Steuerbefreiung der auf tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfallenden Theaterbetriebszulage
Leitsatz
1. Voraussetzung für die Steuerbefreiung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ist unter anderem, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntags- sowie Feiertagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist.
2. Maßgeblich für die Frage, ob die steuerfreien Zuschläge neben dem Grundlohn geschuldet werden, ist allein die vertragliche Gestaltung (hier betreffend die den Arbeitnehmern laut Manteltarif- und Entgeltvertrag zustehende Theaterbetriebszulage in Höhe von 20%).
3. § 3b EStG verlangt gerade nicht, dass der Arbeitgeber einen feststehenden Bruttolohn (Grundlohn) schuldet, der ggf. um die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlten Zuschläge erhöht werden muss „on top”-Leistung).
Gesetze: EStG § 3b Abs. 1, EStG § 3b Abs. 2 S. 1
Instanzenzug: Verfahren Urteil
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Klägerin war Darstellerin bei der X GmbH in Y und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Ihr Arbeitgeber behandelte im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens Teile des Arbeitslohns – die sogenannte Theaterbetriebszulage – als steuerfreie Einkünfte nach § 3b Abs. 1 EStG, soweit tatsächlich geleistete und aufgezeichnete Sonn-, Feier- oder Nachtarbeit vorgelegen hat.
Der Arbeitgeber hielt sich insoweit an die mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V abgeschlossene Tarifverträge „Manteltarifvertrag Cast” und den „Entgelttarifvertrag”. Diese sahen u.a. folgendes vor:
Manteltarifvertrag:
„§ 16 ENTGELT
Das Arbeitsentgelt setzt sich aus der Grundvergütung und der vereinbarten Zulage bzw. den Zuschlägen nach § 5 des Entgelttarifvertrages zusammen und ist in einem gesonderten Entgelttarifvertrag geregelt. Das vereinbarte Entgelt wird für jeweils einen Kalendermonat berechnet und ist so zu zahlen, dass am letzten Werktag eines jeden Monats darüber verfügt werden kann […].
Dem Castmitglied sind vor Vertragsunterzeichnung die Zusammensetzung der Jahresberechnung und die damit zusammenhängenden Auswirkungen zu erläutern. Ihm sind im Übrigen das sich im Einzelfall ergebende voraussichtliche Gesamtentgelt und die das Gesamtentgelt beeinflussenden Faktoren schriftlich und in Form eines Merkblattes mit dem Vertragsangebot vorzulegen. […]”
Entgelttarifvertrag:
„§ 5 Theaterbetriebszulage / Überstundenzuschläge
Jedes Castmitglied hat Anspruch auf die Zahlung einer Theaterbetriebszulage (TBZ) in Höhe von 20% des Arbeitsentgelts.
Die TBZ wird als tariflicher Zuschlag für Nachtarbeit und für Sonn- und Feiertagsarbeit gezahlt und ist bereits in den jeweiligen Tabellenstufen der Vergütungstabelle enthalten.
Die Arbeitszeiten, für die gemäß § 3 b EStG Zuschläge steuerfrei sind, müssen gesondert ausgewiesen werden. Die anteiligen Zuschläge sind steuerfrei auszuzahlen. Die Gesellschaft stellt den erforderlichen Nachweis für die Steuerfreiheit sicher.
Angefangene Stunden unter 30 Minuten werden auf halbe Stunden, angefangene Stunden über 30 Minuten werden auf volle Stunden aufgerundet.
Die Stundenvergütung errechnet sich aus der jeweiligen Monatsvergütung (gekürzt um die 20%-ige TBZ) geteilt durch 173,33. Monatsvergütung ist die Vergütung die ein Castmitglied erhält, wenn es gemäß § 4 Buchstabe a) Satz 1 MTV vollbeschäftigt ist.”
Daneben hatte der Arbeitgeber ein Merkblatt zu § 16b Manteltarifvertrag Cast erstellt, wonach u.a. folgendes galt:
„Die Höhe der TBZ variiert zwischen 0 und maximal 20% der arbeitsvertraglichen Bruttovergütung und errechnet sich aus Zuschlägen für geleistete Stunden gemäß § 3 b EStG (steuerbegünstigte Zeiten für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit) auf einen um 20% reduzierten Stundenlohn (Grundlohn).
Eine steuerfreie Berücksichtigung setzt voraus, dass an den steuerbegünstigten Zeiten auch tatsächlich gearbeitet wurde.”
