Abgeltungsteuer und Vermögensanlage bei Kindern
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Risiken
Die Übertragung von Kapitalvermögen auf Kinder wurde in der Vergangenheit angesichts der stetig schrumpfenden Sparerfreibeträge häufig im Rahmen der Gestaltungsberatung eingesetzt. Die damit einhergehende Steuerminderung wurde bereits bisher oftmals durch den späteren Wegfall kinderbedingter Vergünstigungen (z. B. Kindergeld) getrübt (vgl. Heidenreich, BBEV 2007 S. 351 NWB HAAAC-61930). Durch die Abgeltungsteuer kann sich dieser Effekt aber noch verschärfen. Erforderlich ist daher eine vorausschauende Planung über mehrere Jahre.
I. Bisherige Rechtslage
Unter Berücksichtigung des Sparerfreibetrags und des Grundfreibetrags können Kinder derzeit ca. 8.500 € pro Jahr steuerfrei an Kapitaleinkünften erzielen, wenn sie über keine weiteren Einkünfte verfügen.
Die Vermögensanlage für die Kinder erfolgt dabei meist langfristig orientiert. Umschichtungen werden daher – wenn überhaupt – erst nach Ablauf der Jahresfrist für private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) vorgenommen. Soweit eine Anlage nicht ausschließlich in festverzinslichen Papieren erfolgt, schwanken die Erträge zwar, eine Prognose ist aber gut möglich, da es sich um regelmäßig wiederkehrende Einnahmen handelt.
Auf Erhöhungen der Ausschüttungen bei Aktien und Investmentfonds und ein drohendes Überschreiten der steuerlichen Einkommensgrenzen kann zumeist mittels eines (steuerfreien) Verkauf vor der Ausschüttung reagiert werden, da hier die Erhöhung vorher angekündigt wird. Ein Überschreiten der steuerfrei zu erzielenden Kapitalerträge kann damit regelmäßig verhindert werden. Um den Kapitalertragsteuerabzug zu vermeiden, kommt zudem die Beantragung einer Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) in Betracht.
Die Grenze von ca. 8.500 € gilt allerdings nur für die Einkommensteuer und nicht hingegen für die Krankenversicherung. Eine kostenfreie Familienversicherung ist gem. § 10 Abs. 1 SGB V grundsätzlich nur möglich, wenn das Gesamteinkommen des zu versichernden Mitgliedes 350 € monatlich nicht übersteigt. Bei einer vollen Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge von 8.500 € ist daher regelmäßig eine kostenfreie Familienversicherung nicht mehr möglich.
In der Praxis wird jedoch bei allen Arbeitnehmern (unabhängig davon, ob sie freiwillig oder pflichtversichert sind), auf eine Ermittlung der Einkommensverhältnisse – zumindest der minderjährigen Kinder – regelmäßig verzichtet. Lediglich bei Selbständigen und anderen Nicht-Arbeitnehmern werden i. d. R. jährlich auch die Einkommensverhältnisse aller kostenfrei Mitversicherten abgefragt. Da Kinder grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr in der Familienversicherung versichert werden (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 SGB V), erfolgt hier im Allgemeinen keine Kontrolle, und die Krankenversicherung vertraut auf die Angaben der Eltern.
Bei volljährigen Kindern werden hingegen im Rahmen der Familienversicherung regelmäßig weitere Nachweise zur Einkommenssituation gefordert, so dass diese dann häufig entfällt und für das Kind eine eigene Krankenversicherung abgeschlossen werden muss.
Da diese Krankenkassenbeiträge aber wieder als Sonderausgaben abgezogen werden dürfen, steigt die Grenze, bis zu der die Kapitaleinkünfte steuerfrei bezogen werden können. Auch die für die Gewährung der kinderbedingten Vergünstigungen maßgeblichen Grenzwerte (vgl. zur Fallbeilwirkung Heidenreich, BBEV 2007 S. 351 NWB HAAAC-61930) erhöhen sich damit indirekt, da nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung diese von den Einkünften und Bezügen der Kinder bei der Ermittlung der Grenzwerte abgezogen werden dürfen.
II. Änderungen durch die Unternehmensteuerreform 2008
Durch die Unternehmensteuerreform 2008 ändert sich weder etwas an den Grundfreibeträgen noch an den Grenzbeträgen zur Krankenversicherung. Neu ist jedoch die Einbeziehung der Veräußerungsgewinne in die Steuerpflicht.
Da damit zukünftig alle Veräußerungsgewinne (z. B. auch der Einlösungsgewinn bei unter pari ausgegebenen festverzinslichen Wertpapieren) unabhängig von der Haltedauer der Wertpapiere der Steuerpflicht unterliegen und als Kapitaleinkünfte gelten, unterliegen sie möglicherweise auch der Sozialversicherungspflicht. Die GrenzenS. 37 werden somit fast automatisch überschritten, wenn die Freigrenzen hinsichtlich der laufenden Erträge ausgenutzt werden und sodann (mit Gewinn) eine Umschichtung erfolgt.
