Kindergeld; Mehraktige einheitliche Erstausbildung zur Bankbetriebswirtin – Zwischenzeitliche Vollzeiterwerbstätigkeit nach Abschluss der Ausbildung zur Bankkauffrau
Leitsatz
Bei der von vorneherein angestrebten Weiterbildung einer Bankkauffrau zur Bankbetriebswirtin im Rahmen eines zum nächstmöglichen Zeitpunkt begonnenen berufsbegleitenden Studiums handelt es sich noch um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung, während der der Kindergeldanspruch nicht durch die nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen wird.
Für die Feststellung der von vorneherein bestehenden Absicht der Weiterbildung zur Bankbetriebswirtin kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und zu welchem Zeitpunkt der Familienkasse eine entsprechende schriftliche Erklärung übermittelt worden ist (entgegen DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 Satz 8).
Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, EStG § 32 Abs. 4 Satz 2, EStG § 32 Abs. 4 Satz 3
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kindergeld für die Tochter A , geb. .. 1992.
Die Tochter des Klägers befand sich vom bis in der Ausbildung zur Bankkauffrau. Am teilte der Kläger der Familienkasse mit, das Ausbildungsverhältnis sei beendet.
Am beantragte der Kläger Kindergeld für die Tochter ab Mai 2014. Sie befinde sich in der Ausbildung zum Bachelor in Finance & Management bis August 2018. Es wurde angegeben, die Tochter habe eine erstmalige Berufsausbildung im Januar 2014 als Bankkauffrau abgeschlossen, Berufsziel sei der Dipl.-Bankbetriebswirt. Sie sei mit 39 Stunden wöchentlich bei der Bbank in () tätig. Eingereicht wurde eine Bestätigung der C School of Finance & Management, wonach A an der berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahme Bankfachwirt vom bis erfolgreich teilgenommen habe, hierzu habe sie sich am angemeldet. Diese Maßnahme werde nur einmal jährlich im Frühjahr angeboten. Seit wurde von der C School of Finance & Management eine Studienbescheinigung für die Tochter des Klägers im Fach Finance & Management mit dem Abschlussziel Bachelor of Arts ausgestellt.
Die Beklagte lehnte den Kindergeldantrag am ab.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. A habe ihr angestrebtes Berufsziel (Dipl. Bankbetriebswirt) noch nicht erreicht.
Die Beklagte wies den Einspruch am als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor,
nach dem Schulabschluss habe die Tochter eine Ausbildung zur Bankkauffrau bis Januar 2014 absolviert. Danach habe sie sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt () bei der C School of Finance & Management angemeldet, um einen Studienplatz für das Studium des Bankfachwirts zu erhalten. Dies habe sie vom bis absolviert. Daran habe sich das Studium der Bankbetriebswirtin am sowie das Studium zur Dipl.-Bankbetriebswirtin und Bachelor in Finance & Management bis angeschlossen. Die IHK-Prüfung habe sie nicht absolviert, da ihr klar gewesen sei, dass sie für ihr berufliches Ziel einen höherwertigen Abschluss benötige. Daher habe sie auch keine zweijährige Berufspraxis nachweisen müssen. Bereits am habe sie an einer internen Informationsveranstaltung zum Thema „Berufsbegleitendes Studium” bei der Bbank teilgenommen. Sie habe zudem interne Weiterbildungen gemacht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für die Tochter
A für den Zeitraum Mai 2014 bis Januar 2017
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für die Tochter A zu.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Die Tochter des Klägers befand sich bis Januar 2017 in der Erstausbildung zur Dipl.-Bankbetriebswirtin. Mit der Ausbildung zur Bankkauffrau lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor.
Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152; vom XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat ( BFHE 253,145, BStBl II 2016, 615). Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand „Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung” nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152). Ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. , BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152).
Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH aaO.). Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein (BFH aaO.). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH aaO.).
Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich hier daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich (Tätigkeit in einer Bank) beziehen und nach den Ausbildungs- und Studienplänen aufeinander aufbauen. Für den zeitlichen Zusammenhang reicht es aus, dass die Ausbildung zur Bankkauffrau, sodann zur Bankfachwirtin und danach zur Bankbetriebswirtin im direkten Anschluss erfolgt sind.
Angestrebtes Berufsziel der Tochter des Klägers war eine Tätigkeit als Firmenkundenberaterin einer Bank. Dafür ist zunächst die Ausbildung zur Bankkauffrau, dann zur Bankfachwirtin und im Folgenden zur Bankbetriebswirtin erforderlich. Die Möglichkeit, für dieses Berufsziel unmittelbar nach dem Abitur eine duale Ausbildung aufzunehmen, besteht nicht. Nach der schlüssigen und glaubhaften Aussage der Zeugin hatte sie sich nach dem Abitur für einen Ausbildungsplatz bei der Bank beworben, weil sie aufgrund von Praktika während der Schulzeit die Tätigkeit bei der Bank bereits kennengelernt hatte. Während der Ausbildung konkretisierte sich ihr Berufsziel dahingehend, dass sie im Firmenkundenbereich tätig bleiben wollte, so dass sie unmittelbar an die Ausbildung zur Bankkauffrau ohne Ablegung der IHK-Prüfung zum frühestmöglichen Termin das Studium aufnahm.
Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger in seiner Erklärung gegenüber der Beklagten zunächst selbst davon ausging, nach Beendigung des ersten Studienabschnittes und mit Aufnahme der Berufstätigkeit durch die Tochter stehe ihr kein Kindergeld mehr zu. Entgegen der Verwaltungsauffassung in DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 S. 8, nach der Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse gelten, genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind, , juris. Zwar kann der Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet worden ist, ein Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung.
Danach steht es hier dem Anspruch nicht entgegen, dass der Kläger zunächst selbst erklärt hat, die Ausbildung der Tochter sei beendet und den Antrag auf Kindergeld erst wesentlich später gestellt hat. Dies beruht offensichtlich auf einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage, ändert aber nichts daran, dass die Tochter, wie sie glaubhaft versichert hat, von vorne herein eine Tätigkeit als Bankbetriebswirtin im Firmenkundenbereich angestrebt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2018 S. 3292
IAAAG-97968