BBEV Nr. 2 vom Seite 69

Abgeltungsteuer und Aufbewahrungsfristen

Chancen und Risiken beim zukünftigen Nachweis der Erwerbe vor 2009

von Oliver Schultze, Pinneberg *

Im Rahmen des Systemwechsels bei der Einführung der Abgeltungsteuer wurden verschiedene Übergangsregelungen eingeführt. Diese haben zur Folge, dass bei vielen Wertpapieren (insbesondere Aktien und Publikums-Investmentfonds) die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne nach Ablauf der alten Frist des § 23 EStG bis zum Verkauf durch den Stpfl. oder seine Erben erhalten bleibt. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, wie ein Erwerb vor 2009 nachgewiesen werden kann und worauf zu achten ist.

I. Aktuelle Rechtslage

Das deutsche Steuerrecht kennt für den privaten Bereich keine Aufbewahrungspflichten, die mit denen für den betrieblichen Bereich (§§ 140 ff. AO) vergleichbar sind. Zwar ergeben sich aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO und § 90 AO auch im Privatvermögen gewisse Mitwirkungspflichten des Stpfl.; diese verpflichten jedoch nicht explizit zur Aufbewahrung von Belegen. Damit stellt sich die Frage des Nachweises der Steuerpflicht eines privaten Veräußerungsgeschäfts.

Seit Einführung der Jahresbescheinigung gem. § 24c EStG müssen die Banken dem Anleger eine Übersicht der steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäfte zur Verfügung stellen:

  • Soweit die Wertpapiere vom Kauf bis zum Verkauf in demselben Depot verbleiben, ist der Nachweis der steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäfte damit bereits erbracht.

  • In Depotübertragungsfällen wird die Veräußerung i. d. R. in der Jahresbescheinigung ausgewiesen, wenn seit der Übertragung die Jahresfrist des § 23 EStG noch nicht abgelaufen war. Hier muss der Anleger durch andere Unterlagen nachweisen, dass die Veräußerung außerhalb der Jahresfrist erfolgte. Erfolgte die Übertragung innerhalb eines Jahres, hat auch die abgebende Bank die Transaktion in ihrer Jahresbescheinigung ausgewiesen. Anhand dieser Transaktionsdaten kann dann die Steuerfreiheit nachgewiesen werden. Fehlt die Übertragung in der Jahresbescheinigung der abgebenden Bank, ist dies m. E. ebenfalls bereits als Nachweis geeignet, da die Jahresfrist dann bereits bei der abgebenden Bank überschritten war. Ergänzend können hier auch der Kaufbeleg oder Depotauszüge der Vorjahre als Nachweis dienen.

Zur Abgrenzung der steuerfreien von der steuerpflichtigen Veräußerung werden damit bisher bei Inlandsdepots nur die Jahresbescheinigungen benötigt und ggf. ergänzend Depotauszüge der Vorjahre. Liegen die entsprechenden Unterlagen nicht mehr vor, besteht im Rahmen der Veranlagung oder Betriebsprüfung (soweit diese sich auch auf den privaten Bereich erstreckt) regelmäßig die Möglichkeit, diese von der Bank als Zweitschriften erstellen zu lassen. Auch in Steuerhinterziehungsfällen lassen sich i. d. R. noch Unterlagen von den Kreditinstituten erstellen, da dort eine Vernichtung der Unterlagen und Daten erst nach Ablauf von zehn Jahren stattfindet.

Bei Auslandsdepots liegen zwar meist keine Jahresbescheinigungen i. S. des § 24c EStG vor. Jedoch kann wiederum durch Vorlage der Depotauszüge sowie der Kauf- und Verkaufsbelege ein Nachweis geführt werden. Auch bei den Auslandsbanken findet eine Vernichtung der Daten erst nach zehn Jahren statt, so dass im Rahmen der Veranlagung oder Betriebsprüfung regelmäßig noch Duplikate angefordert werden können.

