Abgeltungssteuer bei mittelbarer Beteiligung an Kapitalgesellschaft
Leitsatz
Von einer Kapitalgesellschaft an eine mittelbar beteiligte Person gezahlte Kapitalerträge unterliegen nicht der tariflichen Einkommensteuer, sondern der Abgeltungssteuer.
Gesetze: EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, EStG § 32d Abs. 1 Satz 1, EStG § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Strittig ist, ob Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG mit 25 % oder nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG in Höhe der tariflichen Einkommensteuer zu besteuern sind, wenn die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bloß mittelbar gehalten wird.
Beide miteinander verheirateten Kläger verkauften mit Notarvertrag vom ihren Eigentumsanteil an dem Grundstück I-Straße Hausnummer in M mit aufstehender und vermieteter Gewerbehalle für 2.494.800 € an die L GmbH. Der zum fällig gestellte Kaufpreis wurde im Kaufvertrag in ein unkündbares Darlehen mit einem Jahreszinssatz von 3 % und einer jährlichen Zins- und Tilgungsrate von 100.000 € umgewandelt. Ein Sondertilgungsrecht war vereinbart. Zur Sicherung des Kaufpreisanspruches wurden die in Abteilung III laufende Nr. 1 und Nr. 2 eingetragenen und nicht mehr valutierenden Grundschulden in Höhe von insgesamt 1.500.000 DM (= 766.938 €) an die Kläger abgetreten. Außerdem unterwarf sich die L GmbH der sofortigen Vollstreckung aus dem Notarvertrag. Sofort fällig werden sollte der Restkaufpreis u. a., wenn der Grundbesitz ohne Zustimmung des Verkäufers veräußert oder belastet werden würde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Notarvertrag vom verwiesen.
Im Streitjahr 2011 beliefen sich die Zinszahlungen der L GmbH an die Klägerin und den Kläger jeweils auf rund 6.629 €, insgesamt also auf einen Betrag in Höhe von rund 13.258 € (Blatt 20 Rücks. und 22 ESt-A/2011). Die Gutschrift erfolgte laut Abschlusskonto mit der Nr. 1700 (sonstige Verbindlichkeiten) am (Blatt 73 PA).
Die Zinszahlungen der L GmbH ordneten die Kläger in ihrer Steuererklärung zunächst den Kapitalerträgen zu, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen (Blatt 4 ESt-A/2011).
Der Beklagte folgte dieser Erklärungsangabe im Einkommensteuerbescheid vom . Ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 98.222 € setzte er die Einkommensteuer für 2011 unter Zugrundelegung einer Tarifbelastung von 25,426 % auf einen Betrag in Höhe von 34.529 € fest (Blatt 28-34 ESt-A/2011).
Ihren mit Fax vom erhobenen Einspruch begründeten die Kläger damit, an der L GmbH nicht direkt, sondern lediglich mittelbar beteiligt zu sein. Hauptgesellschafterin der L GmbH mit einem Anteil von 94 % sei die F Verwaltungs GmbH (nachfolgend kurz F GmbH genannt). An der F GmbH seien sie jeweils zu mehr als 10 % beteiligt. Die Zinseinnahmen unterlägen deshalb der (nur 25 % betragenden) Abgeltungssteuer, da durch § 32 d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Anwendung der Abgeltungssteuer bei einer bloß mittelbaren Beteiligung nicht ausgeschlossen werde.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2012 (Blatt 43/44 Einspruchsentscheidung) aus folgenden Gründen zurück: Die Kläger seien zwar nicht direkt, wohl aber über die F GmbH mittelbar an der L GmbH beteiligt gewesen. Bis zum seien der Kläger mit 54,33 % und die Klägerin mit 10,86 % an der F GmbH beteiligt gewesen. Danach habe sich die Beteiligung des Klägers und der Klägerin an der F GmbH jeweils auf 22,80 % gemindert. Über die 94-prozentige Beteiligung der F GmbH seien die Kläger somit zunächst mit 51,07 % (Kläger) bzw. 10,21 % (Klägerin) und danach mit jeweils 21,43 % an der L GmbH mittelbar beteiligt gewesen. Diese mittelbare Beteiligung sei nach dem (IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl I 2012, 953, dort TZ 137) bei der Berechnung der 10-prozentigen Beteiligungsgrenze i. S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 2011 einzubeziehen. Von daher unterlägen die Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom verwiesen.