Auf die vorgenannten Regelungen wurde auch in den Einzelverträgen Bezug genommen. Diese sahen in § 4 a) – c) vor, dass bei einer regelmäßigen Showanzahl von 8 Shows pro Woche auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns geltenden tariflichen Entgelttabelle des Entgelttarifvertrages Cast eine feste Gage geschuldet würde, die sich auf eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunde bezieht.
Weiter lautet der Vertragstext unter § 4 e) und f) wörtlich:
„e) Der Künstler erhält gemäß § 5 des geltenden Entgelttarifvertrages Cast sowie auf der Grundlage der Anrufungsauskunft gem. § 42 e) EStG des Finanzamtes Y eine Theaterbetriebszulage (TBZ) in Höhe von 20 % der monatlichen Vergütung, die bereits in der unter § 4 Ziff. 1 a) – c) dieser Vereinbarung verhandelten monatlichen Gage enthalten ist. Die konkrete Zusammensetzung und steuerliche Behandlung der TBZ ergibt sich aus einem gesonderten Merkblatt, das Bestandteil dieses Vertrages ist.
f) Die Stundenvergütung gemäß § 4 Ziff. 1 a) – c) dieser Vereinbarung errechnet sich aus der jeweilig vereinbarten Monatsvergütung – gekürzt um die 20 %-ige TBZ – geteilt durch die vertraglich vereinbarte monatliche Arbeitszeit.” Für die Berechnung der Theaterbetriebszulage bedeutete dies konkret:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Berechnung anhand eines Beispielslohnes | |||||
Brutto lt. Arbeitsvertrag | 8.250 Euro | ||||
Theaterbetriebszulage | 20% | ./. 1.650 Euro | |||
ständiges Brutto | 6.600 Euro | ||||
Stundenlohn | 6.600 Euro : 173,33 Stunden im Monat | 38,07 Euro | |||
Aufteilung der Theaterbetriebszulage nach tatsächlich erbrachten Stunden | |||||
Stunden | Uhrzeit | Zuschlag | Norm | Summe | |
2 | Nacht 20.00 Uhr – 6.00 Uhr | 25% | 38,07 Euro x2 Stunden x25 % | 19,04 Euro | |
2 | Nacht 0.00 Uhr – 4.00 Uhr | 40% | 38,07 Euro x2 Stunden x40 % | 30,45 Euro | |
2 | Sonntag | 50% | 38,07 Euro x2 Stunden x50 % | 38,07 Euro | |
2 | Feiertage | 125% | 38,07 Euro x2 Stunden x125 % | 95,17 Euro | |
2 | 24. Dezember ab. 14.00 Uhr | 150% | 38,07 Euro x2 Stunden x150 % | 114,21 Euro | |
Summe | 296,94 Euro | ||||
Aufteilung Theaterbetriebszulage in steuerpflichtigen und steuerfreien Anteil | |||||
20 % | 1.650 Euro | ||||
Anteil steuerfrei | ./. 296,94 Euro | ||||
Anteil steuerpflichtig | 1.353,06 Euro |
Das Finanzamt Y hatte dem Arbeitgeber im Rahmen einer Anrufungsauskunft nach § 42e EStG die Voraussetzungen für eine steuerfreie Behandlung am bestätigt (vgl. Blatt 25 Gerichtsakte).
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung durch das Finanzamt Y für die Jahre 2008 bis 2015 am vertrat die Lohnsteueraußenprüferin jedoch die Auffassung, dass es sich bei der gesamten Theaterbetriebszulage jeweils um steuerpflichtigen Arbeitslohn handle und teilte dies dem Wohnsitzfinanzamt der Klägerin mit. Sie war der Auffassung, dass die Theaterbetriebszulage die besonderen Erschwernisse der gelegentlichen Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit pauschal abgelte, ohne dass es auf die tatsächlichen Dienstzeiten angekommen sei.
Der Beklagte unterwarf daraufhin das bisher steuerfrei ausgezahlte Arbeitsentgelt mit geänderten Einkommensteuerbescheiden vom für das Kalenderjahr 2013 in Höhe von 1.212 Euro, das Kalenderjahr 2014 in Höhe von 7.770 Euro sowie mit Bescheid für das Kalenderjahr 2015 vom in Höhe von 13.383 Euro der Einkommensteuer.
Die hiergegen jeweils fristgerecht erhobenen Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am Klage erhoben.
