Werbungskosten
Verpflegungsmehraufwendungen eines Werksbahn-Lokführers
Leitsatz
Eine „erste Tätigkeitsstätte” eines Werksbahn-Lokführers besteht auch dann, wenn die betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers über ein Schienennetz verbunden sind, ohne dass die übrigen Einrichtungen für sich bereits direkt örtlich aneinander grenzen.
Gesetze: EStG § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4
Instanzenzug: BFH VI R 36/18
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Abzug von Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen aus einer Tätigkeit als Lokführer für die X AG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger bezog im Streitjahr 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Lokführer der X AG. Für seine mit ihm zusammenveranlagte, verstorbene Ehefrau wurden Renteneinkünfte erklärt. Im Rahmen der Ermittlung seiner Einkünfte machte der Kläger u.a. Kosten für die Reinigung seiner Berufskleidung i.H.v. 432,96 € sowie Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 2.316 € als Werbungskosten geltend, letztere berechnet aus 193 Tagen mit mehr als 8 Stunden à 12 €.
Unter dem erließ der Beklagte einen Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer und setzte darin die Einkommensteuer auf 6.340 € fest. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigte der Beklagte nicht. In den Erläuterungen führte er dazu aus, dass es sich nach Aktenlage bei den vom Kläger geltend gemachten arbeitstäglichen Fahrten um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG i.V.m. Tz. 3 des handele. Diese Fahrten seien nur mit der Entfernungspauschale (einfache Entfernung) abziehbar. Infolgedessen könne keine Auswärtstätigkeit vorliegen, so dass Verpflegungsmehraufwendungen nicht berücksichtigt werden könnten. Berücksichtigt wurden in dem Bescheid indes Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Höhe von 193 Tagen × 19 km × 0,30 = 1.101 €.
Dagegen wandte sich der Kläger mit fristgerecht erhobenem Einspruch, zu dessen Begründung er vortrug: Es liege eine Fahrtätigkeit als Lokführer vor. Er fahre als E-Lokfahrer verschiedene Orte an, verbleibe also nicht an der ersten Tätigkeitsstätte und sei daher ab dem Aufsuchen der ersten Tätigkeitsstätte mehr als acht Stunden abwesend. Demnach seien vorliegend Verpflegungsmehraufwendungen für 193 Tage 12 € zu berücksichtigen. Auch sei ein Abzug der tatsächlich gefahrenen Kilometer möglich. Demzufolge sollten 38 km für 193 Tage à 0,30 €, also 2.200,20 €, zum Werbungskostenabzug zuzüglich der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen führen.
In seinem Antwortschreiben vom wies der Beklagte darauf hin, dass der Kläger als Lokführer auf den Zügen der X AG auf dem betriebseigenen Schienennetz eingesetzt worden sei. Es liege eine entsprechende Zuordnung durch den Arbeitgeber vor. Bei dem Schienennetz der X AG handele es sich um ein zum Werksgelände gehörendes betriebseigenes Schienennetz und nicht um Trassen der DB oder anderer öffentlicher Verkehrsbetriebe. Auf dem Werksgelände befänden sich mehrere ortsfeste betriebliche Einrichtungen, die als eine Tätigkeitsstätte anzusehen seien. Das betriebseigene Schienennetz verbinde alle unterschiedlichen Betriebe der X AG.
Das betriebseigene Schienennetz, das ein Lokomotivführer mit der firmeneigenen Eisenbahn (Werksbahn) befahre, sei eine – wenn auch großräumige – Arbeitsstätte, die die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 EStG zur ersten Tätigkeitsstätte erfülle. Dass sich das firmeneigene Schienennetz über mehrere Stadtteile erstrecke und sich auf dem geographischen Gebiet, auf dem das Schienennetz verlegt sei, auch öffentliche Straßen befänden, stehe der Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht entgegen. Der Einsatz eines Arbeitnehmers auf einem Fahrzeug auf dem Betriebsgelände sei keine Fahrtätigkeit (Auswärtstätigkeit) im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 3 EStG (BFH, , VI R 61/06).
Dessen ungeachtet sei der Einkommensteuerbescheid 2015 im Hinblick auf eine zwischenzeitlich eingegangene Rentenbezugsmitteilung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu ändern.
