Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil v. - 6 K 1996/14

Kein Vorsteuerabzug für im Privatbereich befindliche Essgruppe

Leitsatz

Erwirbt der Unternehmer einen Esstisch mit Stühlen zur unternehmerischen Mit-Benutzung, so steht ihm der Vorsteuerabzug nicht zu, wenn das Möbel im privaten Bereich aufgestellt wird und der berufliche Nutzungsanteil unter Zurechnung der Zeiten der Nicht-Nutzung zur Privatnutzung weniger als 10% beträgt.

Die Zeiten der Nicht-Nutzung sind bei der Berechnung der Nutzungsanteile nicht außer Betracht zu lassen, sondern der nicht unternehmerischen Nutzung zuzurechnen, weil das Möbel der Möblierung der Privatwohnung dient; darin liegt auch für die Zeiten, in denen an dem Tisch weder gegessen, noch gearbeitet wird, eine nicht unternehmerische Nutzung.

Gesetze: UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UStG § 15 Abs. 1 S. 2

Tatbestand

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung eines Esstisches mit Bestuhlung.

Der Kläger betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand die gewerbliche Bauleitung ist. Er versteuert seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG.

Im Jahr 2008 erwarb er einen Esstisch und sechs Stühle zum Preis von 9.927 € (Rechnung Bl. 3/4 Prüfer-Handakte). Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung wurde mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2008 in Anspruch genommen (Bl. 64-68 PA).

Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2008, mit der der Kläger die in der Rechnung über den Erwerb des Tisches und der Stühle ausgewiesene MwSt als Vorsteuer abzog, galt als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In seinen Gewinnermittlungen für 2008 und 2009 machte der Kläger die AfA für den Tisch und die Stühle als Betriebsausgaben geltend (Büroeinrichtung).

Im Jahr 2011 führte das beklagte Finanzamt beim Kläger eine die Jahre 2007 bis 2009 umfassende Betriebsprüfung durch. Die Prüfungsergebnisse sind im Prüfungsbericht vom dargestellt.

Der Prüfer gelangte u.a. zu der Auffassung, die Aufwendungen für Büroeinrichtung könnten nicht anerkannt werden. Bei dem Tisch handele es sich um einen Esszimmertisch (Nußbaum) mit den Maßen 225 x 100 cm und sechs weiße Lederstühle. Der Holztisch sowie die Stühle befänden sich in einem zum Wohnzimmer hin offenen Esszimmer und stellten keine Büroeinrichtung dar; die Anschaffungskosten seien Kosten der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 EStG (Tz. 1.9 des Prüfungsberichts). Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung für die Anschaffung des Tisches und der Stühle wurde versagt (Tz. 3.1 des Prüfungsberichts).

Das beklagte Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am u.a. einen geänderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid für 2008.

Die dagegen gerichteten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger erhob sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid als auch den Umsatzsteuerbescheid für 2008 Klage. Das Klageverfahren u.a. wegen Einkommensteuer 2008 wurde unter dem Aktenzeichen 5 K 1196/13 geführt und mit Urteil vom entschieden. Bezüglich des Streitpunktes "AfA auf Büroeinrichtung" wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zur Begründung wurde im Urteil vom - 5 K 1196/13 ausgeführt, einer anteiligen Berücksichtigung stehe § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegen. Obiter dictum wurde ausgeführt, der betrieblichen Nutzung der Einrichtungsgegenstände komme nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Nach den vorgelegten Unterlagen "Arbeiten im Esszimmer" (Bl. 42 - 49 Akte 5 K 1196/13) betreffend das Jahr 2008 habe der Kläger den Tisch nur an 191 Stunden für betriebliche Arbeiten genutzt, so dass der betriebliche Nutzungsanteil unter 10% liege. Im Übrigen ergebe sich aus den Aufzeichnungen, dass der Kläger im Jahr 2008 allenfalls an vier Terminen jeweils von einer Einzelperson aufgesucht worden sei. Somit sei nicht nachvollziehbar, inwieweit vier der sechs angeschafften Stühle überhaupt betrieblich genutzt worden sein könnten.

Das Klageverfahren betreffend die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 ruhte im Einverständnis der Beteiligten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens 5 K 1196/13.