Sie ist der Auffassung, die Anrufungsauskunft entfalte auch Bindungswirkung ihr gegenüber. Bereits deswegen könnten die Einkommensteuerbescheide nicht geändert werden.
Zudem handle es sich bei der Theaterbetriebszulage um einen neben dem Grundlohn gezahlten Zuschlag, der für tatsächlich geleistete Sonntags-Feiertags- und Nachtzeiten gezahlt würde. Sie beruft sich insbesondere auf ein (BFH/NV 2010, 201). Danach trete die Steuerbefreiung nur ein, wenn die Arbeitsstunden tatsächlich erbracht worden seien und Einzelaufstellungen erfolgen würden. Die Zuschläge müssten spätestens vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung ermittelt werden und eine ggf. vorhandene Differenz zum Ende des Lohnzahlungszeitraums versteuert werden. Diese Voraussetzungen würden bei den vorgenannten Tarifverträgen eingehalten.
Aus dem Manteltarifvertrag ergebe sich zudem, dass zwischen der Grundvergütung und den Zulagen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt würde.
Das Berechnungssystem sei vereinbart worden, um Lohnschwankungen auszugleichen, an dem Charakter einer Zulage habe sich nichts geändert.
Zur Bestimmung des steuerfreien Anteils seien die Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden gesondert festgehalten und in einer monatlichen Gehaltsabrechnung nur insofern als steuerfreie Anteile behandelt worden, als tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vorgelegen hätte. Soweit erforderlich seien die Zuschläge mit den tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit spätestens vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung verrechnet worden.
Das sich aus der Grundvergütung und der Theaterbetriebszulage ergebene Bruttogehalt sei unverändert geblieben, variiert habe nur das Nettogehalt.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 vom und den Einkommensteuerbescheid 2015 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte für nichtselbständige Tätigkeit im Kalenderjahr 2013 in Höhe von 1.212 Euro, im Kalenderjahr 2014 in Höhe von 7.770 Euro sowie im Kalenderjahr 2015 in Höhe von 13.383 Euro steuerfrei belassen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Theaterbetriebszulage sei pauschal für die besonderen Erschwernisse der gelegentlichen Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt worden. Es sei nicht darauf angekommen, dass tatsächlich Nachtarbeit bzw. Sonntags- und Feiertagsarbeit geleistet worden sei. Die Klägerin habe einen festen, in den jeweiligen Tabellenstufen der Vergütungstabellen enthaltenen Bruttoarbeitslohn, unabhängig davon zu welchen Zeiten sie ihre Arbeitsleistung tatsächlich erbracht habe, erhalten.
Die Zulage sei auch nicht nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlung oder Vorschuss im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet worden, die spätestens bei Abschluss des Lohnkontos hätte erfolgen müssen (, EFG 1999, 214).
In der mündlichen Verhandlung hat er seinen Vortrag dahingehend ergänzt, dass eine Zulage nach dem Wortlaut von § 3b EStG nur vorliege, wenn die geleisteten Zuschläge das (feste) Bruttogehalt erhöhen würden. Dies sei nur dann der Fall, wenn das Bruttogehalt Monat für Monat variiere nämlich jeweils um die Höhe der geschuldeten Zuschläge. Es müsse sich um einen Aufschlag „on top” handeln, der den Arbeitgeber tatsächlich zusätzlich belaste.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die der Klägerin ausgezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sind steuerfreier Arbeitslohn nach § 3b EStG.
1. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden.
a) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt, von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen); er ist in einen Stundenlohn umzurechnen (, BFHE 232, 174, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2012, 288, und vom VI R 50/09, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, m.w.N.).
Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach schwanken (Schmidt/Drenseck, EStG, 37. Aufl., § 39b Rn. 2; HHR/Tillmann, EStG/KStG, Stand: 1.2019, § 39b EStG Rn. 19). Kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug sind einmalig zugewendete Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rn. 3; von Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Juni 2017, § 3b Rn. B5). Regelmäßige Arbeitszeit ist die für das jeweilige Arbeitsverhältnis vereinbarte Normalarbeitszeit (, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, Rn. 13).
b) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (HHR/Bergkemper, EStG/KStG, Stand: 01.2019, § 3b EStG Rn. 21). Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagssowie Feiertagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist (vgl. , Zeitschrift für Tarifrecht 2004, 212; von Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Juni 2017, § 3b Rn. B13). Die Bezugsgröße für die Zuschläge kann von den Tarifvertragsparteien frei gewählt werden. Sie muss nur ausreichend klar für die Vertragsparteien festgelegt werden. Die vertragliche Bezeichnung der Bezugsgröße als Grundlohn, Stundengrundlohn u.ä. ist dabei unmaßgeblich (, Rn. 21, NZA-RR 2007, 368-370).
c) Die Steuerbefreiung greift zudem nur, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43), und setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus (, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293 und vom VI R 18/11, BFHE 236, 97, BStBl II 2012, 291).
Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es jedoch, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (, BFHE 256, 102, BStBl II 2017, 718, Rn. 14-17 m.w.N.).
d) Im Streitfall hat der Arbeitgeber die Zuschläge neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt und die nach § 3b EStG steuerfreien v.H. – Sätze nicht überschritten.
aa) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der maßgeblichen Abschnitte aus dem Mantel- und dem Entgelttarifvertrag ebenso wie dem Arbeitsvertrag der Klägerin, wonach die Vertragsparteien ein Nebeneinander von laufendem Arbeitslohn und Zuschläge vereinbart haben.
Laut Manteltarif- und Entgeltvertrag erhalten die Arbeitnehmer eine Theaterbetriebszulage in Höhe von 20% (§ 5 Manteltarifvertrag). Das Arbeitsentgelt setzt sich aus der Grundvergütung und der vereinbarten Zulage bzw. den Zuschlägen zusammen (§ 6 Manteltarifvertrag), die im Entgelttarifvertrag geregelt werden (vgl. § 5 Entgelttarifvertrag). Aus dem Entgelttarifvertrag ergibt sich, dass die Theaterbetriebszulage als 20% Zuschlag gezahlt wird. Hier wird bereits tarifvertraglich klargestellt, dass es sich um neben der Grundvergütung geschuldete Zuschläge handelt.
Auch im Arbeitsvertrag der Klägerin wird auf diese Regelungen Bezug genommen (§ 4e und f Arbeitsvertrages). Zusätzlich wird die Berechnung nochmals in einem Merkblatt – das ebenfalls Bestandteil des Vertrages geworden ist – dargelegt.
Nach dem Arbeitsvertrag erhielt die Klägerin einen Grundlohn, der sich aus zwei Parametern zusammensetzte. Der Grundlohn bestand, wie arbeitsvertraglich festgehalten, zunächst aus dem um 20 v.H. abgesenkten Bruttoarbeitslohn laut Arbeitsvertrag.
Diese 20 v.H. betrafen die Theaterbetriebszulage. Deren genaue Zusammensetzung ergab sich aus dem zugehörigen Merkblatt. Danach konnte die Theaterbetriebszulage von 0 v.H. bis 20 v.H. variieren, denn sie sollte nur insofern als steuerfreie Zulage ausgezahlt werden als tatsächlich steuerbegünstigte Zeiten betroffen waren.
Wenn sich hierbei herausstellte, dass der vereinbarte Bruttolohn laut Arbeitsvertrag nicht durch steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit erreicht werden konnte, erfolgte eine weitere Erhöhung des Grundlohns bis zum Erreichen des vereinbarten Bruttolohns laut Arbeitsvertrag.
Diese vertraglichen Vereinbarungen und die daraus folgende Berechnung haben zwar zur Folge, dass der Bruttolohn der Klägerin immer gleichbleibend war und nur der Nettolohn schwankte. Trotzdem waren die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem laufenden Arbeitslohn geschuldet.
Ein vertragliches nebeneinander von Grundvergütung und Theaterbetriebszulage war auch das erklärte Ziel der Tarifvertragsparteien. Die Tarifvertragsparteien sahen zum einen das Bedürfnis, die für Künstler regelmäßig anfallenden Stunden während der Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit durch Zuschläge besonders zu vergüten, andererseits aber monatliche Schwankungen aufgrund anfallender Showzeiten oder Monaten mit wenigen Feiertagen auszugleichen.
bb) Auch die Umsetzung des Arbeitsvertrages erfolgte in der Form, dass ein Nebeneinander von Grundvergütung und Zuschlägen gewährleistet war. Eine Zurechnung der tatsächlich geleisteten Arbeit war sowohl der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) als auch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich und gewährleistet.
Es ist unstreitig, dass der Arbeitgeber die tatsächlich während Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet hat und den Arbeitslohn nur insofern steuerfrei belassen hat.