Mit der Einspruchsentscheidung vom änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid, berücksichtigte die geltend gemachten Reinigungskosten mit 433 € und setzte die Einkommensteuer auf 6.571 € fest. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück und verwies auf sein Schreiben vom .
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Klage, zu deren Begründung er vorträgt: Vorliegend seien Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen, da der Kläger laut R 37 (4) LStR (Reisekostenbegriff) eine Fahrtätigkeit als Lokführer ausübe. Es komme nicht darauf an, wem das Schienennetz gehöre, sondern ob das Schienennetz ausschließlich durch Betriebsgelände der X AG führe. Nach dem dem Beklagten seit dem vorliegenden Gebietsplan der X AG gehe die Bahntrassenführung durch die Bereiche der Kommunen H, S, C1, C2, F, L, G und I, mithin durch Gelände, das eindeutig nicht dem Arbeitgeber gehöre. Insoweit könne hier nicht von einem zusammenhängenden Gelände gesprochen werden. Die Fläche der genannten Kommunen, die durchquert werde und nicht Betriebsgelände der X AG sei, betrage rund 600 km2. Hieraus könne nicht auf ein zusammenhängendes Betriebsgelände geschlossen werden. Auch ein Lokführer der DB würde nach den Ausführungen des Beklagten „jemals” das Betriebsgelände der DB verlassen. Die Tätigkeit des Klägers sei mit der eines Lokführers der DB vergleichbar. Lokführer übten nach der Rechtsprechung des BFH eine Reisetätigkeit aus, dazu würden aber auch alle anderen Lokführer zählen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2015 vom in Form der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten i.H.v. 3.415,20 € berücksichtigt werden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor: Der Einsatz eines Arbeitnehmers auf einem Fahrzeug auf dem Betriebsgelände sei keine Fahrtätigkeit. Dies entspreche auch der ständigen Rechtsprechung (BFH, , VI R 61/06; , IV R 87/13; FG Köln, , 7 K 3787/12).
In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten einen Plan zu den Akten gereicht, in dem der genaue Verlauf der Werksbahn … erkennbar ist. Dazu hat sie ausgeführt, dass die Fahrtzeit von dem einem Ende der Fahrtstrecke zum anderen nach ihren Recherchen nicht mehr als 45 Minuten betrage. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang ergänzend angemerkt, dass die X AG grundsätzlich auf dem eigenen Schienennetz fahre und nicht die Schienen der DB nutze, da letztere für den Schwerlasttransport nicht genutzt werden könnten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S 1 FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Fahrtkosten in Höhe von 1.101 € sowie Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 2.316 € zu berücksichtigen.
1. Weitere Fahrtkosten als die bisher vom Beklagten anerkannten 1.101 € sind nicht anzuerkennen. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine „erste Tätigkeitsstätte” vorhanden ist und daher die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG greift. Danach waren nur 1.101 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.
a) Gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4 als Werbungskosten zu berücksichtigen. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG).
Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 1 EStG zählen zu den Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG sowie keine Familienheimfahrten sind. Für diese Fahrten gilt nicht die Beschränkung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG auf die Entfernungskilometer. Vielmehr können die tatsächlich gefahrenen Kilometer (in der Regel Hin- und Rückfahrt) geltend gemacht werden.
Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 gilt hingegen wiederum die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG), wenn der Arbeitnehmer zwar keine erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Absatz 4) hat, er aber nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat, und zwar für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet. Für die Fahrten innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebietes gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 4 EStG).
Das danach primär maßgebliche Abgrenzungsmerkmal der „ersten Tätigkeitsstätte” findet sich seit der Neufassung des einkommensteuerlichen Reisekostenrechts durch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts” vom (BStBl. I 2013, 285) legaldefiniert in § 9 Abs. 4 EStG: Erste Tätigkeitsstätte ist danach die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der Gesetzgeber hat damit teilweise die Begriffsbestimmung zur früheren „regelmäßigen Arbeitsstätte” übernommen, wie sie der BFH zuvor bereits entwickelt hatte (vgl. auch Bergkemper, jurisPR-SteuerR 10/2013 Anm. 1; Oertel in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 9 EStG, Rn. 53: „wie bisher”).