Mit ihrer Klage halten die Kläger an ihrer im Verwaltungsverfahren geäußerten Auffassung fest, dass die von der L GmbH gezahlten Zinsen der Abgeltungssteuer unterliegen. Hierzu haben sie ergänzend vorgetragen:
§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG regele den Fall, dass die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft ausgezahlt werden, an der der Anteilseigner zu mindestens 10 % beteiligt sei. Bei dieser Gesetzesformulierung seien mittelbare Beteiligungen eindeutig nicht gemeint. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen bei mittelbarer Beteiligung, denen bei unmittelbarer Beteiligung gleichstellen wolle, tue er dies ausdrücklich im Gesetzestext. Dies sei beispielsweise bei den Vorschriften § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG so. Hätte der Gesetzgeber auch mittelbare Beteiligungen durch die Vorschrift erfassen wollen, hätte er dies wie in den anderen Vorschriften auch, ausdrücklich geregelt. Nach alledem sei die Vorschrift eindeutig. Es bedürfe keiner weiteren Auslegung mehr, auch nicht durch ein BMF-Schreiben.
Im Verlauf des Klageverfahrens wurde die Einkommensteuerfestsetzung für 2011 durch Bescheid vom - aus hier nicht im Streit befindlichen Gründen - auf 38.244 € erhöht (Blatt 17-22 PA).
Erbvertragliche Erben des am verstorbenen Klägers sind dessen Töchter C. F. und S. L. (Blatt 30-45 PA); die Rechtsnachfolger werden vom bisherigen Verfahrensbevollmächtigten des Erblassers ebenfalls vertreten (Blatt 51/52 PA).
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid vom in der Fassung vom 24. September 2013 zu ändern und die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um insgesamt 13.258 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.
1. Der im Notarvertrag vom durch Umwandlung des Kaufpreisanteils vereinbarte Darlehensvertrag hält einem anzustellenden Fremdvergleich stand.
a) Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können (vgl. , BStBl II 1996, 34). Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2 BvR 769/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1992, 23; vom 1 BvR 1406/84, HFR 1985, 283). Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 der Abgabenordnung und § 76 Abs. 1 FGO. Er ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat, ob aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten bzw. familiären Gründen (vgl. z. B.: , BFH/NV 2014, 529).
Auch im vorliegenden Fall fehlt es an dem bei fremden Dritten üblicherweise gegebenen Interessensgegensatz, weshalb ein Fremdvergleich anzustellen ist. Zwar waren die Kläger keine Gesellschafter der L GmbH. Dadurch, dass sie an der F GmbH beteiligt waren und diese wiederum 94 % der Anteile an der L GmbH hielt, ist vorliegend aber von einem erheblichen Interessensgleichlauf wie bei nahen Angehörigen auszugehen, aufgrund dessen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Darlehenshingabe letztlich in der wirtschaftlichen Betätigung der Kläger zu sehen war.
b) Ob ein Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden (vgl. z. B.: , BFH/NV 2003, 1542). Voraussetzung ist, dass die Vereinbarung klar und eindeutig ist, der gesetzlich vorgeschriebenen Form genügt und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung der Vereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. z. B.: , BStBl II 2000, 393). Demgemäß ist bei Darlehensverträgen die Fremdüblichkeit anhand der Vereinbarung über die Laufzeit und Rückzahlbarkeit des Darlehens, der regelmäßigen Entrichtung der Zinsen sowie der Darlehensbesicherung zu überprüfen (vgl. z. B.: z. B.: , BFH/NV 1999, 780; , Juris). Wird das Darlehen zwischen volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Verwandten vereinbart und "dem Anlass nach wie von einem Fremden" gewährt (z.B. zur Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes), ist es nach der Rechtsprechung aber unschädlich, dass es unter im Einzelnen anderen Bedingungen als unter Fremden überlassen wird, soweit es sich nicht um eine verschleierte Schenkung oder um einen Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten handelt (vgl. z. B.: , BStBl II 1991, 838; , BFH/NV 1994, 460). Auch in den Fällen der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern ist eine Gesamtwürdigung der schuldrechtlichen Darlehensvereinbarungen erforderlich. Von entscheidender Bedeutung für die ertragsteuerliche Anerkennung ist bei einer derartigen Fallgestaltung aber weniger der Fremdvergleich der einzelnen Klauseln des Darlehensvertrags als vielmehr die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung (, BStBl II 2014, 374 m. w. N.).
