FG Münster Beschluss v. - 12 V 1479/05 G,U,F

Aussetzung der Vollziehung: Hinzuschätzung mangels Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in Gastronomiebetrieb (Eiscafé und Pizzeria)

Leitsatz

Im summarischen Verfahren ist eine Hinzuschätzung von Einnahmen und Umsätzen nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Außenprüfung festgestellt wird, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, weil die Kassenführung schwerwiegende Mängel aufweist.

Gesetze: AO § 162 Abs 2, AO § 158, AO § 147 Abs 1 Nr 5, AO § 147 Abs 1 Nr 1, FGO § 69

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

Die Gesellschafter der Antragstellerin (Astin.) betreiben in Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem Namen „A“ einen gastronomischen Betrieb (Eiscafé und Pizzeria). Anlässlich einer im Jahr 2004 für die Streitjahre 2001 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) traf der Antragsgegner (Ag.) Feststellungen, aufgrund derer der Buchführung der Astin. für die Streitjahre die Ordnungsmäßigkeit versagt wurde. Insbesondere wurde die Kassenführung als nicht ordnungsgemäß bewertet. Wegen der Einzelfeststellungen wird auf Tz. 2.3 des Prüfungsberichts vom verwiesen. Im Hinblick auf Erkenntnisse aus einem äußeren und inneren Betriebsvergleich nahm der Ag. Zuschätzungen vor, die zu Gewinn- und Umsatzerhöhungen führten. Auf die Darstellung in Tz. 2.4 und 2.5 des Bp-Berichts wird Bezug genommen.

Die Einsprüche der Astin. blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung - EE - vom ). Über die hiergegen erhobene Klage der Astin. ist bisher nicht entschieden worden (Az. des Finanzgerichts Münster 12 K 1010/05 G, U, F).

Die Astin. beantragt,

die geänderten Bescheide für die Festsetzung der Umsatzsteuer, Gewerbesteuermessbeträge 2001 bis 2003 und die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2001 bis 2003 in der Vollziehung auszusetzen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom Bezug genommen.

Wegen der Begründung wird auf die Klageschrift vom in dem Verfahren 12 K 1010/05 G, U, F verwiesen.

Der Antrag ist nicht begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die u. a. Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Hierbei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsstreit summarisch zu prüfen. Für eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) brauchen die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen. Allerdings begründet eine vage Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 FGO.

Hiernach sind die Voraussetzungen für eine AdV der strittigen Steuerbescheide nicht gegeben. Die Rechtmäßigkeit der Bescheide ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Schätzung des Ag. ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.

Nach § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist zu schätzen, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige zu führen hat, der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. Nach § 158 AO gilt die Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung nur, wenn die Buchführung den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entspricht.

Die Buchführung der Astin. ist schon deshalb nicht ordnungsgemäß, weil ihre Kassenführung unter schwerwiegenden Mängeln leidet. Im Einzelnen:

  1. Die Tagesendsummenbons sind nicht aufbewahrt worden. Diese gehören zu den nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufzubewahrenden Unterlagen; denn sie sind für die Besteuerung der Astin. von Bedeutung. Dem Vorbringen der Astin., die Registrierkasse Marke ADS-Anker sei als Kellnerkasse nur sporadisch im Einsatz gewesen, folgt der Senat nicht. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass eine Registrierkasse zwar angeschafft wird, ihre technischen Möglichkeiten, kassentypische Abschlussarbeiten vorzunehmen und Kontrollen durchzuführen, aber nicht genutzt werden.