Während bei inländischen Kreditinstituten teilweise allerdings noch über den Zehnjahreszeitraum hinaus Unterlagen erstellt werden können, ist dies bei den ausländischen Banken i. d. R. nicht mehr der Fall. Eine Aufbewahrungsfrist von Kauf- und Verkaufsbelegen der Wertpapiere war daher bisher nicht notwendig, da aufgrund der kurzen Fristen des § 23 EStG ggf. eine Duplikatserstellung möglich war.

II. Problematik durch Neuerungen infolge der Unternehmensteuerreform 2008

Durch die Unternehmensteuerreform 2008 hat sich an den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nichts geändert. Nach wie vor besteht keine Verpflichtung, Depotauszüge und Transaktionsbelege aufzuheben. Während dies aber bisher aufgrund der kurzen Fristen des § 23 EStG regelmäßig heilbar war, ergeben sich jetzt Probleme vor allem in Depotübertragungsfällen und bei Auslandsdepots.

Da zukünftig alle Veräußerungen von (ab 2009 angeschafften) Wertpapieren unabhängig von der Haltedauer steuerpflichtig sind, dürfte auch dem Stpfl. die Beweis-S. 70last obliegen, die Voraussetzungen der steuerfreien Veräußerung (Altfall) nachzuweisen.

Zwar ist § 24c EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden (§ 52a Abs. 12 EStG n. F.), so dass ein Nachweis mit den Jahresbescheinigungen nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich sind die Banken zukünftig jedoch verpflichtet, die entsprechenden Voraussetzungen der Steuerpflicht/-freiheit zu überprüfen und die Abgeltungsteuer einzubehalten. Soweit die Wertpapiere über dasselbe Depot ge- und verkauft wurden, dürfte dies in aller Regel auch korrekt funktionieren. Für diese Fälle ist folglich m. E. eine Aufbewahrung der Belege nicht notwendig.

In Depotübertragungsfällen besteht gem. § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG i. V. mit § 43a Abs. 2 EStG n. F. die Verpflichtung der Übermittlung der Anschaffungsdaten an das übernehmende Institut.

  • Soweit es sich bei den Depotinhabern um identische Personen handelt oder der Übertragende gem. § 43 Abs. 1 Satz 5 EStG mitteilt, dass es sich um eine unentgeltliche Übertragung handelt, dürften sich m. E. auch hier keine Probleme ergeben.

  • Liegt hingegen z. B. ein teilentgeltlicher Erwerb vor (Verkauf unter Wert oder Einbringung in eine GbR), sieht das Gesetz nur ein Entweder-oder vor. In diesen Fällen ist m. E. zunächst der volle Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen. Der Übertragende kann dann in der Steuererklärung nachweisen, dass es sich um eine teilunentgeltliche Übertragung handelt. Beim übernehmenden Institut sind die Wertpapiere nun jedoch als Erwerb nach neuem Recht gespeichert. Bei einem späteren Verkauf müsste die Teilentgeltlichkeit dann wiederum nachgewiesen werden, um die teilweise Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns zu erhalten. Dies bedeutet ein Abweichen von den Bescheinigungen der Bank, was erfahrungsgemäß nur im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gelingt.

Bei Inlandsdepots sollte daher bis auf Spezialfälle das Kreditinstitut von vornherein auf den Kapitalertragsteuerabzug bei Veräußerung von vor 2009 angeschafften Wertpapieren verzichten. Da es sich ab 2009 bei der Kapitalertragsteuer um eine Abgeltungsteuer handelt, ist ein separater Nachweis damit nicht mehr erforderlich.

Bei Auslandsdepots muss der Stpfl. die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nachweisen. Soweit die Transaktionsbelege nicht mehr vorhanden sind, kann der Nachweis – wie bisher wohl auch – durch entsprechende Depotauszüge zum geführt werden. Spätere Veränderungen der Stückzahl (z. B. durch Splitbuchungen) sollten m. E. jedoch ebenfalls dokumentiert und aufbewahrt werden, da ansonsten Unstimmigkeiten bestehen.

