BFH Urteil v. - VI R 29/96

Leitsatz

Möchte das FG von der in der amtlichen AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter zugrundegelegten Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes (hier: Computer) generell und nicht nur wegen der Besonderheiten des Einzelfalles abweichen, erfordert dies eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnisgrundlagen der Finanzverwaltung, auf denen die AfA-Tabelle beruht.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6EStG § 7 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist von Beruf Biologe und Chemiker; er ist bei der A in B beschäftigt. Er erwarb im Oktober des Streitjahres 1991 einen Computer zum Preise von 5.578 DM. Es handelt sich um einen sog. 386er PC mit 4 MB RAM sowie 80 MB Festplattenspeicher. Die Anlage war u. a. mit der sog. Windows-Oberfläche sowie einem Lotushilfsprogramm "Magellan", einem Color-Bildschirm und einem Laserdrucker ausgestattet. Der Kläger ging in seiner Einkommensteuererklärung 1991 von einer Nutzungsdauer des Computers von drei Jahren aus und machte eine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 929 DM (wegen der Anschaffung in der zweiten Jahreshälfte) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging demgegenüber von einer Nutzungsdauer von fünf Jahren aus und gewährte einen AfA-Betrag in Höhe von 464,50 DM.

Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage begehrte der Kläger den Abzug der bisher geltend gemachten AfA; hilfsweise sei er bereit, eine vierjährige Nutzungsdauer zu akzeptieren. Dazu trug er u. a. vor, er erledige umfangreiche und schwierige Dienstangelegenheiten auf dem angeschafften System, dessen Leistungsgrenze schon lange erreicht und sogar schon überschritten sei. Inzwischen erfolgte Instandsetzungsarbeiten wegen Störungen in der Software zeigten, daß eine wirtschaftlich vertretbare Nutzung bei etwa drei Jahren läge. Alle wichtigen Anwendungsprogramme und Hardware-Produkte würden laufend überarbeitet und verbessert.

Das Finanzgericht (FG) gewährte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 851 veröffentlichten Gründen den Abzug einer AfA auf der Grundlage einer Nutzungsdauer des Computersystems von vier Jahren.

Das FA begehrt mit der vom FG wegen Divergenz zum (BFH/NV 1995, 1062) zugelassenen Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Der BFH sei davon ausgegangen, daß ein beruflich genutzter Personal-Computer grundsätzlich über einen Zeitraum von fünf Jahren abzuschreiben sei und daß die rasche Neuentwicklung im Computerbereich es nicht rechtfertige, die amtliche AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (Teil D V) generell nicht anzuwenden.

Der Kläger tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Gründe

Gründe:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts von dem Zeitraum abhängt, in dem das Wirtschaftsgut rentabel genutzt werden kann. Hierauf haben Einfluß der technische Wandel und der Fortschritt bei der Entwicklung der entsprechenden Wirtschaftsgüter. Zur Beweiserleichterung im Bereich der Sachverhaltsermittlung und der Verfahrensökonomie hat die Finanzverwaltung die AfA-Tabelle herausgegeben, um einen Anhalt dafür zu geben, ob die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts zutreffend geschätzt worden ist (vgl. , BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000, unter II. 5. 6. der Entscheidungsgründe). Ungeachtet der Frage, ob die AfA-Tabelle von den Steuergerichten zu respektieren ist, erfordert eine Abweichung von ihr eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnisgrundlagen der Finanzverwaltung für die in der AfA-Tabelle aufgestellte Nutzungsdauer des entsprechenden Wirtschaftsguts. Insoweit erweist sich die Vorentscheidung als rechtsfehlerhaft. Das FG hat keine ausreichenden Umstände dargelegt, die geeignet wären, die Vermutung der Richtigkeit der amtlichen AfA-Tabelle zu widerlegen (BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 1062). Der Vorentscheidung kann nicht entnommen werden, daß die amtliche AfA-Tabelle für das Streitjahr 1991 nicht auf Erfahrungswissen beruht und eine offensichtlich unzutreffende Schätzung der Nutzungsdauer von Personal-Computern beinhaltet. Soweit das FG davon ausgeht, daß die rasche technische Entwicklung der Personal-Computer es rechtfertige, die wirtschaftliche Nutzungsdauer generell mit weniger als fünf Jahren anzusetzen, hat es nicht beachtet, daß auch die Finanzverwaltung den raschen technischen Fortschritt der Personal-Computer bei der Aufstellung der AfA-Tabelle und bei der generellen Schätzung der Nutzungsdauer von fünf Jahren einbezogen hat.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG zu prüfen haben, ob die Besonderheiten des Streitfalles ein Abweichen von der AfA-Tabelle rechtfertigen, weil objektiv nachprüfbare Gründe für eine kürzere als die amtlich vorgesehene fünfjährige Nutzungsdauer sprechen. Sollte das FG weiterhin davon ausgehen, daß die amtliche AfA-Tabelle nicht anzuwenden ist, weil die Nutzungsdauer von Personal-Computern im Streitjahr 1991 bereits generell weniger als fünf Jahre betragen hat, so wird es dies nach vorheriger entsprechender Anhörung der Finanzverwaltung ausführlich zu begründen haben (vgl. insoweit auch das BFH-Urteil in BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000, unter II. 8. der Entscheidungsgründe).

Fundstelle(n):
BFH/NV 1997 S. 288
BFH/NV 1997 S. 288 Nr. -1
IAAAA-97344