  2. Das von den Gesellschaftern der Astin. geführte DATEV-Kassenbuch erfüllt nicht die Anforderungen, die an ordnungsgemäße Kassenberichte zu stellen sind. Die erklärten Kasseneinnahmen sind nicht aus den Beständen unter Hinzurechnung der Ausgaben und Abzug der Einlagen ermittelt worden. Sie sind das Ergebnis von Berechnungen. Dies gilt auch für die Kassenberichte ab Februar 2001. Der Ag. hat in dem Bp-Bericht und der EE zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tageseinnahmen regelmäßig in vollen 10 bzw. 5 DM- bzw. EUR-Beträgen erklärt worden sind, während die Kassenbestände auch Pfennig- und bzw. Cent-Beträge ausweisen. Dies weist darauf hin, dass die Tageseinnahmen geschätzt wurden und die Kassenbestände nach Hinzurechnung von Ausgaben und Entnahmen ungerade Beträge ergaben. Wenn, wie die Astin. behauptet, bei der Auszählung der Kasse Pfennigbeträge nicht mitgezählt worden wären, hätte das dazu führen müssen, dass nicht die Tageseinnahmen, sondern die Kassenbestände runde Beträge ausgewiesen hätten.Bei dieser Sachlage ist die Schlussfolgerung des Ag. zutreffend, dass kein regelmäßiger Kassensturz (Soll-Ist-Vergleich) erfolgt ist. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass die Tageseinnahmen durchgängig volle DM- bzw. EUR-Beträge, meistens sogar volle 5 DM oder 10 DM- bzw. EUR-Beträge betragen haben.

  3. Nach Aktenlage hat die Astin. keine Inventuren durchgeführt. Nach den Feststellungen der Bp wurde der Warenbestand von der Astin. zum auf 1.500,00 EUR geschätzt. Die Inventuraufzeichnungen gehören zu den nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahrenden Unterlagen.

Bei dieser Sachlage ist der Buchführung der Astin. die Ordnungsmäßigkeit zu versagen, ohne dass die Feststellungen des Ag. zu den Ausgabebuchungen vor und nach den jeweiligen Zahlungstagen im Einzelnen gewürdigt werden müssen.

Die Schätzung ist bei summarischer Prüfung auch der Höhe nach rechtmäßig. Der Ag. hat für die Streitjahre 2001 und 2002 einen äußeren Betriebsvergleich unter Zugrundelegung der Mittelwerte der Richtsatzsammlung für Pizzerien von 285 % durchgeführt. Diese Schätzungsmethode ist nicht zu beanstanden. Der innere Betriebsvergleich hätte einen Rohgewinnaufschlagssatz von 305,6 % gerechtfertigt. Denn dieser Aufschlagssatz ließ sich aus dem Jahr 2003 herleiten.

Die Behauptung der Astin., der in 2003 gestiegene Rohgewinnaufschlagssatz von 305,6 % sei durch den gestiegenen Eisverkauf im warmen Sommer 2003 verursacht worden, wird durch die in der Buchführung festgehaltenen Wareneinkäufe nicht belegt. Das Sachkonto 3303 „Eis, Sonstiges“ weist für das Jahr 2003 einen Wareneinkauf aus, der nur etwa 1/3 des Wareneinkaufs des Jahres 2002 ausmacht. Die übrigen einschlägigen Wareneinkäufe sind etwa gleichbleibend geblieben.

Das Vorbringen der Astin., dass ihr Unternehmen nicht ein Pizzabetrieb im herkömmlichen Sinne sei, ist bisher nicht nachvollziehbar konkretisiert worden. Nach den vorliegenden Speisekarten, die ausschließlich klassische Gerichte wie Pizzen, Nudeln und Salate umfassen, und dem Warengruppenbericht des Prüfers vom , in dem Pizzen 43,1 % und Nudeln 14,63 % des Umsatzes ausmachen, ist die Zuordnung der Gastronomie der Astin. zu dem Bereich Pizzerien zutreffend erfolgt. Im Übrigen ist den Unwägbarkeiten dieser Zuordnung dadurch Rechnung getragen worden, dass bei der Zuschätzung der mittlere Rohgewinnaufschlagssatz für Pizzerien angewandt worden ist. Demgegenüber wären nach den Richtsatzsammlungen für Eisdielen mittlere Rohgewinnaufschlagssätze von 317 % anzusetzen.

Hinsichtlich der Einlassungen der Astin. zu den Sachentnahmen, den Schankverlusten sowie der Personalbeköstigung schließt sich der Senat den Ausführungen des Ag. in dem Schriftsatz vom in dem Verfahren 12 K 1010/05 G, U, F, zu denen sich die Astin. nicht mehr geäußert hat, an.

Der Sicherheitszuschlag für das Streitjahr 2003 von netto 5.000,00 EUR ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Er entspricht 3,25 % des erklärten Umsatzes und ist angesichts der Mängel der Kassenführung angemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGMS:2005:0630.12V1479.05G.U.F.00

Fundstelle(n):
IAAAG-47167