Aus diesem Grund kann für die Auslegung der Merkmale der „ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers” auf die langjährige Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen werden, soweit sie nicht im Widerspruch zur neuen Gesetzesfassung steht. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet als „regelmäßige Arbeitsstätte” in Betracht kommt, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird (vgl. z.B. , BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074: Heimatflughafen als „regelmäßige Arbeitsstätte” einer Flugbegleiterin). Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände, ein Waldgebiet, ein Bergwerk oder ein Lotsenrevier eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt darstellen (vgl. , BFHE 226, 59, BStBl II 2010, 564: Selbstlade-Transportfahrzeug im Untertagebau eines Kaliwerks; , zitiert nach juris: Lotsenrevier).
In diesem Zusammenhang hat zunächst das FG Düsseldorf und im Anschluss daran auch der BFH bestätigt, dass das firmeneigenen Schienennetz, das ein Lokomotiv-Rangierführer mit der firmeneigenen Eisenbahn „Werksbahn”) seines Arbeitgebers befährt, eine „regelmäßige Arbeitsstätte” sein kann (, EFG 2014, 247 mit Anm. Rosenke; , BFH/NV 2015, 1084). In dem zugrundeliegenden Fall erstreckte sich das Werksgebiet des Arbeitgebers über weite Teile eines Stadtgebiets, war aber durch die schienentechnische Verbindung über die firmeneigene Werksbahn auf einem firmeneigenen Bahn-Netz verbunden. Durch diese Verbindung sei der Fall abzugrenzen von der Entscheidung des , BStBl. II 1997, 333), in der der BFH noch festgestellt hatte, dass das Arbeitsgebiet eines Stauers mit einer Fläche von 63 qkm im Hinblick auf die vielfältigen und unvorhersehbaren Einsatzorte nicht mehr unter den Begriff der großräumigen Arbeitsstätte falle. Für den Fall des Fahrers einer Werksbahn hat der BFH demgegenüber nunmehr klargestellt, dass das Schienennetz des Arbeitgebers als dauerhafte, betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers anzusehen ist. Die konkrete flächenmäßige Ausdehnung des firmeneigenen Schienennetzes stehe der Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. eines Tätigkeitsmittelpunktes nicht entgegen. Das Schienennetz erstrecke sich zwar über mehrere Stadtteile. Es handele sich aber um ein räumlich geschlossenes bzw. zusammenhängendes Gelände. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich auf dem geographischen Gebiet, auf dem das Schienennetz verlegt sei, auch öffentliche Straßen befänden.
b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und der gesetzlichen Vorgaben stellt das Einsatzgebiet des Klägers bei der X AG seine „erste Tätigkeitsstätte” dar. Das Schienennetz ist eine dauerhafte, betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers. Unerheblich ist an dieser Stelle, ob das Schienennetz selbst dem Arbeitgeber des Klägers gehört. Denn es kommt nicht auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an, sondern lediglich auf die tatsächliche Sachherrschaft über das Schienennetz (, BFH/NV 2015, 1084), die hier seitens des Arbeitgebers des Klägers unstreitig gegeben war. Bestätigt wurde dies zuletzt noch einmal vom Kläger selbst, der in der mündlichen Verhandlung angeben hat, dass er grundsätzlich das betriebseigene Schienennetz befahre, weil nur dieses für den Schwertransport geeignet sei.
Dass das Einsatzgebiet des Klägers vorliegend eine Strecke durch mehrere Ortschaften im Qer Umland umfasst und die betrieblichen Einrichtungen, wie …, stellenweise nur durch das Schienennetz verbunden sind, führt – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht dazu, dass eine „erste Tätigkeitsstätte” nicht mehr bejaht werden kann: Soweit es zunächst um den Einwand des Klägers geht, die Strecke führe nicht mehr über originäres Betriebsgelände, gilt auch hier der bereits oben aufgezeigte Grundsatz, dass es an dieser Stelle auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (, BFH/NV 2015, 1084) nicht ankommt, sondern nur der tatsächlichen Sachherrschaft bedarf. Dies betrifft das Schienennetz selbst (s.o.), aber genauso natürlich auch den Grund und Boden, auf dem das Schienennetz verlegt ist. Selbst wenn dieser Grund und Boden also im Eigentum der vom Kläger benannten Kommunen oder Privater steht, reicht es aus, dass die X AG – unstreitig – die tatsächliche Sachherrschaft über den Grund und Boden hatte.