Um eine Steuer- bzw. Beitragspflicht zu umgehen, sollten daher zukünftig bei Umschichtungen stets auch diejenigen Wertpapiere verkauft werden, bei denen Verluste aufgelaufen sind. Denn eine Verrechnung über die Jahre ist weder im Steuer- noch im Sozialversicherungsrecht möglich. Ggf. können dann die mit Verlust verkauften Wertpapiere umgehend wieder erworben werden (vgl. zu dieser Thematik Heidenreich ab S. 38 in dieser Ausgabe).
Zwar zählen Veräußerungsgewinne nicht zum regelmäßigen Einkommen und dürften daher grundsätzlich nicht in die Berechnung des maßgeblichen Einkommens bei der Krankenversicherung einbezogen werden. Durch die im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 erfolgte Umqualifizierung in Kapitaleinkünfte dürften sich jedoch erhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben. Denn Kapitaleinkünfte gelten gemeinhin als regelmäßige Einkünfte. Eine Unterscheidung in Veräußerungsgewinne und andere „regelmäßige” Einnahmen dürfte sich aus den einzureichenden Unterlagen (Steuerbescheid, Steuerbescheinigungen) nicht ergeben. Ob sich aus der Einbeziehung daher eine Verschärfung hinsichtlich der Krankenversicherung ergibt, muss abgewartet werden. Zur Vermeidung der Abgeltungsteuer kann weiterhin eine NV-Bescheinigung beantragt werden (zu den damit verbundenen Problemen vgl. bereits Schultze, BBEV 2007 S. 398 NWB WAAAC-63626).
III. Handlungsbedarf
Um eine Steuerbelastung und eine Belastung mit Krankenversicherungsbeiträgen zu vermeiden, ist zukünftig eine weit vorausschauende Anlagepolitik notwendig. Dies betrifft nicht nur Familien, bei denen eine Übertragung von Kapitalvermögen auf die Kinder zur Ausnutzung der Freibeträge erfolgt ist. Vielmehr gilt dies auch bei Familien, die langfristig für ihre Kinder vorsorgen und z. B. das Kindergeld in einen Sparplan investieren.
Erfolgt z. B. eine regelmäßige Anlage in verschiedene Investmentfonds und erreichen die steuerpflichtigen Erträge insgesamt die Grenzwerte, ist eine Verlagerung von Investmentfonds mit hohen steuerlichen Erträgen in solche mit niedrigen steuerlichen Erträgen nur möglich, wenn die bisherigen Anlagen keine oder kaum Kursgewinne aufweisen. Andernfalls führt die Umschichtung, die die Erträge senken soll, selbst zu einer Überschreitung der Grenzwerte.
Wurden noch vor 2009 entsprechende Anlagen für die Kinder getätigt, entfällt zwar eine Steuerpflicht bei der Umschichtung dieser Anlagen, da diese Kursgewinne regelmäßig steuerfrei sind, jedoch ist die Neuanlage dann steuerverhaftet. Hier stellt sich bei volljährigen Kindern folglich die Frage, ob auf die weitere Steuerfreiheit verzichtet werden soll oder auf die kinderbezogenen Vergünstigungen – ein Dilemma. Die Entscheidung wird dann sicherlich nicht aufgrund der Perspektiven der einzelnen Anlagen, sondern aufgrund der steuerlichen Folgen erfolgen.
Auch wenn im Rahmen der Anlage bei bestimmten Wertpapieren aufgrund der Kursentwicklung ein Verkauf einzelner Wertpapiere angeraten erscheint (z. B. weil man im Rahmen der Ausbildungsfinanzierung das Risiko vermindern möchte), können die möglichen steuerlichen Konsequenzen dazu führen, dass diese Verkäufe unterbleiben. Eine planbare Anlage für die Kinder unter Beibehaltung der Steuerfreiheit und der kinderbezogenen Vergünstigungen ist somit zukünftig nur noch mit festverzinslichen Wertpapieren möglich.
Damit führt die Abgeltungsteuer bei der Vermögensanlage von Kindern künftig häufig zu ökonomisch falschen Entscheidungen. Angesichts der demografischen Entwicklung und der Notwendigkeit, so früh wie möglich in die Altersvorsorge zu investieren, ist dies eine bedenkliche Entwicklung.
Die Übertragung von Kapitalvermögen auf die Kinder hat bereits heute häufig das Ende der kostenfreien Familienversicherung zur Folge.
Wer für die Ausbildung seiner Kinder langfristig sparen will, muss in Zukunft in seine Anlageüberlegungen auch die folgenden Jahre berücksichtigen.
Die Abgeltungsteuer dürfte bei der Vermögensanlage von Kindern zukünftig dazu führen, dass Wertpapiere, die einen Gewinn ausweisen, unabhängig von der erwarteten zukünftigen Entwicklung nicht verkauft werden.
Fundstelle(n):
BBEV 1/2008 Seite 36
NWB LAAAC-66466