Dementsprechend hatten die Arbeitnehmer auch keine weiteren Ansprüche von Nachtarbeitszeit. Fehlt es an einer Vereinbarung zum Ausgleich der Nachtarbeitszeit, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (§ 6 Abs. 5 ArbZG). Für Sonn- und Feiertagszuschläge begründet das Arbeitszeitgesetz zwar keine besonderen Zahlungspflichten, aus § 11 ArbZG können sich allerdings Ausgleichzeiten ergeben.
Derartige Ansprüche waren jedoch aufgrund des Arbeitsvertrags bereits abgegolten. Ansprüche in dieser Form wurden weder geltend gemacht noch ausgezahlt. Die Vertragsparteien haben diese Vereinbarungen dahingehend verstanden, dass der Grundlohn insbesondere auch für geleistete Nachtarbeit mit ihren besonderen Erschwernissen abgegolten war. Auch hieraus ergibt sich, dass der Grundlohn um Zuschläge erhöht worden war.
cc) Für die Frage, ob die steuerfreien Zuschläge nach § 3b EStG neben dem Grundlohn geschuldet werden ist es unmaßgeblich, dass die Klägerin immer Zulagen in Höhe von 20 % des Arbeitsentgelts erhielt. Maßgeblich für die Frage, ob die steuerfreien Zuschläge neben dem Grundlohn geschuldet werden, ist allein die vertragliche Gestaltung.
Die Zulagen errechneten sich laut Arbeitsvertrag aus zwei Komponenten, einmal aus der erbrachten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und aus einem Restbetrag, soweit das geschuldete Brutto nicht erreicht war. Auch wenn hierdurch die Zulagenhöhe letztlich garantiert war, handelt es sich um ein Nebeneinander von geschuldeten Leistungen.
Zwar ist es richtig, dass die Theaterbetriebszulage in die jeweiligen Tabellenstufen der Vergütungstabellen eingerechnet wurden und auch an den tarifvertraglichen Erhöhungen nach § 4 Entgelttarifvertrag teilgenommen haben, allerdings ändert dieser Umstand nichts daran, dass das normale Arbeitsentgelt um 20% erhöht war.
e) Entgegen der Auffassung des Beklagten verlangt § 3b EStG gerade nicht, dass der Arbeitgeber einen feststehenden Bruttolohn (Grundlohn) schuldet, der ggf. um die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlten Zuschläge erhöht werden muss „on top” – Leistung).
Dies ergibt sich, wie oben bereits ausgeführt, schon nicht aus dem Wortlaut der Norm. Die Norm verlangt vielmehr die Zahlung von Zuschlägen neben dem Grundlohn. Es kommt also nicht darauf an, ob der Grundlohn variabel oder fest vereinbart wurde. Die Norm kann auch nicht gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden.
Dies ist nur ausnahmsweise möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, Rn. 16 m.w.N.). Dies kann vorliegend allerdings nicht angenommen werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht den Zweck der Vorschrift vorrangig darin, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen zu gewähren, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbunden sind (, BFH/NV 2010, 201, m.w.N.). Dieses Ziel wird sowohl bei einem feststehenden Grundlohn, als auch bei einem variablen Grundlohn erreicht.
Zwar ist es so, dass für den Arbeitnehmer nach der hier vertraglich vereinbarten Vorgehensweise der Bruttolohn immer feststeht, allerdings verbleibt dem Arbeitnehmer bei tatsächlich geleisteter Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ein höherer Nettolohn. Damit wird das Arbeitsentgelt tatsächlich steuerlich entlastet.
Dies gilt umso mehr, als die Rechtsprechung sogar Nettolohnvereinbarungen zulässt, die letztlich dazu führen, dass Arbeitnehmer einen feststehenden nicht variablen Nettolohn (gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde/Effektivlohn) erhalten, der lediglich mit Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit aufgefüllt wird. In diesen Fällen kommt die Steuerbefreiung wirtschaftlich betrachtet in erster Linie dem Arbeitgeber zugute (, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, Rn. 16). Das Erfordernis einer zusätzlichen –”on top”– Leistung, die den Arbeitgeber belastet, ergibt sich also weder aus der Norm noch aus der Rechtsprechung des BFH.
f) Auch aus systematischen Gründen muss der Grundlohn nicht feststehen. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Grundlohn feststellbar ist, um als Bemessungsgrundlage für die jeweiligen Zuschläge zu dienen. Zudem darf er den Höchstbetrag von 50 Euro nicht überschreiten (§ 3b Abs. 2 EStG).
