Sächsisches FG Urteil v. - 3 K 511/17 EFG 2018 S. 1259 Nr. 15

Zufluss des Arbeitslohns bei Erhalt von Tankgutscheinen vom Arbeitgeber für mehrere Monate im Voraus

Leitsatz

1. Bei Tankgutscheinen, die der Arbeitnehmer bei einer Mineralölgesellschaft gekauft und den Arbeitnehmern zugewendet hat, handelt es sich um Sachbezüge i. S. v. § 8 Abs. 2 S. 9 EStG (in der vor 2014 gültigen Fassung) bzw. 8 Abs. 2 S. 11 EStG (in der ab 2014 gültigen Fassung), die bis zu 44 EUR im Kalendermonat steuerfrei sein können; insoweit handelt es sich um eine Freigrenze.

2. Werden dem Arbeitnehmer Tankgutscheine für mehrere Monate im Voraus zugewendet, ist ihm der gesamte Sachbezug auch dann bereits bei Erhalt der Gutscheine und nicht erst bei Einlösung des jeweiligen Gutscheines an der Tankstelle zugeflossen, wenn der Arbeitnehmer nach schriftlichen Vorgaben des Arbeitgebers in einem Merkblatt zum Einlösen der Gutscheine „pro Monat immer nur einen Gutschein im Gesamtwert von maximal 44 EUR einlösen” darf.

Gesetze: EStG 2014 § 8 Abs. 2 S. 11, EStG 2014 § 11 Abs. 1 S. 1, EStG 2014 § 37b, EStG 2014 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG 2012 § 8 Abs. 2 S. 11

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Zufluss von Arbeitslohn bei Ausgabe von Tankgutscheinen.

Die Klägerin wandte ihren Arbeitnehmern in den Streitjahren für besondere Leistungen jährlich einmalig auf freiwilliger Basis mehrere Tankgutscheine jeweils im Wert von EUR 44 (Tankkarten) zu, die nicht personengebunden waren und die keine technische Beschränkung zur Einlösung zu bestimmten Zeitpunkten enthielten. Die Klägerin erwarb diese Tankgutscheine zuvor bei einer Mineralölgesellschaft bei sofortiger Zahlung des Kaufpreises.

Bei Übergabe der Gutscheine an die Mitarbeiter wurden diese darauf hingewiesen, dass nur ein Tankgutschein monatlich eingelöst werden darf, damit die Zuwendung sozialversicherungs- und steuerfrei ist. Die Klägerin legt exemplarisch ein Anschreiben an einen Mitarbeiter vor, in dem es u.a. heißt: „Als Dankeschön erhalten Sie deshalb für 8 Monate monatlich Tankgutscheine im Wert von je 44,00 EUR das entspricht einem Gesamtwert von 352,00 EUR. Diese Warengutscheine sind ausschließlich für eine Sache, in Ihrem Fall für das Betanken Ihres Kraftfahrzeuges, zu beanspruchen. Nur in diesem Fall kommt die 44 EUR Sachbezugsgrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG zur Anwendung”. In einem Merkblatt zum Einlösen der Tankgutscheine heißt es: „Vorteil hierbei ist, dass diese Tankgutscheine monatlich bis zu einem Betrag von 44 EUR sozialversicherungsfrei und steuerfrei sind. Hierbei ist allerdings unbedingt zu beachten, dass der Wert des einzulösenden Tankgutscheines pro Monat 44 EUR nicht überschreitet, da sonst die Sozialversicherungsfreiheit und Steuerfreiheit entfällt. …Sie dürfen pro Monat immer nur einen Gutschein im Gesamtwert von maximal 44 EUR einlösen”.

Die Arbeitnehmer waren ferner angewiesen, die bei der Betankung der Privatfahrzeuge erhaltenen Quittungen mit Namen bis spätestens zum Monatsletzten bei der Klägerin einzureichen. Der Beleg diene als Nachweis, dass der Arbeitnehmer nur einmal im Monat für den Gesamtbetrag von 44 EUR getankt habe. Im Einzelnen wird auf das exemplarisch vorgelegte Anschreiben vom nebst Merkblatt Bezug genommen (Blatt 5, 6 Rechtsbehelfsakte).

