FG Münster Urteil v. - 13 K 3218/13 L EFG 2016 S. 1795 Nr. 21

Arbeitslohn

Eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Übernahme von Fortbildungskosten für angestellte Berufskraftfahrer

Leitsatz

Aufwendungen für das Absolvieren von nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) vorgeschriebenen Fortbildungen - hier für die Module "Gesetze für den Güterverkehr", "Sicherheitstechnik und Fahrsicherheit", "Schaltstelle Fahrer: Dienstleister, Imageträger, Profi" sowie "Ladungssicherheit" -, die ein Arbeitgeber eines Unternehmens für Spezial- und Schwertransporte für die Industrie und Bauwirtschaft für seine Fahrer - auch aufgrund tarifvertraglicher Regelung -übernimmt, sind aufgrund überwiegend eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers kein Arbeitslohn.

Gesetze: EStG § 19 Abs 1 Nr 1

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kosten für die Weiterbildung von Arbeitnehmern, die dem Kläger entstanden sind, zu Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen.

Der Kläger betreibt ein Unternehmen, das Spezial- und Schwertransporte für die Industrie- und Bauwirtschaft durchführt. Für seine Fahrer gilt seit dem das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) und die dazugehörige Verordnung zur Durchführung des Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetzes (BKrFQV). Nach § 1 BKrFQG gilt das Gesetz zum Zwecke der Verbesserungen insbesondere der Sicherheit im Straßenverkehr durch die Vermittlung besonderer tätigkeitsbezogener Fertigkeiten und Kenntnisse der Fahrer und Fahrerinnen, soweit sie Fahrten im Güterkraft- oder Personenverkehr zu gewerblichen Zwecken auf öffentlichen Straßen mit Kraftfahrzeugen durchführen, für die eine Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D oder DE erforderlich ist. Neben der Absolvierung einer Grundqualifikation (vgl. § 4 BKrFQG) haben sich die Fahrer im Abstand von jeweils fünf Jahren weiterzubilden (vgl. § 5 BKrFQG). Die Weiterbildung wird nach § 5 Abs. 1 Satz 4 BKrFQG durch die Teilnahme an einem Unterricht bei einer anerkannten Ausbildungsstätte durchgeführt. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des BKrQV sind durch die Weiterbildung die in der Anlage 1 zur Verordnung aufgeführten Kenntnisbereiche zu vertiefen und zu wiederholen, wobei besonderes Gewicht auf die Verkehrssicherheit und den sparsamen Kraftstoffverbrauch zu legen sei. Die Dauer der Weiterbildung beträgt nach § 4 Abs. 2 BKrFQV 35 Stunden zu je 60 Minuten, die in selbständigen Ausbildungseinheiten (Zeiteinheiten) von jeweils mindestens sieben Stunden zu erteilen sind. Entsprechend dieser Regelung werden die Weiterbildungen von den jeweiligen Anbietern in fünf Module aufgeteilt angeboten (vgl. u.a. www.adac.de unter Modulaufteilung Weiterbildung Lkw gemäß BKrFQG).

Das Unternehmen des Klägers fällt in den Geltungsbereich des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen. In § 4 des Tarifvertrags vom („Gesundheitsuntersuchungen und obligatorische Fahrerqualifikation“) wird ausgeführt: „Bei Fahrern mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 3 Jahren übernimmt der Arbeitgeber bei Fahrern mit der Fahrerlaubnis der Klasse C1, C1E, C oder CE …. die Kosten für die Umschreibung bzw. Verlängerung der Fahrerlaubnis und der der Fahrerkarte. Diese Fahrer haben Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Arbeitszeit für je einen Tag im Jahr zur Weiterbildung nach dem BKrFQG und der dazugehörigen BKrFQV. Der Arbeitgeber trägt auf Antrag des Arbeitnehmers die Kosten der Weiterbildung, wenn er die Ausbildungsstätte bestimmen kann.“

