SteuerStud Nr. 11 vom Seite 770

Mündliche StB-Prüfung 2019

Simuliertes Prüfungsgespräch zum Bürgerlichen Recht und zur AO

Andreas Pinter *

In Ergänzung zu den 100 wichtigen Fragen und Antworten zum Bürgerlichen Recht (vgl. Grädler, NWB AAAAG-92356) lesen Sie nachfolgend eine praktische Umsetzung i. R. eines simulierten Prüfungsgesprächs. Dieses simulierte Prüfungsgespräch ist aus der Auswertung von mehreren hundert Protokollen aus den letzten Jahren entstanden. In der mündlichen StB-Prüfung werden, ausgehend von zivilrechtlichen Fragestellungen, häufig auch steuerrechtliche Themen abgefragt. Die Prüfungssimulation verschafft Ihnen daher einen Überblick über typische Themenbereiche des Bürgerlichen Rechts sowie mögliche Ergänzungen aus der AO. Eine Übersicht über alle simulierten Prüfungsgespräche finden Sie am Ende dieses Beitrags. Ich wünsche Ihnen für Ihre mündliche StB-Prüfung viel Erfolg!

Beachten Sie auch unsere Fragen-Antworten-Reihe zu „nicht-steuerlichen“ Themen zzgl. Online-Training, dem SteuerStud WissensCheck. Wir starten in dieser Ausgabe mit 100 wichtigen Fragen und Antworten zum Bürgerlichen Recht (Grädler, NWB AAAAG-92356). Wichtige allgemeine Infos und Tipps gibt Vossel in seinem Leitfaden zur mündlichen StB-Prüfung 2019 ( NWB QAAAG-92355).

Prüfer: In dieser Runde wollen wir das BGB betrachten. Zunächst ganz allgemein: Wie viele Bücher hat das BGB, und wie sind die einzelnen Bücher betitelt?

Prüfling 1: Das BGB ist in fünf Bücher eingeteilt: Im ersten Buch ist der Allgemeine Teil enthalten. Das zweite Buch enthält das Schuldrecht, das dritte das Sachenrecht, im vierten ist das Familienrecht und im fünften Buch schließlich das Erbrecht geregelt.

Prüfer: Ganz genau. Welche Inhalte finden sich denn im Allgemeinen Teil?

Prüfling 1: Der Allgemeine Teil enthält Definitionen und Vorschriften zu grundlegenden Rechtsbegriffen, z. B. zur Rechts- und Geschäftsfähigkeit, zu Sachen, zur Verjährung, zu Fristen, Verträgen und zur Stellvertretung. Diese Begriffe sind grds. im gesamten Zivilrecht anzuwenden.

Prüfer: Was versteht man denn unter „Rechtsfähigkeit“ und was unter „Geschäftsfähigkeit“?

Prüfling 2: „Rechtsfähigkeit“ ist nach § 1 BGB die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. „Geschäftsfähigkeit“ ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbständig wirksam vorzunehmen. Sie ist in den §§ 104 ff. BGB geregelt.

Prüfer: Sehen wir uns gleich einen Fall an: Steuerberater Erwin Eifrig benötigt einen neuen Desktop PC und bittet einen technisch versierten Mitarbeiter, Tobias Treu, einen zu besorgen. Treu erwirbt im Elektro-Fachhandel des Niclas Neu einen Laptop für Eifrig, da er Laptops für wesentlich praktischer hält als Desktop PCs. Mit dem Laptop und der auf die Kanzlei des Eifrig ausgestellten Rechnung kehrt Treu ins Büro zurück. Eifrig ist mit dem Kauf des Laptops jedoch unzufrieden, da er einen solchen bereits hat, was Treu jedoch nicht wusste. Eifrig weigert sich daher, die Rechnung zu bezahlen. Händler Neu möchte nun von Ihnen wissen, von wem er die Bezahlung des Laptops verlangen kann.

Prüfling 3: Hier geht es um einen Anspruch des Neu gegen Eifrig auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Anspruch entstanden ist. Einen unmittelbaren Vertragsschluss zwischen Neu und Eifrig gab es nicht. Allerdings wurde Neu hier durch Treu vertreten.

Prüfer: Ja, genau. Aber Treu sollte ja keinen Laptop kaufen. Wie gehen wir damit um?