Soweit der Kläger damit darüber hinaus den Einwand erhebt, das Schienennetz verbinde lediglich die betrieblichen Einrichtungen (namentlich den …), er bewege sich also streckenweise außerhalb des Betriebes, überzeugt dies nicht. Ausreichend ist, dass noch immer ein räumlich geschlossenes bzw. zusammenhängendes Gelände vorliegt. Das Gelände des Arbeitgebers umfasst diverse betriebliche Einrichtungen, die allesamt zusammenhängen und eine insgesamt räumlich geschlossene Fläche ergeben, die den Arbeitnehmern des Betriebes vorbehalten ist. Die Verbindung der betrieblichen Einrichtungen durch das Schienennetz führt dazu, dass letztlich eine durchgängige betriebliche Fläche gegeben ist. Insoweit verkennt der Kläger, dass das Schienennetz nicht etwa zum außerbetrieblichen Bereich gehört, sondern nach der benannten höchstrichterlichen Rechtsprechung (, BFH/NV 2015, 1084) selbst auch eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers darstellt. Es ist also gerade nicht so, dass etwa die eine betriebliche Einrichtung räumlich getrennt und abgeschlossen wäre von der anderen betrieblichen Einrichtung. Vielmehr reiht sich zwischen diesen beiden betrieblichen Einrichtungen das Schienennetz als weitere betriebliche Einrichtung ein, so dass sich insgesamt gleichsam einer Perlenkette eine zusammenhängende betriebliche Fläche erschließt.
Die Geschlossenheit des Gebiets bzw. dessen Zusammenhängen ergibt sich aus der besonderen schienentechnischen Verbindung für die Werksbahn. Ihr kommt im vorliegenden Fall eine nicht unerhebliche betriebliche Funktion zu, die über die eines öffentlichen Transportweges, wie etwa dem öffentlichen Schienen- oder Straßennetz, hinausgeht. Insoweit unterscheidet sich der Einsatzort des Klägers sowohl von dem des von ihm angeführten Lokomotivführers eines öffentlichen Personenzugs als auch etwa von dem öffentlich zugänglichen Autobahnnetz, das ein Polizeibeamter befährt (, BFH/NV 2017, 281). Der Kläger bewegt sich eben nicht im öffentlichen Raum, sondern ausschließlich auf betrieblichem Gelände. Es ist davon auszugehen, dass die betriebliche Einrichtung des Schienennetzes sowohl funktionell als auch örtlich auf die betrieblichen Erfordernisse des Unternehmens angelegt ist. Das betriebseigene Schienennetz ermöglicht es dem Unternehmen, besondere Lasten genau zwischen den anderen betrieblichen Einrichtungen und zeitlich abgestimmt auf die betrieblichen Belange zu bewegen. Die Werksbahn ist damit selbst integraler Bestandteil der Verarbeitungs- und Produktionskette des Arbeitgebers. Unter diesen Umständen genügt nach Auffassung des Senats die Verbindung der betrieblichen Einrichtungen durch die Werksbahn, um von einem insgesamt geschlossenen bzw. zusammenhängenden Gelände des Arbeitgebers ausgehen zu können. In diesem Fall ist es unschädlich, dass die anderen betrieblichen Einrichtungen nicht direkt örtlich aneinander grenzen, solange eine Verbindung über das betriebseigene Schienennetz als einer weiteren betrieblichen Einrichtung hergestellt ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich dieses von der X AG genutzte Gebiet über mehrere Kilometer erstreckt. Aus der zitierten Rechtsprechung des BFH ergibt sich, dass eine flächenmäßige Ausdehnung eines Schienennetzes über mehrere Stadtteile der Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. eines Tätigkeitsmittelpunktes nicht entgegensteht (, BFH/NV 2015, 1084). Offen geblieben ist dabei, wo die Grenze einer großflächigen Tätigkeitsstätte zu ziehen ist bzw. ob sich eine solche Grenze überhaupt verallgemeinernd und ungeachtet der Umstände des Einzelfalls ziehen lässt. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Schienennetz schon aus geographischen Gründen als geschlossen und nicht beliebig erweiterbar erscheint (…) und nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten zeitlich innerhalb von 45 Minuten vollständig befahren werden kann, sieht der Senat noch eine Fläche gegeben, über die sich eine großflächige Tätigkeitsstätte erstrecken kann.