In den Streitjahren 2011 und 2012 stellten die Firmen U und G GmbH, die entsprechende Weiterbildungen nach dem BKrFQG anbieten, dem Kläger Kosten für seine Teilnahme und die Teilnahme von seinen Arbeitnehmern an einzelnen Modulen in Rechnung. Dabei handelte es sich um die Rechnung vom , in der die Teilnahme des Klägers und acht Arbeitnehmern an dem Modul 3 (Tagesseminar „Sicherheitstechnik und Fahrsicherheit“) abgerechnet wurde, um die Rechnung vom , in der die Teilnahme des Klägers und sieben Arbeitnehmern an dem Modul 4 nach dem BKrFQG (Tagesseminar „Schaltstelle Fahrer: Dienstleister, Imageträger, Profi“) abgerechnet wurde, die Rechnung vom , in der die Teilnahme des Klägers und vier Arbeitnehmern an dem Modul 5 des BKrFQG (Tagesseminar: „SVG Ladungssicherung auf Lkw“) abgerechnet wurde, die Rechnung vom , in der die Teilnahme des Klägers und drei Arbeitnehmern an dem Modul 2 nach dem BKrFQG (Tagesseminar „Gesetze für den Güterverkehr“) abgerechnet wurde, sowie die Rechnung vom über die Teilnahme von zwei Arbeitnehmern an dem Modul 5 nach dem BKrFQG (Tagesseminar „Ladungssicherung“). Die anteilig auf den Kläger und die Arbeitnehmer entfallenden Aufwendungen sind zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass alle geschulten Arbeitnehmer mehr als drei Jahre dem Betrieb des Klägers zugehörig waren.

Der Beklagte führte 2012 eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei dem Kläger durch. In dem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom führte der Prüfer aus: Bei den Aufwendungen nach dem BKrFQG handele es sich um Werbungskostenersatz, die der Arbeitgeber für etliche Arbeitnehmer im Kalenderjahr 2011 und 2012 gezahlt habe. Die Beträge würden steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, da es sich nicht um steuerfreien Werbungskostenersatz gemäß R 19.3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) handele und auch eine Voraussetzung im Sinne des § 3 EStG nicht gegeben sei. Dass es sich dabei um eine gesetzlich notwendige Ausbildung nach § 4 des Tarifvertrags handele, sei steuerrechtlich irrelevant. Es sei für 2011 ein Betrag in Höhe von 1.413,32 EUR und für 2012 ein Betrag in Höhe von 1.484,94 EUR nachzuversteuern. Die Nachversteuerung erfolge gemäß § 39b EStG i.V.m. R 39b LStR als Nettolohn nach den Merkmalen der vorgelegten Lohnsteuerkarten, da der jeweilige Arbeitnehmer nicht mit den Nachforderungsbeträgen habe belastet werden sollen und der Kläger sich mit der Haftungsinanspruchnahme mit dem durchschnittlichen Nettolohnsteuersatz (20,9 %) einverstanden erklärt habe. Danach ergebe sich ein Lohnsteuer-Nachforderungsbetrag für 2011 in Höhe von 295,38 EUR und für 2012 von 310,35 EUR, d.h. insgesamt 605,73 EUR.

Der Beklagte erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen unter dem den streitbefangenen Haftungsbescheid. In der Begründung führte er aus: Der Kläger hafte nach § 42d EStG für Lohnsteuer für den Zeitraum 2011 bis 2012 in Höhe von 605,73 EUR, weil sonstige Bezüge nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden seien. Er werde als Haftender an Stelle des jeweiligen Arbeitnehmers in Anspruch genommen, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege und er sich damit einverstanden erklärt habe. Im Übrigen verweise er auf den beigefügten Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor: Durch die Fortbildungsmaßnahmen seien ihm spezielle Ausbildungskosten entstanden, die er ausschließlich in seinem Interesse verausgabt habe. Der Beklagte habe nicht ausreichend gewürdigt, dass seine Fahrer Spezialtransporte durchführen würden und für die Verladung von Baumaschinen, Sondergeräten und Schwertransporten insoweit besondere Fortbildungsmaßnahmen notwendig seien. Auch aufgrund der in der Vergangenheit bereits eingetretenen Schadensfälle mit Kosten von weit über 100.000,- EUR, die zwar durch seine Versicherungen abgedeckt worden seien, jedoch zu einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge beigetragen hätten, ergebe sich sein überwiegend eigenbetriebliches Interesse. Durch die Fortbildungen habe eine Sensibilisierung der Mitarbeiter für Gefahrensituationen erfolgen sollen. Er verweise zudem darauf, dass er nach dem Tarifvertrag die Kosten für die Verlängerung der Fahrerlaubnis und auf Antrag des Arbeitnehmers auch die Kosten der Weiterbildung zu übernehmen habe. Unterstrichen werde dies auch noch dadurch, dass der jeweilige Fahrer für die Weiterbildung einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für je einen Tag im Jahr habe.