Prüfling 4: Treu hat hier seine Vertretungsmacht überschritten. Er handelte daher als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 177 BGB. Eifrig hat den Vertrag nicht genehmigt, da er keinen Laptop wollte. Damit ist kein Vertrag zwischen Neu und Eifrig zustande gekommen.

Prüfer: So ist es. Und nun? Bekommt Händler Neu kein Geld? S. 771

Prüfling 1: Wenn der Vertretene, also Eifrig, die Genehmigung des Vertrags verweigert, hat Neu gem. § 179 BGB die Wahl: Er kann von Treu entweder Erfüllung oder Schadensersatz verlangen. Neu kann daher, wenn er das möchte, von Treu die Bezahlung des Laptops verlangen.

Prüfer: Sehr gut. Wie kommt denn ein Kaufvertrag zustande?

Prüfling 1: Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande.

Prüfer: Wie können die Willenserklärungen geäußert werden?

Prüfling 1: Die Willenserklärungen können mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten, also konkludent, zum Ausdruck gebracht werden.

Prüfer: Wann wird die Willenserklärung dann wirksam?

Prüfling 1: Mit Zugang. Zugegangen ist eine Willenserklärung dann, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen und dies nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist.

Prüfer: Prima. Machen wir hier einen kurzen Ausflug ins Verfahrensrecht: Muss ein Steuerbescheid auch zugehen?

Prüfling 1: Ja, das ist eine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Bekanntgabe und damit gem. § 124 Abs. 1 AO für die Wirksamkeit des Bescheids.

Prüfer: Und wann geht er zu?

Prüfling 3: Gemäß § 122 AO immer drei Tage nach Aufgabe zur Post.

Prüfer: Tatsächlich? Was ist aber, wenn der Bescheid schon am Folgetag im Briefkasten des Stpfl. ist?

Prüfling 3: Dann ist er schon eher zugegangen. Dennoch gilt er nach der Bekanntgabefiktion des § 122 AO erst als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben.

Prüfer: Das gefällt mir schon besser. Und was passiert, wenn der Bescheid erst fünf Tage nach Aufgabe zur Post im Briefkasten des Stpfl. eintrifft?

Prüfling 1: Dann zählt das Datum des tatsächlichen Zugangs.

Prüfer: Wer muss das denn beweisen?

Prüfling 1: Im Zweifel hat die Behörde den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Allerdings muss der Stpfl. zunächst überhaupt Zweifel hervorrufen. Ein bloßes Behaupten eines späteren Zugangs genügt jedenfalls nicht.

Prüfer: Was muss der Stpfl. also tun, damit die Behörde die Beweispflicht trifft?

Prüfling 1: Er muss – i. R. seiner Möglichkeiten – substantiiert Tatsachen vortragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und deshalb Zweifel an der Zugangsvermutung begründen. Dazu gehört etwa die Angabe, wann genau die Sendung tatsächlich zugegangen ist. Womöglich ergibt sich etwas aus dem Poststempel, so dass der Briefumschlag vorgelegt werden müsste.

Prüfer: Ja, das wäre eine Möglichkeit. Kehren wir nun ins BGB zurück. Angenommen, Mitarbeiter Treu aus dem vorhin betrachteten Fall hat beim Händler Neu gleich auch noch für sich selbst ein neues Tablet erworben: Wie viele Willenserklärungen wurden denn ausgetauscht, um dieses Geschäft abzuschließen und vollständig zu erfüllen?

Prüfling 2: Es wurden insgesamt sechs Willenserklärungen abgegeben: zwei Willenserklärungen, um das Verpflichtungsgeschäft – den Kaufvertrag – zu schließen und je zwei Willenserklärungen, um die beiden Verfügungsgeschäfte (Übertragung von Eigentum an Geld und Tablet) zu schließen.

Prüfer: Könnten Sie anhand dieses Beispiels auch gleich das „Trennungsprinzip“ und das „Abstraktionsprinzip“ erläutern?

Prüfling 2: Als „Trennungsprinzip“ wird bezeichnet, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auseinander zu halten sind. Wie Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zueinander stehen, bestimmt das „Abstraktionsprinzip“. Es besagt, dass das Verfügungsgeschäft in seiner Wirksamkeit vom Verpflichtungsgeschäft unabhängig ist. Die Wirksamkeit der Übereignungen von Geld und Tablet hängt also nicht von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kaufvertrags ab.

Prüfer: Wunderbar. Bleiben wir in diesem Fall: Das Tablet geht nach drei Monaten kaputt. Welche Ansprüche hat Treu?