Die Klägerin ließ die Zuwendung der Tankgutscheine bei der Lohnsteuer außer Ansatz. Eine bei der Klägerin durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung stellte zwar fest, dass abgesehen von einem Ausnahmefall entsprechend den Vorgaben der Klägerin verfahren worden sei, sah den Gesamtbetrag der Tankgutscheine aber als in dem Moment als zugeflossen an, in dem sie dem Arbeitnehmer überreicht würden, daher sei die Hingabe der Tankgutscheine nachzuversteuern und zwar pauschal nach § 37b EStG mit 30 % von

2012:

2013:

2014:

Mit dem angefochtenen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 vom … setzte der Beklagte – das Finanzamt – Nachforderungsbeträge iHv. insgesamt EUR fest (hiervon streitig EUR). Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass die Tankgutscheine ausschließlich aus betriebsorganisatorischen Gründen einmalig ausgehändigt würden und von den Mitarbeitern nur ein Tankgutschein monatlich eingelöst würde, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom…).

Hiergegen richtet sich die am … erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, sie habe durch Information und verbindliche Anweisung der begünstigten Arbeitnehmer und durch Überwachung der Einreichung der Tankquittungen sichergestellt, dass die begünstigten Arbeitnehmer nur einen Tankgutschein monatlich in Anspruch nähmen. In einem Ausnahmefall, in dem sich ein Arbeitnehmer hieran nicht gehalten habe, seien lohnsteuerrechtliche Folgerungen gezogen worden. Somit sei den Arbeitnehmern in tatsächlicher Hinsicht erst mit Einlösung der Gutscheine die Leistung des Arbeitgebers zugeflossen. Das Versprechen der Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern sei vorliegend auf die Verschaffung eines einmaligen monatlichen geldwerten Vorteils von 44 EUR gerichtet gewesen.

Dies unterscheide den Streitfall zum Urteil des BFH zu den Jahresnetzkarten (), bei dem den Arbeitnehmern die Nutzungsmöglichkeiten einer entsprechenden Jahresnetzkarte ohne betragsmäßige Limitierung eingeräumt worden seien.

Bei den überlassenen Prepaid-Karten handele es sich auch nicht um scheckähnliche frei handelbare oder gegen Entgelt eintauschbare Zahlungsmittel, die bei den Arbeitnehmern im Zeitpunkt ihrer Übergabe eine Bereicherung auslösten. Vielmehr sei wegen der gesonderten Absprachen und Limitierung ein etwaiger Bereicherungsanspruch der Arbeitnehmer auf maximal 44 EUR begrenzt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Veranlagungszeiträume 2012, 2013 und 2014 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuerbeträge um diejenigen aus dem angeblichen Zufluss von Arbeitslohn aus der Überlassung von Tankgutscheinen in folgender Höhe herabgesetzt werden:

2012:

2013:

2014:

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Sachbezugsfreigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG sei im Streitfall überschritten. Der Zufluss von Arbeitslohn erfolge nach den Lohnsteuerrichtlinien (R 38.2 Abs. 3 Satz 1) bei einem Gutschein, der bei einem Dritten einzulösen sei, mit Hingabe des Gutscheins, weil der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt einen Rechtsanspruch gegenüber einem Dritten erhalte. Es obliege allein der Entscheidung des Arbeitnehmers, wann er die Gutscheine einlöse. Er könne sich – wie tatsächlich geschehen – entscheiden, pro Monat mehrere Gutscheine einzulösen. Die Worte „dürfen” und „unbedingt” bezögen sich nur auf die Frage der Sozialversicherungs- und Steuerfreiheit, nicht aber auf eine zivilrechtliche, ggf. disziplinarisch relevante Beschränkung der Verfügungsmacht über die hingegebenen Gutscheine. Die Hingabe mehrerer Gutscheine sollte nicht mehrere laufende Monatslöhne erhöhen, sondern eine Prämierung im Wege einer Einmalzahlung für im Vorjahr erbrachte Leistungen sein, wie sich aus dem Anschreiben an die Arbeitnehmer ergebe. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme es nicht auf den Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheines an.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Steuerakten, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Finanzamt war berechtigt, die auf die Tankgutscheine entfallende Lohnsteuer nach § 37b EStG pauschal zu berechnen und bei der Klägerin nachzufordern. Denn die Sachzuwendungen waren als lohnsteuerpflichtig zu behandeln.

1. Steuerpflichtiger Arbeitslohn iSd. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, zu dem alle im Rahmen dieser Einkunftsart zufließenden Einnahmen in Geld oder Geldeswert gehören (§ 8 Abs. 1 EStG), sind auch Sachbezüge. Diese bleiben nach § 8 Abs. 2 Satz 11 (bis Satz 9) EStG außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 EUR im Kalendermonat nicht übersteigen. Es handelt sich nach allgemeiner Auffassung um eine Freigrenze, d.h. die Steuerfreiheit entfällt, wenn diese Grenze überschritten wird. Eine Übertragung der Freigrenze auf den Folgemonat ist nicht möglich, ebenso nicht die Hochrechnung auf einen Jahresbetrag (vgl. m.w.N. Krüger in L. Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 8 Rz. 68).