Der Beklagte half dem Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom hinsichtlich der Haftungsschuld für 2012 teilweise ab. Er habe übersehen, dass der Kläger selbst an einem Teil der Seminare teilgenommen habe und daher für 2012 nur Aufwendungen in Höhe von 1.214,29 EUR nachzuversteuern seien, was zu einem Nachforderungsbetrag für Lohnsteuer in Höhe von 253,78 EUR (anstatt bisher: 310,35 EUR) führe. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Eine Weiterbildung nach § 5 BKrFQG liege sowohl im Interesse des Arbeitgebers als auch im Interesse des Arbeitnehmers, denn ohne die Weiterbildung habe das Arbeitsverhältnis über den bzw. den hinaus nicht fortgesetzt werden können. Der Berufskraftfahrer müsse, wenn er weiter tätig sein wolle, die Fortbildungsseminare auf eigene Kosten absolvieren. Durch die Übernahme der Kosten durch den Kläger seien seine Arbeitnehmer daher bereichert worden. Der Entlohnungscharakter zeige sich auch in der tariflichen Regelung, wonach der Arbeitnehmer erst nach einer Betriebszugehörigkeit von drei Jahren einen Anspruch auf Kostenübernahme habe. Auch im Arbeitsrecht werde in der Übernahme von Ausbildungskosten durch den Arbeitgeber ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer gesehen. Andernfalls würde sich die Frage nach der Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln gar nicht stellen. So stelle das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 3 Sa 207/11, juris darauf ab, dass der geldwerte Vorteil darin liege, dass der Arbeitnehmer die erworbenen Kenntnisse, die nach dem BKrFQG erforderlich seien, auch für andere Arbeitsverhältnisse bei anderen Arbeitgebern nutzbar machen könne.

Der Kläger hat am Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Er sei – wie ausgeführt – aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet, die Kosten der Weiterbildung seiner Fahrer zu tragen und könne sich somit der Kostentragung nicht entziehen. Ob ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers vorliege, wie von dem Beklagten behauptet, sei dabei nicht von Relevanz. Er trete zudem der Auffassung des Beklagten entgegen, es handele sich um Maßnahmen, die sowohl im Interesse des Arbeitgebers als auch im Interesse des Arbeitnehmers durchgeführt worden seien. Denn die Schulungsmaßnahmen seien vergleichbar mit den Schulungen von Piloten. Die Piloten seien verpflichtet, Schulungen durchzuführen, um ihre allgemeine Fluglizenz aufrechtzuerhalten. Dabei werde ihnen die Lizenz für einen bestimmten Flugzeugtyp (zum Beispiel Airbus 320 oder Boeing 767 etc.) erteilt. Sämtliche Schulungskosten der Piloten würden von den beiden größten deutschen Luftfahrtgesellschaften getragen. Eine Lohnversteuerung erfolge jedoch nicht. Denn anders als z.B. bei Privatfliegerlizenzen hätten die Berufspiloten kein privates Interesse, eine bestimmte Flugzeuggröße oder einen bestimmten Flugzeugtyp zu fliegen. Entsprechendes gelte für Berufskraftfahrer. Die Schulung seiner Fahrer sei nur erforderlich, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis diese für berufliche Zwecke verwende. Nicht erforderlich sei die Schulung, wenn der Lkw privat gefahren werde. Sofern von dem Beklagten das private Interesse der Fahrer mit der Ausübung des Berufs begründet werde, greife auch dies zu kurz. Denn das private Interesse eines Berufskraftfahrers wäre allenfalls von ganz untergeordneter Bedeutung, da Schulungen über berufsspezifische Gefahrenlagen erfolgen würden. Der Nutzen dieser Schulungen komme ganz allein dem Arbeitgeber zugute. So könnten Gefahren von vornherein vermieden oder rechtzeitig erkannt werden. Dadurch habe der Arbeitgeber einen Vorteil in Form von niedrigeren Reparaturkosten oder niedrigeren Versicherungsprämien. Entsprechendes gelte zum Beispiel auch für die Effizienzschulungen. Ein niedrigerer Kraftstoffverbrauch komme wiederum ausschließlich dem Arbeitgeber zugute. Auch der Nutzen der weiteren Schulungsinhalte komme ausschließlich dem Arbeitgeber zugute, so dass das Interesse des Arbeitnehmers an den Schulungen zumindest weit hinter das Interesse des Arbeitgebers trete.