An diesen Grundsätzen gemessen lassen weder die Gestaltung des Darlehensvertrags noch dessen Durchführung einen steuerlichen Missbrauch erkennen.
aa) In Anbetracht dessen, dass das Darlehen über einen Betrag in Höhe von 2.494.800 € unkündbar gewährt wurde und jährlich 100.000 € zu zahlen waren, hatte das Darlehen eine vertragliche Laufzeit von über 24 Jahren. Ein solch langfristiges Darlehen hätte eine Bank nur gegen eine Gestellung von ausreichenden Sicherheiten gewährt (siehe dazu z. B.: , BStBl II 1991, 291). Wenn gleich auch den Klägern zur Absicherung des Rückzahlungsanspruches lediglich Grundschulden in einer Gesamthöhe von umgerechnet 766.938 € abgetreten wurde, ist aufgrund der Besonderheit des Falles dennoch von einer ausreichenden Besicherung auszugehen. Die Gefahr der nicht vollständigen Rückzahlung des Darlehens war im Hinblick darauf, dass der Kaufpreis für den Fall der Veräußerung oder Belastung sofort fällig gestellt worden ist (Blatt 67 PA) und die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger im Zeitpunkt der Darlehensgewährung die Mehrheitsanteile an der F GmbH hielten, als vernachlässigbar gering einzustufen. Denn aufgrund ihrer Mehrheitsanteile an der F GmbH hatten die Kläger die Möglichkeit, jederzeit nach Belieben auf die Entscheidungen der Darlehensnehmerin, der L GmbH, einzuwirken und wären so in der Lage gewesen, einer Gefährdung des Rückzahlungsanspruches rechtzeitig begegnen zu können. Der spätere Verlust der Mehrheitsanteile der Kläger an der F GmbH im November 2011 hatte an der fehlenden Gefährdung des Rückzahlungsanspruches der Kläger nichts geändert, denn im Hinblick auf die bis dahin geleisteten Zahlungen der L GmbH in Höhe von 1.015.617,61 € (Blatt 80-85 (PA) und der Abtretung eines Teils der Darlehensforderung in Höhe von 1.300.000 € an die F GmbH zum (Blatt 83 PA) war die verbleibende Darlehensschuld der L GmbH den Klägern gegenüber so weit zurückgeführt, dass die abgetretenen Grundschulden in einer Gesamthöhe von umgerechnet 766.938 € eine mehr als ausreichende Sicherheit für die verbliebene Darlehensschuld darstellten.
bb) Bedenken an der Fremdüblichkeit ergeben sich auch nicht im Hinblick darauf, dass der am geborene (Blatt 1a ESt-A 1011) frühere Kläger im Jahr des Abschlusses des Darlehensvertrages bereits 68 Jahre alt war.
Hierin könnte nur dann eine versteckte Schenkung oder eine missbräuchliche Gestaltung gesehen werden, wenn der Darlehensschuldner letztlich nicht wirtschaftlich belastet wäre (siehe dazu z.B.: , BFH/NV 1997, 404). Davon kann im Streitfall aber keine Rede sein. Die L GmbH war sowohl zur Zinszahlung als auch zur Rückzahlung des gewährten Darlehens verpflichtet. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger nach der am veröffentlichten Sterbetafel (BStBl I 2010, 1288) bei Abschluss des Darlehensvertrages eine statistische Lebenserwartung von rund 15 Jahren hatte. Trotz dieser unter der vertraglichen Laufzeit des Darlehens liegenden Lebenserwartung des Klägers bestand für die L GmbH eine wirtschaftliche Belastung, und zwar deswegen, weil die zum Todeszeitpunkt verbliebene Darlehensforderung nicht auf die L GmbH, sondern laut Erbvertrag vom (Blatt 41-45 PA) auf die beiden Töchter des Klägers als dessen Erbinnen übergingen.
cc) Zudem bewegten sich die Zinsen der Höhe nach in einer Spannweite, die fremden Dritten untereinander für langfristige Darlehen vereinbarten.
Laut Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank lag der Zinssatz für Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist im April 2006 bei 1,99 % und für Baugeld bei einer Laufzeit von über 10 Jahren bei 4,56 % (www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Geld und Kapitalmärkte/Zinssätze und Renditen/Einlagen und Kreditzinssätze).
dd) Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Fremdüblichkeit deshalb, weil die "… Zinsen … jeweils dem am 31.12 eines jeden Jahres noch offenen Darlehensbetrag zugerechnet …" (Zitat aus Ziffer IV Nr. 3 a. E. des Notarvertrages) werden sollten.
