LAG Nürnberg Urteil v. - 4 Sa 564/16

Leitsatz

Leitsatz:

Erklärt der Arbeitnehmer bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers - hinsichtlich der vereinbarten Karenzentschädigung - und ergebnisloser Nachfristsetzung, sich künftig nicht mehr an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden zu fühlen, kann hierin eine rechtsgeschäftlich relevante Rücktrittserklärung gesehen werden. Diese beseitigt den Anspruch auf die Karenzentschädigung mit Wirkung "ex nunc".

Gesetze: HGB § 74; BGB § 323

Instanzenzug:

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Karenzentschädigung für den Zeitraum Februar 2016 bis einschließlich April 2016.

Der Kläger war seit bei der Beklagten als "Beauftragter technische Leitung" zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 € beschäftigt.

Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund einer ordentlichen Eigenkündigung des Klägers zum .

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom lautet unter Ziff. IX auszugsweise wie folgt:

"IX. Wettbewerbsverbot

Geltungsbereich

(a) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich für die Dauer von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für kein Unternehmen tätig zu werden, das mit den Firmen der G...-Gruppe in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder hieran zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen.

...

Karenzentschädigung

(a) Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes verpflichtet sich die Firma dem Arbeitnehmer monatlich für diese Zeit eine Entschädigung in der Höhe von 50% der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge zu zahlen.

(b) Die Karenzentschädigung ist am Schluss des jeweiligen Monats fällig.

...

Der Kläger bezog ab ein Arbeitslosengeld von kalendertäglich EUR 82,74.

Mit E-Mail vom (Kopie Bl. 41 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Auszahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar auf und setzte hierfür eine Frist bis .

Er verfasste unter dem Datum folgende weitere E-Mail an die Beklagte:

"Guten Abend Herr M...,

bezugnehmend auf Ihre E-mail vom sowie das Telefonat mit Herrn B... möchte ich Ihnen mitteilen, dass Ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.

Der abgeschlossene Arbeitsvertrag vom zwischen der G... AG und meiner Person ist Bestandteil meiner E-mail vom und der damit nicht eingehaltenen Karenzentschädigung.

Des Weiteren würde ich Sie bitten, mir mein zustehendes Arbeitszeugnis bis zum zukommen zu lassen

Mit freundlichen Grüßen

(...)"

Der Kläger begehrt mit seiner am beim Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - eingereichten Klage die Auszahlung einer Karenzentschädigung von EUR 10.120,80 brutto zuzüglich von Zinsen.

Er trägt vor, dass er sich nicht einseitig vom Wettbewerbsverbot losgesagt, sondern sich an die Bestimmungen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gehalten und im maßgeblichen Zeitraum nur Arbeitslosengeld bezogen habe.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Endurteil vom der Klage stattgegeben.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Telefax vom Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom begründet.

Die Beklagte meint, der Kläger habe per E-Mail vom wirksam den Rücktritt von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot erklärt. Sie habe sich bezüglich der Karenzentschädigung für den Monat Februar in Zahlungsverzug befunden und ihr sei von dem Kläger mit E-Mail vom eine Zahlungsfrist gesetzt worden. Aufgrund ihrer Weigerung, dem Zahlungsverlangen nachzukommen, habe der Kläger in seiner E-Mail vom erklärt, sich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden zu fühlen. Hierin sei eine rechtsgeschäftlich relevante Rücktrittserklärung zu sehen. Damit entfällt der Anspruch des Klägers auf eine Karenzentschädigung, zumindest für die Zukunft.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom , Az.: 6 Ca 498/16, wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, er habe zu keiner Zeit beabsichtigt, sich vom Wettbewerbsverbot loszusagen oder zurückzutreten. Bei seiner E-Mail habe es sich lediglich um eine "Trotzreaktion" ohne Rechtsbindungswillen gehandelt, welche die Beklagte dazu habe bewegen sollen, nunmehr endlich die Karenzentschädigung auszuzahlen. Er habe sich in der Folgezeit an das Wettbewerbsverbot gehalten und keinen Wettbewerb ausgeübt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist teilweise sachlich begründet.