Der Berichterstatter führte am einen Erörterungstermin durch. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen. Im Rahmen des Erörterungstermins verzichteten die Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: Er bleibe bei seiner Auffassung, dass es sich um Arbeitslohn handele und der jeweilige Arbeitnehmer bereichert sei, weil er in die Lage versetzt worden sei, seinen Beruf als Kraftfahrer für zunächst weitere fünf Jahre auszuüben. Dem Kläger sei zwar darin zuzustimmen, dass ein privates Interesse der Arbeitnehmer an den Schulungsmaßnahmen in der Regel von ganz untergeordneter Bedeutung und mithin das Interesse der Arbeitnehmer an den Schulungsmaßnahmen überwiegend beruflicher Art sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass Arbeitslohn vorliege. Denn die Arbeitnehmer könnten die Aufwendungen dann im Rahmen ihrer persönlichen Einkommensteuer-Erklärung als Werbungskosten geltend machen. Wie Schulungsmaßnahmen, die Fluggesellschaften durchführen würden, lohnsteuerlich zu behandeln seien, sei ihm nicht bekannt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Haftungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat zu Unrecht den streitbefangenen Haftungsbescheid gegenüber dem Kläger erlassen.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Bei der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift – hier des § 42d EStG – erfüllt sind, handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich – soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift vorliegen – die nach §§ 191 Abs. 1, 5 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind er und die Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG Gesamtschuldner. Das Finanzamt kann die Steuerschuld oder die Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 der Abgabenordnung - AO -) gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG). Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler überprüfbar.

Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht vor, denn – entgegen der Auffassung des Beklagten – handelt es sich bei den von dem Kläger für die Weiterbildung der Arbeitnehmer gezahlten Aufwendungen nicht um Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind u.a. solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein solches überwiegendes eigenbetriebliches Interesse wird bejaht, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Im Rahmen der danach erforderlichen Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber – neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers – ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (vgl. u.a. vgl. u.a. , BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278).