Ein Stehenlassen von Zinsen selbst bis zum Ende der vereinbarten Anlagedauer ist zwischen fremden Dritten nicht unüblich, wie das Beispiel der auf- oder abgezinsten Sparbriefe zeigt. Stellt man des Weiteren nicht allein auf das Interesse des Schuldners an der Erlangung zusätzlicher Mittel außerhalb der Bankfinanzierung ab, sondern bezieht man - wie hier - auch das Interesse des Gläubigers an einer gut verzinslichen Geldanlage in die Betrachtung mit ein, zeigt sich die Darlehensvergabe angesichts der attraktiven Verzinsung in Zeiten einer langanhaltenden Niedrigzinsphase als fremdübliche Verteilung der Vertragschancen und -risiken, solange nur gewährleistet ist, dass die vereinbarten Zinsen letztlich tatsächlich in das Vermögen des Darlehensgläubigers überführt werden (vgl. dazu z. B.: , BStBl II 2014, 374). Davon ist im Streitfall auszugehen, denn die L GmbH zahlte die angefallenen und gutgeschriebenen Zinsen ausweislich der Erklärungsangaben der Kläger für 2009 und 2010 jährlich aus.
ee) Obwohl die Tilgung von 2010 bis 2013 aufgrund der vorherigen Tilgungen vorübergehend ausgesetzt wurde, ist der Darlehensvertrag dennoch vereinbarungsgemäß durchgeführt worden.
Zwar sieht der Darlehensvertrag keine Tilgungsaussetzung im Falle von Sondertilgungen vor. Jedoch nimmt der erkennende Senat im Hinblick darauf, dass die Kläger ihren Anspruch auf Tilgung weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend machten, eine schlüssig erklärte Vertragsanpassung an, auf die sich ein fremder Dritter (beispielsweise eine fremdfinanzierende Bank) wegen der nach damaligen Verhältnissen attraktiven Verzinsung ebenfalls eingelassen hätte.
2. Nach alledem erzielten die Kläger aus dem Darlehen an die L GmbH steuerlich anzuerkennende Kapitalerträge, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung unterliegen.
a) Soweit diese Kapitalerträge von der Klägerin erwirtschaftet wurden, sind sie nach § 25 Abs. 1 Satz 1 EStG mit dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25% zu besteuern.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist dieser gesonderte Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen.
aa) Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG u. a. dann nicht, wenn die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist.
An der die Zinsen zahlenden L GmbH war die Klägerin indes nicht unmittelbar beteiligt, sondern bloß mittelbar über ihre 10,86-prozentige Beteiligung an der F GmbH.
bb) Ob nur die unmittelbare Beteiligung oder daneben auch die bloß mittelbare Beteiligung in die Berechnung der Mindestbeteiligung i. S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG einzubeziehen ist, liegt im Streit. Soweit ersichtlich wird lediglich von der Finanzverwaltung im (IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, a. a. O., dort unter TZ 137) ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, dass die mittelbare Beteiligung in die Berechnung der Mindestbeteiligung von 10 % einzubeziehen sei. Unter Hinweis darauf, dass die mittelbare Beteiligung in der Nr. 3 und nicht in der Nr. 2 Buchst. b Satz 1 des § 32d Abs. 2 EStG ausdrücklich genannt ist, herrscht in der Literatur demgegenüber die Meinung vor, dass eine mittebare Beteiligung nicht ausreichen würde (vgl. z. B.: Blümich/Werth, EStG, 126. A. 2015, § 32d TZ 76; Oelerich in Bordewin/Brandt, EStG, Loseblattsammlung Stand August 2014, § 32d TZ 64; Baumgertel/Lange in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Loseblattsammlung Stand Januar 2010, § 32d TZ 21; Korn/Koss, EStG, Loseblattsammlung Stand Januar 2015, § 32d TZ 53; Kirchhof/Lamprecht, EStG, 14. A. 2015, § 32d TZ 12). Der erkennende Senat schließt sich der Literaturmeinung aus den nachfolgenden Gründen an.
Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. z. B.: , BFH/NV 2015, 881; Drüen in Tipke/Kruse, FGO, Loseblattsammlung Stand Oktober 2011, § 4 TZ 232; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Da der Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG bei isolierter Betrachtung weder für die eine noch für die andere Auffassung spricht, muss die Frage der Tarifbelastung durch Auslegung geklärt werden.