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens trägt der Kläger zur Begründung seiner Klage vor, die Gründe zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs seien auf den Vorsteuerabzug nicht übertragbar.

Der Kläger habe nachgewiesen, dass er die angeschafften Gegenstände zu 3/7 beruflich nutze. Die nachgewiesenen Nutzungsstunden ins Verhältnis zu den jährlichen Arbeitsstunden zu setzen, wie es der 5. Senat getan habe, mache keinen Sinn. Aus der vorgelegten Liste ergebe sich, dass mindestens an 65 Tagen im Jahr mit und auf diesen Arbeitsmitteln gearbeitet worden sei. Ausgehend von den von der Verwaltung zugrunde gelegten möglichen 180 Arbeitstagen im Jahr entspreche dies einer unternehmerischen Nutzung von 36,11%. Dabei seien die Termine außer Haus noch nicht berücksichtigt, um die die 180 Tage zu mindern seien. Der Ansatz von 3/7 sei somit das Minimum.

Außer Acht gelassen worden sei auch, dass der Kläger seinen Beruf ohne dieses Möbel in dem vorhandenen Umfang gar nicht ausüben könnte. Die Tischgruppe stelle die einzige Möglichkeit dar, die Pläne und Akten zu bearbeiten und Besprechungen abzuhalten. Einen Schreibtisch in der erforderlichen Größe habe der Kläger nicht erwerben können; einzig dieser Tisch sei groß genug gewesen.

Eine nicht unternehmerische Nutzung sei nur an den Wochenenden möglich, da die Ehefrau des Klägers außer Haus berufstätig sei und der Kläger im Haus und auf den Baustellen arbeite. Andere Personen seien nicht im Haushalt.

Das Arbeitszimmer sei winzig und für die Bearbeitung von Bauakten und Durchführung von Besprechungen nicht geeignet (siehe dem Schriftsatz vom beigefügte Fotos). Selbst der Betriebsprüfer habe es abgelehnt, dort die Prüfung durchzuführen. Es gebiete die Vernunft, in einem solchen Fall betrieblich genutzte Gegenstände im Wohnraum unterzubringen.

Die auf dem Tisch befindliche Tischdecke diene in erster Linie dem Schutz des Tisches vor Kratzern.

Soweit der Beklagte Zeiten der Nicht-Nutzung umsatzsteuerlich der privaten Nutzung zuordne, fehle es hierfür an einer Rechtsgrundlage.

Dass es sich bei dem Tisch um ein notwendiges Betriebsmittel handele, ohne das der Kläger nicht einen jährlichen Umsatz von 220.000 € erzielen könne, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb sei der Umfang der unternehmerischen Nutzung irrelevant, solange keine wesentliche private Nutzung vorliege. Zum Essen werde der Tisch vom Kläger und seiner Ehefrau allenfalls am Wochenende genutzt; diese geringfügige private Nutzung sei unerheblich.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 1.584,98 € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend vor, es gebe keine objektiven Kriterien, die den Umfang der betrieblichen Nutzung belegten. Eine Nachprüfung der Darlegungen des Klägers sei nicht möglich. Eine gelegentliche betriebliche Nutzung der Tischgruppe lasse deren Eigenschaft als Gegenstand der privaten Lebensführung unberührt.

Nach der vorgelegten Aufstellung zur betrieblichen Nutzung sei der Tisch in der Zeit vom - an 191 Stunden für betriebliche Zwecke genutzt worden. Für die übrige Zeit sei eine private Verwendung anzunehmen. In diesem Zeitraum seien nur vier Termine mit je einem Besucher angegeben. Für vier von sechs Stühlen ergebe sich somit überhaupt keine betriebliche Nutzung. Für den Tisch ergebe sich eine betriebliche Nutzung von 2,9%. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gelte die Lieferung des Tisches als nicht für das Unternehmen ausgeführt.

Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass bei vollem Vorsteuerabzug die private Verwendung als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern wäre.

Das Gericht hat die Prozessakten 5 K 1196/13 beigezogen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Tisches und der Stühle nicht zu, da die Lieferung gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht als für sein Unternehmen ausgeführt gilt.