Hiervon ausgehend bestand im Streitfall ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Klägers an der Teilnahme seiner Fahrer an den Weiterbildungen. Denn mit der Entsendung zu den Weiterbildungen konnte der Kläger sicherstellen, dass seine Fahrer ihr Wissen über das verkehrsgerechte Verhalten in Gefahren- und Unfallsituationen, ihre Kenntnisse über das sichere Beladen der Fahrzeuge und unter anderem über das wirtschaftliche – kraftstoffsparende – Fahren „auffrischen“ und damit ihre Fahrfertigkeiten optimieren. So umfasst das Modul 1 der Weiterbildungen („Eco-Training“) die Schulung der Techniken zur Unterstützung wirtschaftlichen Fahrens, das Modul 2 („Vorschriften für den Güterverkehr“) die Auffrischung von Verkehrsregeln, das Modul 3 („Sicherheitstechnik und Fahrsicherheit“) die Darstellung der Risiken des Straßenverkehrs und der richtigen Einschätzung der Lage bei Notfällen, die Kenntnisse der technischen Merkmale und Funktionsweisen der Sicherheitsausstattung der Fahrzeuge und die Schulung über die Kraftübertragung, über das Kurvenfahren und über die Bremsmethoden sowie das Modul 5 („Ladungssicherung“) unter anderem die Themen Berechnung der Nutzlast und des Nutzvolumens, die richtige Verteilung der Ladung, die Feststell- und Verzurrtechniken sowie die richtige Verwendung der Zurrgurte. Diese Inhalte belegen alleine schon das überwiegende eigenbetriebliche Interesse des Klägers an den Weiterbildungen seiner Fahrer. Denn die Weiterbildungen dienen nicht nur, wie es § 1 BKrFQG als Zweck des Gesetzes anführt, der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr, sondern aus der Sicht des Arbeitgebers vielmehr auch dazu, den reibungslosen Ablauf und die Funktionsfähigkeit seines Betriebs sicherzustellen. Es sollen – wie in § 1 BKrFQG weiter ausgeführt wird – mit den Weiterbildungen besondere tätigkeitsbezogene Fertigkeiten und Kenntnisse den Fahrerinnen und Fahrern vermittelt werden. Die Weiterbildungen sensibilisieren die Fahrer für Gefahren und ermöglichen auch ein gewinnsteigerndes Arbeiten der Fahrer. So können durch die Weiterbildungen Einnahmeausfälle des Klägers aufgrund von Ausfallzeiten der Fahrzeuge durch Unfälle oder aufgrund sonstiger Schäden an den Fahrzeugen oder der Ladung (z.B. durch eine schlechte Ladungssicherung) vorgebeugt sowie der jeweilige Fahrer auch dazu angehalten werden, kraftstoffsparend und damit kostengünstiger zu fahren. Auch der Nutzen des Moduls 4 der Weiterbildungen („Schaltstelle Fahrer: Dienstleister, Imageträger, Profi“) kommt dem Kläger zugute, denn das Modul behandelt unter anderem die Rolle des Fahrers als Imageträger des Unternehmens, was ausschließlich im Interesse des Klägers liegt. Für das überwiegende eigenbetriebliche Interesse spricht auch der Umstand, dass der Kläger sich den Kosten für die Weiterbildungen nicht entziehen konnte, da die Fahrer, die an den Weiterbildungen teilgenommen haben, alle mehr als drei Jahre in dem Betrieb des Klägers zugehörig waren und damit der Kläger nach § 4 des Tarifvertrags verpflichtet war, die Kosten der Weiterbildungen zu übernehmen (vgl. insoweit auch , BFHE 212, 556, BStBl II 2006, 473).

Entgegen der Ansicht des Beklagten wird das Interesse des Klägers auch nicht durch das eigene Interesse der Fahrer an den Weiterbildungen, die sie zur Verlängerung ihrer Fahrerlaubnis und damit zur weiteren Ausübung ihres Berufs benötigen, überlagert. Denn der durch die Weiterbildungen entstandene Vorteil der Arbeitnehmer stellt lediglich eine notwendige Begleiterscheinung („eine Reflexwirkung“) der bereits beschriebenen von dem Kläger mit den Weiterbildungen bezweckten betriebsfunktionalen Zielsetzungen dar. Diese von dem Kläger verfolgten betrieblichen Zwecke stehen derart im Vordergrund, dass bei wertender Betrachtung das damit einhergehendes Interesse des Arbeitnehmers, mit den Weiterbildungen die Voraussetzungen für die Verlängerung der Fahrerlaubnis erfüllt zu haben, vernachlässigt werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass – wie der Beklagte ausführt – die Arbeitnehmer die Weiterbildungen bzw. die verlängerte Fahrerlaubnis nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch für ein Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber nutzbar machen könnten. Denn zum einen handelt es sich lediglich um einen hypothetischen Sachverhalt und zum anderen kommt es nach Ansicht des Senats nicht darauf an, wie lange der jeweilige Fahrer die aus der Sicht des Klägers erforderliche „Auffrischung“ der Kenntnisse und Fähigkeiten nach den Weiterbildungen tatsächlich im Betrieb des Klägers genutzt hat. Ebenso wenig kann allein das stets vorhandene Interesse eines Arbeitnehmers an der Verbesserung seiner beruflichen Qualifikation bzw. seiner beruflichen Fertigkeiten das überwiegende betriebliche Interesse des Arbeitgebers überlagern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2453 Nr. 41
BBK-Kurznachricht Nr. 1/2017 S. 12
DStRE 2018 S. 266 Nr. 5
EFG 2016 S. 1795 Nr. 21
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2016 S. 3218
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2016 S. 3288
LAAAF-84507