Hinweis

Um bei Auslandsdepots den Nachweis der Steuerfreiheit auch zukünftig führen zu können, sollten Anleger die Kaufbelege aller vor 2009 erworbenen Wertpapiere und auch Belege über spätere Split/Reverse-Split-Transaktionen sorgfältig archivieren. Liegen die Kaufbelege bereits heute nicht mehr vor, sollten die Depotauszüge zum und 2008 sorgfältig aufbewahrt werden.

Soweit über Auslandsdepots Wertpapiere verkauft werden, die nach dem angeschafft wurden und mit einem Gewinn von mehr als 43 % verkauft werden, bietet es sich an, diese Wertpapiere vor der Veräußerung nach Deutschland zu übertragen. Gem. § 43a Abs. 2 Satz 6 EStG wird die Abgeltungsteuer dann auf 30 % der Einnahmen aus der Veräußerung gerechnet. Eine Korrektur dieser zu niedrigen Besteuerung ist m. E. aufgrund der Abgeltungswirkung nicht erforderlich; § 32d Abs. 4 EStG beinhaltet insoweit nach dem Wortlaut auch ein Wahlrecht. Da bislang erfahrungsgemäß von Seiten der Finanzverwaltung allenfalls im Einspruchsverfahren von den Bankbescheinigungen abgewichen wird, ist in diesen Fällen m. E. auch nicht mit einer nachträglichen Kontrolle zu rechnen.

In allen anderen Fällen ist die Nachversteuerung steuerpflichtiger Veräußerungen über die Steuererklärung vorzunehmen (§ 32d Abs. 3 EStG). Anders als für den Nachweis der Steuerfreiheit reichen hier aber Depotsauzüge regelmäßig nicht aus, um die korrekten Anschaffungskosten nachzuweisen. Um insoweit eine richtige Besteuerung vornehmen zu können, muss der Stpfl. daher alle Transaktionsbelege seiner in Auslandsdepots befindlichen Wertpapiere bis zum Verkauf aufbewahren.

Praxishinweis

Bei Auslandsdepots müssen für Erwerbe ab 2009 alle Belege über den Kauf von Wertpapieren (inkl. Kapitalveränderungen/Splits) bis zum Verkauf dieser Positionen aufbewahrt werden, um eine Überbesteuerung zu vermeiden. Dies gilt aufgrund der Fiktion des § 43a Abs. 2 Satz 6 EStG insbesondere für festverzinsliche Wertpapiere, bei denen regelmäßig nicht mit hohen Gewinnen aus dem Verkauf gerechnet wird.

III. „Risikolose” Steuerhinterziehung?!

Wer über ein Auslandsdepot verfügt, kann dies allerdings auch zur Steuerhinterziehung ohne Entdeckungsrisiko nutzen. Verfügt der Anleger über ein umfangreiches Wertpapierdepot im Ausland, das er vor 2009 erworben hat und welches der langfristigen Anlage dient, lassen sich aufgrund der fehlenden AufbewahrungsvorschriftenS. 71 und der Übergangsregelung Verluste steuerpflichtig realisieren und Gewinne steuerfrei vereinnahmen. Dazu werden nach Ablauf der bisherigen Frist des § 23 EStG in 2009 alle Wertpapiere veräußert und zeitnah in gleicher Stückzahl zurück gekauft.

Diese Transaktion ist, da die Frist des § 23 EStG a. F. noch gültig ist, steuerneutral und nicht anzeigepflichtig. Der Anleger hält nun einen Kaufbeleg aus 2009, den Depotauszug aus 2008 und u. U. noch den Kaufbeleg des ersten Kaufs für jedes Wertpapier in Händen. Wartet der Anleger jetzt bis zum Jahr 2019 und verkauft dann alle Wertpapiere, legt er in den Verlustfällen die Kaufabrechnung aus 2009 und bei Gewinn die Kaufabrechnung aus 2008 oder davor vor. Alle anderen Belege werden vernichtet und können von der Bank nicht mehr erstellt werden.