Dem Kläger steht aufgrund des von ihm am rechtswirksam erklärten Rücktritts vom vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nur für die Zeit vom bis eine Karenzentschädigung in Höhe von EUR 4.244,20 brutto zuzüglich von Zinsen zu. Hinsichtlich der überschießenden Klageforderung ist auf die Berufung der Beklagten das Ersturteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Die Beklagte schuldet dem Kläger für die Zeit ab dem aufgrund des vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes die im Vertrag festgeschriebene Karenzentschädigung von monatlich EUR 3.373,60 brutto.

Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

2. Der Kläger hat sich mit seiner E-Mail vom rechtswirksam von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot für die Zukunft losgesagt und damit eine rechtsgeschäftliche Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB abgegeben. Diese bringt mit ihrem Zugang an die Beklagte das dem Kläger auferlegte nachvertragliche Wettbewerbsverbot zum Wegfall und gleichzeitig auch seinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung.

Die wörtliche Erklärung, dass er sich nicht mehr "an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle", gab der Kläger in Zusammenhang mit der nicht erfolgten Auszahlung der für Februar fälligen Karenzentschädigung seitens der Beklagten ab. Dies erfolgte im Nachgang seiner Fristsetzung zum in der E-Mail vom .

Die Aussage, sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot "gebunden zu fühlen", bedeutet, dass der Kläger die eingegangene vertragliche Verpflichtung nicht mehr als für ihn verbindlich betrachtet und künftig - rechtlich ungebunden - selbst bestimmen will, ob er Wettbewerb ausübt oder nicht.

Die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff BGB) finden auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich Anwendung (vgl. - AP Nr. 42 zu § 74 HGB). Damit ist auch eine Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB für den Fall möglich, dass sich die Gegenseite mit einer Hauptleistung aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in Verzug befindet. Soweit sich aus dem Charakter dieser Wettbewerbsverbote als Dauerschuldverhältnis Besonderheiten ergeben, kann dem dadurch Rechnung getragen werden, dass der Rücktritt seine Wirkung nur "ex nunc" entfaltet (so - LAGE Nr. 8 zu § 935 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts gem. § 323 Abs. 1 BGB sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 seit dem in Verzug, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Kläger hat ihr mit seiner E-Mail vom eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, die verstrichen ist. Nach eigenem Sachvortrag des Klägers haben Vertreter der Beklagten nach erfolgter Fristsetzung die Bewirkung der geforderten Leistung ernsthaft und endgültig gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB verweigert.

Damit stellt sich die Erklärung des Klägers in seiner E-Mail vom als rechtsgeschäftlich relevante Reaktion auf die von der Beklagten begangenen Pflichtverletzung dar.

Als unverbindliche "Trotzreaktion" durfte die Beklagte die Erklärung des Klägers nicht gem. § 133 BGB auffassen. Die Erklärungen des Klägers in seinen E-Mails vom 01. und orientierten sich nämlich stringent an dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages und den gesetzlichen Vorgaben und waren nicht geeignet, Zweifel an seinem rechtsgeschäftlichen Willen zu begründen.

Mit seiner Lossagung reagierte der Kläger auf die ihm gegenüber zuvor erklärte verbindliche Leistungsverweigerung. Sie war nicht darauf gerichtet, diesen Willensentschluss der Beklagten zu korrigieren.

3. Für die Zeit des vom Kläger befolgten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vom 01.02. bis errechnet sich ein Hauptsachebetrag von insgesamt EUR 4.244,20 brutto.

Aus den Teilbeträgen von EUR 3.373,60 und EUR 870,60 schuldet die Beklagte den gesetzlichen Zinssatz, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ab dem jeweiligen vertraglich vereinbarten Fälligkeitstermin.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Revision ist für den Kläger zuzulassen, denn die Anforderungen an eine vom Arbeitnehmer abgegebene Rücktrittserklärung von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wird gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 46/2017 S. 3482
HAAAG-61876