Für die Literaturmeinung spricht bereits die systematische Auslegung der Norm. Wenn der Gesetzgeber in ein und derselben Norm zum einen den Begriff der "Beteiligungen" (so Nr. 1b Satz 1 des § 32d Abs. 2 EStG) und zum anderen den Begriff der "mittelbare Beteiligung" gebraucht (so Nr. 3 Satz 1 des § 32d Abs. 2 EStG), ist in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die beiden Begriffe gerade nicht bedeutungsgleich, sondern unterschiedlich verwendet. Wenn das Gesetz von "Beteiligungen" spricht, meint es in der Regel nur die "unmittelbare Beteiligungen". Sollen die "mittelbaren Beteiligungen" den "unmittelbaren Beteiligungen" gleich gestellt werden, so bedarf es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, es sei denn, dass sich die Gleichstellung aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift eindeutig ergibt (vgl. z. B.: , BStBl III 1967, 32; , BStBl II 1974, 645; , BStBl II 2004, 616). Aus dem Gesetzeszweck lässt sich eine Gleichstellung der "mittelbaren Beteiligung" mit der "unmittelbaren Beteiligung" jedoch nicht herleiten. Nach der Gesetzesbegründung ist "… Die Ausnahme … geboten, um Gestaltungen zu verhindern, bei denen auf Grund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z. B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungssteuersatz reduziert wird. …" (Zitat aus BR-Drucks. 220/07, Seite 97). Dieser Gesetzeszweck erlaubt es nicht, die "mittelbare Beteiligung" der "unmittelbaren Beteiligung" gleichzustellen, denn es geht um unterschiedliche Sachverhalte. Anders als der unmittelbar Beteiligte müsste der bloß mittelbar Beteiligte für eine missbräuchliche Umpolung von Einkünften in Kapitaleinkünfte auf die Willensbildung nicht nur bei einer Gesellschaft, sondern bei zwei Gesellschaften Einfluss nehmen, was ungleich schwerer ist. Für die Nichtgleichstellung der "mittelbaren Beteiligung" und "unmittelbaren Beteiligung" spricht schließlich auch die rechtssystematische Auslegung. Rechtssystematisch betrachtet handelt es sich beim § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG um eine Ausnahmevorschrift von der besonderen Tarifbelastung für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG; Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich eng auszulegen (vgl. dazu z. B.: , BStBl II 1987, 259; , BStBl II 2009, 216; , BStBl II 2014, 600).
b) Hingegen ist die Klage des Klägers unbegründet.
aa) Nach Satz 2 des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahe stehende Person ist. Gleiches gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind.
Was unter den Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Nach dem Wortsinn fallen hierunter alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt. Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BT-Drucks 16/4841, S. 61). Zwar enthält die Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG keine entsprechenden Ausführungen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei dieser Regelung ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichen soll, um ein Näheverhältnis zu begründen (, BStBl II 2014, 995; ).
bb) Legt man diese Definition des Begriffs der "nahe stehenden Person" zugrunde, ist der Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b bzw. a EStG erfüllt.
Im Streitfall lag zwischen dem Kläger und der L GmbH nämlich ein Beherrschungsverhältnis vor. Ein Beherrschungsverhältnis setzt voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (, BStBl II 2014, 986; , a. a. O.). Das ist hier der Fall. Aufgrund seiner Beteiligung an der F GmbH mit 54,33 %, die wiederum mit 94 % an der L GmbH beteiligt war, konnte der Kläger einen beherrschenden Einfluss sowohl auf die F GmbH als auch auf die L GmbH ausüben, denn er hatte die Mehrheitsanteile an der beherrschenden Kapitalgesellschaft und der beherrschten Kapitalgesellschaft.
Dieses Ergebnis ist nach Ansicht des erkennenden Senats im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz vorgeprägt. Andernfalls käme man zu dem verfassungsrechtlich nicht haltbaren Ergebnis, dass derjenige, der an der zinsauszahlenden Kapitalgesellschaft mit mehr als 10 % unmittelbar beteiligt ist und auf die Entscheidungen der Gesellschaft nur möglicherweise einwirken kann, aus dem Anwendungsbereich der Abschlagsteuer herausfallen würde, während derjenige, der wie der Kläger aufgrund seiner Beteiligungsquoten einen beherrschenden Einfluss auf die Entscheidungen der Kapitalgesellschaft tatsächlich ausüben kann - wenn auch mittelbar - den günstigeren Abschlagssteuersatz erhalten würde. Für eine solche Ungleichbehandlung lässt sich kein Rechtfertigungsgrund finden.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 FGO Nr. 1 FGO zugelassen worden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2016 S. 8 Nr. 50
DStRE 2017 S. 271 Nr. 5
EFG 2015 S. 1711 Nr. 20
EStB 2016 S. 72 Nr. 2
ErbStB 2015 S. 295 Nr. 10
GStB 2016 S. 104 Nr. 3
GmbH-StB 2015 S. 295 Nr. 10
KSR direkt 2016 S. 12 Nr. 2
KÖSDI 2015 S. 19592 Nr. 12
IAAAF-00513