Gegen eine solche Auslegung des Merkmals der „ersten Tätigkeitsstätte” spricht schließlich auch nicht die Neufassung des § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a S. 3 EStG. Normiert der Gesetzgeber dort nunmehr, dass die Entfernungspauschale auch dann gelten soll, wenn eine „erste Tätigkeitsstätte” nicht vorhanden ist, der Arbeitnehmer aber nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat, so kann daraus nicht zwingend der Schluss gezogen werden, in allen Fällen einer weiträumigen Tätigkeitsstätte sei keine „erste Tätigkeitsstätte” gegeben. Entsprechend der einschlägigen Kommentarliteratur (Bergkemper, jurisPR-SteuerR 10/2013 Anm. 1; Blümich/Thürmer EStG § 9 Rn. 310-324, beck-online; Oertel in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 9 EStG, Rn. 82; Wirfler, DStR 2013, 2660, 2664) geht auch der Senat davon aus, dass der Gesetzgeber vielmehr Fälle, wie den oben beschriebenen Autobahnpolizisten, einen Förster (, BFHE 230, 533, BStBl II 2012, 32) oder Kaminkehrer (, BFH/NV 2006, 507) vor Augen hatte, in denen – auch nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung – eine „regelmäßige Arbeitsstätte” bzw. „erste Tätigkeitsstätte” nicht anzunehmen ist. Für diese Fälle stellt die Neuregelung eine Einschränkung der abziehbaren Fahrtkosten dar, da bislang ein Abzug der Fahrt-Kilometer möglich war. Im Unterschied dazu bewegt sich der Kläger aber nicht im öffentlichen Raum, sondern ausschließlich im betrieblichen Bereich. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber für solche und vergleichbare Fälle, in denen die Rechtsprechung bisher eine „regelmäßige Arbeitsstätte” ohnehin bejaht hat, nunmehr umgekehrt – gleichsam im Umkehrschluss – eine „erste Tätigkeitsstätte” verneinen, aber dennoch die Anwendung der Entfernungspauschale regeln wollte. Dafür gab es aus fiskalischer Sicht überhaupt keine Notwendigkeit. Vielmehr deuten auch die Gesetzgebungsmaterialien darauf hin, dass allein für solche Konstellationen, in denen nach bisheriger Rechtsprechung eine „erste Tätigkeitsstätte” zu verneinen war, aus Gründen der „Rechts- und Planungssicherheit” vereinheitlichend und zur Vermeidung von „Abgrenzungsschwierigkeiten” die Entfernungspauschale zur Anwendung kommen sollte (vgl. BT-Drs. 17/10774, S. 13).
2. Vor dem Hintergrund des Vorhandenseins einer „ersten Tätigkeitsstätte” können auch die vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht berücksichtigt werden. Deren Abzug setzt ebenso, wie die des weitergehenden Ansatzes der Fahrtkosten, voraus, dass eine „erste Tätigkeitsstätte” nicht vorhanden ist (vgl. § 9 Abs. 4a S. 2 EStG). Wird der Arbeitnehmer nicht auswärtig beruflich tätig, sondern, wie vorliegend, innerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte, kommt ein Abzug der Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung nicht in Betracht (vgl. § 9 Abs. 4a S. 1 EStG). Dies gilt letztlich unabhängig davon, ob dem Arbeitnehmer tatsächlich eine Möglichkeit zur Verpflegung an der Tätigkeitsstätte zur Verfügung steht (vgl. , BFH/NV 2017, 281 m.w.N.)
II. 1. Die Kostentragung des Klägers folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die Zulassung der Revision sieht der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls geboten. Soweit erkennbar, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob eine „erste Tätigkeitsstätte” auch in dem Fall anzunehmen ist, in dem die betrieblichen Einrichtungen des Klägers über ein Schienennetz verbunden sind, ohne dass die übrigen Einrichtungen für sich bereits direkt örtlich aneinander grenzen.
ECLI:DE:FGK:2018:0711.4K2812.17.00
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGK:2018:0711.4K2812.17.00
Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 1898 Nr. 22
GStB 2019 S. 117 Nr. 4
KAAAG-97749