Prüfling 1: Dies ergibt sich aus der Aufzählung in § 437 BGB: Vorrangig ist die Nacherfüllung nach Nr. 1, d. h. Nachbesserung oder Ersatzlieferung gem. § 439 BGB, dann Rücktritt oder Minderung nach Nr. 2 und Schadensersatz nach Nr. 3.

Prüfer: Gut. Und wenn das Tablet nicht nach drei Monaten, sondern erst nach sieben Monaten kaputt geht?

Prüfling 1: Dann gilt § 477 BGB. Wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.

Prüfer: Können wir § 477 BGB denn hier anwenden?

Prüfling 3: Ja, das geht. Treu hat das Tablet für sich gekauft. Er ist Verbraucher i. S. von § 13 BGB, und damit liegt hier ein Verbrauchsgüterkauf vor.

Prüfer: Stellen Sie sich nun vor, der Händler hat in seinen AGB geregelt, dass Sachmängel nur dann geltend gemacht werden können, wenn der Käufer die gekaufte Ware unverzüglich untersucht und etwaige Mängel unverzüglich anzeigt. Hat Treu ein Problem, wenn er das nicht gemacht hat?

Prüfling 3: So etwas geht nur bei Kaufleuten.

Prüfer: Wie ist das denn bei Kaufleuten geregelt?

Prüfling 3: Es müsste ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegen. In dem Fall können gem. § 377 HGB die Sachmängelansprüche nur dann geltend gemacht werden, wenn der S. 772Käufer den Mangel rechtzeitig rügt. Unterlässt der Käufer eine rechtzeitige Rüge, verliert er seine Mängelhaftungsansprüche, wie sich aus § 377 Abs. 2 HGB ergibt.

Prüfer: Ja, richtig. Betrachten wir mal ein solches Handelsgeschäft: Ein Bauunternehmen kauft einen neuen Kran. Der ist nicht ganz billig, so dass der Verkäufer irgendwie das Risiko einer ausbleibenden Zahlung durch den Käufer absichern möchte. Nennen Sie drei mögliche Kreditsicherungsmittel.

Prüfling 4: Zunächst wäre ein Eigentumsvorbehalt gem. § 449 BGB möglich. Dabei bleibt der Verkäufer bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises Eigentümer der Kaufsache. Zahlt der Käufer nicht, kann der Verkäufer sich die Sache zurückholen.

Prüfer: Einfach so? Was heißt denn „zurückholen“? Welchen Anspruch kann er geltend machen?

Prüfling 2: Der Verkäufer muss nach § 449 Abs. 2 BGB zuerst vom Kaufvertrag zurücktreten, bevor er die Sache herausverlangen kann. Es geht hier um einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB.

Prüfer: Gut. Dann weiter mit den Kreditsicherheiten.

Prüfling 3: Denkbar wäre ein Pfandrecht.

Prüfer: Das könnte aber unpraktisch sein, oder?

Prüfling 3: Ja, der Verpfänder muss den Besitz der Pfandsache an den Gläubiger abgeben. Dadurch hat er nicht mehr die Möglichkeit, die Pfandsache – hier also den Kran – weiterhin wirtschaftlich zu nutzen.

Prüfer: Was bietet sich statt eines Pfandrechts also eher an?

Prüfling 4: Möglich wäre eine Sicherungsübereignung. Diese liegt vor, wenn eine Sache zur Sicherung einer Forderung gegen den Schuldner übereignet wird. Der Schuldner verliert sein Eigentum, behält aber den Besitz. Das ist eine Übereignung nach § 930 BGB. Der Gläubiger verpflichtet sich zur Rückübereignung, sobald seine Forderung getilgt ist.

Prüfer: Genau. Was käme noch in Betracht?

Prüfling 1: Der Käufer könnte auch einen Bürgen gem. § 765 BGB stellen. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Verkäufer, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Käufers einzustehen.

Prüfer: Und was könnte der Verkäufer machen, wenn er selbst eine Forderung gegen das Bauunternehmen hat?

Prüfling 2: Er könnte aufrechnen. Hier scheinen ja gegenseitige Forderungen vorzuliegen, die auf Geld gerichtet sind.

Prüfer: Gut. Gibt es auch bei Steueransprüchen die Möglichkeit der Aufrechnung?

Prüfling 2: Ja, da geht das auch. Das ergibt sich aus § 226 AO.