Dies ist durch die vorliegende vertragliche Vereinbarung bereits deswegen gewährleistet, weil die Parteien des Arbeitsvertrages als Bemessungsgrundlage den um 20 v.H. abgesenkten Bruttoarbeitslohn festgelegt haben. Im Zweifel ist damit die Bemessungsgrundlage für die höchstens zulässigen Zulagen immer niedriger als der laufende Arbeitslohn nach § 39b EStG. Der laufende Arbeitslohn ergibt sich nämlich immer aus der Grundvergütung (80 v.H. des Arbeitslohnes) zzgl. der steuerpflichtigen Zulagen „Grundlohnergänzung”). Ist allerdings die Bemessungsgrundlage für den Grundlohn aus § 3b EStG immer niedriger als der laufende Arbeitslohn nach § 39b EStG, kann eine Überschreitung der Zulagenhöhe nach § 3b Abs. 2 EStG nicht eintreten, solange der Höchstbetrag von 50 Euro nicht überschritten wird.
g) Bei der Berechnungsmethode handelt es sich auch nicht, wie vom Beklagten vertreten, um ein schädliches Herausrechnen von Zuschlägen.
Ein Herausrechnen liegt dann vor, wenn aus einer einheitlichen – erhöhten – Entlohnung die Zuschläge nachträglich ermittelt werden (, BFHE 256, 102, BStBl II 2017, 718). Das war vorliegend gerade nicht der Fall. Vielmehr schuldete der Arbeitgeber der Klägerin ein um 20 v.H. erhöhtes Entgelt. Diese 20 v.H. setzten sich wiederum aus den steuerfreien Zuschlägen und einem steuerpflichtigen Restbetrag bis zur Höhe des vereinbarten Gesamtbruttolohns zusammen. Die Zuschläge und der vorgenannte Restbetrag wurden nicht etwa nachträglich ermittelt, sondern aufgrund der vertraglichen Vereinbarung laufend – neben dem Grundlohn – geschuldet.
Dem steht auch nicht der , Rn. 2) entgegen, wonach ein Herausrechnen von „Zuschlägen” aus einem stets gleichbleibenden Gesamtbruttolohn auch dann nicht zur Steuerfreiheit gemäß § 3b EStG führen kann, wenn die „Zuschläge” ausschließlich für tatsächlich geleistete Nachtarbeitsstunden gezahlt worden sind. Denn ausweislich der Begründung des Beschlusses waren die Zuschläge zwar für tatsächlich erbrachte Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt worden, allerdings waren laut arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Zuschläge im Grundlohn mitumfasst. Das ist vorliegend gerade nicht der Fall, da die Vertragsparteien sich auf einen Zuschlag auf den Grundlohn in Höhe von 20 v.H. geeinigt hatten und dieser – wie bereits ausgeführt – neben dem Grundlohn gezahlt wurde.
h) Die Berechnung der Zuschläge entspricht auch der von der Rechtsprechung des BFH zugelassenen Methode.
Mit , BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, Rn. 15) wurde bereits die Berechnung von Grundlohn, Grundlohnergänzung und Zuschlägen für den Fall einer Nettolohnvereinbarung anerkannt. In diesem Verfahren wurde der Grundlohn jeweils um die Zuschläge für tatsächlich erbrachte Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ergänzt und soweit der vereinbarte Nettolohn nicht erreicht war, das Gehalt um eine weitere Ergänzung – dort als Grundlohnergänzung bezeichnet – aufgestockt. Im vorliegenden Verfahren hatten die Beteiligten zwar den Begriff der „Grundlohnergänzung” nicht verwandt, allerdings faktisch ebenfalls eine dreistufige Berechnung durchgeführt. Dieser Berechnung lagen die tarif- und arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zugrunde. Es ist nicht erforderlich, dass die Parteien den Begriff der Grundlohnergänzung verwenden. Vielmehr kommt es darauf an, was tatsächlich vereinbart und durchgeführt wurde.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision ist zuzulassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert vorliegend eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Aufgrund des Kontrollmaterials des Finanzamtes Y sind über den identischen Sachverhalt an unterschiedlichen Finanzgerichten Verfahren anhängig. Zudem gibt es bereits divergierende Entscheidungen (zustimmend ; entgegen ).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
EFG 2019 S. 868 Nr. 11
EStB 2019 S. 512 Nr. 12
KÖSDI 2019 S. 21346 Nr. 8
KAAAH-22272