Buchwerten nicht nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG zulässig, kann sich nach Maßgabe des NWB IAAAG-72050 § 6b EStG als Gestaltungsvehikel darstellen. Bereits die Entscheidung zeigt aber auf, dass dies ein Weg nicht ohne Fallstricke ist: Begünstigt nach § 6b EStG ist nur die Veräußerung, nicht hingegen die Entnahme, so dass dem entgeltlichen Transfer zwischen Schwesterpersonengesellschaften ein Verkehrswertgutachten zugrunde gelegt werden sollte. Zudem ist dem danach gefundenen Veräußerungspreis etwaig nicht der der Finanzbuchhaltung zu entnehmende tatsächliche, sondern ein um Wertaufholungen zur Korrektur – unter Umständen weit – zurückliegender Teilwertabschreibungen erhöhter fiktiver Buchwert zugrunde zu legen. Probleme können sich zudem aus der nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 10 Satz 4 EStG verlangten sechsjährigen Vorbesitzzeit, der denkbaren Entstehung negativer Kapitalkonten auf Seiten der übernehmenden Personengesellschaft und der Ernsthaftigkeit der Finanzierung des Kaufpreises ergeben. So bleibt trotz dieser Gestaltungsmöglichkeit zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht das unter Az. 2 BvL 8/13 anhängige Verfahren zur Reichweite des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG baldmöglichst zur Entscheidung aufruft und bestätigt, die verwaltungsseitig vorgenommene Differenzierung der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen Sonderbetriebsvermögen und Gesamthandsvermögen einerseits sowie zwischen dem Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften andererseits verstoße gegen verfassungsrechtliche Maßgaben.

Autor

Dr. Martin Strahl,
Partner der c•k•s•s Carlé • Korn • Stahl • Strahl Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der steuerrechtlichen Beratung zu Unternehmensumstrukturierungen und -verbindungen, zu Steuerfragen von gemeinnützigen Körperschaften und bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts – insbesondere staatlichen Hochschulen – sowie zu international ausgerichteten Tätigkeiten.

Fundstelle(n):
NWB 2018 Seite 1290 - 1298
NWB LAAAG-81254