Bei Tankgutscheinen handelt es sich – zwischen den Beteiligten unstreitig – um Sachbezüge in diesem Sinne (vgl. , BFH/NV 2011, 589; vom VI R 27/09, BStBl. II 2011, 386).

2. Im Streitfall überstiegen die den Arbeitnehmern der Klägerin zugewandten Sachbezüge die in § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG festgelegte Grenze, da die Tankgutscheine für mehrere Monate den Arbeitnehmern der Klägerin bereits bei Hingabe zugeflossen sind und nicht – wie die Klägerin meint – erst bei Einlösung des jeweiligen Gutscheines an der Tankstelle.

Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. mwN , BStBl. II 2007, S. 719).

Bei der Hingabe von Gutscheinen für bei einem Dritten zu beziehende Güter (Kraftstoff) erfolgt der Zufluss beim Arbeitnehmer bereits mit Hingabe des Gutscheines, da der Arbeitnehmer bereits in diesem Zeitpunkt über den Gutschein verfügen kann, ohne dass der Arbeitgeber hierauf noch eine Einflussmöglichkeit hat. Der nicht personengebundene Tankgutschein stellt eine Art Wertpapier dar, mit dem der Arbeitnehmer ohne Zutun des Arbeitgebers grundsätzlich nach Belieben verfahren kann.

Der Fall liegt anders als bei Gutscheinen, die beim Arbeitgeber selbst einzulösen sind und bei denen dem Arbeitnehmer lediglich ein Anspruch gegen den Arbeitgeber zusteht, den der Arbeitgeber noch in einem zweiten Schritt erfüllen muss oder die Erfüllung noch verweigern kann und mithin seine Verfügungsmacht noch nicht verloren hat. In diesen Fällen tritt ein Zufluss grundsätzlich erst mit Einlösung des Gutscheines ein (vgl. mwN , BStBl. II 2007, S. 719 – Jahresnetzkarte; , BFH/NV 2013, S. 126). Dabei hat der BFH es im Urteil VI R 89/04 (aaO) allerdings als bereits für den Zufluss ausreichend angesehen, dass der Begünstigte mit der Jahresnetzkarte ein verbrieftes Recht über den Beförderungsanspruch erhalten hatte und einzelne Fahrten weder anzeigen noch hierfür einen gesonderten Fahrschein lösen musste. In der Entscheidung IX R 55/10 hat der BFH ausgeführt, dass der Zufluss möglicherweise anders zu beurteilen sei, wenn ein Dreipersonenverhältnis vorliegt, die Gutscheine also nicht beim Arbeitgeber einzulösen sind. In diesen Fällen kommt es nach Überzeugung des erkennenden Senats darauf an, ob zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten Absprachen bestanden, die ein Einlösen von Gutscheinen im Wert von mehr als EUR 44 je Monat verhinderten.

Im Streitfall hatte die Klägerin nach Übergabe der Gutscheine rechtlich keinen Einfluss, wie der Gutschein verwendet wird, insbesondere wann er eingelöst wird. Die Tankkarten enthielten auch – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat – keine technischen Vorrichtungen, die eine Einlösung der Gutscheine nur zu bestimmten Zeitpunkten erlaubten.

3. Die Erlangung der Verfügungsmacht bei Hingabe der Gutscheine wird nicht infrage gestellt durch die Hinweise, die die Klägerin ihren Arbeitnehmern über die Einlösung der Gutscheine erteilt hat. Die Klägerin hat die begünstigten Arbeitnehmer nicht arbeitsrechtlich verpflichtet, nur einen Gutschein monatlich einzulösen. Die Arbeitnehmer hatten keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu gewärtigen, wenn sie von der empfohlenen Verfahrensweise abwichen, sie hätten lediglich die steuerlichen Konsequenzen hieraus zu tragen gehabt. Dies hindert einen Zufluss nicht, sondern stellt eine Verwendung des zugewandten Vorteils dar. Ob arbeitsrechtlich drohende Sanktionen der Annahme eines Zuflusses entgegenstünden, bedarf daher hier keiner Entscheidung.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 18/2018 S. 846
EFG 2018 S. 1259 Nr. 15
KÖSDI 2018 S. 20900 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2018 S. 2232
HAAAG-86267