Soweit der Tisch einkommensteuerrechtlich unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG fällt, steht dies der umsatzsteuerlichen Zuordnung zum Unternehmen nicht entgegen. Voraussetzung für die Zuordnung ist aber eine mindestens 10%ige unternehmerische Nutzung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG).

Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für den Vorsteuerabzug ist Art. 168 lit. a) MwStSystRL. Art. 168 MwStSystRL enthält keine Einschränkung dergestalt, dass ein Gegenstand mindestens in einem bestimmten Umfang unternehmerisch verwendet werden muss. Die nationale Regelung beruht jedoch auf einer Ermächtigung gem. Art. 27 der 6. EGRL vom bis Ende 2009, also auch das Streitjahr 2008 umfassend. Auf der Grundlage des Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL wurde die Ermächtigung weiter verlängert, zunächst bis 2012 und zuletzt bis 2015.

Die EuGH-Vorlage des ) betrifft die Frage der Reichweite der Ermächtigung in Bezug auf die Verwendung für nicht wirtschaftliche Tätigkeiten und ist somit für den Streitfall nicht einschlägig Die Wirksamkeit der Ermächtigung für die - im Streitfall vorliegende - private und damit unternehmensfremde Verwendung wird vom BFH nicht in Frage gestellt.

Soweit der Kläger eine unternehmerische Nutzung von 3/7 behauptet, kann dem nicht gefolgt werden.

Der Senat schließt sich insoweit der Sichtweise des 5. Senats in seinem Urteil vom - 5 K 1196/13 an. Die dort ausgeführten Grundsätze, dass bei einem Gegenstand, der seiner Art nach zur privaten Nutzung bestimmt ist, die Zeiten der Nicht-Nutzung nicht außer Betracht bleiben können, sondern der privaten Nutzung zuzurechnen sind, gelten nach Auffassung des Senats gleichermaßen für die Umsatzsteuer. Es handelt sich ungeachtet der Notwendigkeit unternehmerischer Nutzung mangels einer geeigneten Alternative um Mobiliar, das der Einrichtung eines privaten Raumes dient. Ein Gegenstand wie ein in einem privaten Raum befindlicher Tisch mit Stühlen kann nicht einem Gegenstand, der seiner Art nach sowohl für unternehmerische als auch private Nutzung geeignet und bestimmt ist, gleich gestellt werden. Denn auch in den Zeiten der "Nicht-Nutzung" dient der Tisch der Einrichtung des privaten Zimmers und damit einem privaten - nicht unternehmerischen - Zweck. Auch die Höhe der Kosten lässt darauf schließen, dass für die Anschaffung nicht nur Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgeblich waren, sondern dass der Kläger den privaten Raum nach seinem Geschmack möblieren wollte. Unternehmerischen Zwecken dient der Gegenstand - hier Tisch - somit nur während der Dauer der unternehmerischen Verwendung.

Damit beträgt die unternehmerische Nutzung auf der Grundlage der Berechnungen des Klägers 2,9%.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass - wenn der Berechnung des Klägers zu folgen wäre - im Umfang der nicht unternehmerischen Nutzung von 4/7 eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern wäre (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG). Bemessungsgrundlage sind gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG die Kosten, soweit sie zum Vorsteuerabzug berechtigt haben; nach Satz 3 dieser Vorschrift ist der Zeitraum gem. § 15a UStG maßgeblich für die Verteilung der Anschaffungskosten. 4/7 der Netto-Anschaffungskosten betragen 4.766,87 €, verteilt auf fünf Jahre ergibt dies eine Bemessungsgrundlage von 953,37 € jährlich. Die Umsatzsteuer hierauf beträgt 181,14 €, der anteilige Betrag für das Streitjahr 135,86 €.

Zu Recht hat im Übrigen der 5. Senat in seinem Urteil vom ausgeführt, dass für die berufliche Nutzung von mehr als zwei Stühlen kein Anhaltspunkt ersichtlich sei. In der Rechnung ist nur ein Gesamtpreis für die Ess-Gruppe ausgewiesen. Die Preise für die Stühle hätten also im Schätzungswege heraus gerechnet werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 8 Nr. 2
DStRE 2017 S. 232 Nr. 4
KSR direkt 2016 S. 12 Nr. 4
KAAAF-69849