Da der Anleger bis zur Abgabe der (falschen) Steuererklärung 2019 keine strafrechtlich relevanten Handlungen begangen und seine Erklärungspflicht korrekt erfüllt hat, bestünde ein Entdeckungsrisiko nur dann, wenn Belege/Informationen noch von der Auslandsbank angefordert werden könnten. Da die Unterlagen spätestens nach zehn Jahren vernichtet werden, ist dies jedoch nicht mehr möglich.

IV. Stellungnahme

Aufgrund der umfangreichen Umgehungsmöglichkeiten (Fondskonstruktionen etc.) der neuen Abgeltungsteuer dürfte das Steueraufkommen aus der Besteuerung der Kapitaleinkünfte deutlicher zurückgehen als noch in der Gesetzesbegründung dargelegt. Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem deutschen Gesetzgeber ist folglich zukünftig entweder mit einer Erhöhung des Abgeltung­steuersatzes oder aber einer weiteren Einschränkung der dauerhaften Steuerfreiheit zu rechnen.

Im Hinblick auf die (noch) unbegrenzten Übergangsfristen und dem Wegfall der Haltefristen sollte dem Stpfl. die Möglichkeit gegeben werden, ein freiwilliges Feststellungsverfahren hinsichtlich der Anschaffungsdaten seiner Wertpapiere durchzuführen, um die dargestellten Probleme bzgl. der Aufbewahrungsfristen zu lösen.

Anstelle der derzeit geltenden Übergangsregelung, die auf einzelne Wertpapiere abstellt, wäre es m. E. einfacher und effizienter gewesen, Depots quasi „einzufrieren”. Umschichtungen innerhalb der Depots wären dabei weiterhin steuerfrei (nach Maßgabe des § 23 EStG a. F.). Entnahmen hätten dazu geführt, dass die entsprechenden Beträge aus der potenziellen Steuerfreiheit fallen. Einlagen auf solche Depots wären darüber hinaus nicht mehr möglich. Dieses Modell wird in anderen Ländern in ähnlicher Form bereits praktiziert (z. B. 401 (k)-accounts in den USA).

Die jetzt gefundene Übergangsregelung führt dagegen dazu, dass viele (notwendige) Umschichtungen unterbleiben werden. Wer bis 2009 in Aktien-Investmentfonds investiert hat, wird zukünftig selbst dann nicht in einen anderen Fonds tauschen, wenn dieser eine deutlich bessere Wertentwicklung aufweist. Daran ändern auch die zahlreichen schmerzvollen Erfahrungen nach dem Platzen der Internetblase 2000 bis 2002 nichts.

Aufgrund der „Risikoaversion” der Deutschen, die sich auch in der abnehmenden Zahl der Aktionäre widerspiegelt, ist m. E. damit zu rechnen, dass die meisten derjenigen Anleger, die aufgrund der potenziellen Steuerfreiheit ihre Aktien erst dann verkaufen, wenn sich die unrealisierten Gewinne in Verluste verwandelt haben, dem Aktienmarkt endgültig den Rücken kehren werden.

Fazit
  1. Anleger müssen bei Inlandsdepots für alle Wertpapiere, die vor 2009 gekauft wurden, die Transaktionsbelege sorgfältig aufbewahren. Für Auslandsdepots müssen sogar alle Transaktionsbelege aufbewahrt werden.

  2. Über Auslandsdepots ist es bei langfristiger Geldanlage risikolos möglich, Verluste der vor 2009 im Bestand befindlichen Gewinne nach neuem Recht zu erklären und Gewinne steuerfrei zu belassen.

  3. Eine weitere Einschränkung der steuerlichen Begünstigung der privaten Kapitalanlage ist m. E. nur eine Frage der Zeit.

Fundstelle(n):
BBEV 2/2008 Seite 69
NWB LAAAC-69272