Prüfer: Wäre eine Aufrechnung auch möglich, wenn der Stpfl. dem FA Umsatzsteuer schuldet und zugleich einen Einkommensteuer-Erstattungsanspruch hat?

Prüfling 4: Das Problem könnte da zunächst in dem Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen liegen. Die Einkommensteuer steht je zur Hälfte dem Bund und den Ländern zu, was bei der Umsatzsteuer nicht der Fall ist.

Prüfer: Woraus ergibt sich das denn?

Prüfling 1: Aus dem Grundgesetz. Dort ist die Ertragshoheit geregelt.

Prüfer: Genau. Und was machen wir nun in unserem Fall?

Prüfling 1: Hier hilft § 226 Abs. 4 AO. Danach gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. Die Verwaltung von Einkommen- und Umsatzsteuer erfolgt durch die Landesfinanzbehörden, also die FÄ. Damit liegt die Gegenseitigkeit vor.

Prüfer: Gut. Was machen Sie als Stpfl. denn, wenn Sie mit der Aufrechnung durch das FA nicht einverstanden sind?

Prüfling 2: Einspruch einlegen.

Prüfer: Normalerweise ein guter Tipp für das Vorgehen gegen Maßnahmen des FA. Welches Problem liegt hier aber vor?

Prüfling 4: Die Aufrechnungserklärung des FA stellt eine behördliche Willenserklärung dar; es handelt sich also nicht um einen VA. Daher kann kein Einspruch eingelegt werden.

Prüfer: Was machen wir dann?

Prüfling 2: Man kann einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO beim FA beantragen. Darin wird darüber entschieden, inwieweit die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch bestehen oder inzwischen ganz oder teilweise – wie hier durch die Aufrechnung – erloschen sind. Der Abrechnungsbescheid ist ein VA und kann mit dem Einspruch angefochten werden.

Prüfer: Gut, so passt es jetzt. Aber wir waren zuvor bei den Kreditsicherheiten: Erklären Sie bitte kurz die Hypothek und die Grundschuld, und dabei insbesondere den Unterschied zwischen diesen beiden Sicherheiten.

Prüfling 3: Die Hypothek wie auch die Grundschuld sichern eine Geldforderung durch die dingliche Belastung eines Grundstücks. Sie sind beschränkt dingliche Rechte an einem Grundstück. Im Gegensatz zur Grundschuld ist die Hypothek allerdings akzessorisch zur ihr zugrunde liegenden Forderung. Das bedeutet, sie ist in ihrem Bestehen abhängig von der Forderung und hängt mit ihr zusammen, kann also nur zusammen mit ihr übertragen werden.

Prüfer: Ja. In diesem Zusammenhang: Wie läuft denn ein Grundstückskauf überhaupt ab?

Prüfling 3: Kauf und Eigentumsübertragung eines Grundstücks erfordern auf Ebene des Verpflichtungsgeschäfts einen notariell beurkundeten Kaufvertrag und auf der Ebene der Verfügungsgeschäfte eine notariell beurkundete Einigung über den Eigentumsübergang – die sog. Auflassung – sowie einen Eintrag des neuen Eigentümers in das Grundbuch. S. 773

Prüfer: Genau. Werfen wir nun einen Blick ins Familienrecht. Welche Güterstände kennen Sie, und welche Auswirkungen haben diese zivilrechtlich?

Prüfling 1: Das BGB bietet den Ehegatten im Wesentlichen [1] drei Güterstände zur Wahl an: die Zugewinngemeinschaft, die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft.

Prüfer: Gut, dann bitte kurz zur Zugewinngemeinschaft.

Prüfling 1: Bei der Zugewinngemeinschaft bleiben gem. § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB die Vermögen der Ehegatten getrennt. Grundsätzlich kann jeder Ehegatte sein Vermögen allein verwalten; es bestehen aber nach §§ 1364 ff. BGB Verwaltungsbeschränkungen, die dem Schutz der Familie und der Ehe dienen. Mit dem Ende der Zugewinngemeinschaft ist ein Zugewinnausgleich durchzuführen. Der erworbene Zugewinn ist dabei gem. § 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB zwischen den Ehegatten aufzuteilen, also auszugleichen.

Prüfer: Und wie funktioniert der Zugewinnausgleich?

Prüfling 2: Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den des anderen, steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu.

Prüfer: Ganz genau. Wie sieht es bei der Gütertrennung aus?

Prüfling 2: Statt des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft können die Ehepartner auch einen Güterstand vereinbaren. Eine Möglichkeit ist die Gütertrennung. Nach § 1414 BGB bleiben die Vermögen der Ehegatten getrennt; es gibt keine güterrechtlichen Ansprüche bei Beendigung des Güterstands. Erbrechtlich ist § 1931 Abs. 4 BGB zu beachten.

Prüfer: Welche Auswirkung hat denn die Zugewinngemeinschaft erbrechtlich, wenn der überlebende Ehegatte Erbe ist und nicht ausschlagen möchte?

Prüfling 3: Hier handelt es sich um die sog. erbrechtliche Lösung: Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöht sich gem. § 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel der Erbschaft. Mit diesem Viertel soll der Zugewinn während der Ehe pauschal ausgeglichen werden.

Prüfer: Ja, so ist es. Wird denn der Ehegatte überhaupt Erbe, wenn es kein Testament gibt?

Prüfling 1: Da der Ehegatte mit dem Erblasser – jedenfalls normalerweise – nicht verwandt ist, steht der Ehegatte außerhalb der Erbordnungen. Aber das gesetzliche Ehegattenerbrecht ergibt sich ausdrücklich aus § 1931 BGB.

Prüfer: Wie ist die gesetzliche Erbfolge i. Ü. ausgestaltet?

Prüfling 3: Die Regeln der §§ 1922 ff. BGB bestimmen den Personenkreis und die Reihenfolge der Erben. Die Reihenfolge der Erben wird durch die Einteilung in Erbordnungen festgelegt. Der Grad der Verwandtschaft, also die verwandtschaftliche Nähe zum Erblasser, spielt grds. keine Rolle. Grundprinzip des Ordnungssystems ist, dass jeder Verwandte einer niedrigeren Ordnung (z. B. 1. Ordnung) diejenigen einer höheren Ordnung (z. B. 2. Ordnung) von der Erbfolge ausschließt. Das ist in § 1930 BGB geregelt. Daneben gibt es – wie eben gesagt – das Ehegattenerbrecht.

Prüfer: Wie ist die Erbfolge, wenn der Ehemann verstirbt und seine Ehefrau und zwei Kinder hinterlässt?

Prüfling 1: In welchem Güterstand lebten die Ehegatten?

Prüfer: Eine gute Frage. Es war nichts vereinbart.

Prüfling 1: Wenn kein Güterstand vereinbart ist, gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Ehefrau erbt somit ein Viertel nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB und ein weiteres Viertel gem. § 1371 Abs. 1 BGB. Die Kinder erben jeweils ein Viertel gem. § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Prüfer: Und wie lässt sich diese gesetzliche Erbfolge ausschalten?

Prüfling 3: Durch die gewillkürte Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen, d. h. durch Testament, erfolgen. Eine andere Möglichkeit ist die zweiseitige Verfügung von Todes wegen, also der Erbvertrag. Die gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen vor.

Prüfer: Gehen die gesetzlichen Erben dann leer aus?

Prüfling 3: Nein, durch das Pflichtteilsrecht wird einem bestimmten Kreis von gesetzlichen Erben eine Mindestbeteiligung am Nachlass gesichert.

Prüfer: Richtig. Dabei wollen wir es angesichts der fortgeschrittenen Zeit bewenden lassen. Vielen Dank für Ihre kenntnisreichen Ausführungen!

Autor

Andreas Pinter, Dipl. Kfm., ist Rechtsanwalt in München. Darüber hinaus ist er als Dozent zu den Themen Verfahrensrecht, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Bewertungsrecht, BGB/HGB und Gesellschaftsrecht für das Steuerrechts-Institut Knoll tätig sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule für angewandtes Management in Erding bei München.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
SteuerStud-Reihe: Mündliche StB-Prüfung 2019 – Simulierte Prüfungsgespräche
Simuliertes Prüfungsgespräch zum Bürgerlichen Recht und zur AO
Simuliertes Prüfungsgespräch zur Körperschaft- und Einkommensteuer
SteuerStud 12/2018
Simuliertes Prüfungsgespräch zur AO sowie zur Umsatz- und Einkommensteuer
SteuerStud 1/2019
Simuliertes Prüfungsgespräch zum Bilanzsteuerrecht und weiteren Rechtsgebieten
SteuerStud 2/2019

Fundstelle(n):
SteuerStud 11/2018 Seite 770
KAAAG-92357

1Daneben gibt es noch den deutsch-französischen Wahlgüterstand, § 1519 BGB.